Olivgrüner Umweltschutz
Tarnung und Ablenkung spielen beim Militär eine wichtige Rolle, auch wenn es dabei um das eigene angebliche Umweltschutz-Engagement geht.
Glaubt man bestimmten Medien, so könnte unserer Umwelt überhaupt nichts Besseres passieren als eine Ausweitung militärischen Engagements. Wäre das Militär nicht ohnehin eine wunderbare Sache, so müsste man es schon um des Wohles der Tiere und Pflanzen und unseres so geschundenen Ökosystems willen erfinden. Schließlich finden sich in militärischen Sperrgebieten oft wahre Naturparadiese, gedeihen seltene Spezies. Auch die Zonengrenze zwischen DDR und BRD hatte bekanntlich ihr Gutes — wegen des Grünstreifens, der sich seither quer durch Deutschland zieht. Brauchen wir da nicht eigentlich neue Berliner Mauern und viel mehr militärische Sperrgebiete? Die Frage klingt absurd angesichts sichbarer Verwüstungen, die Kriege und Kriegsdienst, Pulverdampf, Sprengungen und radioaktiver Abfall immer wieder in intakten Landschaften hinterlassen. Dennoch und wider alle Vernunft betreiben Bundeswehr-Lobbyisten derzeit eine massive Greenwashing-Kampagne für die Profis politisch motivierter Zerstörung.
Das Militär als Retter der Umwelt. Das glauben Sie nicht? Lesen Sie die Zeit, dort steht es: „Wölfe leben lieber auf Militärgelände als in Naturschutzgebieten“, sogar belegt mit einer Studie. Lesen Sie in der Süddeutschen:
„Das Militär verwandelt ein riesiges Areal (…) in ein Naturjuwel.“
Oder hören Sie sich die Radiosendung des Bayerischen Rundfunks mit dem Titel „Himmel der Hirsche — Naturparadies Truppenübungsplatz Grafenwöhr“ an.
Zweifelsfrei muss man die in den Beiträgen genannten Naturschutzerfolge loben und anerkennen. Auch gibt es zahlreiche Dinge, die die Verwalter von zivilen Naturschutzgebieten lernen können. Allerdings suggerieren die Beiträge, dass Militarisierung und Umweltschutz quasi Hand in Hand gehen. Im Umkehrschluss würde das bedeuten: ohne Krieg kein Militär und ohne Militär keine unberührte Natur.
Erinnert das nicht ein wenig an das orwellsche Zitat „Krieg ist Frieden“?
Die oben genannten Beiträge sind ein hervorragendes Beispiel für den schmalen Grat zwischen ernstgemeintem militärischem Umweltschutz und berechneter PR-Strategie. Durch den Fokus der Beiträge auf ganz bestimmte lokale Ereignisse wird der eigentliche Sinn eines Militärgebiets nahezu ausgeblendet. Der Hauptsinn von Militärgebieten ist nämlich nicht der Naturschutz, sondern die Vorbereitung auf bewaffnete Konflikte in fernen Ländern. Während es beim Training noch Regeln gibt, eskaliert das Militär im echten Krieg teilweise völlig. Während Bomben fallen, Raketen fliegen und Chemikalien versprüht werden, denkt beim Militär niemand mehr an die dortige Umwelt. Die Umweltzerstörung wird — ähnlich wie in anderen globalisierten Bereichen — einfach outgesourct.
Der renommierte Ökologieprofessor Arthur Westing war einer der ersten Wissenschaftler, der die zerstörerischen Auswirkungen militärischer Handlungen auf die Natur untersucht hat. Am Beispiel des Indochina-Krieges verdeutlichte Westing 1975 erstmals die dramatischen ökologischen Folgen von Explosionen, Herbizid-Einsätzen und Waldrodungen im Zuge der US-Militärstrategie (1). Gegen Ende des Kalten Krieges erweiterte er sein Sichtfeld und verwies auch auf die negativen ökologischen Auswirkungen des Militärs in Friedenszeiten.
Dabei betonte Westing vor allem die umweltbelastende Position von Militärgebieten, inklusive der dort stattfindenden militärischen Übungen, (nuklearen) Waffentests und Kriegsvorbereitungen (2). Zur gleichen Zeit entdeckten Wissenschaftler, die sich mit Militärgebieten befassten, jedoch auch deren ökologische Vorteile. Französische Forscher beschrieben das Militär auf einmal als „proto-ökologisches Projekt“, und in den USA bekam das Militär den Titel „Beschützer der Wildnis“.
Durch ihren Status als Sperrgebiet können Militärgebiete durchaus als Schutzzonen für die ansässige Flora und Fauna vor zivil-kommerzieller Ausbeutung fungieren (3). Eine Funktion, die diesen Gebieten die Bezeichnung „a nation‘s most ironic nature park“ einbrachte (4).
Den neuen, umweltfreundlichen Anstrich konnte das westliche Militär gut gebrauchen. Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Fall der Sowjetunion fiel nämlich auch die Legitimation der USA und der NATO, ihre militärische Stärke und Präsenz aufrechtzuerhalten.
Zur Abwehr lautwerdender Kritik und zur Rechtfertigung ihrer nationalen und internationalen Militärgebiete implementierten die westlichen Mächte den neuen „militärischen Umweltschutz“ (englisch: military environmentalism) als Strategie im politischen Meinungsmanagement (5, 6, 7).
Eine Strategie, die Kritiker auch als „Greenwashing“ bezeichnen. Im Ursprung beschreibt der Begriff Greenwashing jene „PR-Maßnahmen, die eine Organisation, eine Aktivität oder ein Produkt umweltfreundlicher präsentieren“ (8). In Bezug auf das Militär liefert Greenwashing zudem einen entsprechenden Interpretationsrahmen, der das Militär und dessen Aktivitäten vor unerwünschter Aufmerksamkeit und Kritik schützt (9). Dabei ist die Grenze zwischen bewusst geplanten und zufälligen erfolgreich eingetretenen Greenwashing-Effekten äußerst unscharf. Aus diesem Grund soll im Folgenden ein Überblick zu den unterschiedlichen Techniken und Wirkungen von militärischem Greenwashing gegeben werden.
Militärischer Umweltschutz ist Greenwashing
Eine der engagiertesten WissenschaftlerInnen zu den Themen militärischer Umweltschutz und Greenwashing ist die Geographin Rachel Woodward. Im Jahr 2001 schuf sie die prägende Bezeichnung „khaki conservation“ (deutsch: khakifarbener Naturschutz) als Antwort auf den militärischen Umweltschutz des britischen Verteidigungsministeriums (Ministery of Defence, kurz: MoD) (10). Das MoD verpackt seine durchaus vorzeigbaren ökologischen Erfolge innerhalb dreier Diskurse, die allesamt von Woodward identifiziert und analysiert wurden.
Der erste Diskurs, den die Wissenschaftlerin dabei entdeckte, ist der „Krater als Lebensraum“-Diskurs. Laut Woodward verfolgt das MoD hiermit das zentrale Ziel, militärische Aktivitäten mit Umweltschutz gleichzusetzen. So werden zum Beispiel Artillerieschießübungen nicht als zerstörerisch, sondern als neutral oder gar schöpferisch gesehen, da hinterlassene Krater sehr gern von Insekten und Amphibien als neuer Lebensraum genutzt werden. Ähnlich wird beispielweise auf deutschen Übungsplätzen in Bezug auf Panzerspuren argumentiert. Dass am Ort des Kraters oder der Spuren vorher womöglich andere seltene Tiere oder Pflanzen standen, wird dabei komplett ignoriert. Hierdurch wird ein Bild geschaffen, welches das Militär als einen wichtigen und ganz natürlichen Bestandteil der lokalen Umwelt darstellt.
Am Ende entsteht so ein bizarres Szenario, in dem Kritik an militärischen Handlungen mit Kritik am Umweltschutz gleichgesetzt wird. Darüber hinaus können sich Umweltfreunde ungewollt zu Unterstützern stattfindender Militarisierung entwickeln.
Der zweite von Woodward analysierte Diskurs zielt auf das „paternalistische Landschaftsmanagement“. Hierbei entscheidet einzig und allein das Militär, welche Umweltschutzmaßnahmen auf seinen Gebieten notwendig sind. Unter der Prämisse „Army knows best“ stellt sich das Militär so dar, als wüsste es besser als die Natur selbst, was für diese am besten ist. In den Hintergrund rückt dabei die Tatsache, dass die Errichtung von Sperrzonen in erster Linie militärischen Zwecken dient. Der Schutz seltener Tiere und Pflanzen ist lediglich ein positives Nebenprodukt, da die zivilkommerzielle Nutzung ausgeschlossen wird.
Dennoch wird dieses Nebenprodukt schnell als Hauptprodukt vermarktet, wenn es darum geht, die Existenz des Militärgebietes zu rechtfertigen. Die militärische Präsenz wird ferner als direkte Ursache der zum Teil sehr reichhaltigen Biodiversität dargestellt. Ein Aspekt, der selbst in Deutschland von Förstern in Bezug auf Militärgebiete propagiert wird. In ihrem Artikel kritisiert Woodward diesen Aspekt zu Recht, da hierdurch der Eindruck entsteht, als wäre effektiver Umweltschutz nur mit einhergehender Militarisierung möglich.
Im letzten Diskurs wird dieses „Army knows best“ umgeformt in einen „administrativ-rationalen Umweltschutz“. Woodward argumentiert, dass sich das Militär hierbei selbst eine unantastbare Expertenrolle zuspricht. Das Ziel hiervon ist die Verteidigung eines eigennützigen Gebietsmanagements anstatt eines der Allgemeinheit zugutekommenden Umweltschutzes.
Vor diesem Hintergrund identifizierte Woodward eine genaue Vorgehensweise des britischen Militärs. Dabei ermächtigt sich das Militär zuerst zum Verwalter der „Ressource Umwelt“. Danach wird argumentiert, dass die Natur nicht sich selbst überlassen werden kann, da sie nicht imstande ist, sich nachhaltig weiterzuentwickeln. Im dritten Schritt werden zur Festigung dieser Position externe Experten engagiert, die der Bevölkerung erklären sollen, warum die Natur nur durch den Menschen — und insbesondere durch das Militär — verwaltet werden kann.
Diese eingekauften Experten sind gleichzeitig die Waffe, um Gegenargumente von Nicht-Experten abzuwehren und als wissenschaftlich nicht fundierte Meinungen verpuffen zu lassen.
Am Ende ihres Artikels wertet Woodward die Umweltschutzmaßnahmen des MoD als reines Greenwashing. In ihrem späteren Buch Military Geographies weist sie zudem darauf hin, dass die Zivilbevölkerung sich nicht von kleinen Effekten ablenken lassen soll, von denen lediglich einzelne, lokal bedrohte Arten betroffen sind. Stattdessen sollte die Zivilbevölkerung ihren Fokus auf das große Ganze richten sowie auf die weit verheerenderen, potenziellen Umweltzerstörungen, die das britische Militär in ferne Länder exportiert. Damit steht Woodward in einer Reihe mit militärkritischen Forschern wie Joni Seager, die bereits 1993 mahnte:
„Ob im Frieden oder im Krieg, Militärs sind die größte Gefahr für den ökologischen Wohlstand auf unserem Planeten“ (11).
Woodward zeigt mit ihrer kritischen Analyse sehr eindrucksvoll die Greenwashing-Techniken des MoD. Durch ihren Artikel lieferte die Wissenschaftlerin einen wichtigen Beitrag gegen die erstarkenden militärischen Umweltschützer und etablierte gleichzeitig das Forschungsgebiet der kritischen Analyse von Militärgebieten. Auffällig bei Woodwards Analyse ist allerdings die Tatsache, dass sie das Verhältnis zwischen Militär und Umwelt recht pauschal auf ein rein zerstörerisches reduziert. Dabei vernachlässigt sie die durchaus existierenden wechselseitigen Beziehungen zwischen Militär, Umwelt und lokaler Bevölkerung. Das Ausmaß der Zerstörung sowie die Reaktion der öffentlichen Meinung können zum Beispiel stark von nationalen Kriegserfahrungen, verfügbarem Platz, ökonomischen Verflechtungen und alltäglichen, interpersonellen Verbindungen abhängen. Hierdurch entwickelt sich das Verhältnis zwischen Militär, Umwelt und Bevölkerung zu einer weitaus komplexeren Angelegenheit.
Doch alles nicht so einfach?
Ein Artikel, der sich der Untersuchung „der komplexen Beziehung zwischen Militär, Zivilisten und Nicht-Menschen“ auf militärischen Gebieten widmet, kommt von der Forschergruppe um Peter Coates (12). Im Gegensatz zu Woodward konzentrierten sich die Forscher im Jahr 2011 auf historisch gewachsene Einzeleffekte und widersprachen Woodwards Pauschalurteil, militärischer Umweltschutz sei Greenwashing. Im Zuge dessen konzentrierten sich Coates et alii auf empirische Fallstudien von Militärgebieten in den USA, Frankreich und Großbritannien im Zeitraum 1940 bis 2010. Dabei begannen die Forscher bei der steigenden Militarisierung zwischen den 1940er- und 1970er-Jahren, ausgelöst durch den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg. In allen drei Ländern ging diese Militarisierung mit Zwangsenteignungen und massiven Landschaftseingriffen einher.
Vergleicht man die drei untersuchten Länder, dann zeigt sich deutlich, dass der vorhandene Platz, die gemeinsame Geschichte und wirtschaftliche Kooperationen zwischen Militär und Zivilbevölkerung bedeutende Einflussfaktoren darstellten. In den USA waren lokale Anwohner teilweise stolz darauf, ihrem Land in Kriegszeiten zu helfen, und Gemeindevertreter waren froh über einen „Boost“ für die lokale Wirtschaft. Niemand dachte dabei an die Umwelt. Die Umsiedlung der lokalen Anwohner war kaum ein Problem. Die Gründe hierfür waren ihre schwache geschichtliche Verbundenheit mit ihrem Heimatort sowie der ausreichend verfügbare Platz, auf den sie ausweichen konnten.
In Großbritannien und Frankreich allerdings sorgte die Militarisierung sehr wohl für Unmut und Proteste — insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Leute hatten genug von Krieg und Militär. Dabei verbündeten sich Umweltgruppen mit anderen politischen Protestbewegungen wie Nationalisten, Atomkraftgegnern und Friedensaktivisten. Dieser Verbund sorgte unter anderem dafür, dass lokale Probleme teils auf eine globale Ebene übertragen wurden. So wurde beispielweise die Umweltzerstörung durch englisches Militär in Wales mit Vorfällen im ersten Golfkrieg verbunden. Hierdurch rückte nun auch die britische Außenpolitik ins Zentrum der Kritik.
Abwehr und Ablenkung dieser Proteste verlangten vom Militär der drei Länder ein geschicktes Vorgehen. Das Mittel der Wahl war unter anderem das militärische Greenwashing. Basierend auf den Erkenntnissen von Coates et alii wird allerdings deutlich, dass dieses Greenwashing nicht immer seinen Ursprung in einer gezielt geplanten Strategie hat. Auch im Artikel von Coates und seiner Forschergruppe ist festzustellen, dass die offiziellen Autoritäten der drei untersuchten Länder sich bemühten, das Militär als „führenden Ökologen“ ihres Landes aufzubauen. Daneben können im Artikel jedoch noch drei weitere, viel subtiler wirkende Elemente festgestellt werden, bei denen Vorsatz nur schwer nachzuweisen ist.
Das erste wichtige Element ist dabei die Sozialisierung des Militärgebietsleiters. Seine Einstellung zu Umweltfragen kann sich essenziell auf die Umweltpolitik des Militärgebiets auswirken. Als Beispiel nennen die Forscher Colonel Roger Hayes. Der als Sohn von Landwirten aufgewachsene Hayes war der erste, der beispielsweise ein Umweltschutzprogramm auf dem Sennybridge Training Area in Wales einführte, um den Schaden an der umliegenden Natur zu begrenzen. Dass Hayes gezielt aufgrund seiner naturnahen Sozialisierung als Gebietsleiter eingesetzt wurde, kann nicht belegt werden.
Dieses erste Element relativiert auf den ersten Blick das pauschale Bild Woodwards vom ausschließlich zerstörerischen Militär, das Umweltschutz nur als Vorwand betreibt. Auf den zweiten Blick aber muss beachtet werden, dass ein Militärgebietsleiter nur seine unmittelbare Umgebung, sprich sein abgesperrtes Gebiet und dessen Kontaktpunkte mit der Außenwelt, im Blick hat. Die potenziellen Folgen seiner Handlungen für Ökosysteme in fremden Regionen werden ausgeblendet. Hinzu kommt, dass der Militärgebietsleiters nur ein Glied in einer Befehlskette ist und seine Unabhängigkeit bei den durch das Verteidigungsministerium verordneten Regeln und Anweisungen endet.
Im Ernstfall steht der militärische Erfolg über dem Umweltschutz.
Das zweite von Coates et alii beschriebene Element umfasst den Einsatz lokal stationierter Soldaten als aktive Umweltschützer. Ein Beispiel dafür ist der Artillerieübungsplatz Mynydd Epynt in Wales. Hier bekommen Soldaten im Zuge ihres Trainings die Aufgabe, die Nester der seltenen Rotmilane zu beobachten und zu beschützen. Rotmilane sind für die Region von großer Bedeutung und gleichzeitig Identifikationsobjekt des Militärgebiets. Durch das Training stärken die Soldaten nicht nur ihre Fähigkeiten, sondern auch ihre Verbindung zur lokalen Natur sowie ihre Akzeptanz bei der lokalen Bevölkerung. Eine regelrechte Win-Win-Win-Situation für Militär, Umwelt und Zivilbevölkerung.
Eine gezielte Greenwashing-Strategie ist hier schwierig zu erkennen, da die positiven Auswirkungen auf Natur und Bevölkerung eher Nebenprodukte des Soldatentrainings sind. Diese Auswirkungen helfen jedoch dabei zu vergessen, dass das Training eigentlich dem militärischen Ernstfall dient. Dieser Ernstfall gilt im Falle Großbritanniens, aber auch der USA und Frankreichs nicht nur der Verteidigung.
Die Opfer der zahlreichen, teils illegalen Angriffe auf Länder wie Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien und die dortigen Zerstörungen können durch paar geschützte Rotmilane in Wales schwerlich aufgewogen werden.
Das letzte Element knüpft an die Entwicklung einer stärkeren Beziehung zwischen Militär und Bevölkerung an. Im Zuge eines — durch Woodward bereits bekannten — paternalistischen Landmanagements öffnet das Militär durchaus seine Sperrgebiete für ausgewählte benachbarte Bauern. Unter strengen Auflagen dürfen die Bauern ihre Schafe und Kühe auf dem Militärgebiet grasen lassen, wodurch sich das Militär die Kosten für den Unterhalt spart. Des Weiteren werden militärisch-zivile Umweltprogramme gezielt gefördert. Dabei arbeiten lokale Freiwillige, Umweltgruppen und Militärpersonal zusammen, um die Umweltbedingungen auf dem Militärgebiet weiter zu verbessern. Auf den ersten Blick eine erneute Win-Win-Win-Situation.
Auf den zweiten Blick allerdings wird eine bizarre Situation deutlich, in der zwar alle Parteien nach dem Erhalt unberührter Natur streben, jedoch gleichzeitig unterschiedliche Endnutzungsvorstellungen haben. Während das Militär unberührte Natur für realistisches Training und zur optimalen Vorbereitung benötigt, streben Umweltfreunde nach einem der Allgemeinheit zugutekommenden, nachhaltigen Erhalt der Natur. Die durchaus positiven lokalen Maßnahmen und Ergebnisse verstärken dabei jedoch unbewusst die öffentliche Akzeptanz gegenüber fortschreitender Militarisierung. Darum ist es — laut Coates et alii — keine Seltenheit, dass ehemalige Militärkritiker plötzlich zu Unterstützern militärischen Umweltschutzes werden, wodurch sie indirekt eine potenzielle Umweltzerstörung fremder Ökosysteme in Kauf nehmen oder sogar unterstützen.
Obwohl Coates und seine Forschergruppe in ihrem Artikel hauptsächlich die Komplexität der zum Teil historisch gewachsenen Beziehungen aufzeigen wollten, haben sie gleichzeitig eine Reihe von subtil wirkenden Greenwashing-Elementen präsentiert. Abgeleitet vom Artikel und in Ergänzung zu Woodward kann gesagt werden, dass die Einbettung von Kritikern und der lokalen Zivilbevölkerung eine weitere erfolgreiche Greenwashing-Technik sein kann.
Dadurch, dass das Militär seinen Kritikern die Möglichkeit gibt, ihre lokalen Umweltprojekte zu verwirklichen, lenkt es sie erfolgreich vom Blick auf das große Ganze ab.
Hierdurch verschwimmt die Widersprüchlichkeit zwischen dem Schutz der heimatlichen Umwelt und der gleichzeitigen Unterstützung bei der potenziellen Zerstörung fremder Ökosysteme. Da wichtige Teile der lokalen Bevölkerung bereits unbewusst Teil der neuen grünen Seite des Militärs sind, muss das Militär zudem weniger Überzeugungsarbeit leisten. Eine subtile Softpower-Strategie, die laut Rainer Mausfeld wesentlich günstiger und nachhaltiger ist als langwierige öffentliche Debatten und Kampagnen (13). Durch den Einsatz dieser Strategie kann außerdem die Wahrnehmung von Umwelteinflüssen und Greenwashing-Maßnahmen des eigenen Militärs in fremden Ländern verhindert werden.
Tarnung statt Angriff
Doch nicht immer ist das Militär bestrebt, seine Umweltschutzmaßnahmen in den Vordergrund zu stellen oder lautstark zu vermarkten. Dies könnte nämlich die breite Öffentlichkeit erst auf die Idee bringen, dass das Militär überhaupt Auswirkungen auf die Umwelt hat — und damit womöglich auf die menschliche Gesundheit.
Der Autor dieses Artikels konnte jene Tarnstrategie des Militärs bereits in einem früheren Rubikon-Artikel über die Air Base Ramstein feststellen. In diesem Artikel wird deutlich, welch eine Gefahr die Air Base für die lokale Umwelt bedeutet. Aufgrund jährlich tausendfacher Flugbewegungen sind die Anwohner regelmäßig einem nachweislich schädlichen Cocktail aus Lärm, Feinstaub, Chemikalien und Schwermetallen ausgesetzt.
Die Abwehrstrategie der Air Base und ihrer Befürworter zu diesen Themen umfasst in erster Linie eingraben und tarnen. Umweltmaßnahmen werden nicht lautstark beworben, und unerwünschte Kritik wird so lange wie möglich kleingehalten oder totgeschwiegen. Dabei verfügt die Air Base durchaus über ein eigenes Umweltschutzprogramm. Allerdings ist dieses Programm hauptsächlich auf die Bedürfnisse der Air Base zugeschnitten und endet damit am Sicherheitszaun. Die Auswirkungen der zahlreich startenden und landenden Flugzeuge auf die angrenzenden Natur- und Wohngebiete werden nicht berücksichtigt. Eine ausgiebige Kommunikation dieses Programms nach außen erfolgt ebenso wenig.
Dennoch steigen die Sorgen und Ängste der Anwohner, und ihre Proteste nehmen zu. Aufgrund weitläufig fehlender Felduntersuchungen rundum die Air Base sowie mangelnder Unterstützung für gesundheitliche Langzeitstudien wird es den protestierenden Anwohnern schwergemacht, ihre Argumente wissenschaftlich zu untermauern. Die im Zuge dessen erfolgende Deklaration von Fakten als Meinungen, indem unabhängige Untersuchungen blockiert oder nur unzureichend durchgeführt werden, ist dabei offensichtlich die Kernstrategie der Offiziellen.
Wird der öffentliche Druck dennoch einmal zu groß, werden den Protestierenden halbherzige behördliche Umweltuntersuchungen entgegengestellt. Ein Beispiel hierfür ist die Untersuchung des deutschen Umweltbundesamts, die das Ablassen von Flugzeugkerosin vor einer Landung als gesundheitlich unbedenklich deklariert. Ein genauer Blick in die Untersuchung zeigt jedoch, dass es sich bei dieser um eine reine Simulation handelt, die nur einzeln ausgewählte Parameter berücksichtigt. Die tatsächliche Situation, also die Realität, wird jedoch in keiner Weise widergespiegelt. Dennoch hält das Militär eine quasi wissenschaftliche Untersuchung in der Hand, die den Unmut der breiten Öffentlichkeit zeitweilig ablenkt.
Zusammenfassung
Das Ziel dieses Artikels war es, einen Überblick über die Techniken und die Wirkung militärischen Greenwashings in Bezug auf Militärgebiete zu geben. Basierend auf den dargestellten Ergebnissen wird deutlich, dass das militärische Greenwashing im Wesentlichen die folgenden sechs Techniken zum Meinungs- und Aufstandsmanagement umfasst:
- Darstellung des Militärs als natürliches Objekt, das ganz selbstverständlich zur Landschaft einer Region dazugehört.
- Darstellung militärischer Aktivitäten als schöpferisches Element. Beispiel: Durch die Erzeugung von Kratern im Zuge einer Artillerieschießübung wird neuer Lebensraum für Amphibien geschaffen.
- Darstellung der militärischen Präsenz in einer Region als direkte Ursache für unberührte Natur und eine ausgeprägte Artenvielfalt. Ohne Militarisierung keine freie Natur. Beispiel: Schutz seltener Rotmilane im Zuge militärischen Spähtrainings.
- Darstellung des Militärs als unangefochtener Experte in Sachen Umweltschutz, der die Natur besser kennt als die Natur sich selbst. Hierdurch werden alle Fakten von Nicht-Experten als Meinungen oder Empfindungen abgewertet.
- Ablenkung zu stark werdender öffentlicher Kritik durch die Erstellung lückenhafter Untersuchungen oder durch den Verweis auf fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse bei gleichzeitiger Verhinderung unabhängiger wissenschaftlicher Untersuchungen.
- Einbettung der lokalen Bevölkerung und (potenzieller) Kritiker in militärisch-zivile Umweltprojekte auf dem Militärgebiet. Hieraus folgt eine subtile Umwandlung von Militärkritikern zu Militärunterstützern sowie die schleichende Verwischung der Widersprüchlichkeit zwischen heimatlichem Umweltschutz und der gleichzeitigen Unterstützung bei der potenziellen Zerstörung fremder Ökosysteme.
Da das Forschungsgebiet des militärischen Umweltschutzes beziehungsweise des militärischen Greenwashings noch recht jung ist, erhebt diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zudem kann nicht immer zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass die Umweltschutzmaßnahmen eines Militärgebietes automatisch einer geplanten Greenwashing-Strategie entspringen. Teilweise handelt es sich auch ganz einfach um Eigennutz, um die Lebensqualität der auf dem Militärgebiet lebenden Menschen zu erhöhen, die Trainingsumstände zu erhalten und zu verbessern oder aus menschlicher Sicht eine gute und vor allem ruhige Beziehung zu den umliegenden Anwohnern zu pflegen.
Dennoch dürfen die teils lobenswerten Umweltschutzergebnisse militärischer Gebiete nicht über deren eigentlichen Sinn und Zweck hinwegtäuschen. Die in fremden Ländern generierten Opfer als potenzielle Folge militärischer Vorbereitungen auf heimischen Militärgebieten dürfen nicht durch ein paar wenige gerettete heimische Arten verdeckt oder aufgewogen werden. Eine Aufgabe, die von der Zivilbevölkerung stets höchste Wachsamkeit und Rationalität verlangt.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Vergleiche Westing, Arthur, 1975. Environmental Consequences of the Second Indochina War: A Case Study. Ambio, 4(5/6), 216–222, abgerufen unter https://www.jstor.org/stable/4312150
(2) Vergleiche Westing, Arthur, 1992. Protected Natural Areas and the Military. Environmental Conservation, 19(4), 343-348, abgerufen unter www.jstor.org/stable/44518757
(3) Vergleiche Doxford, David, & Hill, Tony, 1998. Land Use for Military Training in the UK: The Current Situation, Likely Developments and Possible Alternatives. Journal of Environmental Planning and Management, 41(3), 279–297. DOI: 10.1080/09640569811597
(4) Dudley, Marianna, 2012. An environmental history of the Uk Defence Estate, 1945 to the present. London: Bloomsbury Academic. 12
(5) Vergleiche Ross, Andrew, 1996. The future is a risky business. The Ecologist, 26(2), 42 folgende
(6) Vergleiche Coulson, Martin, 2001. NATO-CCMS Achievements in Defence-Related Environmental Studies 1980-2001. Report No. A-2001/02. North Atlantic Treaty Organization. https://www.nato.int/science/publication/coul/coul-report.pdf
(7) Vergleiche Risso, Linda, 2016. NATO and the Environment: The Committee on the Challenges of Modern Society. Contemporary European History, 25(3), 505–535. DOI: 10.1017/s0960777316000187
(8) Vergleiche Greer, Jed, & Bruno, Kenny, 1996. Greenwash: the reality behind corporate environmentalism. Penang: Third World Network.
(9) Vergleiche Harris, Peter, 2015. Militarism in Environmental Disguise: The Greenwashing of an Overseas Military Base. International Political Sociology, 9(1), 19–36. DOI: 10.1111/ips.12074
(10) Vergleiche Woodward, Rachel, 2001. Khaki conservation: an examination of military environmentalist discourses in the British Army. Journal of Rural Studies, 17(2), 201–217. DOI: 10.1016/s0743-0167(00)00049-8
(11) Vergleiche Seager, Joni, 1993. Earth Follies: Feminism, Politics and the Environment. London: Earthscan Publications Limited.
(12) Vergleiche Coates, Peter, Cole, Tim, Dudley, Marianna, & Pearson, Chris, 2011. Defending Nation, Defending Nature? Militarized Landscapes and Military Environmentalism in Britain, France, and the United States. Environmental History, 16(3), 456–491. DOI: 10.1093/envhis/emr038
(13) Vergleiche Mausfeld, Rainer, 2019. Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören. Frankfurt/Main: Westend.