Medienpropaganda für Propagandamedien
Gedanken zur Selbstinszenierung der Leitmedien.
Wenn die Berichterstattung großer Medien nicht mit der Wirklichkeit mithalten kann, rücken Imagefilme in den Vordergrund, die versuchen, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu überbrücken.
Wenn Frank Plasberg mit bedeutungsschwangerem Gesichtsausdruck in einem kurzen ARD-Imagevideo meint, „Sie [Informationen] bestehen selten nur aus 140 Zeichen“, Ingo Zamperoni davon spricht, dass „zuverlässige Informationen wichtig sind“, und Anne Will in die Kamera sagt, „Informationen brauchen Einordnung“, dann wird deutlich: Wieder einmal versuchen die großen Medien die Rolle der legitimen Wirklichkeitsdeuter zu beanspruchen.
Die Aussagen stammen aus einem neuen ARD-Imagevideo, das gerade Abend für Abend im Ersten zu sehen ist und das darauf verweist, wie ARD, aber auch anderen Leitmedien, von den Mediennutzern wahrgenommen werden möchten:
Das nach außen kommunizierte Selbstbild dieser Medien kommt einem Porträt gleich, das ganz auf den Schein des Plakativen setzt: Qualität, Kompetenz, Durchblick, Glaubwürdigkeit – das sind die tragenden Säulen, die in den Vordergrund gerückt werden. Der Gedanke ist: Einem Fernsehsender bzw. einer Medienlandschaft, die auf solch großen, mächtigen Säulen (sicher) steht, muss ein Rezipient einfach sein Vertrauen schenken.
Diese Selbstinszenierung der großen Medien fällt immer wieder auf.
In einem TV-Spot aus dem Jahr 2013, mit dessen Hilfe ARD und ZDF gemeinsam mit ihren Frontfiguren aus den Nachrichten- und Talkshow-Formaten dem Publikum versucht haben, den Rundfunkbeitrag schmackhaft zu machen, wurde ähnlich vorgegangen.
So hieß es etwa in dem 30-sekündigen Video, das am „20. Januar 2013 um 20.15 Uhr zeitgleich bei nahezu sämtlichen öffentlich-rechtlichen Sendern“ zu sehen war und fast 18 Millionen Menschen erreichte:
„Wir sind umfassende Information“ (Claus Kleber), „Wir sind präzise Nachrichten“ (Petra Gerster) und „Eine eigene Meinung kann man sich nur bilden" (Petra Gerster), „wenn man auch die Fakten kennt“ (Susanne Daubner).
Die Tageszeitung Die Welt warb über viele Jahre mit dem Slogan: „Wer die Welt verstehen will, der muss sie lesen“ und Der Spiegel ersetzte im vergangenen Jahr seinen alten Claim „(„Spiegel Leser wissen mehr“) durch einen Neuen: „Keine Angst vor der Wahrheit“ und knüpft damit an ein altes Zitat von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein an („Sagen, was ist“).
Die hier beispielhaft angeführten Aussagen und Slogans lassen erahnen, warum die großen Medien so nervös auf alternative Medien reagieren.
Viele neue journalistische Formate liefern einen Journalismus, der inhaltlich dem der „Mainstreammedien“ entgegensteht.
Indem alternative Medien eigene Beschreibungen der Wirklichkeit anbieten, zielen sie auf die tragenden Säulen der großen Medien.
Renommierte Fernsehsender, Zeitungen und Magazine stellen fest, dass ihr Selbstbild, wie sie es in ihrer Eigenwerbung darstellen, und das von den Idealen journalistischer Arbeit kündet, mehr und mehr Schaden nimmt, weil eine Vielzahl von alternativen Veröffentlichungen die Qualität der großen Medien massiv in Frage stellt.
Einer der zentralen Kampfplätze zwischen Mainstreammedien und alternativen Medien ist daher der der Glaubwürdigkeit. Wer es schafft, glaubwürdig zu berichten, wer es schafft, einen glaubwürdigen Journalismus zu liefern, wird auch Vertrauen genießen. Hier setzen die angesprochenen Kampagnen an. Sie sind der Versuch, den Mediennutzern zu vermitteln, welch alles überragende Qualität ihnen doch die Leitmedien bieten.
Diese Eigenwerbung ist sicherlich legitim.
Aber: Die auf Hochglanz polierten Imagefilme stehen oftmals in einem so krassen Gegensatz im Vergleich zur Realität der gebotenen journalistischen Darbietung, dass sie auf einen kritischen Zuschauer wie ein Kontrastmittel wirken, das genau das Gegenteil dessen bewirkt, was die Imagefilme zu erreichen versuchen.
Während die Spots die Fantasiewelt einer Werbewirklichkeit bedienen, in der von einem pluralistischen und kritischen Journalismus die Rede ist, zeigt eine kritische Alltagsempirie im Hinblick auf die beworbenen Medien eine Wirklichkeit, die leider zu oft das genaue Gegenteil dessen ist, was die Werbefilme zu suggerieren versuchen.
Bereits ein Blick auf die Gästeliste der großen politischen Talkshows zeigt eines der vielen grundlegenden Probleme, weshalb die großen Medien in der Kritik stehen.
Am 22. Mai hieß es bei Hart aber Fair: "Außer Kontrolle: Wie gefährlich ist Trump für diese Welt?" Und so sah die Gästeliste aus:
Alexander Graf Lambsdorff, FDP
(Vorstandsmitglied Atlantikbrücke e.V.)
Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments stellt klar: „Trump benimmt sich wie ein Elefant im Porzellanladen. Aber deshalb wurde er auch gewählt. Und erst wenn seine Wähler unruhig werden, muss er sich wirklich Sorgen um seinen Job machen.“
Dieter Kronzucker
Der Journalist und ehemalige Washington-Korrespondent sagt: „Mir tut es in der Seele weh, wenn ich nach Amerika schaue. Dieses großartige Land ist auf gemeinsamen Werten aufgebaut worden. Werte, die Donald Trump nicht kennt oder ihm völlig egal sind.“
Katja Gloger
Die STERN-Journalistin war Korrespondentin in Moskau und Washington und sagt: „Natürlich lachen die Russen sich gerade ins Fäustchen. Aber: Es ist überhaupt nicht in Putins Interesse, dass die USA als Führungsmacht komplett ausfällt.“
Erich Schmidt-Eenboom
Der Geheimdienstexperte ist überzeugt: „Geheimnisse an die Russen verraten – das geht gar nicht. Ich glaube, die amerikanischen Dienste wollen Trump entmachten. Sie haben so viel über ihn in der Schublade, dass es ihn das Amt kosten kann.“
Bastian Hermisson
Der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington sagt: „Die amerikanische Bevölkerung ist tief gespalten, befindet sich quasi in einem politischen Bürgerkriegszustand. Da bräuchte es jetzt dringend politische Führungsfiguren, die einen können anstatt weiter zu spalten.“
Im Einzelgespräch kommt zudem Bärbel Wardetzki zu Wort. Die Psychotherapeutin sagt: „Trump wollte wahrscheinlich gar nicht Präsident werden, sondern nur die Wahlen gewinnen. Im narzisstischen System geht es ums Gewinnen, nicht um Verantwortung.“
Am 18. Mai diskutierte Maybrit Illner mit folgenden Gästen unter der Fragestellung: "Merkel oder Schulz? Braucht Deutschland den Wechsel?"
- Thomas Oppermann (SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag
- Michael Hüther (Insitut der Deutschen Wirtschaft)
- Volker Kauder (CDU-Vorsitzender im Bundestag)
- Marcel Fratzscher (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung)
- Elisabeth Niejahr (Wirtschaftsjournalistin, DIE ZEIT)
- Katharina Nocun (Bürgerrechts- und Netzaktivistin)
Alleine diese kleine Adhoc-Empirie lässt erahnen: Meinungsvielfalt innerhalb der großen öffentlichen Diskursplätze ist sind fern der Realität.
Da „diskutiert“ man bei Hart aber Fair über Donald Trump mit sechs Gästen, die allesamt mit einem negativen Statement gegenüber dem US-Präsidenten vorgestellt werden; da kommen Gäste zusammen, von denen man als Zuschauer bereits im Vorfeld weiß, dass sie – völlig freiwillig und aus Überzeugung heraus, versteht sich – sich genau in den Grenzen jenes engen Meinungskorridors bewegen, wie er von den großen Medien vorgezeichnet ist.
Wie so ein „relevanter Talk“ (Illner) zustande kommen soll, bleibt wohl das Geheimnis der Macher dieser Sendungen.
Kritische Mediennutzer – so ist es einfach – erkennen heutzutage mit einigen wenigen Mausklicks bereits, dass an der so viel beschworenen pluralistischen Berichterstattung, wenn es um wichtige politische und gesellschaftliche Themen geht, wenig dran ist. Und deshalb laufen sie Sturm. Sie laufen Sturm gegen eine Berichterstattung, die immer wieder tendenziös und unausgewogen ist und ihre Schlagseiten hat.
Die Verantwortlichen der großen Medien dürften sehr genau wissen, dass auch noch so positiv gezeichnete Werbefilmchen nicht in der Lage sein werden, den Blick eines kritischen Publikums zu verwischen.
Dass sich, wie vor kurzem der Fall, selbst der Chefredakteur von ARD-Aktuell in einem Kommentar abends in den Tagesthemen zu Wort meldet und versucht, der Kritik an den Nachrichtenformaten im Ersten entgegenzutreten, verweist auf den rauen Wind, der durch so manche Redaktionsstube wehen dürfte.
Kai Gniffke spricht in dem Kommentar davon, dass mit der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt für die Redaktionen von ARD-Aktuell eine „neue Zeitrechnung in Bezug auf das Feedback der Nutzerinnen und Nutzer“ begonnen habe.
„In bis dahin ungeahnter Zahl“, so führt Gniffke weiter aus, „kritisierten Menschen unsere Berichterstattung als zu putinkritisch.“
Und schließlich: „Aber seien Sie gewiss, wir werden auch weiterhin kritisch berichten und etwa die Annexion der Krim eine Annexion nennen.“
Deutlich wird: Von einem konstruktiven Umgang mit der Kritik an ihrer Berichterstattung sind die Leitmedien weit entfernt. Die vorhandenen unterschiedlichen Wahrnehmungen und Interpretationen von Wirklichkeit werden nicht zum Anlass genommen, ernsthaft selbstkritisch die eigene Arbeit zu hinterfragen. Im Gegenteil: Mit einer Mischung aus Trotz und reichlich Überzeugung, die einzig richtige Sicht auf die Welt zu vertreten, versucht man die eigene Berichterstattung weiter zu zementieren.