Machtmittel Corona

Der seit März 2020 bestehende Ausnahmezustand globalen Ausmaßes wurde jahrelang mit viel Akribie vorbereitet.

Der international anerkannte niederländische Politikwissenschaftler Kees van der Pijl beschreibt und analysiert in seinem neuesten Buch „Die belagerte Welt“ die Ursprünge dieses beispiellosen Angriffs auf die Freiheit. „Nach jahrelanger Vorbereitung hat die herrschende Oligarchie, die heute weltweit die Macht ausübt, den Ausbruch der SARS-CoV-2 zugeschriebenen Atemwegserkrankung Covid-19 zum Anlass genommen, Anfang 2020 einen globalen Ausnahmezustand auszurufen“, schreibt er im Vorwort. In einem Interview hat die neue Zeitschrift „ViER.“ beim Autor nachgefragt, wie er das begründet.

ViER: Herr Professor van der Pijl, in Ihrem neuen Buch beschreiben Sie „Die belagerte Welt“, wie mit der Coronakrise die Angst als Machtfaktor mobilisiert wurde. Wer belagert die Welt und warum?

Kees van der Pijl: Die Welt ist in einen Belagerungszustand gebracht worden von den Kräften, die sich durch die wachsende Unruhe der Völker bedroht fühlen.

Sie erläutern in den sieben Kapiteln des Buches Ihre These, dass die herrschende Klasse den globalen Ausnahmezustand ausgerufen hat, um ihre Herrschaft zu sichern. Wer gefährdet diese Herrschaft und warum?

Die Analyse von statistischen Daten zu allen Arten von Unruhen in den letzten 50 Jahren — also Streiks, Demonstrationen, und so weiter — hat gezeigt, dass seit 2010 in allen Kategorien die bisherigen Höchstwerte überholt worden sind. Die direkte Ursache sehe ich in dem Finanzkollaps von 2008, der von Wolfgang Streeck analysiert worden ist als der endgültige Zusammenbruch der Versuche, innerhalb des entwickelten Kapitalismus den sozialen Frieden mit Inflation und Verschuldung zu bewahren, nachdem der Gesellschaftsvertrag der Nachkriegszeit um Ende der 1960er-Jahre im nordatlantischen Raum zusammengebrochen war. Mit dem Finanzkollaps wurden aber die Lebenschancen großen Teilen der Weltbevölkerung drastisch nach unten revidiert.

Es ist gerade bekanntgeworden, dass selbst bei uns in den Niederlanden, wo laut Karl Marx alles 50 Jahre später stattfindet als anderswo, 2019 festgestellt wurde, dass etwa 30 Prozent der Menschen der Meinung waren, die Regierung handele so sehr gegen die Interessen der Bevölkerung, dass diese berechtigt sei, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Dabei war etwa 20 Prozent, also die Mehrheit der Aufstandswilligen, bereit, Gewalt einzusetzen. Die Forschungsgruppe war so erstaunt über diese Resultate, dass diese Umfragen noch einmal kontrolliert und durchgerechnet wurden, nur um festzustellen, dass sie richtig waren. Das gestiegene Unruhepotenzial zeigt sich mit den „Gilets jaunes“ („Gelbwesten“) und dem Rentenaufstand in Frankreich, mit dem „Arabischen Frühling“ 2011, den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen, dem Kampf in Chile um eine neue Verfassung und so weiter.

Sie schreiben, dass ein möglicher Aufstand verhindert werden soll, ein „globaler Frühling“. Interessanterweise hat der US-amerikanische Rechtsanwalt Bernard E. Harcourt 2018 in seinem Buch „Gegenrevolution — Der Kampf der Regierungen gegen die eigenen Bürger“ (2019 auf Deutsch) diese prophylaktische Aufstandsbekämpfung beschrieben und analysiert. Diese habe in den USA nach dem 11. September 2001 begonnen. Es sei die Methode des Regierens im Inneren geworden, „ohne Ablaufklausel“. Er nennt drei Elemente dieses Vorgehens:

  1. die totale Informationskenntnis über die gesamte Bevölkerung,
  2. eine aktive Minderheit im Inneren aufspüren, ins Visier nehmen und beseitigen,
  3. Herzen und Hirne der Mehrheit, die allgemeine Bevölkerung gewinnen, ruhigstellen und beschwichtigen.

Das Ziel: Die Bürger sollen „normale, konsumierende“ Bürger bleiben. Harcourt bezeichnet die Datenkontrolle als zentralen Kriegsschauplatz und die Daten als entscheidende Ressource.

Sie weisen in Ihrem Buch mehrmals auf politische Entscheidungen hin, die diese prophylaktische Aufstandsbekämpfung als Methode bestätigen. Ein tatsächlicher Aufstand ist aber nicht in Sicht. Warum wird diese Politik fortgesetzt?

Das Buch von Harcourt kenne ich leider nicht, es beweist aber, dass eine spezifische historische Situation von verschiedenen Seiten, unabhängig voneinander, in beinahe identischen Termini analysiert werden kann. Das unterstreicht natürlich nur, dass die Informationskriege, die heute gegen die Völker geführt wird, ein objektives Faktum und nicht nur ein Hirngespinst sind. Wichtig bei Harcourt ist, dass er den 11. September 2001 als Wendepunkt nimmt.

In meinem Buch schlage ich vor, dass mit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems 1989/91 die Notwendigkeit einer neuen Methode des Regierens anerkannt wurde von Leuten wie Samuel Huntington, Philip Zelikow und anderen. Dabei sollte Angst — statt wie bisher materielle Vorteile kombiniert mit Ablehnung des Kommunismus — die Basis der legitimen Regierungsfähigkeit sein.

Mit dem 11. September 2001 und danach wurde dann die schon national wie in Italien ausprobierte Strategie der Spannung internationalisiert. Das wurde fortgesetzt über den Terrorismus bis heute zur Angstmache mit dem „Virus“. Ich denke übrigens, dass die Unruhe, die ich als Anlass zur Entfesselung des Pandemieszenarios auffasse, gerade wie in beziehungsweise nach den zwei Weltkriegen, nach dem Ausnahmezustand verstärkt zurückkehrt. Klaus Schwab warnt davon auch in seinem „Great Reset“.

Pharmaindustrie als Nutznießerin

Verschiedene Analytiker wie David Martin, Catherine Austin Fitts, Martin Armstrong oder Dirk Müller haben auf die Interessen der dominierenden Fraktionen des Finanzkapitals an dieser Krise hingewiesen. Es könnte danach darum gegangen sein, einen größeren Crash als den von 2008/09 durch eine kontrollierte Krise zu verhindern. Sie selbst verweisen auf Naomi Kleins „Schocktherapie“, auf deren These vom Katastrophenkapitalismus, der Krisen bewusst erzeugt, um Veränderungen durchzusetzen.*

Davon spricht auch die Finanzexpertin Fitts, die Sie im Buch zitieren. Der US-Finanzanalytiker David Martin erklärte im Juli 2021 gegenüber dem unabhängigen Corona-Ausschuss, dass es sich „nicht um eine Krise der öffentlichen Gesundheit handelte“. Es handele sich um eine Marketingkampagne, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Warum wurde dafür ein Virus benutzt, ein Gesundheitsthema?

In meinem Buch sage ich, dass dem spekulativen Kapital bei der Bildung eines neuen leitenden Klassenblocks nicht die Führung anvertraut werden kann, weil es gerade den großen Zusammenbruch 2008 verursacht hat. Stattdessen muss der Finanzsektor reorganisiert werden, namentlich durch die passiven Indexfonds wie „BlackRock“. Auch die pharmazeutische Industrie ist zuerst Nutznießerin, im Sinne von Katastrophenkapitalismus, nicht die führende Kraft. Es sind die Möglichkeiten, um Angstpolitik mittels einer Pandemiepanik zu betreiben, die ebenso seit den 1990er-Jahren untersucht worden ist, die die Pharmariesen an Bord gebracht hat.

Für viele ist Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos, mit seinen Ideen vom „Great Reset“ der Kopf hinter der Krise. Sie widersprechen diesen Vorstellungen: „Es gibt nie eine einzige Quelle, keinen ‚Schwab‘, der alles erfunden hat und den gesamten Prozess hinter den Kulissen steuert.“ Sie nehmen stattdessen die Bill & Melinda Gates Foundation ins Visier, sehen diese im Zentrum des biopolitischen Komplexes als Machtfaktor. Warum?

Schwab hat selbst keine Milliarden zu verteilen, er ist höchstens als eine Art Sekretär zu begreifen. Seit der Gründung des WEF Anfang der 1970er-Jahre hat er immer Vorschläge zur Öffnung der Weltwirtschaft als Flucht aus den national festgefahrenen Klassenkompromissen gemacht, später dann auch mit Beihilfe der Digitalisierung. In diesem letzten Prozess aber sind andere Kräfte groß geworden, wie Google, Amazon und so weiter, und dabei eine Reihe von mittlerweile Multimilliardären entstanden. Gates ist dabei mit seiner Stiftung spezifisch die Verbindungsfigur zwischen dem IT-Sektor (Microsoft) und der Steuerung von Lebensprozessen im Agrar- und Gesundheitsbereich. Er verkörpert wie kein anderer den biopolitischen Komplex.

Die wirkliche Gefahr für die Demokratie

Sie schreiben, dass die Covidkrise genutzt wird, um ein neues „1848“ zu verhindern, einen „Aufstand der Völker“, vor dem Zbigniew Brzeziński 2013 gewarnt habe. 1848 gab es eine bürgerliche Revolution, es ging um bürgerliche Freiheit. Das gilt zumindest für das damalige Deutschland als gescheitert, bis heute. Interessanterweise setzen sich jene, die gegen die Corona-Politik protestieren, für bürgerliche Freiheiten ein und werden dafür angegriffen. Wie beurteilen Sie das?

In meinem Buch habe ich auch versucht, eine Art Klassenanalyse zu entwickeln. Danach bestimmt und definiert die städtische Oberschicht (etwa 20 Prozent der Bevölkerung in Westeuropa), die für die Oligarchie arbeitet, auch die Themen in Politik und Medien. Demgegenüber steht einerseits eine ebenso großstädtische Einwandererbevölkerung, überwiegend eine Unterklasse, aber andrerseits auch eine „einheimische“, deklassierte ehemalige Arbeiterbevölkerung, Mittelstand, Bauern und so weiter, die teilweise in den Provinzstädten lebt. Weil nun beinahe alle Politik in ein breites Zentrum, eine breite „Mitte“, absorbiert worden ist (eine Art Große Koalition in Permanenz), auch die ehemaligen, aus der Arbeiterbewegung gewachsenen Linken, sind für die „Einheimischen“ nur die national-populistischen Parteien als Interessenvertreter übrig geblieben.

Die sind rechts beziehungsweise extrem rechts und bezeichnen das Zentrum, die Mitte als „links“; das Zentrum seinerseits hört nicht auf, die rechtsextremen Ursprünge des Nationalpopulismus zu betonen, obwohl verschiedene von diesen rechten Parteien mittlerweile auch die Vertreter eines viel breiteren Kräftefelds geworden sind, da die historisch Linke die „Einheimischen“ nicht mehr vertritt, geschweige denn verteidigt und sie häufig als Rassisten und Ähnliches beschimpft.

Meiner Meinung nach wird die Demokratie heute aber hauptsächlich bedroht vom breiten Zentrum, der „extremen Mitte“, welche die Globalisierungspolitik und den Neoliberalismus durchsetzt; nicht wie in den 1930er-Jahren von extrem rechten Parteien wie den Nazis, die damals für die herrschende Klasse eine Hilfskraft für Notfälle bildeten.

Was Sie schreiben, erfüllt Kriterien dessen, was in Mainstream-Medien als „Verschwörungstheorie“ diffamiert wird. Sie haben mit solchen Vorwürfen Erfahrungen, nachdem Sie sich unter anderem mit dem Abschuss des malaysischen Passagierflugzeuges MH 17 über der Ostukraine 2014 beschäftigt haben. Was antworten Sie auf solche Vorwürfe?

Ich habe für mehr als 50 Jahre in Amsterdam und Sussex mit einer Theorie von Klassenbildung gearbeitet, die dabei natürlich weiterentwickelt wurde, von einem einfachen Zweiklassenmodell bis zu detaillierten Analysen von Kapital- und Klassenfraktionen und wie sie in die Geopolitik, über die nationalen Grenzen hinaus, eingebettet sind. Was sich fundamental geändert hat, ist nicht mein Ansatz, wohl aber, dass sich im Zeitalter der Angstpolitik eine Art von „vorgeschriebener Wirklichkeit“ durchgesetzt hat: „9/11“ war Osama Bin Laden mit 19 Arabern, MH 17 war Putin, die Pandemie wurde von einer Fledermaus verbreitet und so weiter. Das sind richtige Verschwörungstheorien, da immer nur von einer (Haupt-)Kraft die Rede ist, die eben die Gegenkräfte organisiert, also hinter allem steht.

Mittlerweile ist im Rahmen der Angstpolitik nicht mehr erlaubt, von der vorgeschriebenen Wirklichkeit abzuweichen. Gesellschaftskritische Ansätze werden als Verschwörungstheorie diskreditiert. Fragen sind nicht erlaubt, Debatte ist ausgeschlossen, sonst könnte die vorgeschriebene Wirklichkeit zusammenbrechen. Denn zur gleichen Zeit nimmt unsere Fähigkeit, die realen Verhältnisse hinter der vorgeschriebenen Wirklichkeit zu erkennen, ständig ab — damit auch die Möglichkeiten, Realität und ideologische Täuschung in ihren Wechselwirkungen zu analysieren. Das ist das Muster: keine Diskussion bitte!

Raus aus der Zuschauerrolle

Viele gesellschafts- und kapitalismuskritische Stimmen, linke, kritische Denker und Wissenschaftler akzeptieren bei der Coronakrise die von den herrschenden Eliten und den sie unterstützenden Medien verbreiteten offiziellen Erklärungen von der vermeintlichen großen Gefahr durch ein tödliches Virus. Ein prägnantes Beispiel ist Noam Chomsky. Wie beurteilen Sie das?

Der historische Materialismus ist als intellektuelle Tradition nach den 1970er-Jahren immer weniger weiterentwickelt worden und durch den Postmodernismus und sonstige Ansätze von seinen erkenntnistheoretischen Grundlagen gelöst worden. Auch hier ist der Zusammenbruch des Sowjetsystems, das mit dem Marxismus identifiziert wurde, natürlich ein wichtiger Faktor gewesen. In den 90er-Jahren stieg der Publikationszwang an, während gleichzeitig anonyme Peer Review von Manuskripten es möglich machte, jede unerwünschte Strömung auszugrenzen. Noch als Marxist im akademischen Feld zu überleben, war nur für wenige möglich, und sie waren zu wenig, um eine ganze Tradition in der Breite weiterzuentwickeln.

Die linke Politik hat also immer weniger Impulse zur Weiterbildung ihres ideologischen Erbes bekommen, da ihre Kader, oft direkt von den Universitäten, für die Gewerkschaft oder die Sozialdemokratische Partei und so weiter rekrutiert wurden. Letztendlich ist die linke intellektuelle Tradition beinahe ganz verschwunden, jedenfalls macht man damit keine Karriere mehr, weder an der Uni oder noch in der Politik. Chomsky ist nach „9/11“ einfach der Linie der vorgeschriebenen Wirklichkeit gefolgt. Ich habe einst angefangen, Politikwissenschaft zu studieren, inspiriert von seiner Kritik am Vietnamkrieg, aber das ist lange her.

Welchen Ausweg aus der Krise sehen Sie? Welche Chancen für konstruktiven Widerstand gibt es aus Ihrer Sicht? Sie zeichnen im Buch „die Konturen der alternativen Gesellschaft“. Diese setze „die Enteignung der Oligarchie voraus, die die Errungenschaften der IT- Revolution zu ihrem Privateigentum gemacht hat“. Wie realistisch ist das?

Es ist nicht unmittelbar realistisch, aber die Realität entwickelt sich sehr schnell, gerade in diesen komplett verrückten Zeiten der Covidkrise. Wir sehen heute, wie der Kapitalismus sich unter Benutzung von verbrecherischen Methoden wie Massenimpfung, auch von Kindern, mit gentherapeutischen, unvollständig geprüften Substanzen nach vorne schlägt, um einen Ultra-Kapitalismus einzuführen.

Die digitale Überwachung der Bevölkerung mittels eingespritzter Nanoelektronik muss dabei die Pläne der 2016 von Microsoft, die Rockefeller Foundation und das Impfnetzwerk Gavi gestifteten „ID2020“ verwirklichen. Das soll die Akzeptanz extremer Konzentration der Reichtümer an der Spitze, neben Enteignung von allem darunter, wie Kleinbetriebe, einschließlich Läden und Bauernbetriebe, Häuser, sicherstellen.

Dennoch sind die Herrschaftsverhältnisse im heutigen, kriminellen Kapitalismus äußerst labil, eben wenn das (noch) nicht unmittelbar manifest wird. Es kann aber nicht stabilisiert in der heutigen Form werden. Alles ist in rasend schneller Entwicklung, die natürlich auch in einer unbeherrschbaren Katastrophe enden kann. Aber das erinnert uns nur daran, dass wir keine Zuschauer bleiben können und eine Handlungsperspektive entwickeln müssen.


Redaktionelle Anmerkung: Dieses Interview von Tilo Gräser erschien im Heft 1/22 der neuen Zeitschrift „ViER. Die ViERte Gewalt“, die seit dem 7.  Februar 2022 erhältlich ist.