Märchenhafte Friedensbotschaft

Paul Soldan siedelte sein Antikriegsmärchen „Sheikhi“ in Afrika an. Im Spiegel des vermeintlich Fremden können Leser so erkennen, wie hierzulande Feindbilder entstehen.

Alle alten Märchen tragen eine Botschaft, die etwas über Moral und das Leben an sich vermittelt. Die modernen „Märchen“ kommen heutzutage in Technicolor aus Hollywood. Diese senden aber äußerst fragwürdige Botschaften. Nämlich die von Gewalt und „gerechter“ Rache. Da setzt das afrikanische Märchen „Sheikhi“ ganz andere Maßstäbe. Jeder Krieg beginnt nach demselben Muster. Ein Feindbild wird aufgebaut, ausgeschmückt, und so wird vor allem jungen Männern vermittelt, sie kämpfen für eine gerechte Sache, wenn sie in den Krieg ziehen. Mit etwas Geschichtswissen und Lebenserfahrung weiß man aber, dass diese Feindbilder nur in den seltensten Fällen realistisch sind. Für die jungen Männer, die in den Krieg ziehen sollen, schon gar nicht. Dennoch lassen sie sich verführen, weil sie endlich eine sinnvolle Tätigkeit für sich zu erkennen glauben. So ergeht es auch der Hauptfigur in dem kleinen Roman „Sheikhi“.

Der jugendliche Afrikaner Abanga lebt in einem friedlichen Dorf irgendwo in Afrika. Wirklich viel zu tun für den einfachen Lebensunterhalt gibt es nicht, ebenso wenig „Karrierechancen“. Aber es gibt Gerüchte. Gerüchte über Kämpfe, die nicht allzu weit von dem Dorf entfernt sind, und natürlich enthalten diese Gerüchte auch die Botschaft, dass es sich um eine notwendige und gerechte Sache handelt. Und schon fühlt sich der junge Mann verpflichtet, seinen Teil zu dieser gerechten Sache beizutragen. Aber so ganz sicher ist er sich nicht, ob er wirklich den Sprung in diese neue Realität wagen soll. So wendet er sich an Sheikhi, den allseits geachteten Dorf-Imam, um sich Bestätigung für seinen Plan zu holen.

Abanga hat Glück. Sheikhi verweigert Abanga seinen Segen für dessen Plan. In vielen und langen Gesprächen erzählt Sheikhi Abanga eine lange Geschichte, die sich als Teil seines eigenen Lebens entpuppt. Er erzählt vom Schicksal derjenigen, die der Versuchung nachgegeben haben, Sinn, Ruhm und Ehre in irgendwelchen Kämpfen zu suchen.

Es sind Geschichten über charismatische Anführer und diejenigen, die ihnen gefolgt sind. All das ist angesiedelt in einem Umfeld, das mal realistisch und mal eher fantastisch ist. Stück für Stück erfährt der immer noch kriegswillige Abanga, was sich da wirklich abspielt und warum. Und er darf erkennen, dass er letztlich gar nicht weiß, wofür oder wogegen er sich da engagieren will. Dass es eigentlich beliebig ist, ja sogar austauschbar, welcher Seite er sich zuwenden könnte. Dass es in diesem Sinne eben unsinnig ist, sein Leben im Strudel brutaler Gewalt zu verlieren.

Antikriegsliteratur hat im Westen keinen Platz mehr

Aber warum hat der Autor Paul Soldan sein Antikriegsmärchen in Afrika angesiedelt? Wie ich schon angedeutet habe, ist die westliche Unkultur schon von Hollywoods kranken Gewaltphantasien verstopft. Von der Verherrlichung des noblen US-Militärs, bis hin zu James-Bond-Filmen, in denen natürlich nur aus edelsten Motiven jeder umgebracht wird, der nicht willens ist, sich da einzuordnen. Wie kann da ein elegantes Antikriegsmärchen noch einen Platz finden? So musste "Sheikhi" in dem wenig beachteten Raum Afrikas angesiedelt werden. Und das ist Soldan gut gelungen.

Der Leser kann seiner Botschaft folgen, weil sie in einem Umfeld erzählt wird, das es wegen Unwissens afrikanischer Verhältnisse zulässt, ohne Vorurteile und bereits gesetzter Doktrinen in die Geschichte einzutauchen.

Und ja, ein „Eintauchen“ ist es, wenn man sich in die durchaus spannende Geschichte einliest. Ich habe das Manuskript innerhalb zweier Nachmittage durchgelesen. So hat mich die Geschichte hineingezogen. Wäre es anders gewesen, hätte ich diesen Roman nicht für den AnderweltVerlag angenommen.

„Sheikhi — ein afrikanisches Märchen“ ist ein Augenöffner nicht nur für junge Leute, sondern auch für „uns Ältere“, denn wer es gelesen hat, wird für sich selbst verstehen, wie die perfiden Mechanismen funktionieren, die junge Männer in den Krieg locken. Er oder sie wird die Fähigkeit verbessern, selbst Argumente gegen Hass und Krieg an diejenigen zu vermitteln, die Gefahr laufen, ihr Leben für diesen zerstörerischen Wahnsinn zu ruinieren.

Dieses Werk hat das Potential, zu einem Klassiker der Antikriegsliteratur zu werden. Eben weil es in einem sozusagen neutralen unverdorbenen Umfeld angesiedelt ist. Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen: Sheikhi zeigt auch den Unsinn auf, dass sich verschiedene Religionen bekämpfen. Als Fazit bleibt übrig: Eigentlich wollen doch alle Menschen dasselbe. In Frieden und Wohlstand mit lieben Menschen ihr Leben gestalten zu können, ganz gleich, wo sie leben oder woher sie kommen.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien unter dem Titel „Sheikhi — warum wir ein afrikanisches Märchen brauchen“ zuerst auf anderweltonline.com


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