Liebe und Rebellion
„Wirkliche Solidarität äußert sich durch Zuwendung, Anteilnahme und Gespräch. Das sind unsere wichtigsten Werkzeuge zur Befreiung aus Unterdrückung und Unmenschlichkeit“, erläutert Friederike de Bruin im Rubikon-Gespräch mit Jens Wernicke.
Wir analysieren viel und gut, doch was haben wir bisher verändert? Der Wandel braucht zunächst die Hoffnung darauf, dass er möglich ist. Nicht nur ein klares Nein zur alten Welt, in der Zwang, Hierarchie und ein materialistisches Weltbild herrschen, sondern auch eine Vorstellung davon, wohin wir streben. Vor allem müssen wir uns ehrlich selbst erforschen: Besitzen wir wirklich mehr Integrität, Bewusstheit und Gemeinschaftsfähigkeit als jene, gegen die wir aufbegehren? Stehen wir als Menschen für die Liebe oder doch eher den Hass unter umgekehrten politischen Vorzeichen? Wir müssen lernen, nicht nur aktiv zu sein, sondern auch die Aktivisten, uns selbst, mit der nötigen Achtsamkeit zu behandeln und aus dieser heraus zu agieren. Friederike de Bruin ist eines der wenigen weiblichen Gesichter der Corona-Proteste. Als traumasensible Geburts- und Sterbebegleiterin ist sie zudem Expertin für ganzheitliche Gesundheit und kann gut einschätzen, was die rabiaten Corona-Maßnahmen in unseren Seelen anrichten. Ein Erlebnis auf einer Demonstration hat sie jetzt eingeholt. Von einem Polizisten misshandelt, wird nun sie als Täterin an ebendiesem strafrechtlich verfolgt. Rubikon-Herausgeber Jens Wernicke sprach mit ihr über das Corona-Unrecht, den notwendigen Widerstand hiergegen, Wege in eine bessere Zukunft sowie die Notwendigkeit von Solidarität für den Fall, dass der Staat an Einzelnen ein Exempel zu statuieren und das Opfer zum Täter zu stilisieren versucht.
Jens Wernicke: Liebe Friederike, seit Beginn der Corona-Krise bist Du aktiv gegen Unrecht und Vereinsamung, gegen Verfassungsbruch und Polizeiwillkür — für eine bessere, durch Wahrhaftigkeit und Herzlichkeit geprägte Welt. Du hast viel erlebt und bist zugleich eines der wenigen weiblichen Gesichter des Widerstands. Was treibt Dich an? Und wie bewertest Du das Geschehen und Deine Erlebnisse seit Krisen-Ausbruch?
Friederike de Bruin: Meine Wahrnehmungsfähigkeit für Unterdrückung und Gewalt ist aufgrund meiner eigenen Biografie recht fein ausgeprägt, würde ich sagen. Viele Jahre meines erwachsenen Lebens habe ich damit verbracht, die seelischen und auch körperlichen Folgen von Grausamkeit und Gewalt in meiner Kindheit und Jugend zu verstehen und davon zu genesen.
Mein inneres Radarsystem hat mich jedenfalls früh im ersten Lockdown darauf hingewiesen, dass Maßnahmen wie Isolation, Schulschließungen und faktisches Bewegungsverbot definitiv nicht gesundheitsfördernd sind, sondern eher zu massivem Stress, Traumatisierung respektive Retraumatisierung sowie Leid führen werden. Wohl nicht bei allen Menschen, jedoch ganz sicher bei jenen, die sowieso vulnerabel sind: Kinder, Frauen in prekären Lebensumständen, alte Menschen, Demenzkranke und insbesondere traumatisierte Menschen.
Den zündenden Funken für mein öffentliches Engagement gegen die Zwangsmaßnahmen sowie für die gezielte Stärkung der individuellen Gesundheit lieferte dann eine Bekannte, deren Mann Polizist ist. Sie wies mich im ersten Lockdown darauf hin, dass die Einsätze aufgrund häuslicher Gewalt enorm gestiegen seien.
Das hat mich richtiggehend erschüttert und dazu bewogen, noch genauer hinzuschauen. Sprach- und Entwicklungsstörungen bei Kleinkindern aufgrund der durch Masken verdeckten Mimik oder auch emotionale Vernachlässigung machen einen Teil der bisher unsichtbaren jedoch gravierenden „Kollateralschäden“ der Pandemiemaßnahmen aus. Offizielle Statistiken zeigen inzwischen selbst ohne Berücksichtigung der Dunkelziffern, dass allein im Jahr 2020 doppelt so viele Kinder aufgrund häuslicher Gewalt verstarben wie im Vorjahr.
Missbrauch und Ausbeutung von Kindern ereignen sich gerade dann, wenn kein Kontakt nach Außen besteht. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll, dort findet die wahre Triage statt. Unsere Kinder wurden und werden im Alltag seit zwei Jahren um ihren Atem und ihre Stimme gebracht, durch Maskenpflicht und Abstandsgebote terrorisiert und gezielt in Todesangst versetzt . Suizide und versuchte Suizide im Kindesalter nehmen immer weiter zu. Das Grauen, dem Kinder in dieser Krise weltweit ausgesetzt waren und sind, wird tiefe und jahrelange, teils lebenslange Spuren hinterlassen. In all diesen jungen Menschen und damit in unserer Gesellschaft.
…ganz im Sinne der bedeutenden Autorin und Psychologin Alice Miller, die einmal schrieb: „Das Bewusstsein der Öffentlichkeit indessen ist noch weit von der Erkenntnis entfernt, dass das, was dem Kind in den ersten Lebensjahren angetan wird, unweigerlich auf die ganze Gesellschaft zurückschlägt.“
Genau so, ja.
Erschreckend war dabei für mich, herauszufinden, dass diese psychischen und sozialen „Kollateralschäden“ in Pandemieplänen der Regierung bereits seit Jahren mit den höchsten Schadensklassen berechnet werden. Die Maßnahmen wurden nicht etwa blind, sondern in vollem Wissen der Fakten beschlossen.
Anfangs, im März 2020, dachte ich noch, dass das politische Interesse an Gesundheitsförderung der Bevölkerung nun groß sein müsse und schrieb Briefe und Anträge an Gesundheitsbehörden im ganzen Land, denen ich Informationen und Links zu eindeutigen Studien beilegte.
Schon durch einfache Maßnahmen wie gesunde Ernährung, Bewegung, Psychohygiene, also etwa Lachen und Berührung sowie bei Bedarf gezielte Unterstützung des Immunsystems könnten wir eine Überlastung der Kliniken nachhaltiger verhindern als durch das Einsperren von Menschen. Dafür sprechen nicht nur eindeutige Studien, sondern auch die Lebens- und Arbeitserfahrungen vieler Ärzte und Heilpraktiker.
Die angeschriebenen Gesundheitsämter und -ministerien waren nur leider nicht an diesen Informationen interessiert. Meine Anträge auf unverzügliche und barrierefreie Information der Bevölkerung zur Selbsthilfe wurden mit der Begründung zurückgewiesen, dass diese Behörden nicht für Gesundheitsförderung zuständig seien, das seien die Menschen selbst, ergänzend die Hausärzte und gegebenenfalls noch die Krankenkassen.
Das fand ich wirklich bizarr, denn zeitgleich wurden die größten Werbekampagnen hochgefahren, die die Welt je gesehen hatte: Für eine experimentelle Gentherapie, die den Menschen aggressiv als heilsbringende Impfung aufgenötigt wurde und wird. Diese Spritze kann also nichts mit Gesundheitsförderung zu tun haben, denn die ist — wenn ich die Antwortschreiben richtig interpretiere — gar nicht Staatsauftrag.
Dass es sich hierbei um ein Menschheitsverbrechen handelt, hat Beate Bahner in ihrem Rubikon-Buch „Corona-Impfung“ ja bereits aufgedeckt.
Warum geschieht das dann? Warum die ganze Offensive für die Impfung und gegen den gesunden Menschenverstand?
Angesichts der erdrückenden Beweise können wir schlussfolgern, dass es im aktuell herrschenden Sanitarismus tatsächlich keinen Deut um Gesundheit oder Menschenleben geht. Wie es scheint, geht es um Geld. Vor allem um Geld: Der Umsatz von Biontech macht inzwischen fast ein Fünftel des deutschen Wirtschaftswachstums aus, die Korruption boomt in nie dagewesenem Ausmaß und wer sich daran beteiligt, profitiert wie vielleicht niemals zuvor.
Die entsprechenden Verbindungen zwischen Politik und chemisch-pharmazeutischer beziehungsweise Biotech-Industrie werden glücklicherweise weltweit bereits aufgedeckt und genau unter die Lupe genommen. Auch die Bücher des Rubikon-Verlags tragen einen wichtigen Teil zu dieser Aufklärung bei.
Was wir festhalten können, ist: Das Gesundsein selbst wurde inzwischen als globaler Markt erschlossen. Die Menschen müssen nun beweisen, dass sie gesund sind, um auch nur zur Arbeit, in die Schule und ins Café zu dürfen. Unser Theater- oder Konzertbesuch hat früher die Kulturschaffenden und Veranstalter ernährt, heute verdienen immer auch die Pharma-Konzerne mit, die uns „freundlicherweise“ ihre Tests zur Verfügung stellen.
Wenn die Situation nicht so folgenschwer und lebensgefährlich wäre, würde ich sie wie ein unglaublich spannendes Theaterstück genießen: Wann fliegt der ganze Wahnsinn auf? Wann werden die Drahtzieher und Profiteure enttarnt und endlich zur Rechenschaft gezogen? Wie machen wir danach weiter? Und wie gestalten wir unsere Welt, wenn wir sie uns aus dem Knebelgriff skrupelloser Oligarchen zurückerobert haben?
Insbesondere die letzte Frage treibt Dich ja mehr als andere an: Wo finden wir nicht nur harte und kalte Analyse, sondern auch Mut, Hoffnung und Utopie in dieser Zeit? Wo finden wir sie? Und warum reicht Dir das Analysieren und Kämpfen allein nicht mehr aus?
Nun, ich glaube, dass wir intuitiv zuerst spüren, wenn etwas falsch läuft. Das Analysieren ist dann ein ganz wichtiger zweiter Schritt, um herauszufinden, was genau Sache ist. Dann kommt im dritten Schritt die gesunde Wut dazu — wir äußern unsere Meinung und ziehen Grenzen. Die rote Linie ist wichtig und muss verteidigt werden, beispielsweise um unsere körperliche Integrität zu schützen oder unsere Freiheitsrechte zu wahren. Das ist allerdings wiederum ein ganzes Kapitel für sich — warum brauchen wir eigentlich Freiheits-, Grund- und Menschenrechte?
Solange wir jedoch im Kampf, in einem Nur-Dagegen-sein verharren, können wir uns nicht dem eigentlichen, unserem Leben widmen. Wir bleiben beschäftigt mit der vermeintlichen Abwehr dessen, was uns schadet — und verbrennen dabei unsere Lebenszeit und -kraft. Diese wiederum fehlen dann an der Stelle des Neuen, des Guten.
Und so passiert es, dass wir letztlich, und ohne es zu merken, doch das Bestehende reproduzieren und dazu beitragen, es zu bewahren, obwohl wir dagegen antreten wollten. Unbewusst vielleicht – uns fehlte und fehlt dann einfach die Zeit, Kraft und Kreativität, wirkliche Veränderung zu initiieren und menschenfreundlichere Strukturen zu entwickeln...
Solche Dynamiken entstehen übrigens nicht nur zufällig, sondern sind auch Formen von Mind Control. Empörungsmanagement ist einfach - ein Sündenbock ist schnell gefunden -, bindet aber enorm viel Kraft, die uns dann zur aktiven Gestaltung unserer Gesellschaft, unseres Lebens fehlt. Es ist sehr wichtig, dass wir uns bewusst machen, wofür wir leben wollen. Was wir stärken wollen.
Denn nur durch uns kommt das Neue in die Welt – wir sind die, auf die wir gewartet haben, heißt es doch so schön. Tja, das bedeutet aber wirklich: Wir müssen uns tatsächlich Zeit dafür nehmen, herauszufinden, was uns fehlt. Was wir uns wünschen. Welche konkreten Veränderungen wir anregen und unterstützen wollen. Hier und jetzt, vor Ort in unserem Lebensumfeld. Das ist zwar eine eher unscheinbare Rebellion, aber in meinen Augen die, die wirklich etwas verändert und zählt.
Henry Miller hat das, was ich meine, in seinem Buch „Rimbaud oder Vom großen Aufstand“ so wunderbar erklärt und in Worte gefasst: Der wirkliche „Rebell muss mehr als jeder andere die Liebe kennen, sie schenken, mehr noch als sie zu empfangen, und sogar noch mehr Liebe sein, als sie zu schenken“. Angst, Wut und Kampf allein reproduzieren selbst nach geglückter Revolte oder Revolution nur wieder Macht, Hierarchien und Ungleichheit. Das lehrt uns die Geschichte.
Doch wollen wir das? Erneut? Ich meine: Wir brauchen dringend weitere Zutaten, um eine lebensfreundlichere Welt zu gestalten. Wir brauchen die Liebe zum Leben, zu unserer unglaublich schönen Erde. Unserer Mutter Natur. Wir brauchen Tatkraft, Bewusstheit, Begeisterung, Ehrfurcht, auch Demut vielleicht, ein Staunen, das begreifen will, ohne zu zerpflücken.
Was uns im Ringen um eine bessere Welt unterstützt, das ist in meinen Augen zuerst einmal die wirkliche Verbindung mit uns selbst, die Aussöhnung mit unserem eigenen Schmerz, mit unseren verborgenen Antrieben und Ängsten, und, ja, eben auch und insbesondere mit Qualitäten wie Liebe, Güte und Mütterlichkeit.
Und das meine ich nicht als „Kritik an den Männern“. Ganz im Gegenteil, es leiden ja auch die kleinen Jungs und späteren Männer offen oder verdeckt unter der Härte und Kälte purer Zweckbestimmtheit und Rationalität. Unter dem, was gemeinhin als Patriarchat bezeichnet wird.
Unsere derzeitige gesellschaftliche Situation betrachte ich als die größte Herausforderung, vor der die Menschheit seit Langem stand. Zugleich ist sie aber auch die größte Chance, die sich uns jetzt seit sehr langer Zeit bietet. Und darin liegt auch die Schönheit dieser Krise: Das Wesentliche, Verbindende kann sichtbar und spürbar werden. Und damit eine wirkliche Utopie, die vermeintliche Gegensätze endlich vereint. Dafür und dagegen. Liebe und Wut.
Wir erkennen jetzt, wie wir nicht weitermachen wollen. Nun geht es darum, zu lernen, wie wir miteinander zum Wohle aller kooperieren können. Und gerade da, Verzeihung, das mag ein wenig klischeehaft klingen, haben insbesondere die Frauen über die Jahrhunderte und Jahrtausende viele Stärken und viel Weisheit entwickelt und können, müssen, ja, werden viel zu diesem Prozess beitragen können. Davon bin ich überzeugt.
Seit Kurzem hast Du nun nicht nur ein eigenes Videoformat im Rubikon, sondern willst auch gemeinsam mit dessen Mut-Redaktion im Jahr 2022 diese, unsere Zeitung durch einen neuen Schwerpunkt bereichern, den ihr unter der Überschrift „Mut zur Verletzlichkeit“ im Rubikon-Neujahrsgruß bereits angekündigt habt. Ist es das, worum es Dir und Euch dabei geht? Das, was Ernst Bloch in „Das Prinzip Hoffnung“ und Max Horkheimer in „Zur Kritik der instrumentellen Vernunft“ einst so treffend zur Sprache brachten? Dass das „Kalte“, das „Nur-Analytische“ allein, egal, wie wahr es auch sein mag, uns als Humanisten noch niemals geholfen hat, Menschen zu ermutigen, aufzuwachen, mündig zu werden, sich ihren Ängsten zu stellen und gegen Ungerechtigkeit aufzubegehren?
Ja, darum geht es uns. Und nicht nur gegen Ungerechtigkeit, sondern mit aller Kraft auch für unsere Träume sollten wir aufbegehren! Ohne Wärme, Hoffnung, Utopie, und, wie beispielsweise Kerstin Chavent es in einem ihrer Artikel so treffend beschrieben hat, ohne auch mütterliche Qualitäten lieben wir eine kalte, eine verzweifelte Gesellschaft nicht wieder gesund.
Nach meiner Überzeugung hat der Weg in eine bessere Welt zwingend die Aussöhnung und Synthese von Yin und Yang, Väterlichkeit und Mütterlichkeit, Männlichkeit und Weiblichkeit, Rationalität und Emotionalität zur Voraussetzung.
Dass eine solche Entwicklung denkbar ist, sich jedoch erst unter großen Anstrengungen verwirklichen lässt, resultiert für mich aus der Struktur unserer Gesellschaft selbst: Wir alle werden ausnahmslos als ganz verletzliche Wesen geboren, die angewiesen sind auf die liebevolle Fürsorge unserer ersten Bindungspersonen.
Von Natur aus ist das die Mutter. Ich wage zu behaupten, dass die wenigsten Mütter heute in Umständen leben, in denen sie sich sicher, geborgen und gut versorgt wissen. Materiell wie auch emotional. Das ist aber die Voraussetzung dafür, auch wirklich mütterlich, warm, gebend und liebevoll sein zu können.
Unsere Gesellschaft ist nicht familienfreundlich, nicht mütterfreundlich, nicht babyfreundlich eingerichtet, sondern auf Leistung und Wirtschaftlichkeit getrimmt. KiTa-Plätze zur frühen Fremdbetreuung sind ein Symptom dieser Ausrichtung. Das heißt, wir können davon ausgehen , dass die meisten von uns, ob Mann, Frau, Divers oder anders definiert, bereits früh in ihrem Leben zutiefst frustriert und verletzt wurden. Die Folgen für uns persönlich und als Gesellschaft sind immens.
Aber da alle so geprägt sind, erscheint uns dieser Zustand als normal: Wir sind misstrauisch, missgünstig, neidisch, definieren uns über unseren Erfolg und unseren Besitz. Beziehungen zerbrechen schneller, als der nächste Computer fällig wird. Wir sind bis über die Ohren mit Schutz- und Abwehrstrategien gepanzert, gefühlstaub, innerlich wie abgeschaltet, erwarten von uns selbst und unseren Kindern, dass wir funktionieren und uns reibungslos in sinnentleerte, zutiefst menschenverachtende Systeme und Strukturen einfügen. Psychische Erkrankungen nehmen seit Jahren zu. Es geht uns nicht gut!
Um aus dieser furchtbaren Situation herauszukommen, ist es in meinen Augen notwendig, dass wir im ersten Schritt uns selbst wieder spüren lernen. Unsere Gefühle und Empfindungen wahrnehmen und als wichtigen Teil unseres Menschseins nicht nur aushalten, sondern schätzen lernen. Wahrhaftig werden, spüren, wie es uns wirklich geht – das ist nicht immer leicht. Das tut unter Umständen richtig weh. Das geht nur, wenn ich meine Verletzlichkeit zulasse. Mein Nicht-weiter-wissen, meinen Schmerz um alle Verluste fühlen kann. Aber nur so komme ich zu mir, kann ich mich und meine wirklichen Bedürfnisse und auch Grenzen verstehen, wahrnehmen und dafür einstehen – und nur so werde ich wirklich beziehungsfähig.
Das ist in meinen Augen der wichtigste Schritt in Richtung einer gesünderen Gesellschaft. Die Bindungs- und Beziehungsfähigkeit zu entdecken und Raum zu schaffen für mehr wahrhaftiges, liebevolles Miteinander. Nicht angstvolles Nebeneinanderher, oder Gegeneinander.
Weil Du es anfangs erwähnt hast: In der Öffentlichkeit mögen in der „Freiheitsbewegung“ mehr Männer als Frauen sichtbar sein, im Hintergrund engagieren sich allerdings viele kluge und inspirierende Frauen, das habe ich seit Beginn der Krise erlebt. Wir wollen auch im Rubikon diese weiblichen Stimmen hörbarer machen. Wir versuchen also, mit gutem Beispiel voranzugehen und diese wichtigen und eben sehr verletzlichen Schritte hin zu einem lebendigeren, liebevolleren, respektvolleren und ganzheitlicheren Miteinander gemeinsam mit unseren Autoren und Gesprächspartnern zu gehen. Von unseren Träumen und Sehnsüchten und von unserem Scheitern und Ringen zu berichten.
In Beiträgen und Gesprächen Raum schaffen für Menschlichkeit, persönliches. Denn: Das Private ist politisch! Das hat uns diese Krise immer wieder auch sehr konfrontierend vor Augen geführt. Im Privaten entwickeln wir — wenn es gut läuft – Kraft, Vision und Mut, gestaltend einzugreifen in die Geschicke der Welt. Nicht bloß passiv konsumierend auf dem sprichwörtlichen oder tatsächlichen Sofa sitzen zu bleiben und zu warten, bis unser Leben und unsere Welt besser wird.
Dazu wollen wir auch anstiften: Aktiv zu werden. Im Kleinen, Schritt für Schritt mitzubauen an einer „neuen Welt“. Genährt und getragen von Liebe zu unserem Leben – die, wenn wir sie miteinander teilen, ob in Kunst, Musik, Literatur oder gemeinsamer Handlung, in uns eine unbändige Kraft zur Erneuerung und Entwicklung entfesseln kann.
Ganz im Sinne von Arno Gruen also: „Wahre Stärke braucht keine Macht“?
Genau. Und auch im Sinne von Erich Fromm, der schon vor Jahrzehnten die Notwendigkeit einer „humanistischen Renaissance“ betonte.
Nun ist das aber alles andere als einfach, denn während wir hier über Güte, Liebe und persönliches Wachstum sprechen, gehen die Mächtigen gerade mit aller Kraft gegen Menschen wie uns vor und fordern von uns blinden Gehorsam — unter Androhung teils drakonischer Strafen. Du selbst wirst gerade durch den Staat in zwei Verfahren belangt, ja, sogar strafrechtlich verfolgt, und hast vor Kurzem einen Hilferuf gesendet, um die Anwaltskosten aufbringen zu können, und Dich zu verteidigen. Was genau hast Du getan und wofür wirst Du belangst? Was ist geschehen?
Das eine Verfahren hat eine gewisse absurde Komik. Ich hatte mich am Geburtstag des Grundgesetzes 2020 im Gedenken an unsere schönen Grundrechte in kleinem, aber dem Abstandsgebot entsprechenden Kreis zum Meditieren auf eine Wiese gesetzt. Ein Polizeikommissar wurde zum Überprüfen der Abstände geschickt. Obwohl er keinen Zollstock dabei hatte, schätzte er den Abstand als zu gering ein. Viele solcher Verfahren werden derzeit eingestellt, manche werden aber als Schauprozesse geführt. Frei nach der Devise: Bestrafe einen und erziehe tausend. Ich bin gespannt.
Der zweite Prozess ist ernster und bewegt mich deutlich mehr. Dabei geht es um den körperlichen Angriff eines Polizisten gegen mich in Berlin, anlässlich der Demo zum World Health Summit im Oktober 2020. In einem Internetvideo ist gut zu sehen, wie ein Polizist mich mit Anlauf gegen eine Wand schleuderte, wo ich zuerst mit dem Kopf aufprallte.
Dieses Gewalterlebnis hat mich noch einige Monate nach Abklingen des ersten Schocks sehr belastet. Ich hatte neben den körperlichen Verletzungen und Schmerzen auch Angst, Alpträume und Flashbacks zu verarbeiten. Psychisch besonders herausfordernd wurde die Situation auch, weil ich umgehend selbst wegen Körperverletzung eben dieses Polizisten angeklagt wurde. Ich wurde zum Opfer, sofort danach aber zum Täter erklärt — mit unsicherer Aussicht auf einen fairen, rechtsstaatlichen Prozess bei gleichwohl gewichtiger Strafandrohung.
Solches Vorgehen hat meiner Beobachtung und Einschätzung nach System, es ist psychologisch höchst wirksam und soll ganz sicher abschrecken. Ein wichtiger Schritt war es für mich jetzt, öffentlich über diese Täter-Opfer-Umkehr zu sprechen, mich damit nicht isolieren zu lassen. Die Tendenz, das zuzulassen, ist in einer solchen Situation natürlich da. Sich zurückzuziehen nach so einem Erlebnis. Gerade wenn man zum Opfer wurde. Da greifen ganz unwillkürliche psychische Mechanismen, selbst, wenn man theoretisch um solche Folgeerscheinungen weiß.
Was ist der richtige Umgang mit derlei Erlebnissen? Was können wir, wir alle gemeinsam, gegen solche „Täter-Opfer-Umkehr“, wie Du es nennst, tun?
In solchen und ähnlichen Situationen helfen uns — neben einer Bewusstwerdung der zugrundeliegenden psychodynamischen sowie Herrschaftsmechanismen — vor allem Mitmenschlichkeit und Gemeinschaft.
Wirkliche Solidarität äußert sich eben nicht im „richtigen Abstand“, sondern durch Zuwendung, Anteilnahme und Gespräch statt in betretenem Schweigen. Durch Nähe und Wärme. Darin besteht unsere größte Kraft, das sind unsere wichtigsten Werkzeuge zur Befreiung aus Unterdrückung und Unmenschlichkeit.
Zugehörigkeit und Gemeinschaft sind übrigens auch entscheidende Voraussetzungen für notwendigen zivilen Ungehorsam und unbequeme, jedoch ethische Entscheidungen. Das ist eine wichtige, wenn auch wenig bekannte Erkenntnis aus dem Milgram-Experiment.
Ich wünsche mir sehr, dass wir miteinander einen bewussteren und traumasensiblen Umgang entwickeln. Angesichts aller transgenerationalen Traumata sowie des alltäglichen Missbrauchs, der uns in dieser Gesellschaft oftmals widerfährt, ist das dringend notwendig. Dann können wir einander helfen, richtig und wirklich helfen — nicht nur, was finanzielle Unterstützung, sondern auch, was wirkliches Gehaltensein und ein erneutes Erleben von Sicherheit betrifft.
Diese beiden Dinge sind die Voraussetzung für Heilung und Integration — und wir alle brauchen sie, kollektiv wie individuell, um unsere Kräfte zukünftig für die Umsetzung unserer Visionen und Utopien bündeln zu können!
Noch ein letztes Wort?
„Trotz all ihrem Schein, der Plackerei und den zerbrochenen Träumen ist diese Welt doch wunderschön. Sei vorsichtig. Strebe danach, glücklich zu sein“, wie es in der Desiderata so schön heißt.
Das scheint mir auch und gerade in Krisenzeiten eine gute Erinnerung für uns alle zu sein.
Ich danke Dir für das Gespräch und wünsche Dir alle notwendige Unterstützung — nicht nur, aber auch für Deine juristische Verteidigung.