Mut voraus!

Aus dem „Mainstream“ auszuscheren, kostet Kraft — aber nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.

Es verlangt uns viel Mut ab, durch die aktuellen stürmischen Zeiten zu navigieren. Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben. Mutig ist es, die eigene Komfortzone zu verlassen, obwohl dadurch Nachteile entstehen können. Solche Menschen braucht es heute. Es braucht beherzte Frauen und Männer, die gegen den Mainstream schwimmen und der Welt zeigen, dass ein anderes Leben möglich ist.

Mut — laut Duden die Fähigkeit, in einer gefährlichen, riskanten Situation seine Angst zu überwinden, die Furchtlosigkeit angesichts einer Situation, in der man Angst haben könnte — ist ein rares Gut, ebenso wie die Bereitschaft, auch angesichts zu erwartender Nachteile etwas zu tun, was man für richtig hält. Doch während auf der einen Seite diejenigen eine Mehrheit bilden, die sich in den vergangenen Jahren von der Angst haben erfassen lassen und unter dem Vorwand der Solidarität vor allem ihre eigenen Privilegien bewahrt haben, bekamen auch die Mutigen unter uns mehr Profil.

Man sieht es ihnen nicht unbedingt an. Oft sind es die Unscheinbaren, die den Mut haben, trotz vieler Nachteile so zu handeln, wie sie es für richtig halten, unabhängig davon, was auch die von ihnen denken, an denen ihnen liegt. Mutig sind die, die es wagen, die eigene Komfortzone zu verlassen und gegen den Strom zu schwimmen.

Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Es ist ein Zeichen von Lebendigkeit, nicht im Mainstream zu treiben und aus verschiedenen Quellen zu trinken. Lebendig sind nicht die, die machen, was ihnen gesagt wird, die, die tun, was die meisten tun. Lebendig sind die, die riskieren, sich die Finger zu verbrennen und aus der Gemeinschaft, in der sie leben, ausgeschlossen zu werden.

Grenzgänger

Mut zu haben bedeutet nicht, keine Angst zu haben. Wie viel Angst müssen die gehabt haben, die sich in der Geschichte der Menschheit dem vorherrschenden Strom widersetzten! Wie viele haben ihren Mut mit Ächtung bezahlt, mit Verlust, mit Folter, mit dem Leben. Wie fühlten sich die Menschen in den Widerstandbewegungen angesichts der täglichen Gefahr? Was hat sie dazu gebracht, nicht in ihrer Komfortzone sitzen zu bleiben? Welche Kraft pulsierte in ihnen, sich auch für die Menschen einzusetzen, die sie verspotteten und missachteten?

Immer wieder hat es solche Menschen gegeben. Es gab Menschen, die nicht mit der Gruppe weitergezogen sind, um einen Verletzten zu pflegen, Menschen, die sich für den Schutz anderer eingesetzt haben, ohne davon einen persönlichen Vorteil erwarten zu können, Menschen, die für andere in den Tod gegangen sind. Es sind Menschen, die ihr Ego überwunden und auf die Verbindung des Lebendigen vertraut haben, Menschen, die vielleicht das Höchste erreicht haben, was Menschen erreichen können.

Vorbilder

Einer wie Jesus hätte die Klappe halten können. Er hätte seine eigene Haut retten können. Er hätte Zimmermann bleiben und eines natürlichen Todes sterben können. Der Kelch hätte an ihm vorübergehen können. Doch er hat ihn getrunken, wissend, was ihm bevorstand. Er wusste, dass diejenigen, für die er sein Leben gab, ihn bespucken und verhöhnen würden. Dennoch ist er ans Kreuz gestiegen und hinterließ der Menschheit eine Erinnerung, die bis heute lebendig ist.

Es ist unwesentlich, ob Jesus tatsächlich so existiert hat. Der Personenkult verbirgt das Eigentliche. Entscheidend ist, dass es seine Geschichte gibt. Es gibt den Archetypen des Menschen, der sich mit seinem ganzen Wesen für die bedingungslose Liebe einsetzt.

Zweitausend Jahre Kirchengeschichte haben daran nichts geändert, trotz Verdrehungen, trotz Inquisition, trotz Massenmorden, trotz des unermesslichen Leides, das den Menschen im Namen des Höchsten angetan wurde.

Eine Tür ist geöffnet worden, die bis heute offen ist. Das Vorbild ist intakt und leuchtet bis in die aktuelle Zeit hinein. Es erinnert uns daran, dass Menschsein mehr ist, als es möglichst bequem zu haben. Es ist mehr, als irgendwelche Pflichten zu erfüllen oder vermeintliche Sicherheiten anzuhäufen. Mehr, als sich von Wochenende zu Wochenende zu hangeln, von Urlaub zu Urlaub, mehr als der Versuch, sich irgendwie durchzuwurschteln, bevor man wieder im Nichts verglimmt, und sich dabei maximal zu amüsieren.

Entwicklung braucht Mut

Es braucht Mut, es anders zu sehen. Es braucht Mut, im eigenen Leben einen Sinn zu sehen, nach dem wir mehr sind als arme Sünder, ersetzbare Rädchen im Getriebe, überflüssige Esser, gefährliche Ausatmer. Es braucht Mut, dem vorherrschenden Defätismus Vertrauen in eine Menschheit entgegenzusetzen, die nicht dazu verdammt ist, künstlich ersetzt zu werden.

Es braucht Mut, sich immer wieder selbst zu prüfen und in Frage zu stellen: Ist das in Ordnung so? Kann ich das vertreten? Es braucht Mut, in der Masse nicht abzustumpfen, in den Millionenstädten, die die überschaubaren Lebensstrukturen verdrängt haben, in den überfüllten Transportmitteln und Einkaufszentren, an den Fließbändern, hinter den Bildschirmen, die Milliarden Menschen in ihren Bann ziehen.

Es braucht Mut, sich weder zu unterschätzen noch zu überschätzen und zu erkennen: Diese Maschine können wir nicht stoppen. Der Zug ist abgefahren. Eine posthumane Welt ist die Endstation, eine Welt, in der das Lebendige durch das Tote ersetzt wird. Diese Vision ist nicht zu bekämpfen. Wir können sie nur durch eine andere ersetzen. Hierfür müssen wir aus dem Zug aussteigen, solange es noch möglich ist.

Ich mach mir die Welt

Den Mut, den es hierfür braucht, kann nur der Einzelne aufbringen. Nur das Individuum, das Unteilbare, hat Zugang zu der Kraft, die es ihm ermöglicht, sich klar zu positionieren. Ja oder Nein? Unterstütze ich diese Vision oder erschaffe ich eine andere? Spiele ich den Deterministen in die Hände, die vom Ende der Menschheit reden, oder wage ich den Sprung ins Ungewisse, in ein künstlerisches Chaos, in dem ich mir die Welt mache, wie sie mir gefällt?

Es gab eine Zeit, da wusste jedes Kind, dass das funktioniert. Wir können uns die Welt so gestalten, wie wir es wollen. Wir können dafür Sorge tragen, dass sich das manifestiert, was wir uns wünschen. Es geschieht nicht, indem wir Wunschlisten ans Universum schicken, sondern indem wir von dem Gebrauch machen, was man uns seit jeher versucht auszureden: unserer Schöpferkraft.

Diese Kraft ist es, die uns als Menschen ausmacht. Wir haben sie als Geschenk mitbekommen. Anders als andere Lebewesen auf diesem Planeten haben wir die Möglichkeit, unsere Gedanken und Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen. Doch wer sich für diese Erkenntnis einsetzt, dem wird nicht applaudiert. Ihm weht ein starker Gegenwind entgegen. Denn er legt den Finger dorthin, wo es wehtut: auf die Verantwortung jedes Einzelnen.

Auch ansonsten besonnene Menschen können griffig werden, wenn es an ihre Feindbilder geht. Eine friedliche Welt sei eben nicht möglich. Hat sich das nicht immer wieder in unserer Geschichte erwiesen? Ist der Mensch nicht von Grund auf fehlerhaft, egoistisch, schlecht? Freilich beziehen sich jene, die dauerhaften Frieden für unmöglich halten, nicht selbst in ihr negatives Menschenbild mit ein. Sie wollen das Beste. Nur die anderen eben nicht.

Die Würde des Menschen

Diese Menschen sind es, die die Gemeinschaft daran hindern, sich zum Guten zu entwickeln. Sie mögen nicht erkennen, dass ihre negative Haltung die Welt mitgestaltet. Sie begnügen sich damit, es sich in ihrer Blase bequem zu machen und nehmen sich nicht als Teile eines großen Ganzen wahr, die sich gegenseitig bedingen. Ohne sich darüber bewusst zu sein, welche destruktiven Kräfte sie nähren, pflegen sie vor allem ihre eigene Ohnmacht.

Hier braucht es ebenso viel Mut wie Demut, nicht zu verurteilen, jeden seinen Weg gehen zu lassen und dabei das Vertrauen nicht zu verlieren. Überlassen wir nicht der Angst das Steuer, der Wut, der Ungeduld.

Jeder Mensch hat das Recht, sich so zu verhalten, wie es ihm richtig erscheint. Die Würde des Menschen ist unantastbar — auch dann, wenn wir glauben zu sehen, dass durch das Verhalten eines anderen Unheil entsteht.

So bewahren wir uns die eigene Würde. Was auch immer da draußen los ist, wie auch immer andere sich verhalten: Niemand kann uns daran hindern, selbst die Veränderung zu sein, die wir in der Welt sehen möchten. Niemand kann es uns nehmen, an das Gute im Menschen zu glauben und gewaltlosen Widerstand zu leisten, niemand uns daran hindern, Initiativen in diesem Sinne zu unterstützen (1).

Es gibt sie, die mutigen Vorbilder, die sich selbst unter den schlimmsten Bedingungen und in größter Gefahr für Öffnung und Verständigung einsetzen (2). Es gibt Menschen, die ihr Leben lang nicht müde werden, an die Wege des Friedens zu erinnern (3). Ob bekannt oder unbekannt: Die Mutigen sind da, die Menschen, deren Herzen so groß sind, dass alle in ihnen Platz haben, so groß, dass die Menschheitsfamilie wieder zusammenwachsen kann.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.masselverlag.de/Ueber-uns/
(2) https://www.manova.news/artikel/leben-in-der-stadt-des-todes
(3) https://www.manova.news/artikel/die-wahre-zeitenwende