Nur die Kohle zählt
Wer der „Kohlekommission“ unsere Umwelt anvertraut, macht den Bock zum Gärtner.
Ende Januar hat die sogenannte Kohlekommission einen Kompromiss geschlossen, der vor allem die Bergbauunternehmer zufriedengestellt hat. Ein entschlossener Kampf gegen den Klimawandel sieht anders aus. Dafür war die Kommission jedoch auch gar nicht gegründet worden.
„Der Einstieg in den Ausstieg ist gemacht.“ So vermeldete es die dpa anlässlich der Präsentation der Ergebnisse, auf welche sich die Kohlekommission in langen Debatten geeinigt hat. Darin bemüht sie Floskeln, die stets herangezogen werden, um absolute Untätigkeit mit dem Deckmantel des Aktionismus zu kaschieren.
Die Kohlekommission, die nun länger als ein halbes Jahr tagte, hat nämlich den Kohleausstieg für das Jahr 2038 beschlossen. Dann sollen die letzten Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Um den Gefahren des Klimawandels zu begegnen, reicht das jedoch keineswegs aus. Dieser langsame Ausstieg ist der Dringlichkeit der Situation in keiner Weise angemessen.
Das jedoch war von Anfang an abzusehen. Denn die Kommission für „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ trägt ihre Unfähigkeit schon im Namen. Gerade der Wahn des ständigen Wachstums sowie der andauernden Beschäftigung hat Klimawandel und Umweltzerstörung überhaupt erst hervorgebracht. Diese mit denselben Mitteln bekämpfen zu wollen, ist nicht nur unmöglich, sondern geradezu wahnsinnig. Mit der Fixierung auf diese „Werte“ hat die Kommission von Anfang an jede Möglichkeit auf einen vernünftigen Strukturwandel im Keim erstickt.
Wieder einmal wird versucht, die durch das kapitalistische System verursachten Schäden durch eben jenes System zu beheben oder zumindest für die Zukunft abzuschwächen. Auf diese Weise wird jede Lösung den Zwängen dieses Systems unterworfen, obwohl immer deutlicher wird, dass dies nicht funktioniert.
Immerhin lenkte die Kommission ein, dass ein Erhalt des Hambacher Forstes „wünschenswert“ sei. Alles kann, nichts muss, ein Fest der Unverbindlichkeit für die Energieunternehmen, denen noch weitere 18 Jahre saftige Gewinne winken. Zudem soll der Kohleausstieg den Bund 40 Milliarden Euro kosten , die den jeweiligen Bundesländern zur Verfügung stehen sollen, Geld, welches wahrscheinlich hauptsächlich in die Entschädigung von Unternehmen fließen, den vom Strukturwandel betroffenen Arbeitern jedoch kaum zugute kommen wird.
Denn, so sagte der Chef von RWE, Rolf Martin Schmitz, der Süddeutschen, der Ausstieg 2038 sei dem Konzern viel zu früh. Daher wird, das ist jetzt schon abzusehen, dieser eine Schadenersatzklage gegen die Bundesrepublik einreichen, sollten die Ergebnisse der Kohlekommission tatsächlich übernommen werden.
Der Chef der Bergbaugewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, spricht hingegen von einem ordentlichen Ergebnis, das dazu beitrage, die Klimaziele zu erreichen, zu denen sich die Bundesregierung verpflichtet hat. Diese Aussage ist jedoch mehr als fragwürdig, denn der für ein Erreichen des in Paris festgelegten Zieles, die Erwärmung auf unter 1,5 ° C zu begrenzen, haben Umweltorganisationen einen Kohleausstieg bis 2030 angemahnt. Der Kohleausstieg ist zudem nur ein Aspekt des dringend benötigten Wandels für einen effektiven Schutz vor einem zu starken Klimawandel. Wenn gleichzeitig nicht der Flugverkehr eingedämmt, die Fleischproduktion gesenkt, die industrielle Landwirtschaft durch eine nachhaltige sowie eine Verkehrswende eingeläutet werden, ist der Kohleausstieg reine Symbolpolitik.
Doch wird der Ausstieg aus der Kohle genutzt, um von anderem, ebenso dringendem Handlungsbedarf abzulenken. Wieder einmal geht es nur um wirtschaftliche Interessen, nicht um die Umwelt, nicht um die Menschen. Dies zeigt sich auch darin, dass bei der Aushandlung dieses Kompromisses wirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden. Zuerst dürfen Konzerne wie RWE jahrzehntelang die Umwelt zerstören und müssen am Ende nicht einmal für die Folgen ihres Wirtschaftens bezahlen, sondern werden sogar noch mit einem seichten „Ausstieg“ belohnt und monetär „entschädigt“.
Dass dieser Ausstieg wirklich bis 2038 über die Bühne geht, bleibt jedoch nach wie vor fraglich. Zum einen wurde für das Jahr 2032 ein Revisionstermin anberaumt, an dem überprüft werden soll, ob die Ziele umsetzbar sind. Hier lässt man sich zumindest die Option, den Ausstieg schon bis 2035 zu vollziehen. Zum anderen liefert die Kohlekommission jedoch lediglich Vorschläge. Entscheiden muss letztlich die Bundesregierung, und ob diese sich an die Vorschläge hält, steht noch in den Sternen.
Doch selbst wenn der Ausstieg bis 2038 kommt, so ist und bleibt diese Maßnahme doch zu wenig und kommt zu spät. Längst schon ist der Klimawandel in vollem Gange, die Umweltzerstörung wird auch bis zum Jahre 2038 erst einmal ungestört weitergehen, weitere Schadstoffe werden in die Luft geblasen und belasten so Mensch und Natur. Diese spielen in der kühlen Kalkulation jedoch keinerlei Rolle. Hier geht es einzig um wirtschaftliche Interessen, und so ist es auch nichts anderes als Heuchelei, wenn die Interessen der Arbeiter vorgeschoben werden, sobald man sich für den sofortigen Kohleausstieg ausspricht.
Damit wird deutlich, dass dieses System unfähig ist, zukunftsfähige Lösungen zu erarbeiten. Da nur solche Vorschläge erarbeitet werden, die sich am Ende rechnen — und zwar nicht für die Gemeinschaft, sondern für Einzelne — und somit Umwelt- und Klimaschutz dem Wachstumswahn unterworfen werden. So werden die grundlegenden Tendenzen des zerstörerischen Kapitalismus höchstens noch verstärkt.
Das jetzige System ist unfähig, auf die drohende Auslöschung der meisten Spezies dieses Planeten angemessen zu reagieren. Was wir daher brauchen, ist ein vollkommen neues System.