Mit der Macht an einem Tisch
Der Alphajournalismus geht bei den Eliten ein und aus.
„Den Mächtigen unbequem sein und denen eine Stimme verleihen, die sonst ungehört bleiben“ - das war das Credo des Fernsehjournalisten Klaus Bednarz. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde als Kontrollinstanz gegründet, um den Mächtigen in diesem Staat auf die Finger zu schauen und gegebenenfalls auch ordentlich drauf zu klopfen, wenn Dinge aus dem Ruder laufen, die der Gesellschaft zum Nachteil gereichen könnten.
Dass Berufsethos verlustig gehen kann, wenn sich Journalisten in vertraulichen Runden mit den Mächtigen treffen, ist eine Binsenweisheit und der klare Gegensatz zur logisch begründeten demokratietheoretischen Erwartung der Öffentlichkeit gegenüber der meinungsbildenden Zunft im Umgang mit sogenannten Eliten. Aber Journalisten werden nicht ohne Grund in diversen Zirkeln und Think Tanks eingebunden. Seitens der Eliten werden klar definierte Agenden verfolgt und durch kognitive Vereinnahmung auserwählter Journalisten dafür gesorgt, dass bestimmte Sichtweisen in die Berichterstattung einsickern, die nichtinvolvierte Kollegen vermeiden würden.
Unter den Organisationen und Veranstaltungen, in denen sowohl Eliten aus Politik und Wirtschaft als auch führende deutsche Journalisten involviert sind, findet sich das Weltwirtschaftsforum (Davos), die Münchner Sicherheitskonferenz, das Bilderberg-Treffen, die Atlantikbrücke und weitere sogenannte Think-Tanks, Stiftungen und/oder Akademien mit eindeutigem Bezug.
Auch an Nachwuchskräfte wird gedacht. So bietet zum Beispiel das Programm für junge Führungskräfte der Atlantik-Brücke „Young Leaders" den Teilnehmern die Möglichkeit aktuelle Themen mit transatlantischem Bezug intensiv zu diskutieren.
Der seit Anfang der 90er Jahre verwendete „erweiterte Sicherheitsbegriff", der von Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Piraterie, Drogen, organisierter Kriminalität, Flüchtlingsbewegungen und Klimawandel alle möglichen Szenarien einschließt, wird in der öffentlichen Meinungsbildung als Begründung dafür benutzt, dass Verteidigung sich perspektivisch nicht nur auf unser Territorium beziehen darf, sondern auch auf unseren Wohlstand, auf unsere Art zu leben, auf unseren Bedarf an Rohstoffen und Energie und unsere kommunikationstechnische Infrastruktur.
Eine Reihe von Medien verbreiten diese Sichtweisen ohne jegliche Distanz. Die Bandbreite journalistischer Dienstleistungen für Interessengruppen zieht sich von der permanenten Angstmache vor Terror und Bedrohung durch fremde Mächte über die ungeprüfte Übernahme vermeintlicher Kriegsgründe bis hin zum offenen Aufruf zu kriegerischen Handlungen wie Bombardements, Entsendung von Truppen und Ablösung von regulär gewählten Regierungen anderer Länder. (Kurt Gritsch am Beispiel des Kosovo-Konfliktes in „ARD & Co. - Wie Medien manipulieren“.)
Auf Linie mit den Eliten
Der Leipziger Medienwissenschaftler Dr. Uwe Krüger hatte in seiner Dissertation belegt, dass involvierte Journalisten exakt auf Linie mit den Eliten lagen und sogar klassische Propagandatechniken benutzten. So hätten namentlich benannte Journalisten an der Münchner Sicherheitskonferenz teilgenommen und innerhalb ihrer Berichterstattung Gegner der Konferenz entweder verschwiegen, marginalisiert oder delegitimiert. Die Argumentationslinien innerhalb ihrer Artikel, die Sicherheit, Verteidigung und Auslandseinsätze der Bundeswehr betreffend, verliefen in frappierend ähnlichen Bahnen.
"Man kann nicht Krieg unter den gegenwärtigen Bedingungen führen, ohne die Unterstützung der öffentlichen Meinung, die enorm von der Presse und anderer Formen der Propaganda geformt wird." (US-General MacArthur)
Wer Mittel für die militärische Aufrüstung durchsetzen, Kriege führen und für diese Politik auch noch gewählt werden will, der braucht die Unterstützung und das Wohlwollen der Öffentlichkeit. Wer gegen vermeintliche Diktatoren in fernen Ländern intervenieren will, die Bündnispartner im Kampf gegen den Terrorismus unterstützen, oder Hilfstruppen in Krisengebiet entsenden will, muss die öffentliche Meinung und die politische Meinungsbildung in einer Art und Weise beeinflussen, die dazu geeignet ist, Zustimmung oder wenigstens Verständnis für diese oft sehr unpopulären Maßnahmen zu generieren.
Eine einige und gut organisierte Friedensbewegung, machtvolle Massendemonstrationen oder eine starke Opposition würden diese Pläne stören oder vielleicht sogar zunichtemachen. Auch hier setzt der Mechanismus der Meinungsmache an. Offene Diffamierung der politischen Opposition, die mit der gezielten Spaltung und Delegitimierung der Friedensbewegung einhergeht und jegliche Friedensaktivitäten seitens außerparlamentarischer Gruppierungen in Neurechte, Querfront oder Spinner sortiert, finden sich in wohlsortierten Mediatheken öffentlich-rechtlicher Medienanstalten ebenso wie in grenzwertigen Publikationen der Springerpresse. Die politische Meinungsbildung wird zum größten Teil über Tageszeitungen und das Fernsehen beeinflusst.
Journalisten im Elitenmilieu
Vor einiger Zeit hatte ein Mitstreiter anlässlich der besorgniserregenden deutschen Medienberichterstattung, die ihm regierungstreu und von Abhängigkeiten und Selbstbeschränkung gekennzeichnet schien, eine entsprechende Anfrage an ausgewählte Medien gestellt. Von den 25 Adressaten antworteten lediglich 8, unter anderem die Mitglieder der Atlantikbrücke Claus Kleber vom ZDF und Josef Joffe von der ZEIT.
Dem Zuschauer ging es in seiner Anfrage darum, die Unabhängigkeit von Journalisten zu hinterfragen. Ihm war aufgefallen, dass besonders viele namhafte und einflussreiche Journalisten in transatlantischen Think-Tanks organisiert sind und er fragte sich, ob es durch die Einbindung hinsichtlich ihrer journalistischen Unabhängigkeit zu Defiziten kommen könnte.
Dass eine Einbindung in das Elitenmilieu mit all seinen komfortablen Verlockungen mit der Zeit die Konformität verstärkt, kann man live und in Echtzeit erleben. Mitarbeiter mit klar elitenkompatibler Meinung, werden sowohl in den eigenen Häusern Karriere machen und auch auf dem internationalen Parkett gefragte Moderatoren und Türöffner sein.
Wenn der bekannteste und angeblich bestbezahlte Nachrichtensprecher des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nebenbei im Kuratorium der Stiftung Atlantik-Brücke sitzt, wird vielleicht klar, warum dieser Mann beispielsweise in der Ukraine keine Faschisten sieht und den Moskau-Besuch von Siemens-Chef Joe Käser zu einem „Zeichen gegen alles, was von NATO über EU und OSZE gegen Russland unternommen werde“ umdeutet. Neben seinen honorigen Tätigkeiten im Think-Tank und beim ZDF wurde Claus Kleber zum Honorarprofessor am Institut für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen berufen. Er werde Studierende der Medienwissenschaft zu medienwissenschaftlich relevanten Themen unterrichten, wie beispielsweise der Berichterstattung in Nachrichtenformaten. Und somit schließt sich der Kreis der orchestrierten politischen Meinungsbildung mit dem Einsatz eines überzeugten Transatlantikers an einer Elite-Bildungseinrichtung dieser Republik.
Der Chef des quersubventionierten Joint-Venture Rechercheverbundes von NDR, WDR und SZ, Georg Mascolo (Mitglied der Atlantik-Brücke sowie der Münchner Sicherheitskonferenz) gab einst zur besten Sendezeit im Nachrichtenprogramm der ARD bekannt, dass das Kanzleramt ermitteln ließe, ob etwa die russische Regierung mit geheimdienstlichen Mitteln die politische Debatte und die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen sucht.
Offenbar überzeugt von der Verschwörung dunkler russischer Mächte, ließ sich eben dieser, in transatlantische Interessengruppen eingebundene, Alpha-Journalist dazu hinreißen, aus einem der „größten Scoops des internationalen, investigativen Journalismus“ eine Schmierenkomödie gegen den russischen Präsidenten loszutreten, deren Verschwörungspotential einschlägig obskure Thesen anderer Verbünde in den Schatten stellen dürfte. Die geradezu ins Auge springenden weißen Flecken auf dem interaktiven Gebiet der USA dürften einen Anteil daran gehabt haben, dass dem Zauber eine gewisse Skepsis entgegenschlug und das Ganze wie eine Auftragsarbeit zur politischen Destabilisierung anderer Länder (Island, da war doch auch mal was...) und unliebsamer Personen aussehen ließ.
Die Hintermänner und ihre Dienstleister
Während auf den Seiten des Bundesverteidigungsministeriums ungestört über Troll-Populationen sinniert wird), weiß der informierte Rezipient bereits, dass die internationale Organisation transatlantischer PR-Schreiber, die für die Aufbereitung der Panamapapers verantwortlich war, von US-amerikanischen Milliardärs-Stiftungen finanziert wurde. Als Partner des ICIJ war auch das OCCRP an der Auswertung der Panama Papers maßgeblich beteiligt. Das OCCRP wird von George Soros´ Open Society Foundation, der amerikanischen USAID und dem Schweizer-Rumänischen-Kooperations-Programm finanziert. Auch die US-Regierung wurde vereinzelt als Geldgeber hinter OCCRP genannt, wie der Pressesprecher des US-Außenministeriums auf entsprechende Anfragen einräumen musste.
Der Zusammenhang zwischen politischer Mehrheitsmeinung, bestehender Konfliktlinien in den Parlamenten, Bündniskontexten und der entsprechenden Berichterstattung ist nicht zu bestreiten. Die für das politische Spektrum Deutschlands repräsentativen fünf Tageszeitungen hatten ihre Wächterfunktion bereits Anfang der 90er Jahre zu Gunsten der Spiegelung der Mehrheitsmeinung in der parlamentarischen Debatte aufgegeben. Man berichtete nicht unvoreingenommen über (drohende) Konflikte, sondern machte sich parlamentarische Mehrheitsmeinung zu eigen und verstärkte sie durch unangemessenes Kriegsgerassel, welches Forscher verstörenderweise insbesondere bei der linken taz und der linksliberalen ZEIT ausmachten. (Medien zwischen Krieg und Frieden, Baden-Baden 2002, Seite 109.)
"Ein solcher Journalismus macht den Bürger nicht handlungsfähig, sondern hält ihn in Unmündigkeit - da kann man sein Heil nur noch zusammengekauert unter dem Schirm einer entgrenzten Sicherheitspolitik suchen." (Uwe Krüger)
Demokratie benötigt immer Legitimation durch Zustimmung - insofern kann die Rolle diverser Medien durchaus als Dienstleistung für Teile der Politik angesehen werden. Journalisten sollten jedoch nicht zu einem Teil der politischen Elite werden, sondern zwischen den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft vermitteln und alternative Deutungen sowohl zulassen als auch selbst akzeptieren und - ganz wichtig! - auch den Diskurs darüber zulassen. Nichts ist schlimmer als belehrender, diffamierender und schubladisierender Kampagnenjournalismus. Guter Journalismus versteckt sich nicht hinter der Haltung der Mächtigen. Er setzt dort an, wo sich Deutungsmuster lediglich aus ideologischen oder machtpolitischen Gründen entwickeln und greift moderierend ein. Guter Journalismus achtet auf die Haltung des eigentlichen Souveräns in einer Demokratie, ohne jedoch populistisch zu agieren. Guter Journalismus ist neutral, wobei der Neutralitätsbegriff differenzierte Positionen, Ergebnisoffenheit und die Möglichkeit der eigenen Meinungsbildung durch konstruktiven Austausch beinhalten sollte.
Öffentlich-rechtlicher Journalismus - der kleine Unterschied
Insbesondere Journalisten, die in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beschäftigt sind, sollten ein Neutralitätsgebot (unparteiisch, unabhängig, nicht an einem Konflikt teilnehmend, nicht einseitig festgelegt) wahren, um nicht in den Verdacht zu geraten, einseitig für geopolitische Interessenlagen zu werben oder diese durch öffentlich wahrnehmbare Präsenz zu fördern. Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten haben eine besondere Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit, die sie finanziert. Glaubwürdigkeit, Integrität und Unabhängigkeit sollten Leitwerte der Unternehmenskultur sein, denen insbesondere Mitarbeiter mit hohem Bekanntheitsgrad - auch außerhalb der Anstalten - verpflichtet sind.
Die aktive Mitwirkung von Schlüsselfiguren öffentlich-rechtlicher Medienanstalten in einer Organisation, in der wenige Eliten aus Politik, Wirtschaft und Militär in diskretem Ambiente den Austausch von Informationen und Interessen pflegen, die sich nachweislich jenseits von Völkerverständigung im philanthropischem Sinne bewegen, halten wir für höchst problematisch.
So verleiht die Organisation Atlantik-Brücke noch immer ganz offiziell den Vernon Walters Award - gewidmet einem CIA-Mann, der in diverse Staatsstreiche wie im Iran (1954), in Brasilien (1964) und in Chile (1973) involviert war und der in den 60er Jahren aktiv Subversion gegen Gewerkschaften in Italien betrieben hatte. Die Liste der Unerfreulichkeiten ließe sich fortsetzen.
Eine kritische Distanz ist angesichts der Geschichte und der Ziele der Organisation nicht nur anzuraten, sondern sollte verpflichtender Kodex für Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten sein. Wir rufen daher die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD, ZDF und DRadio erneut dazu auf, im Rahmen einer Transparenz-Offensive die Mitgliedschaften ihrer Führungskräfte und Journalistinnen in interessengeleiteten Organisationen und Think-Tanks offenzulegen. Die Antworten der Intendanten auf den Aufruf waren nicht zufriedenstellend, da sie den Kern des Begehrens ignorierten.
Das Problem ist aktueller denn je.
Zur Verfielfältigung gedacht:
Aufruf zur Erweiterung der Transparenzgrundsätze im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk
Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und insbesondere bei der Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.
Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.
Ein Journalist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterliegt auf Grund der im Rundfunkstaatsvertrag beschriebenen Kriterien im besonderen Maße einer Neutralitätspflicht. Diese Neutralität könnte durch Mitgliedschaften in Think-Tanks oder anderen Vereinigungen massiv beeinträchtigt sein.
Aus § 11 Abs. 2 RStV (Unparteilichkeit der Berichterstattung) ergibt sich, dass idealerweise kein Journalist im öffentlich- rechtlichen Rundfunk in Think-Tanks jedweder Art eingebettet sein sollte, da jegliche Art solcher Mitgliedschaften Zweifel an der Unabhängigkeit und Integrität des Journalisten nährt. Diese Unabhängigkeit nachzuweisen ist eine Bringschuld der Sendeanstalten.
Allerdings existiert derzeit keine Veröffentlichungspflicht von Mitgliedschaften in diversen Think-Tanks und anderen Vereinigungen von Journalisten durch den jeweiligen Sender.
Aus § 11e RStV (Satzungen, Richtlinien, Berichtspflichten) lässt sich eine gesetzliche Verpflichtung zu so einer Veröffentlichung ableiten. Ungeachtet der gegebenenfalls rechtlichen Verpflichtung würde eine Veröffentlichung nicht nur der Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dienen, sondern auch den Fortbestand des derzeitigen beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Öffentlichkeit weiterhin rechtfertigen.
Die Art und Weise der Veröffentlichung der jeweiligen Einbindung ist dem Zuschauer mit wenigen Klicks auf der Internetseite des Senders zu ermöglichen. Bei Kommentatoren ist eine vorhandene Einbindung im Vorfeld des Kommentars, unbedingt bei der Namensnennung mit zu veröffentlichen, da dies ein wesentlicher Bestandteil zur Einordnung und Bewertung der Position des Kommentators darstellt.