Neutrale Parteigänger

Trotz ihrer vermeintlichen Unabhängigkeit ist die Schweiz tief in die Kriegshandlungen der NATO verstrickt — eine Initiative will das jetzt ändern.

Man verkauft Kriegswaffen an NATO-Staaten. Man lässt NATO-Soldaten in der Schweiz und Schweizer auf NATO-Stützpunkten trainieren. Die eigenen Banken investieren massiv in Rüstungsfirmen in NATO-Ländern. Wie nennt man eine solche Haltung eines Staates, der mitten in Europa liegt? Neutralität! Wenn die viel gerühmte Schweizer Neutralität so definiert wird, dann möchte man nicht wissen, was geschieht, wenn sich das Land parteiisch verhält. Aber muss man sich nicht zum Krieg rüsten, um den Frieden zu gewinnen? Eine genauere Untersuchung von Konfliktfällen wie etwa dem Ukrainekrieg zeigt, dass oft das Gegenteil zutrifft. Übertriebene Wehrhaftigkeit erzeugt erst die Probleme, die sie zu lösen meint. Und unter bestimmten Umständen ist nichts so selbstmörderisch wie militärische Verteidigung.

Eine Gruppe von pazifistischen Linken und Grünen hatte dazu aufgerufen, die „Neutralitätsinitiative“ zu unterstützen. Diesen Aktivisten könnte der neue Verfassungstext als Leitlinie für ein aktives und am Weltfrieden orientiertes Neutralitätsverständnis dienen. Die Soziologin Verena Tobler, Expertin für Migration und interkulturelle Ko-Existenz, sieht die Neutralitätsinitiative als Chance für eine Kurskorrektur: Die Schweiz solle sich um die UNO kümmern und nicht um die NATO. Es brauche eine radikale Abkehr von neoliberalen Paradoxen, wie sie in einem Beitrag auf InfoSperber schrieb (1).

89 Prozent für das Neutralitätsprinzip

Laut Umfragen befürworten 89 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer das Neutralitätsprinzip. In der Schweiz werden Volksinitiativen eher selten angenommen. Es braucht dazu auch die Zustimmung der Mehrheit der Kantone. Vielleicht hat diese Neutralitätsinitiative dennoch eine Chance, angenommen zu werden, obwohl jetzt scharf gegen dieses Volksbegehren geschossen wird. In einem Gastkommentar im Zürcher Tages Anzeiger nannte Daniel Woker diesen Vorstoß am 19. April 2024 verleumderisch die „‚Pro-Putin-Initiative‘ von Christoph Blocher“.

In der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) behauptete der Sicherheits- und Militärexperte der NZZ am 12. April 2024, in der Neutralitätsinitiative würden sich die revisionistische Sehnsucht der SVP (Schweizerische Volkspartei) nach dem 19. Jahrhundert mit der linken Anti-NATO-Rhetorik vereinigen.

Voraussichtlich werden die meisten Parteien zu diesem Volksbegehren die Nein-Parole herausgeben (2, 3, 4).

Schweizer Neutralität: Nur auf dem Papier

Es wäre zu begrüßen, wenn die Schweiz Schritte in Richtung Neutralität machen würde. Bisher war die Neutralität nach meiner Einschätzung weitgehend ein Papiertiger. Schon 1976 wurde in dem Buch des Schweizerischen Friedensrates „Soziale Verteidigung” festgestellt:

„Trotz unserer Neutralität sind wir vielfach mit der NATO verbunden. Strategisch ist die Schweiz in die westeuropäische (und atlantische) Verteidigungskonzeption integriert“ (5).

Heute ist die Schweiz noch enger mit der NATO verbunden. Trotz all der Kriege, die die NATO in den letzten Jahren führte, wurden die Kriegsmaterialexporte unseres Landes an NATO-Staaten nicht eingestellt, was ein neutrales Land hätte machen müssen.

Ebenfalls nicht zur Neutralität passt, dass NATO-Truppen in der Schweiz üben, Schweizer Soldaten auf Stützpunkten der NATO trainieren und Offiziere der Schweizer Armee im Ausland, unter anderem in den USA, Deutschland und in Italien, geschult und indoktriniert werden.

Die Initiative möchte ich in zwei Punkten kritisieren, die in dem Text der pazifistischen Linken und Grünen aufgeführt wurden, die dazu aufgerufen haben, die Neutralitätsinitiative zu unterstützen.

  1. Die Schweiz nimmt nicht Teil an den Kriegen anderer Staaten, flankiert von einer strengen Kriegsmaterial-Gesetzgebung.
  2. Die Schweizer Neutralität muss bewaffnet sein: Mit einer Armee, die Land und Leute im Angriffsfall erfolgreich verteidigen kann.

Kritikpunkt 1: „Flankiert von einer strengen Kriegsmaterial-Gesetzgebung“

Die Praxis der heutigen „strengen Kriegsmaterial-Gesetzgebung“ war bisher alles andere als streng. Das klare Verbot, das seit 1973 in Kraft ist, Krieg führenden Staaten kein Kriegsmaterial zu liefern, wurde ignoriert, auch das Verbot, solchen Staaten Waffen zu verkaufen, die Menschenrechte mit den Füßen treten. Die Bundesbehörde in Bern bewilligte laufend Rüstungskonzernen, NATO-Staaten Kriegsmaterial zu liefern, auch während ihrer Kriege auf dem Balkan, im Nahen Osten, in Afghanistan, in Libyen, Somalia und bei militärischen Interventionen in vielen anderen Staaten. Rheinmetall, General Dynamics (Mowag) die Ruag, die Pilatus Flugzeugwerke mit ihren Zulieferfirmen profitierten.

Krieg ist ein Geschäft, die Aktienkurse der Rüstungskonzerne steigen jetzt auch „dank” des Krieges in der Ukraine, im Sudan und im Gazastreifen und der weltweiten Aufrüstung.

Das „Schlupfloch”, das es in den letzten Jahren angeblich der Schweiz erlaubte, Krieg führenden Regimes Rüstungsgüter zu liefern, war die Aufrechterhaltung der industriellen Kapazität der einheimischen Rüstungsindustrie.

Zeichnung von Hans Ulrich Steger, Nebelspalter 20. September 1972 zur Abstimmung über ein Waffenausfuhrverbot. Das Bild wurde dem Autor von H.U. Steger zur weiteren Verwendung zur Verfügung gestellt. H. U. Steger (1923 bis 2016) war ein Schweizer Karikaturist, Kinderbuchautor, Kunstmaler und Objektkünstler.

Sozialdemokratische Partei der Schweiz gegen Kriegsmaterialexporte

Die bürgerlichen Parteien der Schweiz, die Freisinnigen (FDP), die frühere Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die Schweizerische Volkspartei (SVP) waren mehrheitlich gegen die verschiedenen Volksinitiativen, die früher ein Verbot der Waffenausfuhr forderten. Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz hingegen unterstützte immer wieder maßgeblich Vorstöße, die ein Verbot von Kriegsmaterialexporten verlangten.

Die Neutralitätsinitiative wurde am 11. April 2024 mit 132.780 beglaubigten Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Bei der Einreichung war auch Ex-Bundesrat Christoph Blocher der SVP, der Schweizerischen Volkspartei, dabei (6).

Kriegsmaterialexporte an Krieg führende und menschenrechtsverletzende Staaten

Nach der offiziellen Statistik des Bundes, des SECO, exportierte die Schweiz von 1975 bis 2024 für 22,452 Milliarden Franken Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüstungsgüter zu einem großen Teil an Krieg führende Staaten, an NATO-Militärs, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt, in denen Menschen hungern und verhungern. In den 22,452 Milliarden Franken sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in diesen Zahlen nicht.

Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren sogar in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Anti-Personenminen und Clusterbomben beteiligt waren. Laut dem Kriegsmaterialgesetz ist die „direkte und indirekte Finanzierung“ von verbotenem Kriegsmaterial schon heute klar untersagt. Verbotene Waffen sind in der Schweiz chemische und biologische Waffen, Atombomben, Streubomben und Antipersonen-Minen.

Aus Rücksicht auf die NATO weigert sich der Bundesrat jetzt, das Atomwaffenverbot zu unterzeichnen, obwohl das Parlament das vor einigen Jahren mehrheitlich beschlossen hat. Wie der Bundesrat früher schon erklärte, will er sich unter den Atomwaffenschutzschirm der NATO stellen, um die Schweiz im Kriegsfall zu beschützen. Auch deshalb ist der Bundesrat gegen ein Atomwaffenverbot.

Stopp Waffenexporte, Demonstration in Bern 2018 beim Bundeshaus, Foto: Heinrich Frei.

Waffenindustrie in der Schweiz in ausländischer Hand

Große Rüstungsunternehmen in der Schweiz, die die meisten Waffenexporte bestreiten, sind in ausländischer Hand, wie der deutsche Konzern Rheinmetall für Kanonen und Munition und der US Rüstungsgigant General Dynamics für Mowag, Schützenpanzer.

Vor zwei Jahren wurden auch die bundeseigenen Munitionsfabriken der Ruag Ammotec an die italienische Firme Berreta verkauft (7).

Kritikpunkt 2: Die Schweizer Neutralität muss bewaffnet sein: Mit einer Armee, die Land und Leute im Angriffsfall erfolgreich verteidigen kann.

Laut Charta der Vereinten Nationen hat ein Staat das Recht auf Selbstverteidigung, wenn er von einem anderen Staat bedroht oder angegriffen wird (8).

In der Schweiz weiß man, dass die Schweiz durch unsere Armee militärisch nicht zu verteidigen ist. Es geht nur darum, durch eine möglichst starke Armee einen Feind von einem Angriff abzuhalten, der Preis für einen Angriff auf unser Land soll möglichst groß sein. Dissuasion wird diese Strategie genannt.

Bewunderung für Partisanen und Befreiungsbewegungen

Noch heute werden die Partisanen bewundert, die im Zweiten Weltkrieg etwa in Italien gegen die Eindringlinge aus Deutschland und gegen die Faschisten Mussolinis kämpften. Auch die Kämpfer, die von 1936 bis 1939 die spanische Republik verteidigten und noch lebend in die Schweiz zurückkamen, waren hoch angesehen.

Den Vietminh und Vietcong in Vietnam galten vor 60 Jahren unsere Sympathien, auch der FLN, der Front de Liberation Nationale in Algerien, der es gelang, das Joch der französischen Kolonialherrschaft abzuschütteln. Für eine gute Sache zu sterben, sein Leben hinzuwerfen für die Freiheit, fand 1968 vielerorts Zustimmung. Auch der Schweizer Reformator Huldrych Zwingli starb 1531 im Kappel am Albis auf dem Schlachtfeld im Kampf gegen das „falsche Christentum“ der Katholiken.

Nicht so gut sah die Sache aus für die französischen Fremdenlegionäre, die ich 1968 in der Notschlafstelle von Pfarrer Sieber in Zürich kennenlernte. Sie kehrten traumatisiert aus Indochina und aus Algerien in die Schweiz zurück und viele fanden sich im zivilen Leben in ihrer Heimat nicht mehr zurecht.

Ungarn 1956 und Tschechoslowakei 1968

Ungarn im Jahr 1956: Der Volksaufstand in Ungarn forderte 2.500 bis 3.000 Opfer. Der Aufstand wurde von der Roten Armee der Sowjetunion niedergeschlagen, die Führer des Aufstandes und Mitglieder der Regierung wurden hingerichtet. Aber das Land wurde nicht zerstört. 200.000 Menschen flohen aus Ungarn, etwa die Hälfte von ihnen kam in den folgenden Jahren wieder zurück. 1989 begann auch in Ungarn wie in anderen Ländern des Ostblocks die Wende.

Tschechoslowakei im Jahr 1968: Nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei wurde dort vor allem ziviler Widerstand gegen die Besatzer geleistet. Von August bis Dezember 1968 kamen aufgrund der militärischen Intervention 137 tschechoslowakische Staatsbürger ums Leben. Die Infrastruktur der Tschechoslowakei blieb aber intakt, etwa 200.000 Menschen flohen ins Ausland. Ende 1989 trat nach tagelangen gewaltlosen Protesten die sogenannte „kommunistische“ Führung der Tschechoslowakei zurück.

Ein bewaffneter Kampf in Ungarn und in der Tschechoslowakei unterstützt durch westliche Waffenlieferungen, die Ausbildung von ungarischen und tschechischen Soldaten im Ausland, die logistische Unterstützung von Militäroperationen, die Bombardierung von Einrichtungen in der Sowjetunion und die Einschleusung von Söldnern hätten in Ungarn und der Tschechoslowakei damals, 1956 und 1968, zu einer Katastrophe geführt wie heute in der Ukraine.

Im Rückblick kann man sich fragen: Hätte es in Vietnam (1945 bis 1975), in Algerien (1954 bis 1975) und in Nicaragua (1981 bis 1990) und in anderen bewaffneten Auseinandersetzungen nicht auch einen gewaltfreien Weg zur Befreiung gegeben?

Die Verherrlichung des bewaffneten Kampfes wird auch in Liedern zelebriert, etwa in dem Lied der italienischen Partisanen, „Bella Ciao, Bella Ciao, Bella Ciao, Ciao …“ das am 1. Mai in der Schweiz manchmal auch gesungen wurde. Gerade blutdürstig wird der Kampf in der Marseillaise, der Nationalhymne der Französischen Republik verherrlicht:

„Aux armes, citoyens, Formez vos bataillons, Marchons, marchons! Qu’un sang impur Abreuve nos sillons!“

„Zu den Waffen, Bürger, formiert eure Truppen, marschieren wir, marschieren wir! Dass unreines Blut tränke unsere Furchen!“ (9).

Viele bewundern jetzt die ukrainischen Soldaten, die angeblich auch für unsere Freiheit gegen die Russen kämpfen und ihr Leben verlieren.

Was wäre in der Ukraine geschehen, hätte die Ukraine 2014 nach dem Umsturz in Kiew darauf verzichtet, die abtrünnigen Donbass-Gebiete militärisch unter ihre Kontrolle zu bringen?

Wenn die Minsk-Abkommen eingehalten worden wären? Wenn in Istanbul 2022 das vorbereitete Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland unterzeichnet worden wäre? (10).

Opfer und Zerstörungen im Krieg in der Ukraine

Im Krieg in der Ukraine wurden bisher schätzungsweise fast 350.000 russische Soldaten getötet oder verletzt. Auf der ukrainischen Seite sind es vermutlich 150.000 tote oder verwundete Soldaten. 30.000 Zivilisten kamen in der Ukraine ums Leben. Die Zerstörungen in der Ukraine sind grauenhaft. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die kaputt gebombte Infrastruktur und all die zerbombten Häuser wieder instand gesetzt werden.

Viele Gebiete in der Ukraine werden nicht mehr landwirtschaftlich genutzt oder bewohnt werden können, weil sie durch Minen, Streubomben und Uranmunition verseucht sind. Immer noch besteht in diesem Krieg die Gefahr, dass eines der vielen Atomkraftwerke in der Ukraine oder in Russland durch einen Beschuss beschädigt wird und große Landstriche radioaktiv verseucht werden, wie wir es nach der Katastrophe in Tschernobyl und in Fukushima kennengelernt haben. In der Ukraine sind 17 Atomreaktoren und in Russland 34 in Betrieb.

Gewaltlose Verteidigung ohne Armee

Hätte in der Schweiz nicht schon früher eine zeitgemäße, moderne Verteidigung in Betracht gezogen werden können, wie es Friedensorganisationen schon vor über 50 Jahren vorgeschlagen hatten? Eine gewaltlose, zivile Verteidigung ohne Armee, die sich in zahlreichen Fällen schon bewährt hatte. 25 Staaten haben heute keine Armee.

Ein Verteidigungskrieg in der dicht besiedelten Schweiz mit den AKWs in Beznau, Leibstadt und Gösgen, den vielen Staumauern, der hochtechnisierten Infrastruktur würde zu einem noch größeren Desaster führen als heute in der Ukraine, die 3,5-mal weniger dicht besiedelt ist als die Schweiz. Falls ein AKW nach einem Beschuss in einem Verteidigungskrieg hochgehen würde, könnte ein großer Teil der Schweiz unbewohnbar werden.

Soziale Verteidigung. Eine gewaltfreie Alternative zur militärischen Verteidigung der Schweiz, Verlag Schweizerischer Friedensrat, Dezember 1976.

Verdächtige hätten ihr Land nicht verteidigen dürfen

Soldaten hätten die Schweiz verteidigen müssen, sollte sie angegriffen werden, von der Sowjetunion damals und von den inneren Feinden des Landes, den Linksextremen, den Roten, von der fünften Kolonne, die — wie es hieß — in jenen Jahren den Umsturz planten.

Das hatte aber einen Haken. Viele wären mit ihrem Karabiner und der scharfen Taschenmunition, dem Bajonett, dem Tornister, der Feldflasche und dem Mannsputzeug mit den drei Nähnadeln zu Hause im Estrich gar nicht zum Einsatz gekommen, um unser Land, unsere Freiheit und unsere Frauen und Kinder zu verteidigen. Viele erhielten 1990 nämlich von Bern eine Fiche zugeschickt, und dort war mit einem „V“ vermerkt, dass sie zu den „Verdächtigen“ gehörten, die im sogenannten Ernstfall in Gewahrsam genommen worden wären. Der verstorbene Journalist Jürg Frischknecht vermerkte dazu:

„Das Erschreckendste auf Fichen war der Vermerk ‚V‘ für Verdächtige, neben den Namen von politisch als ‚gefährlich‘ eingestuften Menschen, die im Krisen- oder Kriegsfall hätten interniert werden sollen.“

Fichenaffäre in der Schweiz

1989 wurde die Fichenaffäre bekannt, das heißt, dass in der Schweiz „Organe“ des Staates heimlich Informationen sammelten, um die Eidgenossen vor dem Kommunismus zu schützen. Schweizer Bundesbehörden und auch kantonale Stellen hatten rund 900.000 Fichen angelegt. Mehr als 700.000 Personen und Organisationen waren betroffen, bei der damaligen Einwohnerzahl von rund 6,5 Millionen. Offizielles Ziel der Fichierung war es, das Land vor aus dem Ausland gesteuerten subversiven Aktivitäten zur Destabilisierung des Systems und nachfolgender Errichtung einer totalitären kommunistischen Diktatur zu schützen (11).

Immerhin lernte ich 1961 in der Kaserne Brugg als Pontonier-Rekrut Knöpfe anzunähen, Schuhe gut zu putzen und Vorgesetzte und Offiziere mit einem anständigen Tenue und einem vorschriftsgemäßen Haarschnitt militärisch zu begrüßen (12).

Daneben wurden wir in Brugg instruiert, dass man den Befehlen der Oberen ohne Widerrede gehorchen muss. Wir lernten, wie man Menschen erschießt, Minen verlegt und sucht, Handgranaten wirft, im Schlamm kriecht, in Reih und Glied marschiert, Soldatenlieder singt, Brücken baut und sprengt und im Nahkampf Feinde mit dem Spaten erschlägt.

Wir lernten: Befehl ist Befehl. Zu Befehl Korporal, zu Befehl Herr Leutnant. Achtung Stellung wurde befohlen, Ruhn, Gewehr ab zum Gebet. Die Rekrutenschule in der Schweiz wurde als Schule der Nation bezeichnet.


Vive la guerre, es lebe der Krieg und Berta von Suttner „Die Waffen nieder“, Bilder von Theo Dannecker, Fotos: Heinrich Frei (13).