Mut zur Lücke
Die Frage kann ein besserer Ratgeber sein als die Antwort.
Was war zuerst, das Huhn oder das Ei? Ist es das Sein, das das Bewusstsein bestimmt, oder ist es umgekehrt? Es ist wie auf den Bildern optischer Täuschungen: Was wir sehen, hängt von unserem Blickwinkel ab und von dem, was wir sehen wollen, von unseren Prägungen und Vorstellungen. Das sollten wir nicht vergessen, bevor wir unseren Standpunkt verteidigen. Vielleicht ist es ganz anders, als wir denken.
Die Welt, in der ich lebe, steht in voller Blüte. Der Wind rauscht im Blattwerk, Vögel zwitschern, Insekten summen. Bald werden die Zikaden dazukommen. Ein paar Monate lang werden sie die Luft zum Flirren bringen und daran erinnern, dass die Welt in Schwingung ist.
Alles ist ständig in Bewegung. Alles verändert sich. Nichts bleibt, wie es ist. Was heute noch gültig ist, kann morgen überholt sein, falsch, verdorben. Wo wir gestern glaubten, die Erde sei eine Scheibe, ist sie heute rund. Wo früher geglaubt wurde, Kinder oder Tiere hätten keine Gefühle, wissen wir es heute besser. Was heute als schön gilt, ist morgen vielleicht hässlich. Was wir heute mit eigenen Augen gesehen haben, kann sich morgen als Trugbild enttarnen.
Wie oft stellen wir fest, dass wir etwas falsch verstanden haben? Immer wieder geschieht es, dass wir uns täuschen lassen und das sehen, was wir sehen wollen. Es sind unsere Vor-Stellungen, die unsere Wahr-Nehmung beeinflussen. Immer wieder erfahren wir das, wenn wir bestimmten Menschen begegnen oder uns in bestimmte Situationen begeben. Wer könnte von sich behaupten, er sei frei von Vorurteilen und würde sich nicht irren?
Bitte lockermachen
Mancher hat heute den Mut einzugestehen, dass er sich in Bezug auf den Umgang mit einem bestimmten Virus geirrt hat. Mancher fragt sich, in wessen Interesse eigentlich bestimmte Kriege geführt und bestimmte Klimaschutzgesetze beschlossen werden. Immer wieder hat uns die Geschichte gezeigt, dass etwas nicht wahr sein muss, nur weil viele es machen. Wir haben gesehen, wie ganze Völker sich geirrt haben. So sollten wir heute zurückhaltend damit sein, felsenfest eine Meinung zu vertreten. Es könnte sein, dass sie morgen falsch ist.
Es könnte zum Beispiel sein, dass zu Ehren kommt, was Antoine Béchamp, ein Widersacher von Louis Pasteur, herausgefunden hat: Die Mikrobe ist nichts. Das Terrain ist alles. Es könnte sein, dass anerkannt wird, dass nicht Wettkampf und Krieg, sondern Kooperation und Frieden der Motor der Evolution sind oder dass wir gar kein CO2-Problem haben, sondern ein Problem im System. Es könnte sein, dass sich durchsetzt, dass Wasser Informationen speichern und weitergeben kann, dass Gefühle krank oder gesund machen, dass bestimmte Energien heilsam wirken oder dass man für Operationen nicht in den Körper einzugreifen braucht.
Es könnte also sein, dass manche Geschichten, die uns erzählt werden, vielleicht gar nicht richtig sind. Vielleicht stimmt es gar nicht, dass Impfungen Leben retten, dass die Russen die Bösen sind und die Sonne so gefährlich, dass wir uns mit allen Mitteln vor ihr schützen müssen. Möglich ist es. Auch wenn wir das nicht gerne wahrhaben wollen, weil wir dann nicht mehr wissen, woran wir glauben sollen und uns festhalten können: Es ist auch möglich, dass in unserer Geschichtsschreibung nicht alles stimmt, so wie nicht alles stimmt, was im Fernsehen gesagt und in den Zeitungen geschrieben steht.
Eine kurze Geschichte der Menschheit
In unseren Geschichtsbüchern steht, die Erde sei zufällig vor etwa 4,5 Milliarden Jahren aus einem großen Knall heraus entstanden. Entsprechend war alles, was danach folgte, ebenfalls Zufall. Zufällig haben sich aus einer brodelnden Ursuppe heraus die ersten Einzeller gebildet und schließlich Bakterien, aus denen alles weitere Leben hervorging. Zufällig bildeten sich durch das Freisetzen von Sauerstoff die idealen Bedingungen für das heutige Leben auf dem Planeten, und zufällig entstanden vor etwa 200 Millionen Jahren die ersten Säugetiere und schließlich der Mensch.
Nachdem wir über zwei Millionen Jahre damit verbracht haben, auf Höhlenwänden herumzukritzeln, ging plötzlich alles ganz schnell. Vor etwa 11.000 Jahren wurden wir sesshaft, erfanden Viehzucht und Landwirtschaft und sind seitdem an unser Hab und Gut gebunden. In Mesopotamien und Ägypten entstand mit den ersten Hochkulturen das, was unsere heutige Zeit ausmacht: Bürokratie, Theokratie, die Anfänge von Wissenschaft und Technik, Kalender und Zeiteinteilung, Geldwirtschaft, komplexe Handelsbeziehungen, Kriegsführung und Reichsbildung.
Die Männer maßen sich in Wettkämpfen aneinander und banden sich zu kriegerischen Zwecken an Anführer. Von den Frauen ist kaum die Rede. Sie brachten es allein in der Zeit der Hexenverbrennungen zu trauriger Notorietät. Kaum hatten wir uns jedoch zu voller Größe erhoben, gab es erste Zerfallserscheinungen: Völkerwanderungen, Hungerkatastrophen, rivalisierende Großmächte, Verfolgungen, Religionskriege, Kreuzzüge, Sklaverei, Inquisition, Pest, Genozide, Industrialisierung, Umweltzerstörung, Klimawandel, Klassenkampf, Massenvernichtungslager, Atombombe, Weltwirtschaftskrise, globale Erwärmung, Apokalypse. Dazwischen ein paar Entdeckungen und Erfindungen.
Ein unanständiges Angebot
Die Entwicklung der Menschheit liest sich wie eine Gruselgeschichte. Oft kennen wir von ihr nicht mehr als ein paar Daten von Kriegen und Eroberungen, ein paar Zeitfetzen, aus denen wir uns zusammenreimen, dass es doch insgesamt eine Geschichte des Fortschritts ist. Wer diese Vorstellung antastet, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Leben wir nicht immer länger? Sterben nicht immer weniger Kinder? Haben wir es nicht bequemer? Besitzen wir nicht immer mehr?
Ab dem Jahr 2030, so sieht es der vom Weltwirtschaftsforum intendierte große Umbruch vor, werden wir nichts mehr besitzen. Doch unser Leben wird noch bequemer: Alles, was wir brauchen, wird im Umkreis von fünfzehn Minuten zu haben sein oder uns geliefert werden; es werden weniger Kinder sterben, weil sie nur noch bei Bedarf produziert werden, und diejenigen, die es sich leisten können, werden noch länger leben.
Das alles hat sich natürlich zufällig so entwickelt. Die Frage, wer davon profitiert, gilt als unanständig. Wir haben ja unsere Berechnungen, die uns beweisen, dass die Dinge doch grundsätzlich zum Besseren gehen. Und wenn nicht, dann sind wir darauf vorbereitet, dass unsere Welt ebenso wieder verschwindet, wie sie entstanden ist: mit einem großen zufälligen Knall.
Aus dem Kokon befreit
Die Welt, in der ich lebe, sieht anders aus. In ihr gibt es eine andere Geschichte. Sie beginnt mit dem Ende der Kriege, der Sklaverei, der Umweltzerstörung, der Klassenkämpfe und Massenvernichtungslager. Nicht mit einem großen zufälligen Knall fängt alles an, sondern mit dem Flügelschlag eines Schmetterlings, mit einer Raupe, die sich aus dem Kokon befreit.
Die Imagozellen haben die kritische Masse erreicht, den Punkt, an dem das Ganze sich in eine andere Richtung bewegt. Der Schmetterling hat den Kokon von innen aufgebrochen. Der war so rissig geworden, so überfällig und überholt, dass er den Anstrengungen nachgegeben hat, die sich in seinem Inneren vollzogen haben. Nichts konnte verhindern, dass sich das Leben seinen Weg bahnte.
Das neue Leben ist aus einem natürlichen Prozess heraus entstanden, ohne künstliche Befruchtung, ohne technische Hilfe, ohne Kontrolle, ohne Erlaubnis von oben. Und ohne Hilfe. Wer einem Schmetterling dabei hilft, sich aus dem Kokon zu befreien, der tötet ihn. Er braucht diesen Prozess, um sich in die Leere erheben und fliegen zu können.
Ein Lied geht um die Welt
Wir müssen allein durch den Tunnel, von dessen Ende wir nicht wissen, was auf uns wartet. Es gibt keine Gewissheit. Es gibt nur das Licht, an dem wir uns orientieren können. So treten wir aus der Enge in die Weite. Hier ist alles Flimmern. Die Luft scheint sich zu bewegen. Zikaden zirpen. Sie scheren sich nicht um die schlechten Nachrichten, die überall wie Bomben einschlagen. Sie singen ihr eigenes Lied.
Es handelt von einer Welt, in der das Wort am Anfang steht, das Wort in seiner schöpferischen Energie. In dieser Welt gibt nicht die Angst vor Mangel den Ton an, sondern das Wissen um den Überfluss, der allem Natürlichen entströmt.
Nicht Vertreibung und Scham bilden den Ausgangspunkt einer neuen Zivilisation, nicht Brudermord, Ausbeutung und Unterdrückung, sondern Vertrauen und Liebe. Nicht Erbsenzähler und Experten bestimmen den Takt, sondern Menschen in ihrer Unschuld und Schönheit.
Wer bewusst durch den Tunnel geht, wer es akzeptiert, sich mit seiner eigenen Enge zu konfrontieren, der kann ein Lied von der Demut singen, die es braucht, sich zu befreien. Was wissen wir schon? Was wissen wir vom Leben? Was wissen wir von den tatsächlichen Zusammenhängen? So halten wir nicht mehr an Daten und Fakten fest, wie Kinder an ihren Bauklötzen, sondern wagen uns in ein neues Lebensexperiment, in dem wir eine Welt erschaffen, in der wir das Leben achten und Sorge für alle Lebewesen tragen.
Das System frisst seine Kinder
In diesem Weltbild ist der Mensch kein armer Sünder, kein verbesserter Affe, kein sinnloses Rädchen im Getriebe, kein überflüssiger Esser, keine Viren- oder CO
Wenn wir auf die Faktoren Ernährung, Konsum und Reproduktion reduziert werden, dann weil jemand davon profitiert. So will es die Logik eines auf Gewinn und Macht ausgerichteten Systems. Vielleicht hält es ein paar schöne grüne Wiesen bereit, um die Schäfchen bei Laune zu halten, doch hinter dem Baum wartet der Wolf, um sie sich noch besser einzuverleiben.
Es war die materialistische, reduktionistische, deterministische Weltsicht, die den Stall gebaut hat, in den heute die Menschen gesperrt werden, um sie in eine Art Biocomputer zu verwandeln, den man bedenkenlos programmieren und ausschlachten kann. Das sollten wir bedenken, wenn wir Position beziehen.
Vielleicht machen wir uns Gedanken darüber, was es bedeutet, den Geist zu negieren. Denn es könnte sein, dass wir mit unseren Berechnungen falsch liegen und dass wir letztlich einer Macht dienen, der wir vielleicht nicht dienen wollen. Es könnte sein, dass es für bestimmte Kräfte umso leichter wird, sich unserer zu bedienen, da wir ja nicht an sie glauben. Vielleicht reiben sich genau diese Mächte gerade die Hände, weil sie wieder einen gefunden haben, den sie besetzen können.
Geist-Reich
Die Natur, so heißt es, fürchtet die Leere. Wo das Haus leer ist, wo also nur ein Körper ist und kein Geist, können sich leicht ungebetene Gäste einladen. Es könnte also sein, dass derjenige, der nur an die materielle und nicht an die geistige Welt glaubt, zum gefundenen Fressen für alle möglichen Gespenster, Kobolde und Trugbilder wird, gerade weil er sich für so aufgeklärt hält.
Um ein Haus zu bauen, braucht es nicht nur Handwerker. Es braucht auch jemanden, der die Idee hat, ein Haus zu bauen, und einen Architekten, der die Idee umsetzt. Es ist also der Geist, der die Materie lenkt. Das verhält sich nicht nur beim Hausbau so, sondern auch beim Herstellen von allem, was wir sehen, hören und anfassen können. Zu behaupten, es gäbe nur das Objekt, weil man die Idee dahinter ja nicht sehen kann, würde der Sache nicht gerecht.
So könnte man jetzt also auf die Idee kommen, eine Welt zu bauen, die nicht auf den Profit einiger weniger ausgelegt ist und in der Besen erfunden werden, die die Überflüssigen aus dem Labor fegt, sondern eine Welt für alle. In dieser Welt ist Platz für Überraschungen. Hier wird nicht danach gestrebt, dass wir uns alles erklären können. Es wird nicht alles auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. In dieser Welt wird nicht mit Bauklötzen gespielt, sondern der Geist in eine Richtung gelenkt, die allen gerecht wird.
Hier lassen wir uns leiten von dem Vertrauen in eine Kraft, die größer ist als wir selbst und die nichts mit der Maschine zu tun hat. Diese Kraft ist zart wie der Flügelschlag eines Schmetterlings und mächtig wie eine schöpferische Explosion, aus der heraus Universen entstehen, in denen das Leben sich nicht irgendwie zurechtwurstelt, sondern einer bestimmten Intelligenz folgt. Auch wenn wir diese Intelligenz noch nicht verstehen: Sie lässt sich nicht einschließen in die Grenzen unseres Verstandes. Unsere Entscheidung ist es, uns ihr zu beugen oder nicht und eine Hölle zu erschaffen oder ein Paradies.