Nicht zu fassen

Im Interview mit dem russischen Philosophen Andrej Safonow wird uns Russland in seinen politischen Widersprüchen wie in seiner philosophischen Tiefe näher gebracht.

Es gibt vielleicht Themenfelder, die man mit wenigen hingeworfenen Pinselstrichen zeichnen kann — Russland gehört gewiss nicht dazu. Dieses Land fasziniert durch seine Weite und unauslotbare Tiefe. Glaubt man, es auf bestimmte Eigenschaften festnageln zu können, zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass auch das Gegenteil mitunter zutrifft. Dies gilt unter anderem auch für den Gegensatz von wissenschaftlichem Rationalismus und Spiritualität. Der Philosoph Andrej Anatolijewitsch Safonow ist in beiden Welten zu Hause — und noch in einigen anderen. Da Russland im Westen noch immer gern als „Feindesland“ dargestellt wird, ist es wohltuend, eine persönliche Geschichte zu lesen, die sich überwiegend nicht um die im Westen wichtig erscheinenden politischen Fragen dreht. Da Andrej Safonow mit seinem politischen und kulturellen Hintergrund eine sehr prägnante Persönlichkeit ist, wird schnell klar, dass er nicht einfach durch die Zugehörigkeit zum Kollektiv „die Russen“ erklärt werden kann. Dennoch erfährt man in diesem Interview eine Reihe von Details über das Land. Philosophie, Spiritualität, sogar Mathematik werden berührt. So wird ein weiteres Puzzlesteinchen zum Bild dieser großen Nation hinzugefügt.

„Russland bleibt transzendent und ist für das moderne Denken und Fühlen im Westen mit den dortigen Worten nicht zu fassen.“

Das hatte provozierend Professor Wladimir Gilmanow (2) von der Kaliningrader Kant-Universität gemeint, als er mir die Bekanntschaft mit jüngeren russischen Philosophen empfahl und den Kontakt zu Andrej Safonow herstellte. Wie kann es gelingen, Russland zu verstehen? Es wurde daraus eine mehrmonatige Erkundung und dieses Gespräch.

Zu unserem ersten Treffen im August 2024 kam Andrej mit einer großen Gitarre auf der Schulter und abgesehen vom Bart ganz unakademisch in Bluejeans. Er ist 38 Jahre alt, Magister der Philosophie, Lehrer an der Föderalen Immanuel-Kant-Universität Kaliningrad und engagiert sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter dort für die „Vereinte Bewegung Russische Philosophie“.

Er brachte ein Buch mit (3). Auf dem Umschlag die Sixtinische Madonna und als Titel in griechischer Schrift das magische „πλήρωμα“ (Pleroma), dieses Wort aus der griechischen Fassung des Neuen Testaments, das die lichtvolle Fülle alles Guten umfasst, das wir als Mensch noch erkennen können. Ich musste mich kneifen, glaubt mir keiner zu Hause: Da kommt ein Mensch so ganz heutig, gibt seinem ersten Buch einen so altertümlichen und zugleich anspruchsvollen Titel und spricht von seiner persönlichen Sehnsucht nach Büchern, nach Erkenntnis, nach Liebe und Gotteserfahrung. Und für seinen neben ihm sitzenden Freund und Kommilitonen Ilja Spesiwzjew ist dies die selbstverständlichste Sache der Welt. Eine erste Lehre: Wissenschaft und religiöses Gefühl bilden eine Einheit und sind in Russland anerkannte Wege der Erkenntnis.

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Abb. 1: Unser Kennenlernen auf dem Hof des Tolstoi-Hostel in Kaliningrad, Foto: Nicoletta Alexandrowna Koroljowa, August 2024


Und doch gründen sich unsere Gesellschaften beide auf dem Kapitalismus, auf materielle Werte.

Iris Berndt: Wie aktuell sind vor diesem Hintergrund Fragen wie die Suche nach Gott?

Andrej Anatolijewitsch Safonow: Das ist eine interessante Frage.

In Russland herrscht in der Tat Kapitalismus, aber viele Menschen denken weiter und nicht nur materialistisch, sie suchen nach dem Göttlichen, das ist die Wahrheit und das Schöne, Liebe und Sinn.

Als ich vorhin mit Ilya kam, trat zu uns ein unbekannter Mensch und begann über seine Gedanken über das Leben zu sprechen. Dabei war es ein ganz einfacher Mensch, kein Philosoph. So etwas ist ganz normal bei uns. Ein Freund von mir hat in seinem Haus so etwas wie ein Kreativlabor organisiert, in dem Kaliningrader Künstler, Dichter und Musiker zusammenkommen, weil wir alle nach mehr als nur materiellen Dingen suchen.

Vielleicht ist dies eine Quelle der russischen Offenheit und Herzlichkeit, von der eigentlich alle Russland-Reisenden als das Wesentliche zuerst berichten? Zu Hause in Deutschland wurde ich von meinen Eltern ermuntert, nach Karriere, Erfolg und materiellem Wohlstand zu streben. Das war ihre Vorstellung vom Glück für die Tochter. Welche Prägung hast du in der Familie erfahren?

Während meiner Schulzeit zeigte ich ein starkes Interesse an Geschichte und Geographie. In der Oberschule wechselte ich zum Studium der exakten Naturwissenschaften, teilweise unter dem Einfluss meiner Großeltern, die davon überzeugt waren, dass die Geisteswissenschaften nichts seien und sie mich nicht unterstützen würden.

Und ich trat in die Fakultät für Mathematik ein. Mathematik bietet wirklich mehr Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu verdienen als Geschichte, aber in der Mathematik habe ich auch eine philosophische Komponente gefunden und nach der Mathematik habe ich Philosophie studiert.

Neulich traf ich in Moskau einen Professor, der seiner ersten Ausbildung nach Biologe ist. Er wollte verstehen wollte, was das Leben ist, also studierte er zunächst Medizin, dann Philosophie und schließlich Mathematik. Er heißt Wjatscheslaw Moisejew (4). Er und ich, wir sind beide von unterschiedlichen Seiten auf die Idee der philosophisch-mathematischen Synthese gekommen und planen nun die Schaffung eines gemeinsamen Kurses. Ich denke also, dass man unter allen Bedingungen seinen eigenen Weg finden kann.

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Abb. 2: Andrej Savonow während unseres Gesprächs im August 2024, Foto: Iris Berndt


Du hast dich auch politisch engagiert, warst Mitglied der Nationalbolschewistischen Partei von Eduard Limonov (5). Wann war das und wie kam es dazu? Wie siehst du es jetzt rückblickend?

Mein Interesse an Limonovs Partei wurde durch sein Buch „Meine politische Biographie“ geweckt. Im Herbst 2004, während meines ersten Jahres an der Universität in Moskau, traf ich Leute von der Partei. Ich lebte auch einige Wochen in einem Bunker — so hieß ihr großer Keller. Es war wie eine große Wohngemeinschaft. Rückblickend glaube ich, dass mich das Gefühl, Teil der Geschichte zu sein und das Leben aus einem bestimmten Grund zu leben, am meisten fasziniert hat. Jetzt suche ich nach Veränderungen, die nicht auf der politischen Ebene liegen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Nationalbolschewistische Partei nie ein klares Programm hatte, sondern nur einen gewissen intuitiven Sinn für Gerechtigkeit.

2005 wurde diese Partei verboten, löste sich die Gruppe auf oder bestand sie noch weiter? Kannst du die Verhältnisse im Bunker und das Miteinander noch etwas beschreiben?

Ja, die Partei wurde im Jahr 2005 als extremistisch eingestuft. Aber die Bewegung bestand in anderen Formen weiter, zum Beispiel als Partei „Anderes Russland“.

Was die Atmosphäre im Bunker angeht, so war sie wohl so eine Mischung aus den russischen revolutionären Bewegungen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und einer Versammlung kreativer Intellektueller. Es waren viele junge Leute aus verschiedenen Lebensbereichen und mit unterschiedlichen Interessen: bebrillte Studenten wie ich, Doktoranden und Kinder aus Arbeitervierteln, Dichter und Musiker.

Was diese bunte Schar einte, war der Wunsch, das Leben aus einem bestimmten Grund zu leben, sich an der Geschichte zu beteiligen.

Einmal überlebte ich mit einigen anderen eine Belagerung des Bunkers — etwa 20 kräftig gebaute und mit Schlagstöcken bewaffnete Männer stürmten auf uns ein, und wir mussten eilig Barrikaden bauen. Seitdem ist einer meiner Vorderzähne künstlich. Die Polizei vertrieb sie dann. Aber es ist die Wahrheit, dass sie eine Weile später zu einem kreativen Abend zu uns kamen.

Soweit ich weiß, gibt es die Bewegung heute noch, aber ich habe mich von der Politik entfernt, ich pflege keine Kontakte mehr. Man muss sagen, dass die Nationalbolschewiki nach 2014 Putin gegenüber loyaler geworden sind. Die allgemeine Linie ist in den Artikeln des patriotischen Schriftstellers Sachar Prilepin (6) zu erkennen, der aus diesem Milieu stammt.

Mit welchen Gefühlen schaust du auf den sich immer weiter ausdehnenden Krieg in der Ukraine, auf Angriffe auch auf russisches Territorium?

Ich fühle eine große Traurigkeit, aber ich glaube nicht, dass es Angst ist. Es scheint, dass in all dem eine Art schreckliche Verzerrung liegt. Vor neun Jahren war ich in Kiew. Die meisten Menschen sprachen Russisch und sangen russische Lieder. Russen und Ukrainer sind ein Volk. Man hat den Eindruck, dass seit Jahrzehnten Feindseligkeit von außen eingeflößt wird.

Soweit unser Gespräch im August. Seitdem setzten wir unseren Dialog per Telegram fort. Andrejs Sohn wurde zum 1. September eingeschult, was in Russland ein sehr wichtiges Fest ist, seine geliebte Frau war einige Zeit krank.

Die Monate Oktober und November sind Monate der Tagungen. Andrej berichtet von den Vorbereitungen an einer gesamtrussischen Online-Tagung, dem Dritten Großen Philosophischen Ratschlag, vom 25. November bis zum 2. Dezember 2024.

Es werden über 50 Referenten sprechen: Philosophen, Philologen, Historiker, Künstler und sogar Musiker. Ihre Altersspanne reicht von einem 16-jährigen philosophisch interessierten Schüler „Wunderkind“ bis zu emeritierten Professoren. Über unseren Telegram-Kanal kommunizieren wir, rufen zu Vorschlägen auf und jeder kann auch an den Vorbereitungsschritten teilhaben. Die „Vereinte Bewegung Russische Philosophie“ ist eine unabhängige öffentliche Organisation. Manchmal arbeiten wir mit Universitäten im Lande zusammen.

Ich möchte jedoch betonen, dass wir inhaltlich völlig frei sind, dass wir niemandem unterstellt sind und von niemandem Anweisungen erhalten. Andernfalls würde ich mich nicht an diesem Projekt beteiligen. In diesem Jahr beschäftigen wir uns mit dem Thema „Die Zukunft der russischen Idee. Kosmologische Argumente“.

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Abb. 3: Plakat des Dritten Großen Philosophischen Ratschlags, gemeinschaftlich von der „Vereinten Bewegung Russische Philosophie“ als dem Veranstalter entworfen.


Dieses Thema braucht ein wenig Erläuterung. Was sind kosmologische Argumente? Was ist die russische Idee in der Philosophie?

Das liegt sicher daran, dass den Deutschen die russische Philosophiegeschichte nicht so bekannt ist. In unserer Geschichte stecken bereits so viele wertvolle Gedanken und wir wollen wissen, welche davon für unsere Zukunft wertvoll sind. Ich nenne einfach mal einige Namen, deren Lebenszeit teilweise bis in die Zarenzeit zurückreicht, die aber auch aus der Sowjetzeit stammen, und gliedere sie ein wenig.

Religiöse und philosophische: Fedorow (7), Bulgakow (8), Solowjow (9), Florenski (10), Berdjajew (11), Gorski (12), Murawjow (13), Setnitski (14).

Naturwissenschaftliche: Ziolkowski (15), Wernadski (16), Cholodny (17), Tschischewski (18), Bogdanow (19), Umow (20), Kuprewitsch (21).

Kulturell-künstlerische und esoterische: Odojewski (22), Morozov (23), Podolinski (24), Suchowo-Kobylin (25), Brjussow (26), Roerichs (27).

Viele in der russischen Philosophie-Bewegung glauben, dass die Zukunft der russischen Idee mit der Erforschung des Weltraums und mit dem einzigartigen russischen Raumgefühl verbunden ist. Das mag mit der unermesslichen Größe unseres Landes und der dazu im Verhältnis doch recht geringen Bevölkerungsdichte zusammenhängen.

Es ist das Gefühl, ein Bürger des Kosmos zu sein, ein Staubkorn und zugleich ein Sternenreisender des Universums. Das will auch unser diesjähriges Plakat ausdrücken. Es zeigt durchleuchtete französische Kathedralfenster vor dem Blauschwarz, das den Kosmos symbolilisiert. Das russische Wort für Kathedrale „cобор“ (sobor) ist zugleich das alte Wort für „Konzil, Versammlung, Rat“, oder wie Du übersetzt hast: „Ratschlag“. Aus der Ferne wirken die runden Fenster übrigens wie Sterne. Zugleich ist die Wahl dieses Motivs ein wie ich finde deutliches Symbol dafür, dass wir nicht national oder gar nationalistisch denken, sondern für die Menschheit.

Zum Jahresende fand ich Zeit, den Telegram-Kanal der Tagung zu durchstöbern. Kurze Thesen und Antworten auf Fragen, Zusammenfassungen und Kommentare erleichtern die Lektüre. Ich fand Gedichte mit einem Vers wie „Dass wir in Liebe und Licht leben, und den Reichtum des Menschen bewahren“, eine sphärisch anmutende Musikeinspielung und an Immanuel Kant anknüpfende Resümee-Gedanken:

„Kants Dreiklang. Wahrheit. Das Gute. Schönheit: Das ist die Bereitschaft und Fähigkeit zuzuhören und zu sprechen. Gegenseitiger Dienst, der sich taktvoll ausdrückt. Die Liebe zu Russland ist die Liebe zu den Menschen, konkret und selbstlos, ausgedrückt in der Stille der unmerklichen guten Taten. Die Hauptsache ist ein Vektor für den Reset der Ideologien und die Entwicklung einer neuen Idee des Logos, das heißt der kollektiven Suche nach Wahrheit.“

Es gab auch provokante Thesen wie die, dass doch die an den russischen Universitäten angestellten Philosophen nur den Staat rechtfertigen, von dem sie ihre Aufgaben und ihr Gehalt beziehen — verbunden mit dem Hinweis, dass die Suche nach Wahrheit jeden Menschen angeht. Ebenso, dass sich die Geisteswissenschaft für die Bewältigung der zukünftigen Aufgaben der Einsicht stellen muss, ganz neue Wege einzuschlagen. Eine zweite wichtige Lehre: Es geht nicht nur hermeneutisch, sondern ziemlich lebendig zu. Die Wissenschaftler entwickeln aus Aussagen historischer Philosophen gleich eigene Gedanken und Vorschläge für die Zuhörer. Der fragende Blick ist auf die Zukunft gerichtet, aber er bezieht Vergangenheit ein.

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Abb. 4: Folie aus dem Vortrag von Andrej Safonow, aufgeschlagen ist die Folie mit dem Titel „Morphologie des Menschen sowie Toccata und Fuge in d-moll“


Auch Andrej war mit einem Referat dabei. Ich frage ihn, worum es bei ihm ging.

In meinem Bericht wollte ich die Frage nach einem zukünftigen ganzheitlichen Weltbild aufwerfen. Das Weltbild des modernen Menschen besteht in der Regel aus einer Vielzahl von schwer miteinander zu vereinbarenden Fragmenten: Glaube, Wissenschaft, Logik, Intuition et cetera.

Geisteswissenschaftler können Vertreter der Naturwissenschaften nicht verstehen und umgekehrt; andere glauben, dass wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem Glauben unvereinbar sind. In der Tradition des organischen Denkens der russischen Philosophie meine ich jedoch, dass alles miteinander vereinbar ist, weil die Welt ein Ganzes ist.

Aber um die Puzzlesteine zu verbinden, müssen wir uns über die Ebenen einer allzu einseitigen Betrachtung erheben.

Um das anschaulich zu machen, analysierte ich berühmte Kunstwerke weltweit aus Architektur, bildender Kunst und Musik ebenso wie Tiere und Pflanzen. Die Mathematik ist hier die Wissenschaft, die alle Fragmente vereint. Ihr gehorchen alle Puzzleteile im Kosmos.

Diese Ordnung ist der Bauplan des Kosmos und auch wir Menschen sind ein Teil davon. Das ist übrigens eine für uns die wichtige Botschaft, denn viele Menschen meinen angesichts unserer Gegenwart, in einer chaotischen Welt zu leben.

Und auf welche russischen Philosophen hast du für deinen Beitrag zurückgegriffen? Wer inspirierte dich hier vor allem?

Für mich ist der Schlüsselphilosoph Pawel Florenski, den ich schon einmal nannte. Seine Vorstellung von Wahrheit als Intuition und Diskussion liegt mir besonders am Herzen. Er war nicht nur ein Philosoph, sondern auch Priester, Mathematiker, Chemiker und Erfinder. Er sagte, dass seine Schriften nur die Umrisse einer zukünftigen ganzheitlichen Weltanschauung sind, in der Altes und Modernes, Glaube und Wissenschaft harmonisch zusammenkommen werden.

Er sprach von einem Reich der ultimativen Ganzheit, in dem alles alles durchdringt. Dies ist der Raum der Metamorphosen und primären Intuitionen, aus dem sich Entdeckungen und „solide“ Thesen „herauskristallisieren“.

Interessant ist, dass Florenski ein Schüler Goethes war, obwohl beide einander nie begegneten. Aber er schätzte dessen naturwissenschaftliche Forschungen sehr. Er sagte auch, dass Novalis und Schelling einer ganzheitlichen Weltanschauung nahe stünden. Überhaupt betrachtete er, wie die meisten russischen Philosophen, das deutsche als ein dem russischen verwandtes Denken.

Florenski ist eine große Richtung für russische Philosophen in seinem Streben nach Integrität und einem organischen Denken.

Nennen möchte ich auch den bekannten Begründer der All-Einheit (28), Wladimir Solowjow. Wir arbeiten mit dem Fortsetzer dieser Ideen zusammen, ich habe ihn schon genannt — Professor Wjatscheslaw Mojsejew.

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Abb. 5: Diskussion der Thesen des Dritten Großen Philosophischen Ratschlages, 1. Dezember 2024, Telegram


Kannst du ein Resümee der Tagung ziehen oder beschreiben, was dich besonders beeindruckte?

Es waren volle und bewegende Tage. Wir hatten am Ende 66 Referenten, alle praktisch unabhängige Denker.

Unter ihnen sind der erwähnte Professor Moisejew, der Autor der Psychonetik Oleg Bachtijarow (29), der die Grenzzustände des menschlichen Bewusstseins erforscht, der orthodoxe Philosoph und profunde Erforscher der Entstehung mathematischer Ideen Professor Wladimir Katasonow (30), Frau Professor Irina Sergejevna Kusnezowa aus Kaliningrad, die Musikwissenschaftlerin Amina Alenskaja aus Frankreich, ein junger Mathematiker, der sich um die Mathematisierung und Modernisierung der Hegelschen Philosophie bemüht, und viele andere kluge Forscher.

Am ersten Tag hatten wir im Chat etwa 3.000 Zuhörer, an den anderen Tagen zwischen 500 und 1.000.

Mit welchen Erwartungen blickst du auf das Jahr 2025?

Ich erwarte von 2025 Frieden. Im politischen Sinne.

Die Menschen haben viel Besseres zu tun, als sich gegenseitig zu zerstören. Das ganze Universum ist ein unendliches Mysterium, in das wir hineingeworfen sind, und auch nur ein kleines Fragment davon zu lösen, ist nicht genug Leben.

Ich glaube, wir stehen an der Schwelle zu einer großen Synthese: Philosophie und Natur, Diskurs und Intuition.

Florenski sagte, dass es im Himmel eine einzige Wahrheit gibt, auf der Erde dagegen gibt es viele Fragmente, die nicht miteinander übereinstimmen. Ich nehme an, unsere Aufgabe ist es, den größtmöglichen Teil unseres Mosaiks zusammenzusetzen. Diese Welt und dieses Zusammensetzen bedeutet nicht Gleichgültigkeit.

Ich stimme nicht mit Carl Jung überein, der in seinem Werk Aion von der Vereinigung von Licht und Finsternis, Christus und Antichrist im kommenden Wassermannzeitalter spricht. Das Licht muss von der Dunkelheit getrennt werden, alle Fülle ist im Licht, die Dunkelheit ist Mangel, Abwesenheit.

Erlaube noch kurz etwa Persönliches: Wenn ich im Jahr 2025 Zeit finde, möchte ich unbedingt mein Deutsch verbessern. Ich stehe einigen Ideen von Nicolaus von Kues, Goethe, Georg Hamann, Friedrich Schelling, deutschen Romantikern, Edmund Husserl und vielen anderen sehr nahe. Deutschland ist für den russischen Geist wie ein Spiegel. Aber wenn man in diesen Spiegel hineinschaut, ist es, als ob man sich selbst darin wiederfindet.