Manche mögen’s dreckig
Regierungsnahe Saubermänner bewerfen ihre politischen Gegner zunehmend mit Schmutz. Oft sind es jene Berufsstände, die die Drecksarbeit für alle erledigen.
Äußern engagierte Bürger öffentlich Macht- und Regierungskritik, sehen sie sich schnell mit Schmutz beworfen und durch den Dreck gezogen. Möglicherweise sind sie für einige grünsauber gewaschene Konformisten sogar der personifizierte „rechtsradikale Scheißdreck“. In mehr oder weniger reinen Politiker-, Lobbyisten-, Verwaltungs- oder Journalistenbüros werden offensichtlich konzertiert immer neue Verordnungen, Angriffe oder Herabwürdigungen für deutsche Bürger konstruiert, von denen viele als Handwerker, Bauern, Müllarbeiter, Pfleger et cetera abends ebenso erschöpft wie verschmutzt in ihren wohlverdienten Feierabend gehen. Aus Ablehnung dieser grassierenden Saubermannherrschaft singt unser Autor ein Loblied auf den Dreck.
„Mein Reim muss dreckig sein wie das Business der Opec, euer Allzweckreiniger wischt nicht alles weg. Jeder Stieber-Twin-Tag hinterlässt einen Brandfleck“, rappten die genialen Deutschrap- und Graffiti-Zwillinge Martin und Christian Stieber aus Heidelberg vor fast dreißig Jahren. Sie verpassten dem Dreck damit einen maximalen Coolness-Faktor. Dies gelang zuvor bereits dem jungen Marius Müller-Westernhagen in seinem Lied „Mit 18“:
„Ich will zurück auf die Straße, will wieder singen, nicht schön, sondern geil und laut. Denn Gold findet man bekanntlich im Dreck, und Straßen sind aus Dreck gebaut.“
Vielen in den 1970er- bis 1990er-Jahren neu entstandenen Musikkulturen war eine gewisse Unsauberkeit tief in ihre DNA eingepflanzt. Weltweit wurden Punk, Heavy Metal, Grunge oder Hip-Hop in Parks, Straßen, Jugendzentren oder abgeranzten Klubs zelebriert. Bis auf wenige Ausnahmen verzichteten die Protagonisten auf Designer-Outfits, Make-Up-Artisten und dergleichen. „Sell-out!“ hieß die gefürchtete Diskreditierung in der „Szene“ für jene Stars, denen die materielle Belohnung ihres Erfolgs offensichtlich wichtiger war als ihr musikalische Unbestechlichkeit und kreative Wahrhaftigkeit. Eine große Portion Großstadtdreck war wichtiger Teil der jungen Hip-Hop-Kultur, und so hieß einer der größten Protagonisten wohl nicht zufällig „Ol‘ Dirty Bastard“.
Auch inhaltlich wurde sich in den genannten Musikstilen über die Grenzen einer politisch-korrekten, heute als „woke“ zu bezeichnenden Sprachsauberkeit hinweggesetzt. Von besonderer Wichtigkeit war dabei der juristische Sieg von Luther Campbell aus der sexistischen Rapband „2 Live Crew“ Ende der 1980er-Jahre über das spießige Establishment der USA, vertreten durch Tipper Gore, der einstmals tugendhaften Ehefrau von Al Gore.
Seit dieser richterlichen Entscheidung ist den Künstlern in den Staaten unter entsprechenden Warnhinweisen für Erziehungsberechtigte der Freedom of Speech grundsätzlich gestattet. Somit wurden viele gesellschaftskritische Songs wie „Burn Hollywood Burn“ von Public Enemy, Big Daddy Kane und Ice Cube oder „Police State“ von den Dead Prez ermöglicht. Leider sind diese wichtigen sozialkritischen Messages im aktuellen Hip-Hop des von Materialismus, Sexismus, Gewalt und Angeberei dominierten Social-Media- und Streaming-Zeitalters nirgendwo mehr zu finden.
In den dreckig-goldenen 1990er-Jahren gab auch die Mehrheit der Musikliebhaber ein eher ungepflegtes Erscheinungsbild ab. Metal-Heads trugen gerne ungewaschene „Matten“ und Hip-Hop-Fans „Dreadlocks“ mit jeder Menge eingezwirbeltem Dreck und Staub. Echte Punks lebten von der Gesellschaft ausgestoßen und zeigten spießigen Pogo-Promis wie Andreas Joachim Wolfgang Konrad Frege alias Campino von den Toten Hosen in Fußgängerzonen wie der Düsseldorfer Kö statt Respekt den Mittelfinger.
In der braven Bevölkerung war damals die Meinung zu schmutzigen Punks äußerst schlecht, zum Dreck im Allgemeinen aber nicht. So hieß es in der „Vor-Helikoptereltern-Zeit“: „Dreck reinigt den Magen“. Es ging dabei ausdrücklich nur um das gelegentliche Dreckessen, das für Kinder tatsächlich gesundheitliche Vorteile hat. Manche Erreger, die von der Magensäure nicht unschädlich gemacht werden, aktivieren das Immunsystem — ein hervorragendes Training, das zum Beispiel vor Allergien schützen kann. Den Konsum von Dreck kann man ruhig auch im Erwachsenenalter fortsetzen.
Einige Naturvölker essen Ton oder Lehm. Diese heilsame Erde wird dazu vorher abgekocht, um bei gesundheitlichen Problemen Abhilfe zu schaffen. Dies wirkt zum Beispiel Sodbrennen und Durchfall entgegen, indem es den Säurehaushalt des Magens ausbalanciert und teilweise auch giftige Stoffe bindet. Dreck kann also tatsächlich den Magen reinigen. Von den Vorteilen der äußeren Anwendung in Form von Fangopackungen et cetera ganz zu schweigen.
Seit einigen Jahren, und durch die Corona-Panik extrem verstärkt, haben sich jedoch große Teile der Bevölkerung auf gesundheitliche Abwege begeben. Sie schütten sich und ihr Umfeld mit Desinfektionsmitteln regelrecht zu. Erstrebt wird dabei eine keimfreie Sterilität, wie sie auch in der Massentierhaltung vorzufinden ist.
Dies verursacht Allergien und Ekzeme. Es gilt deshalb unbedingt auf den Produktinhalt zu achten. Für die Atemwege und die Haut sind Aldehyde generell gefährlich. Das unter anderem im Breitbanddesinfektionsmittel „Advisal“ enthaltene Formaldehyd ist krebserregend und kann wie Glyoxal zu genetischen Schäden im Körper führen. Doch auch Mittel auf rein alkoholischer Basis sind gefährlich. So werden von Ärzten Vergiftungsunfälle beschrieben, deren Ursache die direkte Aufnahme konzentrierter Lösungen in der Regel durch Kinder oder demente Menschen ist.
Für die Umwelt können Desinfektionsmittel außerordentlich schädlich sein, wenn sie in großen Mengen unnötig und unkontrolliert angewendet werden, vor allem weil sie Wasserorganismen abtöten und die Funktion von Kläranlagen entscheidend stören können. Neben den chemieverschleudernden Verbrauchern belasten vor allem Großkonzerne die Wasserqualität, da sie zumeist als Direkteinleiter ihr Abwasser mit eigenem Klärwerk in Flüsse und Bäche einleiten dürfen. Dies wird leider weder oft noch differenziert genug überwacht. So gibt der ChemPark in Dormagen bei Köln nach einer Greenpeace-Recherche Ende 2021 unumwunden zu, über den viel zu hohen Mikroplastikgehalt des Rheins an seinem Standort längst zu wissen. Allerdings sehe man die Schuld eher bei den Bürgern.
Der Philosoph Matthias Burchardt hat den dystopischen und verlogenen Reinheitswahnsinn Anfang 2020 in seinem Aufsatz zum „Homo hygienicus“ auf den Punkt gebracht. Dort schreibt er zusammenfassend:
„Der Traum von der hygienischen Unsterblichkeit mündet in der Isolationshaft, deren Tristesse durch digitale Prothesen und Sozialsurrogate nicht dauerhaft überspielt werden kann.“
Auf gesellschaftlicher Ebene sollten bei jedem kritischen Bürger die Alarmglocken spätestens dann schrillen, wenn führende Politiker auch heutzutage wieder Menschen oder Gruppen wie Dreck zu eliminieren gedenken.
„Ab morgen werden wir die Cité des 4000 mit dem Kärcher reinigen“, tönte zum Beispiel Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy im Jahre 2005 martialisch-faschistisch. An der Gewalt und Hoffnungslosigkeit in den französischen Banlieues haben er und seine Nachfolger seitdem natürlich nicht das Geringste geändert. Es ist eher schlimmer geworden und der feudalen Kaste der „Enarchen“ (Absolventen der französischen Elite-Hochschule ENA) auch weiterhin komplett egal.
Der schlimmste Dreck laut aktueller Agenda ist sowieso das zur Fotosynthese dringend benötigte CO2, welches laut Saubermenschen wie dem bereits genannten Klimamillionär Al Gore oder dem Wirtschaftslaien Robert Habeck vollständig zu vermeiden sowie schnellstmöglich aus der Luft zu säubern und unter die Erde zu pressen ist. Übrigens war das hiermit gemeinte CCS-/CCU-Konzept in der grünen Wendehalspartei lange ein absolutes Tabu, doch die Geld- und Machtgier hat auch in dieser Frage über grundlegende Umweltschutzbedenken gesiegt. Man beachte bei allen grünen CO2-Projekten stets, dass der Anteil des „dreckigen Horrorgases“ an der Luft zumeist verblüffend konstant circa 460 ppm (parts per million, 0,046 Prozent) beträgt. Am Meeresufer ist er allerdings deutlich geringer als an einem großen aktiven Vulkan, wie die Messstation am Mauna Loa dokumentiert.
Aus verdreckter Perspektive war erfreulich, dass im Schatten von Klimasäuberungsdoktrin und Energiekrise die körperliche Dauer-Desinfektion der Corona-Angstmache im Sinne einer „Baerbockschen 360°-Wende“ urplötzlich verteufelt wurde. Die hoch dotierte und zwangsgebührenfinanzierte Propagandaelite Deutschlands bewarb stattdessen die primär waschlappenbasierte Katzenwäsche. Der schwarz-olivgrüne Biologe und nebenbei baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte laut eigener Aussage schon im letzten Jahrtausend als Lehrer seine streng riechenden Schülern diesbezüglich gelehrt, „dass die Haut sich selbst reinigt und ein Mikrobiom eine Schutzschicht bildet, das man nicht dauernd durch Waschen unter Stress setzen muss“.
Endlich erfährt so dank prominenter Expertise der Dreck die ihm gebührende Renaissance. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, werden vielleicht eines Tages alle Menschen dieser Erde im Sinne von Franz-Josef Degenhardt kriegsdienstverweigernde, stark nach Kaninchenstall duftende Schmuddelkinder. In Anlehnung an die Hip-Hop-Pioniere Kool Savas und J-Luv muss die Parole einer freien, friedlichen Welt in angemessenem Wohlstand in jedem Fall auch weiterhin lauten: „Stay dirty, baby!“