Neoliberale Gehirnwäsche
„Linke“ Identitätspolitik ist seit geraumer Zeit der letzte Schrei im Juste Milieu — sie kommt harmlos daher, ist aber aggressiv und setzt auf Spaltung.
Eigentlich braucht es eine starke, geschlossen handelnde Linke, die das Ruder vor der bevorstehenden Katastrophe herumreißen könnte: Es droht die Verstetigung der autoritär-totalitären staatlichen Zwangsmaßnahmen unter dem Corona-Regime, mit denen der krisengeschüttelte Kapitalismus der Gegenwart umstrukturiert und wieder einmal gerettet werden soll. Wie 1933 ist ein gemeinsames Handeln der Linken leider ein Wunschtraum. Warum? Die bürgerliche „linke“ Identitätspolitik hat die Linke schwer beschädigt — mit tatkräftiger Unterstützung der CIA.
Als „klassischer“ Linker mit marxistischem Anspruch fragt man sich nicht erst seit der Corona-Farce, aber mindestens seitdem, was mit der Linken insbesondere in Deutschland los ist. Und damit ist nicht nur die Linkspartei gemeint. Frühere Selbstverständlichkeiten und politische Standards zählen nicht mehr. Denn: „Das tonangebende Milieu, das sich selbst für links hält, ist heute weiter von einem Klassenbewusstsein entfernt, als es die Industriearbeiter des 19. Jahrhunderts je waren“, konstatiert auch Bernd Stegemann in seinem Aufsatz „Wem die Zwietracht nützt“ (1). Deshalb seien einige Defizite der heutigen Linken aufgezeigt:
- Nur noch selten wird die Eigentums- und Klassenfrage gestellt.
- Die Verbindung mit der Arbeiterbewegung ist völlig ausgedünnt. Entfremdung herrscht vor.
- Die Gefahr wächst, dass die inzwischen massenhaft Verarmten weitgehend sich selbst überlassen bleiben. Die Linkspartei muss — trotz guter sozialpolitischer Programme — aufpassen, dass sie eines ihrer „Kerngeschäfte“ nicht aufgibt.
- Der Kampf um Frieden und Abrüstung ist ebenso in die zweite Reihe gerückt wie der Internationalismus, der einem bürgerlichen entpolitisierten Multi-Kulti-Mischmasch gewichen ist. Ehemalige Friedensfreunde wie die Grünen sind inzwischen zu russophoben NATO-Freunden mutiert, die es gar nicht mehr abwarten können, erneut auf Barbarossas Spuren zu wandeln. Der US-Imperialismus wird nicht mehr durchgehend als Aggressor wahrgenommen wie früher. Im Gegenteil.
- Die Narrative der Herrschenden, insbesondere zu den Corona-Maßnahmen, werden blind geglaubt und kaum noch infrage gestellt. Die Bildungslosigkeit insbesondere des linken „Nachwuchses“ ist erschreckend.
- Vor diesem Hintergrund kann es kaum noch verwundern, dass die Kardinalfrage, nämlich die Überwindung des staatsmonopolistischen Kapitalismus als Ziel und wie man dieses erreicht, kaum noch eine Rolle spielt.
Gründe mit Fernwirkung
Sicherlich gibt es eine ganze Reihe von objektiven Gründen, die für diesen Zustand verantwortlich zu machen sind. Zu nennen sind zunächst die, die bereits einige Jahrzehnte zurückliegen, aber eine erhebliche Fernwirkung hatten:
- Die nachgelassene Attraktivität des realen Sozialismus und westlicher kommunistischer Parteien seit den 1950/60er Jahren, die teilweise selbst verschuldet war, aber auch vom Klassengegner herbeigeführt wurde: Die Destabilisierung der westlichen kommunistischen Parteien im Rahmen geheimdienstlicher Operationen (Stichwort Gladio), die insbesondere in Italien die KPI betrafen, und die offene Verfolgung in der BRD, die zum Verbot der KPD führte.
- Die endgültige Selbstentmachtung der Sozialdemokratie und die vollständige Sozialdemokratisierung der Arbeiterbewegung, das heißt ihre Überführung in die scheinbar klassenlose Sozialpartnerschaft.
- Die Neuorientierung vieler Linken nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Blocks und der Sowjetunion und die Säuberung der Bildungseinrichtungen in den ostdeutschen Bundesländern von marxistischen Wissenschaftlern und Lehrkräften durch den „Sieger“ BRD nach dem Anschluss der DDR.
- Nicht zu vergessen, „welche erheblichen Spuren die gut 30-jährige neoliberale Konterrevolution in Politik, Medien, Kultur sowie Bildungswesen und damit im Bewusstsein der Bevölkerung hinterlassen hat” (2).
Eine „bürgerliche Zersetzungserscheinung“
Das nachgelagerte weltanschauliche und politische Vakuum begünstigte schließlich das Vordringen bürgerlichen, linksliberalen Gedankenguts, das auf einen fruchtbaren Boden bei orientierungslosen Linken fiel: postmoderne pseudolinke Ideologeme, die in der sogenannten Identitätspolitik gebündelt sind.
Vor den fatalen Auswirkungen bürgerlichen Denkens auf linke Politik hatte Walter Benjamin bereits 1931 in seiner Polemik gegen den kleinbürgerlichen Linksintellektualismus seiner Zeit gewarnt und ihn „als bürgerliche Zersetzungserscheinung“ bezeichnet, die „mit der Arbeiterbewegung (...) wenig zu tun“ (3) habe. Und folgerte: „Kurz, dieser linke Radikalismus ist genau diejenige Haltung, der überhaupt keine politische Aktion mehr entspricht“ (4).
Dieser Kurzbefund Benjamins kann auch auf die aktuelle innere Konstitution der Linken übertragen werden, die tatsächlich in einer Zeit der fortgesetzten Außerkraftsetzung der Grundrechte und massiver Entdemokratisierung der Gesellschaft durch Handlungsunfähigkeit auffällt.
Stattdessen beschäftigt sie sich entweder mit sich selbst oder gefällt sich in der Rolle als bissiger Terrier im Dienste Angela Merkels gegen linke Regime-Kritiker. Dabei spielt die seit Anfang der 1990er Jahre immer einflussreicher gewordene bürgerliche, auch linksliberal oder neoliberal bezeichnete Identitätspolitik eine wichtige Rolle. Bezeichnenderweise in den USA an einigen Universitäten und in kleinen politischen Zirkeln ausgebrütet, fand sie schließlich auch unter westeuropäischen kleinbürgerlichen Linksintellektuellen und subkulturellen Polit-Aktivisten peu à peu eine Anhängerschaft. Ihr Kerngeschäft ist die Geschlechter- und Minderheitengerechtigkeit, die auch eine Domäne der klassischen Linken war und bleiben wird (5).
Allerdings unterscheiden sich beide Politikansätze grundlegend voneinander. Denn die identitätspolitischen „Linken“ haben ein scheinbar hipperes — moralisierendes — Politikverständnis „weg vom angestaubten Klassenkampfgetue der Vorväter“. Paradoxerweise steht für sie „nicht mehr die alte Eintracht“ im Vordergrund.
„Im Gegenteil: Mein Sozialismus ist nicht dein Sozialismus, hieß die verborgene Kernbotschaft ihrer Politik. Und auch meine Freiheit kann ganz anders aussehen als deine, mein Feminismus anders verortet werden als deiner. Kurz: Ich bin anders als du, und zusammen haben wir eigentlich nur wenig gemeinsam“ (6).
Jeder für sich, Gott für uns alle
Deshalb ist die linksliberale Identitätspolitik „das Gegenteil historischer Emanzipationsbestrebungen der Arbeiterbewegung. Ihr Fokus auf Anerkennung immer kleinteiligerer Gruppenidentitäten, die anhand ethnischer, sexueller, sozialer oder kultureller Aspekte konstruiert werden, zielt nicht auf Solidarität und Gemeinsinn, sondern auf Subjektivität und Ausschluss ab. Statt um universalistische Forderungen nach schrankenlosen Zugängen zu Bildung, Gesundheit, Wohlstand und Teilhabe geht es um Sonderrechte“ (7).
Mit dem Ergebnis: „Die Revolution wird zugunsten ‚kleiner Schritte‘ (dazu zählen dann stumpfsinnige Streitereien über Wörter und ‚Narrative‘) aufgegeben, man zieht sich in die Subjektivität zurück, man verneint den Klassenkampf, erhebt ‚meine‘ besondere Unterdrückung über ‚deine‘ und gelangt so schließlich zu einer fortschreitenden Zerteilung der Bewegung bis hin zu ihrer Atomisierung“ (8), und wird so Teil der neoliberalen Agenda.
Vor diesem Hintergrund neigen die verschiedenen postkolonialen und LGBTI(Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender)-Communities dazu, ihre abgesteckten Claims nicht nur aggressiv zu verteidigen, sondern auch — wo möglich — zu erweitern. In Universitäten, Redaktionen und im Kulturbetrieb mittlerweile weit verbreitet, haben sie inzwischen auch jene Parteien durchdrungen, die einmal zur Linken gezählt wurden: Ganz vorne weg die Grünen, aber auch in der altehrwürdigen Arbeiterpartei SPD (9) sind sie — vor allem über die Jugendorganisationen — inzwischen ebenso angekommen wie in der Linkspartei. Dort versuchen sie, ihre Agenden aggressiv durchzusetzen, die nicht nur diesen Parteien, sondern der Gesamtlinken und letztlich auch den betroffenen Minderheiten aktuell und auf lange Sicht allerdings mehr Schaden als Nutzen bringen. Denn:
„Durch ihren extrem akademischen und bevormundenden Diskurs trägt die postmoderne Identitätslinke wesentlich zur immer weiteren Entfremdung ‚der Linken‘ (...) von den am meisten unterdrückten und abgehängten Teilen der Arbeiterklasse bei, die sich durch die Politik der postmodernen Identitätslinken in ihren realen Problemen nicht nur nicht ernst genommen, sondern angegriffen und verhöhnt fühlen“ (10).
Deshalb ist es kein Wunder, dass die große Mehrheit der Deutschen mit Identitätspolitik nichts am Hut hat (11).
An ihren Taten sollt ihr sie erkennen
Um die Diskurshoheit zu gewinnen und zu halten, ist den Anhängern des identitätspolitischen Linksliberalismus jedes Mittel recht (12). Unwillig oder unfähig zur Debatte agieren sie polemisch zuspitzend, indoktrinieren einseitig-rabiat, unversöhnlich und dogmatisch und machen selbst nicht davor Halt, Andersdenkende unter der Linken öffentlich persönlich zu verleumden und beruflich zu zerstören. Eine, die es wissen muss, ist Sahra Wagenknecht:
„Das, was heute Linksliberalismus genannt wird, sollte wegen seiner ausgeprägten Intoleranz eigentlich ‚Linksilliberalismus‘ heißen“ (13).
Die mit der Identitätspolitik einhergehende sogenannte Cancel Culture, mit anderen Worten Zensur und Diffamierung, ist deshalb gefürchtet. Parteien, Unternehmen, Redaktionen und Einzelpersonen knicken oft sofort ein, sollte sich ein hysterischer Shitstorm ankündigen.
Tatsächlich ist es das Ziel von Cancel Culture, „Menschen mundtot zu machen“ (14), bringt es Jens Berger auf den Punkt. Und zwar mithilfe der „systematische(n) Boykottierung, Verbannung und Annullierung von Werken und Personen aus dem öffentlichen Leben. Eine Anti-Aufklärung, die Intoleranz im Namen der Toleranz pflegt, ein Volksgerichtshof der politischen Korrektheit.“
Was und wer politisch korrekt ist, bestimmt mittlerweile das unsichtbare mittelalterliche Inquisitionstribunal der totalitären „Queerdenker“ aller Schattierungen. Verpackt in verqueren, ja hermetischen Sprachcodes, die keinen Anspruch darauf erheben, von der von ihnen verachteten großen Masse verstanden werden zu sollen, kommen ihre Thesen als Dogmen daher: theoretische Versatzstücke aus dem Arsenal idealistischen poststrukturalistischen Denkens, die übrigens stramm anti-marxistisch ausgerichtet (15) und in ihrer Absurdität kaum noch zu übertreffen sind (16).
Wer nicht auf der politisch korrekten Linie liegt, der läuft Gefahr, in den „sozialen“ Medien „mit dem rhetorischen Baseballschläger“ (17) eines hysterischen Mobs Bekanntschaft zu machen, so der US-amerikanische Linguistikprofessor John McWhorter über die Woke-Kultur und Cancel Culture, die seiner Meinung nach „zu einer Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratie“ werden.
Wer zum Beispiel die normativ gesetzte Non-Binarität kritisiert, muss damit rechnen, medial hingerichtet zu werden. Da wird selbst eine Feministin wie Joanne K. Rowling nicht verschont. „Die Autorin hatte sich beispielsweise über einen Post im Internet lustig gemacht, in dem von ‚Menschen, die menstruieren‘ die Rede war, und sarkastisch gefragt, warum man nicht einfach ‚Frauen‘ schreiben könne. Weiter äußerte sie, eine Frau zu sein sei eine biologische Tatsache und kein Konstrukt“ (18).
Außerdem bekundete sie auf Twitter „Solidarität mit der Steuerfachfrau Maya Forstater, deren Arbeitsvertrag in einem britischen Thinktank für Entwicklungshilfe nicht verlängert wurde, weil sie transfeindliche Tweets absetzte“(19). Damit war Rowling für die Transbewegung ein „rückständiges, transphobes Monster“ (20) und wurde zum Abschuss freigegeben. Wüste Beschimpfungen und Boykottaufrufe waren die Folge, Buchläden entfernten ihre Bücher aus den Regalen, und der Mob schreckte sogar nicht davor zurück — wie der SA-Mob 1933 — die Verbrennung ihrer Bücher in Videos zu inszenieren. Soweit sind wir schon wieder!
Totalitäre Denkabrichtung
Wie einflussreich die Identitäts„linke“ geworden ist, zeigen skandalöse Vorgänge zum Beispiel an der Universität Kassel. Wer dort den Gender-Neusprech verweigert, muss aufpassen, in seinem Studium nicht benachteiligt zu werden. Die Leitung der Universität lässt es zu, dass Studierende offensichtlich den identitätspolitischen Ansichten ihrer Dozenten in problematischer Weise ausgeliefert sind.
Wer weiterhin traditionell schreibt, also das generische Maskulinum „geschlechtsneutral“ verwendet (21), wird sanktioniert — durch eine schlechtere Benotung seiner Arbeit: ein rechtlich höchst zweifelhafter Zustand. Der aktuell Betroffene, ein 20-jähriger Student mit CDU/RCDS-Hintergrund, fühlt sich zu Recht diskriminiert und begehrt dagegen auf. Ich bin sicherlich kein Freund der CDU (22), muss dem Herrn Studiosus aber zur Seite springen. Menschen unter Strafe vorzuschreiben, wie sie schreiben sollen, ist einfach nicht hinnehmbar. Benotet werden darf ausschließlich die Leistung.
Zumal der Rat für deutsche Rechtschreibung in seiner Empfehlung zur geschlechtergerechten Schreibung vom 26. März 2021 deutliche Grenzen gezogen hat und grundsätzlich kritisiert hat: „Für den Hochschulbereich erscheint fraglich, ob die Forderung einer ‚gegenderten Schreibung‘ in systematischer Abweichung vom Amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung für schriftliche Leistungen der Studierenden und die Berücksichtigung ‚gegenderter Schreibung‘ bei deren Bewertung durch Lehrende von der Wissenschaftsfreiheit der Lehrenden und der Hochschulen gedeckt ist. Hochschulen und Lehrende haben die Freiheit des Studiums nicht nur bei der Wahl von Lehrveranstaltungen, sondern auch bei der Erarbeitung und Äußerung wissenschaftlicher Meinungen der Studierenden zu beachten und zu schützen“ (23).
Und das Allerschlimmste ist, und das sollte in diesem Zusammenhang nie übersehen werden:
Die Cancel Culture und der Gender-Neusprech der Identitäts„linken“ zielt auch darauf ab, das Denken in seiner ganzen Universalität massiv einzuschränken und zu verengen — eine Abrichtung denkender Menschen, die durch und durch totalitär und in Corona-Zeiten vom Regime durchaus erwünscht ist.
„Die Torhüter der Gender- und Minoritäten-Sternchen*-Polizei maßen sich an, ihren Sprachterror — bis in die Tiefe der Bildungsinstitutionen — flächendeckend durchzusetzen. Letztlich geht es darum, die Bevölkerung unter dem vorgeblichen Anspruch von Fairness, Menschenrechten und Nichtdiskriminierung zu disziplinieren und in ein neues Zwangskorsett zu pressen“* (24).
Rassenkampf statt Klassenkampf
Auch die postkoloniale Fraktion der Identitäts„linken“ befleißigt sich intensiv der Zensur und des Ausschlusses. Im Gegensatz zur US-amerikanischen Black Panther Party in den 1960er und 1970er Jahren, in der es für erhebliche Teile ihrer Anhängerschaft noch selbstverständlich war, keinen Rassenkampf, sondern einen Klassenkampf zu führen und breite Bündnisse anzustreben, legt die relativ neue Bewegung Black Lives Matter (BLM) zum Beispiel, die nach zahlreichen Ermordungen von Afroamerikanern durch weiße Polizisten in den USA einen Aufschwung erlebte, keinen Wert mehr auf antikapitalistische Positionen wie noch zu ihrem Beginn. Außerdem kommt die postkoloniale Identitätspolitik der herrschenden Innenpolitik der USA entgegen, die seit vielen Jahrzehnten darauf setzt, die verschiedenen Ethnien erfolgreich gegeneinander auszuspielen.
„Noch bis vor kurzem bekannte sich BLM zum Widerstand gegen die Trans-Pazifische Partnerschaft (TPP) oder zur Zerschlagung der Großbanken; mittlerweile ist von diesem Anti-Globalisierungs- und Anti-Kapitalismus-Gedröhn nichts mehr zu bemerken. Auch die Forderung nach lebenslanger Gratis-Schulbildung und einem garantierten Mindestlohn für Schwarze sucht man heute vergeblich. Dafür stehen so wohlklingende wie schwammige Bekenntnisse zu Diversität, forcierter Gerechtigkeit, Empathie und Verständigung der Generationen im Vordergrund“ (25).
Insgesamt gesehen „(bleibt) die Bewegung (...) undurchsichtig“ (26). Muss sie doch mittlerweile Rücksichten auf potente Sponsoren nehmen, die unter anderem für ihre engen Beziehungen zur Wall Street, zum US-Militär und zu US-Geheimdiensten bekannt sind und die Bewegung für ihre Ziele einzuspannen versuchen. Allein 2016 konnte BLM 100 Millionen US-Dollar unter anderem von der Ford Foundation, „eine(r) philanthropische(n) Fassade der CIA“ (27), und von anderen rechten Stiftungen einsammeln.
Natürlich nahm sich auch der rührige Regime-Change-Sponsor George Soros ihrer an und bedachte sie mit 33 Millionen US-Dollar — alle zusammen Repräsentanten eines aggressiven US-Imperialismus mit besten Grüßen an die Demokratische Partei, die sehr daran interessiert sind, in vielleicht anfänglich antikapitalistische Bewegungen einen Spaltpilz zu setzen und sie damit frühzeitig zu neutralisieren.
Dass „das im Kern rassistische Programm von ‚Black Lives Matter‘ (...) durch Stiftungen wie die Ford Foundation unterstützt wird, macht eines klar: Diese Organisationen haben nichts mit den wahren sozialen und wirtschaftlichen Problemen von Millionen von Arbeitern und jungen Menschen aller Hautfarben oder Ethnie zu tun. Sie sprechen für hochprivilegierte Schichten der Mittelklasse, die sich im Verteilungskampf innerhalb der obersten zehn Prozent der Bevölkerung befinden. (...) Es geht darum, die Arbeiterklasse zu spalten“ (28).
Bleichgesichter dürfen nicht mehr mitspielen
Deshalb bleibt die Beteuerung zum Beispiel der Berliner Sektion von BLM naiv und ein frommer Wunsch: „Wir haben kein Interesse daran als Token missbraucht oder profitorientiert vermarktet zu werden“ (29). Schließlich ist es doch noch immer so: Wer die Musik bestellt, bestimmt auch, was gespielt wird. Während der Antikapitalismus in der postkolonialen Fraktion in den Hintergrund trat, ist so mancher identitätspolitische Unsinn dagegen in den Vordergrund gerückt worden. Dabei erschöpfen sich die Diversitätsbekenntnisse zumeist im Ausschluss des hässlichen, fetten weißen Mannes, dem unterstellt wird, Grund allen Übels auf der Welt zu sein. Bleichgesichter dürfen nun nicht mehr im Sandkasten mitspielen.
Tatsächlich sind die Forderungen von postkolonialen Gruppen oft lächerlich und apolitisch. Durch variantenreiche Demütigungsrituale, Redeverbote und Zensurmaßnahmen soll den Bleichgesichtern deutlich gemacht werden, dass ihre Zeit der Vorherrschaft vorüber ist.
Die abstrusen Forderungen reichen — um nur einige Beispiele zu nennen — von einer Entfernung des „Kolonialisten“ Shakespeare aus US-amerikanischen Lehrplänen (30) über ein Synchronisationsverbot nicht-weißer Filmfiguren durch Weiße (31), ein Übersetzungsverbot von Texten schwarzer Autoren durch weiße Übersetzer (32), ein Redeverbot von Weißen in Gegenwart diskutierender Schwarzer (33) bis hin zum Zwang, sich als Weiße strengen, erniedrigenden Verhaltensregeln zu unterwerfen, wollen sie an Demonstrationen Farbiger zugelassen werden (34).
Anstatt ein breites, machtvolles Bündnis mit gleichgesinnten — natürlich auch weißen — Akteuren klassenübergreifend anzustreben, um den Rassismen in den bürgerlichen Gesellschaften die Stirn zu bieten, scheinen die identitätspolitischen Anti-Rassisten nicht zu bemerken, dass sie selbst ein neues Fass aufgemacht haben: nämlich den Rassismus gegen Weiße.
Diese rächende Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Mentalität ist schlichtweg reaktionär und wird sich nicht als zielführend erweisen. Rassismus kann nicht durch einen „alternativen“ Rassismus bekämpft werden. Die Sponsoren jedenfalls — in der Mehrheit zumeist alte weiße Männer — wird’s freuen. Die reiben sich die Hände und lachen sich kaputt. Der Spaltpilz ist endlich aufgeplatzt, und seine Sporen haben sich in der Linken noch weiter verbreitet. Die Zeiten, in denen die Linke noch ein satisfaktionsfähiger und ernst zu nehmender, ja zu fürchtender Klassengegner war, sind lange vorbei.
Die postkolonialen Identitäts„linken“ sollen folgende Frage beantworten:
Was ist daran fortschrittlich, nun unter der identitätspolitischen Agenda eines kriegsgeilen US-Präsidenten Joe Biden einen schwarzen Kriegsminister und endlich weibliche Generäle zu haben?
Leute, welche die gleichen Ziele wie ihre weißen und männlichen Vorgänger verfolgen, nämlich Kriege anzuzetteln und zu führen, um die Welt unter dem Diktat des US-amerikanischen Imperialismus zu beherrschen und auszubeuten? Den Abermillionen von Obdachlosen allein in den USA, die mittlerweile teilweise wie Höhlenmenschen hausen müssen, ist es dagegen egal, welche Hautfarbe ihre Unterdrücker haben.
Eines eint sie allerdings: Sie sind arm, verelendet und ausgestoßen und können ihre Situation nur gemeinsam verändern — nicht gegeneinander! Oder anders ausgedrückt: Mir ist es völlig wurscht, ob ich von einem weißen, schwarzen, roten oder karierten Kapitalisten ausgebeutet werde; mir ist es wurscht, ob ich von einem Mann, einer Frau oder einem Transmenschen unterdrückt werde. Wurscht ist mir dabei nicht, welcher Klasse er oder sie angehört, das ist das Einzige, was mich interessiert.
Identitäts„linke“ mit Zerstörungsinteresse
Wer nach Meinung der Identitäts„linken“ ihre Pläne zu durchkreuzen versucht, ist ein Störenfried, den es möglichst auszuschalten gilt. Die aggressive Wucht, ja der Terror, mit der Kritiker und Andersmeinende angegangen werden, ist ein völlig neues Phänomen, das zeigt, wie groß das Zerstörungsinteresse ist, mit der die Angriffe vorgetragen werden. Konsensfindung Fehlanzeige. Ganz offen zielen sie auch darauf ab, Unternehmen, Redaktionen, Universitäten und kulturelle Institutionen mit gezielten Attacken unter Druck zu setzen und dazu zu bringen, ihnen missliebige Personen, die sich ihrer Meinung nach nicht politisch korrekt verhalten, sogar mit Berufsverboten zu belegen. Die ehemalige Co-Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Sahra Wagenknecht, ist seit Jahren eine solche Persona non grata.
Sie ist wüstesten Angriffen und Rücktrittsforderungen aus der eigenen Partei ausgesetzt, mit dem Ziel, sie zu demontieren, was teilweise auch gelungen ist. Einen größeren Gefallen konnte die Linkspartei dem Regime nicht machen, stellte Wagenknecht doch aufgrund ihrer großen Popularität und Akzeptanz in der Bevölkerung eine ernst zu nehmende Gefahr für das herrschende und abgewirtschaftete politische Establishment dar. Sie steht für eine klassische Linke im weitesten Sinn und kämpft bis heute gegen die feindliche Übernahme der Linkspartei durch bürgerliche, sich links dünkende Milieus wie die Identitäts„linke“ an, die die Organisation nach rechts verschieben wollen, um sie — so jedenfalls die Phantasie — aufgehübscht auf den Regierungsstrich zu schicken.
Hassfigur Wagenknecht
Dies hat Wagenknecht zu einer Hassfigur gemacht, die es unter allen Umständen galt und gilt, vollständig auszuschalten. Seither setzen ihre Gegner in der Linken auf einen Dysphemismus, der sowohl vom Merkel-Regime als auch von den ihm anhängenden Mainstream-Medien seit den regierungskritischen Pegida-Demonstrationen aufgrund Merkels „Migrationspolitik“ in die Welt gesetzt wurde: nämlich die Diffamierung der Teilnehmer unisono als rechts, Nazis und AfD-nah.
Damals legte Wagenknecht bereits ein Veto ein und warnte davor, alle Teilnehmer über einen Kamm zu scheren und als Nazis zu diffamieren. Diese differenzierende Sicht brachte ihr allerdings nur Ärger ein, der noch größer wurde, als sie Merkels Schmierenkomödie der „offenen Grenzen“ entlarvte und die Forderung ihrer eigenen Partei nach „offenen Grenzen für alle“ als realitätsfern geißelte. Wenig verblüffend, dass Teile ihrer Partei — insbesondere die bildungslose verbürgerlichte Parteijugend — Merkel verteidigten, anstatt der Argumentation ihrer profilierten Frontfrau zu folgen (35).
Stattdessen fiel man ihr nach Kräften in den Rücken. Das Entzücken in den staatstragenden Medien war entsprechend groß. Wagenknecht wird seither als AfD-, sogar als Nazi-affin diffamiert (36), die Demagogie kennt keine Grenzen. Die haltlosen Vorwürfe sind natürlich nur ein Vorwand insbesondere für die Identitäts„linken“. Sie galt und gilt vielen ganz allgemein als Hindernis, das aus dem Weg geräumt werden muss, weil sie sich dem neuen identitätspolitischen Kurs in der Partei verweigert. Alle Register wurden gezogen, um dieses Ziel zu erreichen: Zermürbung durch Mobbing, persönliche Diffamierung, Herabsetzung und Entstellung der politischen Positionen in der Öffentlichkeit durch Kipping & Co. Gesundheitliche Schäden der Angegriffenen wurden billigend in Kauf genommen.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob heute die Cancel Culture jene „Problemfälle“ erledigt, die früher durch ein Attentat beseitigt wurden.
Die Killer-Kommandos sitzen in der eigenen „linken“ Partei und in den Redaktionen der staatstragenden Medien, die miteinander kooperieren und sich gegenseitig die Bälle zuspielen (37). Identitäts„linke“ scheinen gar kein Interesse an einer Konsensfindung, an Bündnissen zu haben, um Ziele durchzusetzen. Ganz im Gegenteil. Einigungen und Kompromisse werden nicht angestrebt und von vornherein verunmöglicht. Man mag das bedauern, aber es hat Methode. Sie wollen, dass ihre unverhandelbaren Dogmen widerspruchslos akzeptiert und befolgt werden, so schräg oder reaktionär sie auch sein mögen. Bei Nichtbefolgung wird die Keule ausgepackt.
Ein Herrschaftsinstrument der Herrschenden
Zur Durchsetzung ihrer Ziele wenden sie sich vielmehr gleich an die Herrschenden, von denen sie mit offenen Armen empfangen und unterstützt werden. Warum wohl? Viele sich selbst links Verstehende stellen sich die Frage offenbar nicht. Nämlich die, die der US-amerikanische Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Prof. Guido Preparata aufwirft: „Die Show gilt zunächst als ‚surreal‘, weil zu wenige sich gefragt haben, was die bisher als zutiefst rassistisch, frauenfeindlich, elitär und homophob bekannten Eliten plötzlich dazu gebracht hat, sich über Nacht in begeisterte Anhänger des ‚Feminismus‘, ‚Nativismus‘ und von ‚LBGT‘ zu verwandeln“ (38).
Jona Textor gibt die Antwort (Kursivsetzung von H.J.M.):
„Die Identitätspolitik konnte unter anderem auch deshalb so einflussreich werden, weil sie für das Kapital keinerlei Gefahr darstellt und staatlich nicht bekämpft, sondern sogar systematisch gefördert wird“ (39).
Tatsächlich erkennen die Herrschenden das reaktionäre Potenzial linksliberaler Identitätspolitik, deren Entwicklung sie selbst angestoßen haben. Dazu aber später mehr. Willkommen ist die zersetzende Wirkung der Identitäts„linken“, die eine geschlossen handelnde Linke, die breite Bündnisse sucht, erst gar nicht aufkommen lassen.
Willkommen ist die Identitäts„linke“ auch beim Aufbau eines autoritär-totalitären bürgerlichen Staates. Als „Sprach-Polizei“ und „Türsteher ‚korrekter‘, das heißt fortan einzig gestatteter Sprech- und Schreibweise“ (40) betreibt sie Desorientierung, die Sprach- und Denkzurichtung der Menschen und damit die angestrebte Durchsetzung der neoliberalen Denkkontrolle. Willkommen ist ebenso die rücksichtlose Durchsetzungsfähigkeit der Identitäts„linken“, ihre Einschüchterungsversuche gegen Andersdenkende, die mit der Drohung einhergeht, im vorerst schlimmsten Fall sogar die berufliche Existenz zu verlieren.
Spiegelbild der „neoliberalen Konterrevolution“
Die Cancel Culture der Identitäts„linken“ deckt sich nahtlos mit den Methoden und Zielen des Regimes und seiner Medien, sie ist von Anfang an ein Herrschaftsinstrument gewesen. Als Beispiel sei hier die Durchsetzung der Corona-Maßnahmen genannt, die auch von einem Großteil der Linken kritiklos geteilt werden. Alternative und kritische Meinungen werden wie in den staatstragenden Medien auch von vielen Linken strikt ausgeschlossen und aggressiv bekämpft, ein Beleg mehr, wie groß die Hegemonie der Identitäts„linken“ in der Linken geworden ist.
Dabei sind ihre Ideologeme ein perfektes Spiegelbild der „neoliberale(n) Konterrevolution“, wie sie Ullrich Mies nennt, die auf „die Zerstörung des solidarischen Gemeinwohlgedankens“ abzielt:
„Aber auch die individuellen Effekte dieser Konterrevolution sind von höchster Bedeutung für das kollektive Verhalten der heutigen Massengesellschaft: die Förderung aller perversen Formen des Egoismus, des Geizes (‚Geiz ist geil‘), der Niedertracht, der Vorteilnahme, des Konkurrenzverhaltens, der Sinnerfüllung im Preisvergleich bis hin zur völligen Entpolitisierung und politischen Paralysierung“ (41).
Hier findet sich das gleiche Schema: Was der Neoliberalismus für die Gesamtgesellschaft, ist die Identitätspolitik für die Linke: Entsolidarisierung durch extreme Individualisierung bei gleichzeitiger One-Way-Denkabrichtung.
Seit dem Machtantritt von „Sleepy“ Joe Biden im Januar 2021 und damit der Demokratischen Partei werden die „Links“identitären gebauchpinselt, ein kleines Dankeschön für ihre jahrelange erfolgreiche Zersetzungsarbeit. So soll im US-Kongress künftig geschlechtsneutral kommuniziert werden, gestrichen werden sollen „alle ‚geschlechtsspezifischen‘ Wörter wie ‚Mutter‘ und ‚Vater‘ im Verhaltenskodex des US-Kongresses (...), um stattdessen ‚inklusive‘ Begriffe, wie etwa ‚Schwiegergeschwister‘, zu verwenden“ (42).
Spätestens jetzt müsste jedem klar geworden sein, dass die „linke“ Identitätspolitik ein Herrschaftsinstrument ist. Ihre linken Kritiker können sich indes — leider — bestätigt fühlen. Dabei ist die Doppelmoral der „Links“identitären ebenso groß wie die des Biden-Regimes: „Biden bringt People of Color ins Weiße Haus, greift aber gleichzeitig die Länder an, aus denen ebensolche Menschen in den USA Zuflucht suchen“ (43). Der Zynismus ist grenzenlos:
Auch woke Rüstung tötet
„Amnesty International berichtete 2019, dass in den USA hergestellte präzisionsgelenkte Munition bei einem von Saudi-Arabien und den Emiraten geführten Luftangriff auf ein Wohnhaus im Gouvernement Ta‘izz im Jemen eingeschlagen war, bei dem sechs Zivilisten getötet wurden — darunter drei Kinder. Interessant ist dabei, dass die Bombe, die die Militärkoalition bei diesem Angriff benutzt hatte, durch den US-Rüstungs- und Elektronikkonzern Raytheon hergestellt wurde, der 2017 von der Human Rights Campaign als ‚Best Place to Work‘ für lesbische, schwule, bisexuelle und Transgender-Mitarbeiter ausgezeichnet worden war“ (44).
Das „neue“ Biden-Amerika ist „ein ‚woker‘ Imperialismus, der den süßlichen Leichengestank seiner Mordopfer mit duftender Gutmenschen-Moralinsäure überdeckt“ (45).
Die Identitäts„linke“ liegt im Bett mit dem derzeit schlimmsten Verbrecherregime. Sollte sie damit eigentlich nicht durch und durch desavouiert sein? Aber nicht nur in den USA ist „linke“ Identitätspolitik en vogue. In Deutschland wird sie sogar von Seiten des reaktionären Merkel-Regimes vor Kritikern in Schutz genommen. Das von der SPD geführte Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend betreibt ein „Regenbogenportal“, das nicht nur Diversitätspropaganda betreibt, sondern auch argumentative Munition gegen den „Anti-Genderismus“ verbreitet (46),der durchgängig als unbegründet und rechtslastig denunziert wird.
Unwort Indianerhäuptling
Aber auch staatstragende Parteien mit längst verblasstem Linkstouch sind mittlerweile vollständig „links“identitär durchdrungen. Vor allem in der aggressivsten Kriegspartei im Bundestag feiert der Irrsinn fröhliche Urstände, sozusagen das i-Tüpfelchen auf dem Ganzen. Ein Beispiel: Während der Befragung der Spitzenkandidatin der Berliner Grünen für die Abgeordnetenhauswahl im September, Bettina Jarasch, gab diese auf dem Digitalparteitag Ende März auch Persönliches preis. So die harmlose Information, als Kind gerne ein „Indianerhäuptling“ geworden zu sein. Da hatte sie nun aber in ein Wespennest gestochen. In der Videoaufzeichnung der Befragung wurde nachträglich das Unwort „Indianerhäuptling“ getilgt und statt seiner gab es Folgendes zu lesen:
„An dieser Stelle wurde im Gespräch ein Begriff benutzt, der herabwürdigend gegenüber Angehörigen indigener Bevölkerungsgruppen ist. Wir haben diesen Teil daher entfernt. Auch wir lernen ständig dazu, und wollen weiter daran arbeiten, unser eigenes Handeln und Sprechen weiter auf diskriminierende Denkmuster zu hinterfragen“ (47).
Und weiter:
„Vor 20 Jahren hätten die Grünen die Kindheitserinnerung vielleicht noch feministisch interpretiert, sozusagen als Empowerment eines kleinen Mädchens. Doch jetzt rührte sich in den internen Chatgruppen sofort bitterernster Protest. ‚Indianer‘, hieß es da nach Aussage von Teilnehmern, sei eine ‚koloniale Fremdbezeichnung‘. Die Spitzenkandidatin solle sich korrigieren, wurde gefordert. Das tat Jarasch dann auch zwei Stunden später in der Programmdebatte. Ohne sich konkret auf ihre Äußerung zu beziehen, kündigte sie ‚klärende Worte‘ an und verurteilte ihre ‚unreflektierte Wortwahl‘ und ‚unreflektierte Kindheitserinnerungen‘, die ‚andere verletzen‘ könnten“ (48).
Mich jedenfalls erinnert dieser Vorgang an repressiv-autoritäre Selbstkritikrituale in maoistischen K-Gruppen in den 1970er Jahren oder in religiösen Sekten.
Beschaffungsprogramm für Jobs
Die „linke“ Identitätspolitik ist nicht nur angetreten, um politisches und „ideologisches“ Terrain zu erobern. Mit zunehmendem Einfluss ist sie zugleich zu einem Beschaffungsprogramm für Jobs geworden. Identitäts„linke“ sind aufstiegswillig, es treibt sie, Teil des bürgerlichen Establishments zu werden, das gleiche Klientel, das die Linkspartei unter allen Umständen „bündnisfähig“ machen möchte, um im System endlich dazuzugehören. Identitäts„linke“ sind absolut systemkonform, ja opportunistisch und weit davon entfernt, grundlegende Veränderungen herbeiführen zu wollen. Der humane Anspruch ist lediglich eine Maske, hinter der sich knallhart das Gesicht des Totalitären und der Kampf um Pfründe innerhalb des bürgerlichen Establishments verstecken.
Jona Textor weist darauf hin, „dass in diesem Bereich ein wachsender Arbeitsmarkt entstanden ist, der für postmoderne Identitätslinke attraktive Karrieremöglichkeiten eröffnet. So kann man sich im Studium mit postcolonial studies oder queer theory beschäftigen und sich ein paar Jahre lang als radikale Gesellschaftskritikerin fühlen, um dann das gewonnene ‚kulturelle Kapital‘ als Antirassismustrainerin, ‚Diversity consultant‘ oder diskriminierungssensible Personalmanagerin in bare Münze umzusetzen. In den USA wurde dieses ‚Diversity Business‘ schon 2003 auf ein Volumen von rund 8 Milliarden US-Dollar geschätzt“ (49).
Umgekehrt kann „sich ein Teil der bürgerlichen, kapitalistischen Kräfte als LGBT-freundlich inszenieren (...), um sich ein liberales und progressives Image zu geben. Großkonzerne wie Apple oder Coca Cola, die Millionen von ArbeiterInnen unter miesen Bedingungen ausbeuten, unterstützen LGBT-Kampagnen in ihrem Unternehmen, oder finanzieren auf völlig kommerzialisierten Regenbogenparaden Party-Trucks mit Gratisalkohol. Die neoliberalen NEOS setzen sich für die gleichgeschlechtliche Ehe ein und stimmen im nächsten Atemzug dem Zwölfstundentag zu.
Um die rege Wissensproduktion von radikal scheinenden, aber in Wahrheit für die Herrschenden völlig harmlosen Ideen zu fördern, fließen abertausende Euros in die Finanzierung von Gender-Studies-Professuren an Unis und Queer-Studies-Stipendien, während linksliberale Medien und Verlage wohlwollend Pro-Queer-Artikel und Romane veröffentlichen“ (50).
Das Beste kommt zum Schluss
Der Autor dieses Artikels könnte eigentlich nun zum Ende kommen und ein Resümee ziehen. Aber wie so oft: Das Beste kommt zum Schluss. Wenn man nämlich der Frage nachgeht, wie diese Ideologeme in die Welt gekommen sind und warum sie eine solche Wirkung haben entfalten können, führen die Recherchen zu vergangenen Ereignissen, die bereits einige Jahrzehnte zurückliegen, aber wie andere auch eine erhebliche Fernwirkung hatten.
Ereignisse — man wird es kaum glauben und wieder einmal als eine Verschwörungstheorie abtun —, die maßgeblich von US-amerikanischen Geheimdiensten, vor allem von der CIA, angestoßen wurden. Der US-amerikanische Philosoph, politische Theoretiker und Kunstkritiker Gabriel Rockhill hat in seinem 2017 erschienenen Aufsatz The CIA Reads French Theory — On the Intellectual Labor of Dismantling the Cultural Left (auf Deutsch: Die CIA liest französische Theorie: Über die intellektuelle Arbeit an der Demontage der kulturellen Linken) Bemerkenswertes enthüllt, das ein ganz neues Licht auf die Entstehung „linker“ Identitätspolitik wirft (51).
Die US-amerikanische Rollback-Politik in Europa seit den 1950er Jahren hatte das Ziel, neben den sozialistischen Ländern auch die westlichen kommunistischen Parteien, insbesondere die starke und einflussreiche KPI in Italien, entscheidend zu schwächen (52). Die NATO-Terroristen von Gladio (53) standen hilfreich zur Seite. Parallel dazu galt es, den noch erheblichen marxistischen Einfluss an Universitäten und in kulturellen Einrichtungen Westeuropas zurückzudrängen, ja wenn möglich gänzlich auszuschalten. Die CIA hatte auch hier einen adäquaten Plan parat. Tatsächlich berichtet Gabriel Rockhill von einer „langjährigen und andauernden Investition der CIA in einen globalen Kulturkrieg“. Denn:
„Der Geheimdienst versteht Kultur und Theorie als entscheidende Waffen in seinem Gesamtarsenal, das er einsetzt, um US-Interessen auf der ganzen Welt durchzusetzen“ (54). So entpuppte sich der Congress for Cultural Freedom (CCF) mit Hauptsitz in Paris als CIA-Tarnorganisation während des Kalten Krieges, die „zu den wichtigsten Mäzenen der Weltgeschichte gehörte“.
Kampf gegen den Marxismus
Der CCF „unterstützte eine unglaubliche Bandbreite an künstlerischen und intellektuellen Aktivitäten. Er hatte Niederlassungen in 35 Ländern, gab Dutzende von Prestige-Magazinen heraus, war an der Buchindustrie beteiligt, organisierte hochkarätige internationale Konferenzen und Kunstausstellungen, koordinierte Aufführungen und Konzerte und steuerte reichlich Mittel für verschiedene Kulturpreise und Stipendien sowie an Frontorganisationen wie die Farfield Foundation bei“ (55). Natürlich nicht ohne Hintergedanken.
Die Agentur „förderte (...) in der Nachkriegszeit (...) direkt linke Projekte, um die Kulturproduzenten und -konsumenten von der dezidiert egalitären Linken wegzulocken. Indem sie letztere abtrennte und diskreditierte, strebte sie danach, die Linke insgesamt zu fragmentieren und zu zersplittern und das, was von der linken Mitte übrig blieb, mit nur minimalem Einfluss und öffentlicher Unterstützung zurückzulassen“ (56).
Dabei konzentrierte sich die CIA vor allem auf die Linksintellektuellen und suchte nach Möglichkeiten, sie „umzudrehen“. Aus dem erst kürzlich veröffentlichten CIA-Dokument France: Defection of the Left Intellectuals (auf Deutsch: Frankreich: Der Verrat der Linksintellektuellen) aus dem Jahr 1985 (57) geht hervor, dass es das erklärte Ziel der CIA seit den 1950er und 1960er Jahren war, den marxistischen Einfluss auf die Kultur und in den Wissenschaften in Westeuropa zurückzudrängen, gleichzeitig aber reformistische, anti-marxistische Theoriebildungen zu fördern.
In Frankreich brachten sie vor allem in den Sozial-und Geschichtswissenschaften, aber auch auf dem Gebiet der Anthropologie sich ehemals als marxistisch verstehende Renegaten entsprechend in Stellung. Deren Leistungen werden in dem CIA-Bericht in den höchsten Tönen gelobt. Hervorgehoben wird, „dass ihre kritische Vernichtung des marxistischen Einflusses sowohl in Frankreich als auch in Deutschland als bedeutender Beitrag zur modernen Wissenschaft andauern wird“ (58).
Unter den Überläufern sind einige bekannte Namen aus den französischen Annales- und Strukturalisten-Schulen, darunter auch der bereits 1984 verstorbene Philosoph Michel Foucault, der „als Vater der Queer Theorie“ (59) gilt, die einige seiner Adepten inspirierte, sie weiterzuentwickeln und zu spezifizieren.
Die US-Amerikanerin Judith Butler gehört zu ihnen und hat „mit ihrem mittlerweile 30 Jahre alten Buch ‚Gender Trouble‘ die poststrukturalistische Sicht auf die Welt noch einmal kräftig nachjustiert“ (60), das einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung „linker“ Identitätspolitik genommen hat. Diese Kontinuität über die Jahrzehnte hinweg ist insofern interessant, als sie zeigt, dass der „kulturpolitische“ Anstoß durch die CIA ausreichte, einen theoretischen Selbstläufer zu provozieren — ich habe es weiter oben als Spaltpilz bezeichnet —, der seit einigen Jahren seine ganze Wirkung entfaltet.
Mission Accomplished
Dabei fällt ins Auge, dass die heutige „linke“ Identitätspolitik genau das reproduziert, was die CIA einst beabsichtigte: Es gehörte „zur kulturellen Strategie der Spionagebehörde, zu fragmentieren und zu polarisieren“, um „die antiimperialistische, antikapitalistische Linke zu spalten und zu isolieren, während sie ihr reformistische Positionen entgegensetzt“ (61). Tatsächlich befindet sich die Linke mittlerweile im Zustand eines in seine Teile zerfallenden Puzzlebildes: Grüppchen, Sekten oder Communities, die sich gegenseitig befehden.
Aus einer produktiven Streitkultur, die früher zum Selbstverständnis der Linken gehörte, ist eine Diffamierungs(un)kultur geworden, deren Ziel es ist, Einzelpersonen, wenn sie nicht spuren, zu zerstören. Ein Verfallsprozess, der sich durch die Identitätspolitik rasant beschleunigt hat.
Die Geburtshilfe der CIA hat sich ausgezahlt, sie war eine erfolgreiche Investition in die Zukunft. Sie lehrt zugleich, dass die Agency kluge Leute mit Weitsicht beschäftigt, die man nie unterschätzen sollte. Sich als links Verstehende sollten sich dies stets hinter die Ohren schreiben. Schaut man sich den Zustand der heutigen Linken an, kann nicht nur die CIA erfreut feststellen: Mission Accomplished.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Bernd Stegemann, Wem die Zwietracht nützt, www.freitag.de, entnommen am 6. Dezember 2020 (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/wem-die-zwietracht-nuetzt).
(2) Ullrich Mies, Geleitwort, in: Flo Osrainik, Das Corona-Dossier. Unter falscher Flagge gegen Freiheit, Menschenrechte und Demokratie. Neuenkirchen 2021, S. 14.
(3) Walter Benjamin, Linke Melancholie. In: Walter Benjamin, Gesammelte Schriften Band III (Werkausgabe Band 8), Kritiken und Rezensionen, Hrsg. von Hella Tiedemann-Bartels. Frankfurt am Main, S. 280.
(4) ebd., S. 281.
(5) Zur Erinnerung ein paar Beispiele: Vor allem Kommunisten und Sozialisten setzten sich für deren Emanzipation ein. In der Oktoberrevolution wurde die völlige juristische und soziale Gleichstellung der Geschlechter durchgesetzt. 1920 legalisierte die Sowjetunion den Schwangerschaftsabbruch. Die KPD war in den 1920er Jahren die einzige Partei, die konsequent gegen den Paragrafen 218 vorging. In der DDR war Homosexualität seit 1968 unter Erwachsenen straffrei, in der BRD existierte der Paragraf 175, der Homosexualität unter Strafe stellte, bis 1994!
(6) Ralf Hanselle, Ich so, du so. in: Cicero, September 2020, S. 19.
(7) Michael Bröning, Karl Marx war auch nur ein alter weißer Mann, Zeit online, 25. März 2019
(https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-03/identitaetspolitik-kommunismus-arbeiterklasse-diskriminierung-emanzipation-karl-marx).
(8) Marxismus vs. Identitätspolitik, Der Funke, 28. August 2020 (https://derfunke.at/theorie/ideologiekritik/11472-marxismus-vs-identitaetspolitik)
(9) Die Reaktion eines Teils der SPD-Parteispitze auf die berechtigte Kritik von Wolfgang Thierse an der Identitätspolitik zeigt, wie groß der Einfluss der Identitäts„linken“ mittlerweile geworden ist und wie spaltend und damit zerstörerisch sie auch in Parteien wirken können. In der Linkspartei verhält es sich ähnlich. Erinnert sei an dieser Stelle an das Mobbing gegen Sahra Wagenknecht in der Flüchtlings- und Migrationsfrage. Von den totalitären Denkzurichtungen bei den Grünen nicht zu reden.
(10) Jona Textor, Eine marxistische Kritik der „postmodernen Identitätslinken“ und des identitätspolitischen Antirassismus. Aus: Kommunistische Organisation, 30. Juli 2020 (https://kommunistische.org/diskussion/eine-marxistische-kritik-der-postmodernen-identitaetslinken-und-des-identitaetspolitischen-antirassismus/). Die Autorin fährt fort: „Die fast vollständige Trendwende weg von klassen- und hin zu identitätspolitischen Themen in den 1990er Jahren ist kein unwesentlicher Faktor dafür, dass die breitere Linke ihre ehemalige Verankerung in der Arbeiterklasse so gut wie vollständig verloren hat. Der ‚Unterschicht’ tritt diese Linke allenfalls noch von oben herab und mit erhobenem identitätspolitischen Moralzeigefinger entgegen. Die harten sozialen Themen wie Hartz IV, Wohnungsnot und Altersarmut, von denen Millionen der politisch Abgehängten in Deutschland tagtäglich unmittelbar betroffen sind, werden mehr oder weniger kampflos den faschistischen Rattenfängern und ihrer sozialen Demagogie überlassen.“
Insgesamt ein interessanter und informativer Versuch von Jona Textor, die Identitätspolitik aus marxistischer Sicht darzustellen und zu hinterfragen.
(11) Infratest dimap führte vom 18. bis 20. Mai 2020 im Auftrag der Welt am Sonntag eine Umfrage über Vorbehalte gegenüber genderneutraler Sprache durch. 1008 Befragte nahmen teil. Hier das Ergebnis: „Gegenüber der Verwendung einer genderneutralen Sprache in Medien und Öffentlichkeit bestehen bei den Deutschen Vorbehalte. Ein gutes Drittel der Befragten (35 Prozent) befürwortet zwar den Einsatz von Binnen-I oder nichtdifferenzierenden Formen. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten (56 Prozent) lehnt deren Verwendung in Medien und Öffentlichkeit jedoch ab. Auch die Hälfte der Frauen (52 Prozent) tut sich damit bislang schwer. Offener gegenüber einer genderneutralen Sprache zeigen sich die jüngeren Bürgerinnen und Bürger wie auch Personen mit formal höherer Schulbildung, von denen jeweils etwa jeder Zweite zu einem positiven Urteil gelangt. In den politischen Lagern bestehen Vorbehalte bei den Anhängerschaften von AfD (64 Prozent), FDP (76 Prozent) und CDU (64 Prozent). Aber auch unter den SPD-Anhängern überwiegt die Ablehnung (42:54 Prozent). Dagegen sind in den Reihen von Grünen- und Linken-Wählern jeweils die Fürsprecher einer genderneutralen Sprache in der Mehrheit. Aber auch von ihnen stehen jeweils etwa vier von zehn ihrer Verwendung ablehnend gegenüber.“ (https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/umfragen/aktuell/vorbehalte)
(12) In einer bemerkenswerten Philippika brachte es der Schriftsteller und Sprachwissenschaftler Jürgen Roth am 7. Juni 2018 im Freitag auf den Punkt: „Es wütet, ausgehend von einer über ihrem 'Diversity'-Mantra verrückt gewordenen, ungebildeten, moralpolitisch verhärteten, feindfixierten postmodernen Linken, ein regressiv-antiaufklärerischer, antiliberaler Opferkult, der die wechselseitige Infantilisierung aller forciert. Dem Kulturprotestantismus unter dem falschen Kleid der Toleranz eignet ein inquisitorischer Wahn, der nichts anderes artikuliert als die narzisstisch präsentierte Unlust an der Welt, als die Weigerung, sich mit der Widersprüchlichkeit des Lebens zu beschäftigen, oder überhaupt mit etwas, das in die Nähe von Erfahrung gelangte.“ Zit. nach https://www.kontextwochenzeitung.de/debatte/487/beichte-deine-suenden-6895.html.
(13) Sahra Wagenknecht: Linksliberalismus von heute ist Linksilliberalismus, zitiert nach: RT DE, 6. Februar 2021 (https://de.rt.com/inland/112830-sahra-wagenknecht-linksliberalismus-von-heute-ist-linksilliberalismus/)
(14) Jens Berger, „Cancel Culture“ — Intoleranz im Namen der Toleranz, www.nachdenkseiten.de, entnommen am 16. Juli 2020 (https://www.nachdenkseiten.de/?p=62972).
(15) siehe dazu: Marxismus vs. Queer Theory, Der Funke, 29. Juni 2020 (https://derfunke.at/theorie/ideologiekritik/11439-marxismus-vs-queer-theory-der-kampf-geg)
(16) Diese Dogmen werden behandelt wie religiöse Offenbarungen und sind Glaubenssache. Ketzer all diejenigen, die diese infrage stellen, und entsprechend werden sie verfolgt bis zur Auslöschung ihrer beruflichen Existenz. Das erinnert an die Zeiten Savonarolas und Calvins und an eine Erziehungsdiktatur. Die „Formen pietistischer Selbstdisziplinierung“ (https://www.freitag.de/autoren/solidhessen/von-zerocovid-zu-zeromensch), denen sich die „Links“identitären oftmals unterwerfen, passen dazu. Was wird der nächste Schritt sein? Pol Pot? Der US-amerikanische Schriftsteller John McWhorter bezeichnet die identitätspolitische Linke deshalb zu Recht als „dogmatische Sekte“ (https://www.spiegel.de/kultur/ideologien-sind-fuer-intelligente-menschen-wie-drogen-a-4cd0f6aa-0002-0001-0000-000176230952). Die Schriftstellerin Joanne K. Rowling, die das von Judith Butler und anderen in die Welt gesetzte Dogma der Non-Binarität in Frage stellte, und andere können ein Lied davon singen. Die Linke, die sich stets etwas auf ihre Fähigkeiten zur rationalen Analyse und Wissenschaftlichkeit einbildete, läuft heute in erheblichen Teilen quasireligiösen Dogmen hinterher. Das non-binäre Dogma erinnert an den anti-evolutionären Fundamentalismus der klerikalfaschistischen Evangelikalen, eine Art umgedrehter „linker“ Kreationismus. Seine Anhänger versteigen sich zu der Behauptung, die biologische Zweigeschlechtlichkeit sei eine „strikte künstliche Zweiteilung“ (Kursivsetzung von H.J.M.) (https://www.nonbinary.ch/binaritaet-betrifft-alle/). Der Mensch als geschlechtsloses Säugetier? Wer glaubt, geschlechtslos zu sein, sollte zum Therapeuten gehen. Wie weit soll der Unsinn noch getrieben werden, „wenn man heute selbst bei einem konventionellen Onlinedienst wie Facebook 60 Möglichkeiten hat, um seine geschlechtliche Identität zu definieren — von Inter*Mensch bis nichtbinär“ (Ralf Hanselle, Ich so, du so, a.a.O., S. 22). Selbst in der Linkspartei feiert die linksliberale Identitätspolitik mittlerweile fröhliche Urstände. So im Antrag „Für das Leben — Das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sichern, reproduktive Gerechtigkeit ermöglichen“ der Linksfraktion im Bundestag vom 24. Februar 2021. Dort steht zu lesen (Kursivsetzungen von H.J.M.): „Im Fall einer ungeplanten Schwangerschaft stellte sich für viele Frauen und weitere gebärfähige Personen die Frage, ob sie schwanger bleiben und ein Kind gebären oder diese Schwangerschaft abbrechen wollen. (...) Eine solche angenommene Austragungspflicht macht gebärfähige Körper, in der überwiegenden Mehrzahl Frauenkörper, zum Objekt dieser Austragungspflicht.“ (https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/269/1926980.pdf). Jens Bergers Kommentar in den NachDenkSeiten kann nur zugestimmt werden: „Ganz ehrlich, ich verstehe das nicht. Welche ‚Nicht-Frauen‘ sollen denn schwanger werden?“ (https://www.nachdenkseiten.de/?p=70513#h15)
(17) „Weiße stecken in einer Zwickmühle: Was sie auch machen, es ist falsch“, aus: www.spiegel.de, entnommen am 12. März 2021 (https://www.spiegel.de/kultur/ideologien-sind-fuer-intelligente-menschen-wie-drogen-a-4cd0f6aa-0002-0001-0000-000176230952)
(18) Nina Stec, Gender-Aktivismus: Hexenjagd gegen J. K. Rowling immer heftiger, www.aktion-kig.eu, entnommen am 21. Februar 2021(https://www.aktion-kig.eu/2020/10/gender-aktivismus-hexenjagd-gegen-j-k-rowling-immer-heftiger/).
(19) https://www.zeit.de/kultur/2020-06/joanne-k-rowling-vorwurf-transfeindlichkeit-konflikt-twitter
(20) Nina Stec, Gender-Aktivismus: Hexenjagd gegen J. K. Rowling immer heftiger, a.a.O.
(21) Uni Kassel: Student benutzt keine „genderneutrale Sprache“ — Dozent gibt Punktabzug, RT DE, 2. April 2021 (https://de.rt.com/inland/115279-uni-kassel-student-benutzt-keine-genderneutrale-sprache/), siehe auch https://www.hna.de/kassel/universitaet-kassel-gender-streit-noten-politik-sprache-90265076
(22) Hans-Jürgen Mülln, Die Banalität des Bösen, www.rubikon.news, 20. Februar 2021 (https://www.rubikon.news/artikel/die-banalitat-des-bosen
(23) (https://www.rechtschreibrat.com/geschlechtergerechte-schreibung-empfehlungen-vom-26-03-2021/)
(24) Ullrich Mies, Narrative, Diskurskollaps und Neusprech, in: Ullrich Mies (Hg.), Mega-Manipulation. Ideologische Konditionierung in der Fassadendemokratie, Frankfurt am Main 2020, S. 303
(25) Basisarbeit verbunden mit losen Strukturen. Dazu ein aggressiver Jargon — ein Blick in die Hintergründe, die „Black Lives Matter“ erfolgreich machten, www.nzz.ch, 16. September 2020, (https://www.nzz.ch/feuilleton/black-lives-matter-wie-wurde-die-bewegung-erfolgreich-ld.1575826)
(26) ebd.
(27) Die Ford Foundation, eine philantropische Fassade des CIA (im Text sind die beiden Fehler in der Überschrift korrigiert worden, H.J.M.), Voltaire Netzwerk, www.voltairenet.org, 5. April 2004 (https://www.voltairenet.org/article190750.html)
Zur Ergänzung: Warum die Ford Stiftung den Protest finanziert, Voltaire Netzwerk, www.voltairenet.org, 19. April 2004
(28) Gabriel Black, Milliardäre unterstützen die Bewegung „Black Lives Matter“ in den USA, in: World Socialist Web Site, 14. Oktober 2016 (https://www.wsws.org/de/articles/2016/10/14/blac-o14.html). Black Lives Matter gerät mittlerweile immer mehr ins Zwielicht, nachdem sich eine der Gründerinnen in einem Nobel-Viertel von Los Angeles eine Villa für 1,4 Millionen US-Dollar geleistet hat: Patrisse Khan-Cullors, die sich selbst als Marxistin bezeichnet, ist die neue Nachbarin von stinkreichen Weißen, die sie bislang vorgegeben hat zu bekämpfen. (https://www.anti-spiegel.ru/2021/BLM-gruenderin-kauft-millionen-teures-anwesen-und-facebook-loescht-berichte-darueber/).
(29) https://www.blacklivesmatterberlin.de/BLMb-community-guidelines/
(30) https://de.rt.com/nordamerika/113249-weisse-vorherrschaft-und-kolonialisierung-shakespeare-droht-entfernung-lehrplaene/
(31) https://snanews.de/20210224/simpsons-groening-debatte-1038404.html
(32) https://de.rt.com/international/114232-nicht-schwarz-und-weiblich-schriftsteller-uebersetzung/
(33) https://de.rt.com/gesellschaft/115127-franzosische-politikerin-weisse-sollten-schweigen/
(34) Jona Textor, Eine marxistische Kritik der „postmodernen Identitätslinken“ und des identitätspolitischen Antirassismus, a.a.O.
(35) Die Linksjugend Sachsens beispielsweise tat sich auf ihrer Website vom 6. Januar 2017 (https://www.linksjugend-sachsen.de/aktuell/detail/article/merkel-von-links-kritisieren-und-nicht-der-afd-nach-dem-mund-reden.html) besonders intelligent hervor. Sie nahm sogar Merkel vor Wagenknecht in Schutz und war offenbar kurz davor, Merkel eine Ehrenmitgliedschaft in der Linkspartei anzudienen, als sie die eiserne Kanzlerin lobte: „Denn Merkel hat auch, wenn auch nur kurzzeitig, die Grenzen geöffnet, während andere Staaten in Europa ihre schlossen. Dies tat sie trotz massiven Gegenwinds in ihrer eigenen Partei und erntete weltweit Kritik, aber auch viel Lob für diesen humanitären Umgang. Dadurch erfüllte sie, wenn auch nur zeitweise, eine Forderung aus dem Bundestagswahlprogramm der LINKEN von 2013.“ Ist es Naivität oder Dummheit oder Bestechung, die zu solchen Schlussfolgerungen zwingt?
(36) https://norberthaering.de/news/telepolis-konicz-wagenknecht/
(37) Wie so etwas funktioniert, hat Norbert Häring in seinem Blog Geld und mehr exemplarisch in dem Artikel Die unerhörte Selbstkrönung der Sahra W. — Anatomie einer Umdeutung vom 4. Oktober 2016 gezeigt (https://norberthaering.de/news/selbskroenung-kipping/).
(38) zit. nach: Ullrich Mies, Narrative, Diskurskollaps und Neusprech, a.a.O., S. 294.
(39) Jona Textor, Eine marxistische Kritik der „postmodernen Identitätslinken“ und des identitätspolitischen Antirassismus, a.a.O.
(40) Ullrich Mies, Narrative, Diskurskollaps und Neusprech, a.a.O., S. 303.
(41) Ullrich Mies, Geleitwort, a.a.O. S. 15.
(42) Abschied von „Mutter“ und „Vater“ — US-Kongress soll nun geschlechtsneutral kommunizieren, RT DE, 8. Januar 2021 (https://de.rt.com/nordamerika/111446-abschied-von-mutter-und-vater/).
(43) Biden-Politik: Förderung der Diversität im Inland, Bombardierung diverser Völker im Ausland, RT DE, 2. März 2021 (https://de.rt.com/meinung/113800-biden-politik-foerderung-diversitaet-im-inland-bombardierung-diverser-voelker-im-ausland/).
(44) ebd.
(45) Die Gutmenschen-Idee der USA: Intersektionaler Imperialismus als neue Vermarktungsstrategie, RT DE, 29. März 2021 (https://de.rt.com/meinung/114785-gutmenschlicher-tumor-usa-intersektionaler-regenbogen-imperialismus/).
(46) Der auf www.regenbogenportal.de des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erschienene Artikel Anti-Genderismus: Gender unter Ideologieverdacht verteidigt tatkräftig die Identitäts„linke“. Mitgetragen von einer Union, die seit Jahrzehnten ein mittelalterliches Rollenbild pflegt. Wie in der Migrationspolitik werden Kritiker unisono als Rechte diffamiert: „Hinter den Anti-Gender-Initiativen steht eine politische Allianz aus Gruppierungen, zwischen denen es große Unterschiede, aber auch Überschneidungen gibt. Sie sind global vernetzt und zielen darauf ab, ihren politischen Einfluss auszubauen. So ist der Anti-Genderismus ein ideologisches Bindeglied zwischen christlich-fundamentalistischen AkteurInnen aus strenggläubig katholischen und evangelikalen Zusammenhängen, Initiativen und Parteien aus dem völkischen, rechtspopulistischen und rechtskonservativen Spektrum sowie antifeministischen Männerrechtsaktivisten.“ Dass auch zahlreiche Linke und wirkliche Linksliberale den Gender-Wahn mit großer Besorgnis sehen und ihn völlig berechtigt kritisieren, wird in dem Artikel interessanterweise unterschlagen. So kann linke Kritik auch in diesem Fall wieder als rechtslastig verleumdet werden.
(47) Claus Christian Malzahn, Die Selbstzensur der Grünen, www.welt.de, 28. März 2021 (https://www.welt.de/politik/deutschland/plus229277873/Bettina-Jarasch-Die-Selbstzensur-der-Gruenen.html).
(48) ebd.
(49) Jona Textor, Eine marxistische Kritik der „postmodernen Identitätslinken“ und des identitätspolitischen Antirassismus, a.a.O.
(50) Marxismus vs. Queer Theory, in: Der Funke, 29. Juni 2020 (https://derfunke.at/theorie/ideologiekritik/11439-marxismus-vs-queer-theory-der-kampf-geg)
(51) Gabriel Rockhill, The CIA Reads French Theory — On the Intellectual Labor of Dismantling the Cultural Left, The Philosophical Salon, 28. Februar 2017, entnommen am 27. Februar 2021 (https://thephilosophicalsalon.com/the-cia-reads-french-theory-on-the-intellectual-labor-of-dismantling-the-cultural-left/). Ähnlich verdeckte Vorgänge sind auch in der BRD zu verzeichnen. In dem Dokumentarfilm „Böll und die CIA“, der am 29. November 2006 auf 3sat ausgestrahlt wurde (https://www.3sat.de/kulturzeit/tips/101154/index.html), weist der Autor Hans-Peter Minow nach, dass die CIA auch in der frühen BRD die Kulturelite umwarb, und zwar mit dem Ziel: „Der amerikanische Geheimdienst umwirbt im Kalten Krieg die Vertreter der westlichen Kulturelite, Schriftsteller, Musiker, Maler. ‚Es ging darum, sozialdemokratisch gesinnte Intellektuelle abzuschöpfen, beziehungsweise ging es darum, in diesen Kreisen, sie davor zu bewahren, marxistischen Versuchungen zu erliegen‘, erklärt Minow.“ Und weiter: „Um Böll spann der CIA ein regelrechtes Geflecht. Sein Verleger Joseph Caspar Witsch, der den Verlag Kiepenheuer und Witsch gründete, ist Chef der Kölner Gruppe des amerikanischen Geheimdienstes. Die Lektorin Carola Stern ist CIA-Agentin. Der Verlag hat ein sehr anspruchsvolles Programm, dessen Finanzierung rätselhaft scheint. (...) Heinrich Böll reist oft in die Länder des ehemaligen Ostblocks, nach Polen und Tschechien. Berichte über die Reisen schickt er seinem Verleger Joseph Caspar Witsch, der sie umgehend an die CIA-Zentrale nach Paris weiterleitet. Und die CIA zahlt auch die Reisekosten für die Teilnehmer, die zu den Tagungen des Kongresses für kulturelle Freiheit, einer Tarnorganisation des US-amerikanischen Geheimdienstes reisen.“
(52) siehe Regine Igel, Terrorjahre. Die dunkle Seite der CIA in Italien, München 2006.
(53) Daniele Ganser, NATO-Geheimarmeen in Europa, Zürich 2008; NATO-Terroristen im Untergrund, Interview mit Ulrich Stoll, www.nachdenkseiten.de, (https://www.nachdenkseiten.de/?p=29105)
(54) Gabriel Rockhill, a.a.O. (Übersetzung ins Deutsche von H.J.M.)
(55) ebd.
(56) ebd. Dazu eine Ergänzung aus Marxismus vs. Identitätspolitik, a.a.O.: „In ähnlicher Weise unterstützte die CIA im Geheimen eine Reihe ‚antitotalitärer“‘ Publikationen, darunter Partisan Review, den Monat (in dem unter anderem Artikel von Adorno und Arendt erschienen), Mundo Nuevo und dergleichen. Diese Zeitschriften einigte der rote Faden der Verteidigung des ‚Intellektuellen‘ gegenüber dem Klassenkampf.“
(57) https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/CIA-RDP86S00588R000300380001-
5.PDF; siehe auch George Ross, Intellectuals against the Left: The Case of France, in: Vol 26: Socialist Register 1990: The Retreat of the Intellectuals (https://socialistregister.com/index.php/srv/issue/view/424)
(58) zit. aus: Marxismus vs. Identitätspolitik, a.a.O.
(59) ebd.
(60) Ralf Hanselle, Ich so, du so, a.a.O., S. 22
(61) Gabriel Rockhill, a.a.O.