Mit Freud gegen die Freiheit
Auch bedeutende Psychoanalytiker haben sich an der Angstpropaganda während der Pseudopandemie beteiligt.
Die Propaganda der Coronapandemie hat von Anfang an auf eine Angstkommunikation gesetzt. Das sogenannte Panikpapier aus dem Bundesinnenministerium belegt, dass Angst ein zentraler Baustein der öffentlichen Kommunikation mit den Menschen war. Diese Form der Kommunikation wurde auch von dem Sozialwissenschaftler Heinz Bude längst zugegeben und für richtig und notwendig befunden. Psychologen und Psychoanalytiker hätten diese Mechanismen eigentlich durchschauen und aufdecken müssen. Dies ist allerdings kaum geschehen. Grund dafür ist, dass einflussreiche Akteure der Psychoanalyse sich an der Angstkommunikation beteiligt haben.
Die im März 2024 vom Magazin Multipolar veröffentlichten RKI-Protokolle sowie der von der Journalistin Aya Velázquez veröffentlichte Leak der ungeschwärzten Protokolle zeigen, dass das Robert Koch-Institut im März 2020 von einer mäßigen Gefährdung der Bevölkerung durch das Coronavirus ausging. Tatsächlich war anerkannt worden, dass das Coronavirus eine geringere Gefahr darstelle als die saisonale Grippe. Eine Änderung der Risikoeinschätzung erfolgte sehr plötzlich und auf ein Signal Lars Schaades hin, wahrscheinlich jedoch auf Anweisung aus dem Gesundheitsministerium.
Diese Änderung gab den Startschuss für die Coronamaßnahmen wie Lockdowns, Masken, Abstand und schließlich die Massenimpfung. Noch im Frühling 2020 gelangte zudem ein internes Papier des Seehofer‘schen Bundesinnenministeriums an die Öffentlichkeit, das von dem Referenten Stephan Kohn angefertigt worden war. In diesem kam er zu der Einschätzung, dass die Zahlen des RKI keine Aussagekraft hatten, und die Maßnahmen mehr Schaden als Nutzen brächten.
Eine solche Nachricht hätte eigentlich zu einer Kommunikation der Entspannung und Versachlichung führen müssen, wie sie beispielsweise das Netzwerk für evidenzbasierte Medizin in seinen Leitlinien für die Gesundheitskommunikation sowie einem Positionspapier festgelegt hat. Stattdessen wurde Stephan Kohn aus dem Innenministerium entfernt, das Papier wurde medial von den öffentlich-rechtlichen Sendern kleingeredet, und Kohn wurde diffamiert. Statt die Situation zu entschärfen, wurde eine Angstkommunikation initiiert und aufrechterhalten.
Diese wurde bewusst gefördert, wie etwa der Soziologe der Universität Kassel, Heinz Bude, auf einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Gesellschaft im Ausnahmezustand — Was lernen wir aus der Coronakrise?“, die am 24. Januar 2024 an der Universität Graz stattfand, offen zugab. Bude war Mitglied in der Corona-Taskforce der Bundesregierung und hat als solcher die Kommunikation der Regierung mit der Bevölkerung mitgestaltet.
Auf der Veranstaltung gibt er offen zu, dass die Taskforce auf eine Angstkommunikation gesetzt hat, versehen mit „quasi-wissenschaftlichen“ Argumenten, um „Folgebereitschaft“ herzustellen.
Die Parole von den „zwei Wochen, um die Kurve abzuflachen“, die am Anfang die Menschen zur Befolgung von Maßnahmen motivieren sollte, wurde unhinterfragt von einem Wissenschaftsjournalisten abgeschrieben; in der Taskforce war man sich der fehlenden Wissenschaftlichkeit von Anfang an bewusst. Zudem betonte Bude, dass er auch erwarte, dass auf zukünftige Krisen mit Angstkommunikation sowie staatlichem Zwang reagiert werden müsse, gerade in Bezug auf diejenigen, die den Informationen des Staates nicht vertrauen.
Bei der Veranstaltung setzte er schon am Anfang Kritik an den Coronamaßnahmen in den Kontext des Rechtspopulismus und einer Extremisierungstendenz. Dabei sagte er:
„Vor einiger Zeit habe ich mit einem Spiegel-Redakteur gesprochen, der immer so ein bisschen die rechtspopulistischen Kreise im Blick hat und sagte, bei denen müsse er doch feststellen, sei vielleicht das Corona Thema wichtiger in ihrer Extremisierungstendenz als das Migrationsthema. Und er fragte mich, ob ich da eine Erklärung für habe, wie das eigentlich kommt.“
Kritiker der Maßnahmen wurden also, trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse über die geringe Gefährlichkeit des Virus, in die rechte Ecke gestellt.
Während der sogenannten Krise — „sogenannt“ deshalb, weil es für die Existenz einer Pandemie von Anfang an keine Anhaltspunkte gab und das Bestehen eines Risikos auch in den offiziellen RKI-Dokumenten eher bestritten wird — wurden unbemerkt eine ganze Reihe von Wissenschaftlern, darunter auch Psychologen, aktiv, um die Akzeptanz der Coronamaßnahmen und der Impfung zu steigern. Dabei wurden sie von verschiedenen Ministerien und sogar der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gezielt zu diesem Zweck eingesetzt. So entstand noch im Frühling 2020 im Innenministerium das später als „Panik-Papier“ bekannt gewordene Strategiepapier mit dem Titel „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“. Heinz Bude arbeitete an diesem Papier im Auftrag von Markus Kerber, dem zuständigen Mitarbeiter des Innenministeriums. Mit von der Partie war auch der Sprachwissenschaftler Otto Kölbl, der sich besonders mit der Schockwirkung befasste. Das Magazin Cicero schreibt dazu:
„Auf seinem Twitter-Profil preist sich Kölbl nach wie vor als Mitglied der gegenwärtig inaktiven BMI-Corona-Taskforce an. Er ist, das ist aus seinen öffentlichen Äußerungen leicht erkenntlich, ein Mao-Fan sowie ein glühender Verteidiger des chinesischen Parteistaats und der Repression der Kommunistischen Partei (KP) Chinas. Für den Feuilletonchef der Welt, Andreas Rosenfelder, setzt der Bericht zu Kölbl ‚den Kurs der Bundesregierung in der Pandemie-Politik in ein neues Licht und ist Pflichtlektüre für jeden, der sich fragt, wie das autoritäre Element in eine liberale Gesellschaft Eingang fand‘.“
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang außerdem die Psychologin Prof. Dr. Cornelia Betsch, die an der Universität Erfurt als Professorin für Gesundheitskommunikation angestellt ist. Auch sie fiel während der sogenannten Coronapandemie damit auf, dass sie wissenschaftliche Artikel publizierte, in denen sie Maßnahmen und Strategien für das Pandemiemanagement empfahl, um sowohl die Steigerung der Impfbereitschaft zu erreichen — beispielsweise durch die Erklärung der Herdenimmunität oder durch Anreize wie freie Tage nach der Impfung oder finanzielle Stimuli — als auch, um „Wissenschaftsleugnung“ zu widerlegen. Zudem wurde sie mit der Durchführung der sogenannten Cosmo-Studie betraut, die darauf abzielte, die Bereitschaft der Bevölkerung für die Maßnahmen und Impfung zu erfassen. In der Studie findet sich dabei auch der Name Lothar Wielers, des damaligen RKI-Vorsitzenden. Aus der Studie flossen Empfehlungen in die Maßnahmenpolitik ein; besonders bekannt wurde die Empfehlung, zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung die Impfpflicht einzuführen.
Das Problem dabei war, dass die Studie, wie ein aktuelles Review nachweist, massive methodische Mängel aufwies.
So wurde die Studie zwar als Längsstudie dargestellt, jedoch wurden nicht immer dieselben Teilnehmer befragt. Zudem wurde sie auf einer Plattform durchgeführt, bei der Teilnehmer gegen Geld an Studien teilnehmen. Dabei waren Ungeimpfte und Maßnahmengegner in der Studie unterrepräsentiert, ebenso wie ältere Menschen.
Interessant dabei ist, dass das Review dieser Studie zehn Anläufe bis zu einer Veröffentlichung benötigte. Für ihre Arbeit wurde Cornelia Betsch 2022 mit dem Deutschen Psychologiepreis für „die Gesundheitskommunikation und sozialen Aspekte bei Gesundheitsentscheidungen, insbesondere im Kontext des Impfens und der Impfgegnerschaft“ ausgezeichnet. Betsch beschäftigt sich schon lange mit den Themen Impfen und Impfgegnerschaft — und hat für Impfungen an sich kein kritisches Wort übrig. Zuletzt veröffentlichte sie zusammen mit Jan Oude-Aost und Nicola Kuhrt das Buch „Fakten-Check Impfen“ in dem die Autoren jede Kritik an Impfungen mit oberflächlicher und einseitiger „wissenschaftlicher“ Argumentation zurückweisen.
Die Wissenschaft, insbesondere die Psychologie, wurde auch genutzt, um jegliche Kritik als „Wissenschaftsleugnung“ zu diskreditieren — ein Begriff, der eigentlich auf die Politiker und wissenschaftlichen Aktivisten angewendet werden müsste, die mit diesem Wort Coronamaßnahmenkritiker diffamierten. Diese mit Extremisten in eine Schublade zu stecken, war dabei ein weit verbreitetes Vorgehen und — neben dem sogenannten Nudging — ein Betätigungsfeld verschiedener Psychologen. Pia Lamberty beispielsweise hat sich schon vor 2020 damit beschäftigt, Kritiker von offiziellen Regierungserzählungen zu pathologisieren und damit zu diskreditieren. Während der sogenannten Coronapandemie hat sie sich ebenfalls an der Pathologisierung und Diffamierung von Kritikern beteiligt, immer mit pseudowissenschaftlicher Rechtfertigung.
Einseitige Unterstützung von Regierungsnarrativen hätte aus der Wissenschaft eigentlich großen Gegenwind erfahren müssen. Doch gerade Psychologen haben sich an der Angstkommunikation und der Diffamierung von Kritikern beteiligt, darunter auch der Psychoanalytiker Prof. Dr. Hans-Jürgen Wirth.
In seiner Haupttätigkeit ist er psychoanalytischer Psychotherapeut und Dozent an der Universität Frankfurt, der sich in den vergangenen Jahren damit hervorgetan hat, Kritiker in die rechte Ecke und das Reich der Wahnvorstellungen zu verbannen und zum absoluten Gehorsam aufzurufen. Dazu schrieb er im Jahr 2020 mehrere Beiträge für den Spiegel. Hier forderte er unter anderem, dass wir uns in der Krise auf die Politik verlassen müssten, und lässt sich über Menschen aus, welche ungestört von der scheinbaren Krise ihr Leben weiter leben. Diesen attestiert er Verdrängung und Verleugnung sowie ein Abspalten der Ängste, die mit den Warnungen der Virologen einhergehen müssten. Schließlich würden diese Menschen das Böse auf einen äußeren Feind projizieren. Jüngeren attestiert er dabei eine Angstlust angesichts der von ihm niemals bestrittenen Gefahr, die von dem Virus ausgehe.
Auch sprach er sich für ein gewisses Maß an Angst aus als Motivation, staatlich angeordneten Maßnahmen Folge zu leisten. Dabei schrieb er: „Die Aufrechterhaltung eines gewissen Angstpegels ist realitätsgerecht und damit lebensrettend.“ Das verbindet er mit einem Appell an die Politik, die angeblichen Gefahren besser zu kommunizieren. Er ist der Meinung, dass die Menschen nicht genug Angst vor der Pandemie gehabt haben. Diejenigen, welche die Maßnahmen nicht befolgen, bezeichnet er als mental überfordert, und hält fest, dass es zu den angeordneten Maßnahmen keine Alternativen gebe.
Wirth hat — wie die Psychoanalytikerin Almuth Bruder-Bezzel, die sich kritisch mit Macht und Herrschaft und der Coronapolitik auseinandersetzt und in einem auf der Seite der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) veröffentlichten offenen Brief an ihn schreibt —, innerhalb der Dachorganisation der Psychoanalytiker, der DGPT, einen hohen Stand und ist führend auf dem Gebiet der Sozialpsychologie. Das macht ihn zu einer Autorität, deren Äußerungen und Ansichten innerhalb der psychologischen Kreise Einfluss haben. Verbreitung finden seine Ansichten zudem über den von ihm selbst gegründeten „Psychosozial-Verlag“, in dem Fachliteratur und Zeitschriften auch von Wirth selbst veröffentlicht werden. Dabei handelt es sich um einen der bedeutendsten Verlage im Bereich der Psychologie und Soziologie, der damit sehr einflussreich ist, und dessen Bücher und Zeitschriften von vielen Soziologen, aber auch Psychologen gelesen werden.
Wenn Hans-Jürgen Wirth also in einer im September 2020 abgehaltenen Online-Konferenz zum Thema „Psychoanalyse in Zeiten von Corona — Dynamik einer Bedrohung in Gesellschaft und Behandlungspraxis“ nachfolgende Äußerungen tätigt, dann haben diese einen großen Einfluss auf die Psychoanalytiker:
„(…) In einer solchen Situation ist es essentiell, dass man den Führungsfiguren zutraut und vertraut, dass sie diese Vorgänge kognitiv bewältigen und durchschauen, dass sie der Bevölkerung reinen Wein einschenken und dass sie wohl abgewogene Entscheidungen fällen.“
„Trump ist eine Führungsfigur, die zwar fanatisch bejubelt wird, was aber noch nicht zwangsläufig bedeutet, dass man ihr auch vertraut. Auch unter den Anhängern Trumps gibt es viele, die wissen, dass Trump permanent lügt, trickst und die Unwahrheit verbreitet. (…) Angela Merkel stellt ein Gegenmodell dar. Sie wird nicht unbedingt verehrt und geliebt, aber sogar diejenigen, die ihre Partei nicht wählen, vertrauen darauf, dass sie nüchtern, sachorientiert und professionell arbeitet und die Bevölkerung nicht belügt. Wie die verschiedenen Meinungsumfragen übereinstimmend zeigen, hat die ganz überwiegende Mehrheit zu Angela Merkel epistemisches Vertrauen.“
In demselben Vortrag stellt er auch wieder Demonstranten und Maßnahmenkritiker in eine Ecke mit der AfD und attestiert ihnen ein „epistemisches Misstrauen“, pathologisiert sie also. Dieser Vortrag wurde zudem im Mitglieder-Rundschreiben 3/2020 der DGPT verbreitet. In späteren Fachpublikationen, wie beispielsweise dem Artikel „Spielen mit Maske — Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie unter Pandemiebedingungen“ im Psychotherapeutenjournal vom 16. Juni 2021, wurde zudem Bezug auf diese Veröffentlichung genommen, was den Einfluss Wirths verdeutlicht.
Dass Heinz Bude und Hans-Jürgen Wirth sich kennen, ist naheliegend. Die Soziologie und Psychologie sind eng miteinander verflochten. Bei Bude handelt es sich, ebenso wie bei Wirth, um einen Universitätsprofessor. Während Bude an der Universität Kassel angestellt ist, ist Wirth außerplanmäßiger Professor am Institut für Soziologie der Goethe-Universität in Frankfurt. Bude hat zudem bereits im Jahr 2019 an dem von Wirth mit herausgegebenen Buch „Grenzerfahrungen“ mitgewirkt. Dieses Buch erschien zudem im Psychosozial-Verlag, dessen Gründer und Verleger Hans-Jürgen Wirth selbst ist.
In seinem Spiegel-Artikel vom 1. September 2020 bezieht er sich weiterhin direkt auf Heinz Bude. Der Artikel trägt den vielsagenden Titel „Was Verschwörungsanhänger umtreibt“, und in diesem pauschalisiert und pathologisiert er Kritiker der Maßnahmen. Diese erklärt er zu Anhängern von Verschwörungstheorien, die einem negativen Menschenbild anhafteten:
„[Sie] verfügen nur über eine eingeschränkte Fähigkeit, sich in die innere Welt anderer Menschen hineinzuversetzen. Sie projizieren auf andere die (meist negativen) Eigenschaften, die ihr eigenes Denken und Fühlen beherrschen. Mit ihrer misstrauischen Grundhaltung zu anderen Menschen vermuten sie immer, die anderen seien von niederen Motiven angetrieben. Da der Verschwörungstheoretiker sich nicht einfühlen kann und will, hat er auch nicht die Möglichkeit, im vertrauensvollen Gespräch mit seinen Mitmenschen seine eigenen Gefühle zu regulieren, sie besser zu verstehen und neue Einsichten über sich selbst und die soziale Welt zu gewinnen. Deshalb ist die Gedanken- und vor allem die Gefühlswelt des Verschwörungstheoretikers von Verfolgungsängsten, Argwohn, Misstrauen, Feindbildern, Schwarz-Weiß-Denken, Sarkasmus und Zynismus geprägt.“
Natürlich darf auch der Bezug zum Rechtsextremismus nicht fehlen. Und hier schließt sich dann der Kreis zu der eingangs erwähnten Aussage von Heinz Bude. Im Jahr 2022 veröffentlichte Wirth zudem ein Buch mit dem Titel „Gefühle machen Politik — Populismus, Ressentiments und die Chancen der Verletzlichkeit“, in dem er seine Pathologisierung jedweder Opposition fortsetzt. Dabei behandelt er alle derzeit gesellschaftlich relevanten Themen: den Krieg in der Ukraine, LGBTQ und das Gendern oder den Klimawandel.
Bei all dem unterstellt er Oppositionellen ein „epistemisches Misstrauen“. Der Begriff des epistemischen Vertrauens stammt aus der mentalisierungsbasierten Psychotherapie und bedeutet „das basale Vertrauen in eine Person als sichere Informationsquelle“. Epistemisches Misstrauen ist demgegenüber das genaue Gegenteil, nämlich ein Misstrauen in Autoritäten und Regierungen, das einhergeht mit einer „epistemischen Vigilanz“, sodass von vornherein mehr Feindseligkeit in soziale Kontexte hineininterpretiert werde, was zu größerer Aggressionsneigung bis hin zu Radikalisierung führen könne.
Dieses epistemische Misstrauen geht der Theorie zufolge auf negative Kindheitserfahrungen mit Autoritätspersonen, also in erster Linie den Eltern, zurück, und stellt eine psychologische Störung dar.
Dabei ist Wirth kein Mentalisierungs-Spezialist. Er bedient sich aber ausgewählter Konzepte dieser Therapieform und reißt sie aus ihrem eigentlichen Bedeutungszusammenhang, in dem sie sich lediglich auf persönliche Beziehungen von Individuen beziehen, und verwendet sie stattdessen in einem politischen Kontext. Aber gehören sie dahin? Wie kann es sein, dass Wirth sich so einseitig auf die Kritiker der Coronamaßnahmen fixiert? Wurde er nach dem geheimen Treffen der Bundesregierung, dem Pressesprecher Steffen Seibert, Heinz Bude und einigen Ministerien, „Plattformbetreibern und NGOs“ angefragt, und handelte es sich um einen Auftrag?
Solche Kritik steht zumindest im Raum, wenn es um das Buch „gekränkte Freiheit“ von Karolin Amlinger und Oliver Nachtwey aus der Schweiz geht. Bei diesem Buch entsteht der Eindruck, dass es sich dabei nicht um eine fundierte Studie handelt, sondern der Fokus darauf lag, „Querdenker“ zu delegitimieren. Damit bilden die Autoren ein Paradebeispiel für konformistische Wissenschaft.
Konforme Verbände
Eigentlich hätten die Dachverbände, Gesellschaften und Institute der Psychologen angesichts dieser Angstkommunikation und öffentlichkeitswirksamen Parteinahme zugunsten der Regierung einschreiten und sich gegen eine Pathologisierung von Maßnahmenkritikern — sowie für die freie Entscheidung des Einzelnen in Bezug auf die Maßnahmen, und später auch die Impfung — aussprechen sollen. Dies ist aber nicht geschehen. Im Gegenteil:
Die Gesellschaften und Berufsverbände haben die Maßnahmenpolitik augenblicklich in ihren eigenen Gremien übernommen und sie nicht einmal zur Diskussion gestellt. Sitzungen der Berufspolitik ohne Maßnahmen waren nicht mehr möglich, und auch für die Therapiesitzungen wurden sie empfohlen, später auch zur Pflicht.
Das wiederum steht im absoluten Gegensatz zu den ethischen Leitlinien, die sich beispielsweise der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) selbst gegeben hat, in denen unter anderem klargestellt wird, dass Therapeuten das Recht auf Eigenverantwortung ihrer Klienten sowie ihre Würde zu achten haben.
Schon im Juni 2020 wurde ein Konzeptpapier verbreitet, das von der Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK), dem BDP, dem Leibniz-Institut für Psychologie und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie unterzeichnet worden ist — und das die Psychologen auf die Pandemie einschwört. Darin wurde schon sehr früh auf die Gefahr des Aufkommens von sogenannten „Verschwörungserzählungen“ und der Sorglosigkeit im Umgang mit der „Pandemie“ hingewiesen, sowie vor einem Stimmungswandel innerhalb der Bevölkerung gewarnt. Das Papier zählt auch Gegenstrategien auf, unter anderem den Ansatz, bei Entscheidungsträgern „Wissen und Fähigkeiten zur Korrektur von Falschinformationen zu trainieren“. Auf eine Anfrage äußerte die BPTK, dass das Papier in Zusammenarbeit aller vier Verbände erarbeitet, zur Politikberatung verfasst und an die Bundesregierung übersandt worden sei. Schon an dem sogenannten Panikpapier des Innenministeriums arbeiteten auch mehrere Wissenschaftler des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung mit.
Die psychologischen Fachverbände, Gesellschaften und Institute erlebten — das berichten mehrere Mitglieder einhellig — eine frühe Gleichschaltung, die jede kritische Äußerung unmöglich machte. Mehrere offene Briefe von kritischen Mitgliedern blieben unbeantwortet und führten zu keiner kritischen Auseinandersetzung. Zu der einseitigen Haltung mit beigetragen haben wohl auch mehrere Fachartikel in renommierten Zeitschriften und Rundschreiben, wie eben der erwähnte Vortrag von Hans-Jürgen Wirth. Ein anderes Beispiel ist Jürgen Körner, der im Oktober 2020 im Forum Psychoanalyse über „Verschwörungstheorien und ihre Anhänger“ schrieb (1). Damit waren der Ton gegenüber und der Umgang mit den Kritikern früh gesetzt. Dabei knüpften die Wortführer allerdings nur an Konzepte und Begrifflichkeiten an, die schon lange vor 2020 etabliert waren. Die Tendenz, Kritiker öffentlicher Narrative als „Verschwörungstheoretiker“ zu diffamieren und unglaubwürdig zu machen, ist schon lange deutlich erkennbar und wirkt sich auch auf Psychologen und ihre Verbände aus. Das geht so weit, dass auch in psychologischen Kreisen sogenannte „Querdenker“ als extremistisch eingeordnet werden, wie ein Fachartikel mit dem Titel „Denkanstoß zu Patient:innen mit extremistischen Ansichten“ im Psychotherapeutenjournal vom März 2024 zeigt, an dem mehrere Psychologen geschrieben haben.
Hans-Jürgen Wirth kann in diesem Kontext als eine Art Wortführer betrachtet werden, dessen Positionierung einiges an Gewicht entfaltet. Über das Institut für Sozialforschung der Universität Frankfurt ist Wirth zudem mit Prof. Dr. Vera King verbunden, ebenfalls Soziologin und analytische Psychologin. Vera King ist als Professorin an der Universität Frankfurt angestellt. Auch sie beteiligte sich an der Pathologisierung der Maßnahmenkritiker.
So attestierte sie den Kritikern in einem Fachartikel mit dem Titel „Triumph des Misstrauens: Normalisierte Spaltungen in der Coronakrise“, der in der von ihr mit herausgegebenen psychologischen Zeitschrift „Psyche“ veröffentlicht wurde, dass Maßnahmenkritiker sich aufgrund der Kränkung und der Verunsicherung der Pandemie in illusionäre Schutzburgen zurückgezogen hätten. Die Angst vor der Erkrankung wurde, so ihre Erklärung, auf die Angst vor den Maßnahmen verschoben.
Den Gedanken, dass Kritiker nie Angst vor einer Erkrankung gehabt haben könnten, scheint sie dabei nicht in Betracht zu ziehen. Sie unterstellt den Kritikern, einer „zentralen Misstrauensphantasie“ anzuhängen, und schreibt:
„Typische Bausteine der zentralen Misstrauensphantasie, die unterschiedlich ausgestaltet und verknüpft werden, sind a.) die Verfolger bzw. verfolgenden Systeme, die drastisch und in ihrem zerstörerischen Machtwillen ausgemalt werden; b.) die als Unterworfene verachteten Anderen, die entweder korrumpiert wurden und ebenfalls zu Verfolgern geworden sind, oder aber zu blinden Sklaven des Herrschaftsapparats; c.) die Darstellung der radikalen eigenen Auflehnung gegen die Systeme, mit dem Ziel der Erhaltung der Unabhängigkeit um jeden Preis. Diese ist typischerweise d.) verbunden mit einer ausgeprägten Selbstüberhöhung im Kampf und Triumph gegen die übermächtigen Gegner; oftmals getragen von demonstrativem Sendebewusstsein — teils auch im wörtlichen Sinne des Versendens eindringlicher Botschaften in digitalen oder analogen Welten. Mitunter wird überdies auch explizit auf Gegenwelten zum totalen Misstrauen referiert, Gegenwelten des totalen Vertrauens — in Heilsbringer oder Anführer, esoterische Gruppen, Gleichgesinnte“ (2).
Jede Form der Reaktion von Menschen auf Maßnahmen der Obrigkeit und jede Äußerung von Missmut und Ablehnung werden auf diese Weise zu einem pathologischen Zustand erklärt. Zur Untermauerung zieht sie exotische Beispiele heran, wie die geäußerte Befürchtung, Menschen könnten durch die Impfung zu Cyborgs werden, und stellt auch wieder den Bezug zu „rechten Parteien“ her. Unter ihren weiteren Veröffentlichungen findet sich auch ein Artikel mit dem Titel „Angst und Misstrauen in Zeiten der Pandemie“ aus dem Jahr 2022. Wie schon Prof. Dr. Wirth stellt auch Prof. Dr. King die Erzählung der Pandemie nicht in Frage, sondern fixiert einseitig auf die Maßnahmenkritiker und versucht sich in Ferndiagnosen und Interpretationen von Aussagen und Verhaltensweisen durch die Brille der Pathologisierung. Interessant ist, dass sich die Schweizer Autoren Karolin Amlinger und Oliver Nachtwey in der Danksagung ihres Buches unter anderem auch bei Vera King für „anregende Gespräche und Diskussionen auf Tagungen, Workshops, Institutsfluren oder in Forschungsnetzwerken“ bedanken.
King arbeitet an der Universität Frankfurt zudem in der ConTrust Arbeitsgruppe mit, die Vertrauen in den Konflikt und das politische Zusammenleben fördern will. ConTrust ist wiederum über eine Reihe von Personen mit dem Peace Research Institute Frankfurt (PRIF) verbunden, an dem schon lange zum Thema „Radikalisierung“, insbesondere der sogenannten „Mitte“, geforscht wird. Auch hier findet man die typische Diffamierung von Maßnahmengegnern als Verschwörungstheoretiker, denen jeglicher Wahrheitsbezug abgesprochen wird. Gemeinsam mit dem PRIF arbeitet ConTrust zu der Frage, wie das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik gefördert werden kann.
Die Mitarbeiter von PRIF sehen es nach eigener Beschreibung als ihre Aufgabe an, ihr Wissen in die Politik, die Medien und die Gesellschaft zu transferieren. Es gibt eine gemeinsame Veröffentlichung von ConTrust und PRIF zum Thema „epistemisches Vertrauen in internationale(n) Organisationen“. Damit bedienen sich auch diese beiden Arbeitsgruppen des Konzeptes des epistemischen Vertrauens und Misstrauens und missbrauchen es im politischen Kontext.
PRIF, das sich hauptsächlich mit Außenpolitik, Krieg und Frieden beschäftigt, veröffentlicht jedes Jahr ein Jahresgutachten, das in der Bundespressekonferenz vorgestellt wird. In Bezug auf die Coronapolitik findet man beispielsweise eine Einschätzung im Gutachten des Jahres 2021. Hier kann man lesen, dass Verschwörungsideologien eine Bedrohung für die Demokratie seien, und dass die Coronamaßnahmen die Demokratie zwar beschädigt haben — allerdings nur in anderen Ländern, die ohnehin schon von einem Demokratieabbau betroffen waren, wie beispielsweise China oder Russland. Das Narrativ einer globalen Pandemie wird nicht hinterfragt.
Durch wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaften und Gremien wurde die einseitige Betrachtungsweise von Kritikern an politischen Entscheidungen also schon länger gefördert und für die Psychologen und Soziologen vorgegeben, unterstützt durch wissenschaftliche Publikationen. Das führte zu einseitiger Fokussierung auf Kritiker als Abweichler von einer Norm, deren Verhalten wissenschaftlich erklärungsbedürftig war.
Eine ganze Bandbreite von psychologischen Konzepten wurde im politischen Kontext missbraucht — mit dem Ziel, diese Kritiker zu pathologisieren. Die Psychoanalytikerin Almuth Bruder-Bezzel analysiert die psychologische Wissenschaft, die zur Beschreibung der Kritiker herangezogen wurde: Sie ist geprägt von Vorurteilen, einseitiger Projektion allgemein menschlicher Eigenschaften auf Kritiker, einer Ignoranz gegenüber Fakten und Hintergründen, wie etwa ökonomischen Realitäten, sowie einem Unwillen zur tiefgehenden Analyse. Die Blindheit ist damit strukturell in diese Wissenschaft eingeschrieben: Die Psychologen sind Opfer dieser Blindheit und haben sich im Kontext der Coronapolitik für Stimmungsmache und Ausgrenzung benutzen lassen.