Ohne Worte

Weil Bilder bekanntermaßen mehr als tausend Worte sagen, hat Manova nun inmitten der vielfältigen Artikelbeiträge auch etwas für das Auge — unsere Karikatur-Reihe, die visuell für sich spricht und deswegen auch so heißt: „Ohne Worte“.

Mit dem geschriebenen Wort streben Autoren nach Vereindeutigung. Zumindest dann, wenn es sich nicht gerade um Poesie handelt. In Sachartikeln, und aus diesen besteht nahezu unser gesamtes Textangebot, werden die Worte dergestalt gewählt, dass die Botschaft so genau und unmissverständlich wie nur möglich transportiert wird. Dabei ist kaum eine Sprache so präzise wie das Deutsche. Und dennoch — auch im Deutschen lassen sich Ambiguitäten nicht gänzlich vermeiden. Es bleibt immer ein Raum zwischen den Zeilen offen, der verschiedene Interpretationen zulässt. Ludwig Wittgenstein sprach davon, dass die Grenze der eigenen Welt die Grenze der Sprache sei. Von einer Grenzenlosigkeit sprach er nie. Jede Sprache, ganz gleich wie haargenau das mit ihr Gesagte zum Ausdruck gebracht wird, egal wie durchdacht die Wahl der Begriffe ist — irgendwann, irgendwo kommt die Grenze. Dort beginnt der Bereich, da Begriffe nicht mehr genügen, um zu begreifen. Während die Sprache dazu genutzt wird, diesen Bereich möglichst klein zu halten, geben wir ihm bei Manova nun einen Extraraum.

Seit Anfang dieses Jahres haben wir unsere Karikatur-Rubrik, die „ohne Worte“ auskommt und deswegen auch so heißt. Woche für Woche zaubert die Karikaturistin Betina Ovalle eine neue Zeichnung auf Papier und letztlich auf unsere Startseite. Lesern unseres Printmagazins Gegendruck ist sie bereits bekannt. In Ausgabe 2 schuf sie inmitten der langen Textfelder visuelle Oasen, die dem gedruckten Wort optisch Nachdruck verliehen. Und so sind ihre allwöchentlichen Zeichnungen ohne Worte stets ein ungeschönter Spiegel des gegenwärtigen technokratisch-totalitären Zeitgeists.

Es sind wortlose Botschaften aus dem Bleistift, die den Betrachter zum Verweilen und Reflektieren einladen. In Zeiten artifizieller, herz- und geistloser Massenvisualisierung durch Text-to-Picture-KI-Programme hält Ovalle die am Zeichenstift befestigte Fahne der altehrwürdigen Karikaturkunst hoch, die im Gegenwind besonders prachtvoll weht. Sie zeigt uns mit ihren Bildern, dass echte, das heißt menschengemachte, visuelle Botschaften mehr sind als ein paar hingeworfene „Prompts“, aus denen KI-Systeme dann ein Bild errechnen.

Ovalles Zeichenlinien führen über Pfade, die einer Maschinenintelligenz unzugänglich sind. Das zeigt jedes ihrer Endergebnisse untrüglich. Und so laden wir Sie, liebe Betrachterinnen und Betrachter, herzlich dazu ein, die Karikaturen auf Ihren Kanälen zu teilen. Social Media ist vollgestopft mit Inhalten, bei denen jeder um das letzte Wort ringt. Hier darf ruhig auch mal Platz sein für das, was sich inhaltlich jenseits von A bis Z bewegt und dennoch alles sagt: ohne Worte.


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