Ohne Waffen im Krieg
Im Manova-Exklusivgespräch erklärt Andrea Phoebe Regelmann, wie eine Gemeinschaft in Kolumbien seit 27 Jahren friedlichen Widerstand im gefährlichen Konfliktgebiet leistet.
Wer heutzutage pazifistische Ansichten vertritt, bekommt oft den Vorwurf, naiv zu sein oder sich nicht für die Angegriffenen zu interessieren. Wer selbst nie Waffengewalt erlebt hat, kann dazu vielleicht auch wenig Überzeugendes sagen. Eine Friedensgemeinschaft in Kolumbien leistet inmitten brutalster Gewalt durch Paramilitär, Militär und Guerilla unter schwierigsten Bedingungen seit fast 27 Jahren friedlichen Widerstand. Darüber sprach Elisa Gratias mit Andrea Phoebe Regelmann, einer engen Freundin der kolumbianischen Friedensgemeinschaft.
In Kolumbien tyrannisieren seit über 50 Jahren verschiedene bewaffnete Gruppen die Bevölkerung. 2016 wurde ein Friedensvertrag geschlossen, wodurch vor allem die Kämpfer der Guerilla Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo (FARC-EP) die Waffen abgaben.
„Nach dem Abzug ist ein Machtvakuum entstanden, das der Staat nie füllte. Neue Gruppen kämpfen um die Vormachtstellung, wie die kleinere ELN-Guerilla, rechte Paramilitärs , Verbrechersyndikate, die mit mexikanischen Drogenkartellen verbunden sind, aber auch ehemalige FARC-Kämpfer, die sich wieder be- oder nie entwaffnet haben“ (1).
Nach mehreren Massakern und der Flucht der meisten Einwohner aus der kleinen Stadt San José de Apartadó im Nordwesten Kolumbiens erklärte sich eine Gruppe von Zurückgebliebenen am 23. März 1997 offiziell zu einer Friedensgemeinschaft, wodurch sie sich Respekt, Schutz und die Möglichkeit erhofften, ihr Land nicht verlassen zu müssen (2).
Die Strategie ging nicht auf, und einige von ihnen wurden kurz darauf ermordet, der Rest bedroht und vertrieben. Alle, die noch fliehen konnten, fanden sich an einem Flussweiler in der Nähe zusammen und leisten dort bis heute friedlichen Widerstand, indem sie auf hohe ethische Werte (3) setzen und sich national und international vernetzt und für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht haben (4).
Obwohl im Laufe all dieser Jahre 400 Mitglieder der Gemeinschaft, darunter auch Frauen und Kinder, brutal ermordet wurden, sind sie ihrem Ideal der Gewaltfreiheit treu geblieben und sehen in ihrem Widerstand den Schritt zu einer neuen Art des friedlichen Zusammenlebens von Menschen.
Andrea Phoebe Regelmann reist seit 2005 regelmäßig zur Friedensgemeinschaft von San José und pflegt eine tiefe Freundschaft mit den Menschen dort. Sie unterstützt sie als Krankenschwester im medizinischen und sozialen Bereich sowie bei der Traumabewältigung und begleitet die Leiter der Friedensgemeinschaft zu ihrem Schutz immer wieder in der Öffentlichkeit. Im Gespräch mit Manova erklärt sie, wie Menschen in Europa und die Friedensgemeinschaft in Kolumbien sich gegenseitig in ihrem gemeinsamen Anliegen für eine friedliche Welt unterstützen können. Trotz aller Gewalt lernte sie ausgerechnet dort, wie stark die Kraft von Lebensfreude ist:
„Als Friedensgemeinschaft bekräftigen wir unsere ethischen und moralischen Grundsätze, um inmitten des Todes weiterhin Räume des Lebens zu schaffen“ (5).