Liebe statt Krieg!

Auf dem „Pax Terra Musica“-Festival wird für den Frieden gesungen und getanzt. Gerade egalitäre und notwendige Ansätze wie dieser werden von den Mächtigen diskreditiert und bekämpft.

„Egal, ob Du aus Europa oder von weiter weg kommst. Egal, ob Du Eingeborener oder Einwanderer bist. Egal, ob Du Frauen liebst oder Männer, ob Du Deine Haare färbst oder Dreadlocks hast, ob Du Designer-Klamotten trägst oder im Second-Hand-Laden einkaufst. Egal, wie viele Arme der Gott hat, an den Du glaubst, und ob Du überhaupt an höhere Wesen glaubst. Solange Du für den Frieden zwischen allen Menschen auf der Welt bist, wollen wir mit Dir tanzen! (…) Vom 23. bis 25. Juni 2017 werden wir auf dem alten Flughafengelände in Niedergörsdorf ein unüberhörbares Zeichen für die LIEBE und für den FRIEDEN setzen.“ Das schreiben die Initiatoren des Pax Terra Musica-Friedensfestivals auf ihrer Webseite und präsentieren ein großartiges Konzept, das – wohl ob der von ihm ausgehenden Kraft -von gewissen Kreisen bereits im Vorfeld gezielt zu diskreditieren versucht wird. Wer sind diese Menschen? Was treibt sie an? Und was halten sie von der gegen sie in Stellung gebrachten „Kritik“? Diesen Fragen ging Florian Ernst Kirner im Interview mit Malte Klingauf und Marie Hohensee vom Orga-Team des Festivals nach.

Malte und Marie, ihr gehört zu den Organisatoren eines Festivals, das sich der Vereinigung von Musik, Friedensbewegung und praktischen Alternativen auf die Fahnen geschrieben hat. Könnt ihr zunächst beschreiben, wie ihr dazu gekommen seid, für dieses Projekt zu arbeiten. Ihr seid ja nicht hauptberuflich Festivalveranstalter.

Malte: Ich bin sehr spät politisiert worden und habe erst mit dem Beginn der „Mahnwachen für den ersten Weltfrieden“ im Frühjahr 2014 in Berlin angefangen auf Demos zu gehen.
Bei den Mahnwachen bin ich dann eher durch Zufall dazu gekommen, diese zu moderieren. Ich habe das dann aber zwei Jahre lang jeden Montag durchgezogen.
Mir war es dabei immer wichtig, den Menschen keine Meinung vorzugeben, sondern sie zum Nachdenken zu animieren. Musik war natürlich immer ein Teil unserer Demonstration, und wir haben auch von der Mahnwache Berlin aus zwei Musikveranstaltungen organisiert.
Im Laufe der Zeit wurden allerdings die Besucherzahlen immer weniger, obwohl oder vielleicht auch gerade weil sich die Situation in der Welt nicht verbessert hat.
Für mich stellte sich damals schon länger die Frage, ob dies für mich noch der richtige Weg ist. Wir alle möchten ja mit unseren Aktivitäten weiterkommen.
Aus diesem Grund habe ich mich auch bei der Humanistischen Friedenspartei engagiert, um auch den politischen Weg zu probieren.
Der Schlüsselmoment war für mich dann aber die „Stopp Ramstein“-Demo 2016. Hier hatten wir wieder einmal tolle Musiker auf der Bühne, aber leider miserables Wetter und kaum Zeit, damit diese einmal zeigen konnten, was in ihnen steckt.

Marie: Also kam die Idee auf, ein Festival über mehrere Tage zu veranstalten. Dieses sollte aber nicht nur einfach ein weiteres Familienfest sein, sondern es sollte größer werden, mehr Menschen erreichen. Mit der Zeit ist diese Idee immer weiter gewachsen, so dass wir heute ein großes Festival mit Ausstellern, Vorträgen, Workshops, einer Begegnungsstätte, einem Kinderbereich und noch vieles mehr haben werden.

Wie habt ihr denn die Rolle von Künstlern in Bezug auf das Friedensthema in den letzten drei Jahren wahrgenommen?

Malte: Ich denke, das müssen wir von verschiedenen Seiten betrachten. Wir haben zum Beispiel die klassischen Liedermacher, die vor 20 Jahren noch sehr viel aktiver waren. Hier würde ich mir manches Mal deutlichere Worte wünschen. Aber es kommen auch neue Künstler nach, wie Du selbst oder Sarah Lesch.

Marie: Nur werden diese von der heutigen Musikindustrie kaum wahrgenommen und gefördert, oder? Als Friedensmusiker muss man wohl vor allem eines sein, um durchzuhalten: Aktivist.

Malte: Die aktivste Aufklärung findet nach unserer Wahrnehmung eigentlich wieder im Hip-Hop-Bereich statt. Hier gibt es eine Reihe guter junger Rapper, die in ihren Texten die Probleme in der Welt verarbeiten und so langsam ziehen auch die bekannteren Rapper nach. Die Zeiten, in denen man über Koks, Nutten und fette Autos gerappt hat, sind zum Glück langsam vorbei.
Und dann dürfen wir auch nicht die elektronische Musik vergessen. Angefangen bei der Love Parade, die ja als Demo begonnen hatte, bis hin zu heutigen großen Veranstaltungen. Dabei geht es naturgemäß weniger um Aufklärung oder Inhalte, sondern mehr um ein friedliches Lebensgefühl. Was auch extrem wichtig ist!

Marie: Problematisch ist natürlich, dass Musiker wie Aktivisten sehr schnell mit Labels wie „Spinner“ oder „Träumerin“ gebrandmarkt werden. Da wir im weitesten Sinne in einer kriegerischen Gesellschaft leben, bedeutet Friedensaktivismus auch immer Systemkritik. Sich oberflächlich kritisch mit unserer Gesellschaft auseinandersetzen, mögen viele größere Musiker. Sie hoffen, damit authentisch rüberzukommen. Ein musikalischer Systemkritiker ist aber nur authentisch, wenn er aktiv auf die Straße geht. So bin ich gerade verwirrt über Depeche Mode, deren aktuelle Single unzweideutig „Where´s the revolution“ heißt, sie aber damit für ein systemrelevantes Unternehmen werben und sich ansonsten hinterm Mikro verstecken. Da sind mir ein Tom Morello, die Red Hot Chili Peppers oder die Beastie Boys wesentlich lieber. Sie tun das, wovon sie reden. Da müssen wir in Deutschland auch hin.

Die Friedensbewegung der 80er Jahre hat ihre Massenwirkung auch durch die starke Beteiligung von Musikern und Künstlern erzielt. Es gab damals riesengroße Konzerte für den Frieden und jeder Musiker, der etwas auf sich hielt, produzierte ein Lied gegen Atomraketen. Spielt dieses historische Vorbild für Euer Projekt eine Rolle?

Marie: Sicherlich haben der Krefelder Appell, Künstler für den Frieden oder später auch die Band Aid und Live Aid Projekte für Aufklärung gesorgt und Gutes bewirkt. Wir haben aber einen generell partizipatorischen Ansatz. Geld zu spenden und dieses weiterzuleiten, reicht uns nicht. Wir wollen überhaupt kein Geld, wir wollen Taten sehen. Das Pax Terra Musica dient als Vernetzungsplattform. Jeder Gast hat die Chance, sich irgendwie einzubringen. Und die kann er durch uns nutzen.

Wir haben viele etablierte Musiker eingeladen, die sich mal hier, mal da in ihren Texten für Frieden und Einheit ausgesprochen haben. Zu uns aufs Festival wollten sie aber nicht kommen. Waschlappen.

Euer Fesival hat auch den Charakter einer Messe. Ihr bietet Ausstellungsflächen für Projekte, Initiativen und Unternehmen, die Lösungsansätze bereits konkret umsetzen. Wie wird das praktisch aussehen?

Malte: Das wird natürlich auch für uns ganz spannend, wie das am Ende aussehen wird, weil es so etwas in dieser Art und Weise bisher nicht gegeben hat. Die grundlegende Idee ist, dass ja nicht nur ausgemachte Friedensakademiker für den Frieden arbeiten, sondern Menschen wie du und ich.

Marie: Die Messe hat dabei im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen ist sie für die Gäste da, die sich einmal anschauen können, was alles möglich ist und so vielleicht selbst das eine oder andere ausprobieren wollen. Oder vielleicht finden sie eine Initiative, bei der sie sich engagieren möchten. Zum anderen ist diese Messe aber auch für die Aussteller selbst. Denn wir möchten erreichen, dass hier eine intensive Vernetzung stattfindet, die z.B. bei einer nachmittäglichen Demo so nicht möglich ist.

Malte: Wir brauchen eine stark vernetzte Friedensbewegung, damit diese auch wahrgenommen und im friedlichen Sinne schlagkräftig wird. Im nächsten Jahr möchten wir auch über die Staatsgrenzen hinaus Aussteller einladen, damit wir eine weltweite Vernetzung vorantreiben, die ebenfalls enorm wichtig ist.

Marie: Die Menschen sehen die Probleme, aber sie wissen nicht, wie sie ihre Stimme hörbar machen können. Und genau da kommt Pax Terra Musica ins Spiel.

Wenn man euer Festival googelt, stößt man auf eine Reihe von Artikeln, die Euch vorwerfen, antisemitisch, neu-rechts und Verschwörungstheoretiker zu sein. Wie geht ihr mit diesen Vorwürfen um, die geradezu den Charakter einer Kampagne angenommen haben.

Marie: Erst einmal sind wir verblüfft, wie wichtig wir schon sind, dass sich größere Medien so für uns interessieren! Danke für die Werbung, sach ich mal.

Malte: Wir haben auch verschiedene Gegendarstellungen geschrieben, da wir die verunsicherten Leute nicht im Regen stehen lassen wollen.
Unsere Beiträge und unser Festival sind so öffentlich und transparent wie es geht, und am Ende mag sich jeder sein eigenes Bild von uns machen.

Nun könnte man sagen, dass Feiern für den Frieden zwar ganz schön ist, aber am Ende wenig dazu beitragen wird, Kriege, die bereits laufen, zu stoppen. Ist dieses Festival angebunden an andere Kampagnen? Seht Ihr Euch als Teil einer Bewegung?

Malte: Ja, wir müssen die Friedensbewegung als globale Entwicklung begreifen, an der wir alle mitarbeiten können.

Marie: Wir müssen unsere Gemeinsamkeiten betonen und nicht ständig das Haar in der Suppe des anderen suchen. Uns vereint der Wille zum Frieden, das sollte genügen, gemeinsam daran zu arbeiten!

Malte: Pax Terra Musica soll bewusst keine neue Bewegung und bewusst keine Demo sein. Es soll das Sommerfest der Friedensbewegung werden. Hier darf ausgelassen gefeiert werden, hier haben wir Zeit, uns einmal wirklich kennenzulernen. Wir mögen die Kriege beim Feiern nicht verhindern, aber wir werden Menschen zusammenbringen, die dann vielleicht morgen gemeinsam auf der Straße stehen. Mit der Musik kommen hoffentlich auch viele Menschen dazu, die bisher nicht auf eine Demo gegangen sind.

Marie: Auch Menschen, die Musiker sind. Depeche Mode zum Beispiel sind herzlich eingeladen! Die Band ist, zur Zeit unseres Festivals, in Berlin. Sollen sie doch mal rumkommen, wenn sie authentisch sein wollen. Hier könnten sie ihre realness beweisen.

Wer organisiert das Festival effektiv? Wie haben sich die Leute zusammengefunden und wie läuft die Zusammenarbeit konkret ab.

Malte: Das Festival organisiert eine Handvoll Friedensaktivisten, die zum Teil ganz konkrete Teilbereiche bearbeiten und zum Teil chaotisch organisiert die anfallenden Aufgaben unter sich aufteilen und abarbeiten. Business as usual eben.

Marie: Wir können offen gestehen, dass wir zu wenige Organisatoren sind, wir haben bereits jetzt schlaflose Nächte. Aber wir schaffen das, die digitale Kommunikation ist da eine ziemliche Hilfe. 1980 wäre das so nicht zu wuppen gewesen

Was war die größte, positive Überraschung, die ihr bisher erlebt habt?

Malte: Die schönsten Momente sind eigentlich, wenn wir positive Energie zurückbekommen. So viele Menschen schreiben uns einfach an, bedanken sich oder haben tolle Ideen, die sie bei uns umsetzen möchten und auch können. Die Vorfreude und Begeisterung, die unser Festival bei den Menschen auslöst, ist einfach großartig.


Malte Klingauf

Malte Klingauf ist von Beruf Vertriebsingenieur und Projektmanager. Er startete seine Aktivisten-Kariere 2014 als Besucher der Berliner Mahnwache für den ersten Weltfrieden, die er später für 2 Jahre moderierte. Er ist seit 2016 Gründungs- und Vorstandsmitglied der Humanistischen Friedenspartei und Initiator von Pax Terra Musica.

Marie Hohensee

Marie Hohensee wuchs im Bezirk Karl-Marx-Stadt auf und fühlte schon früh, dass „Wir Jungpioniere lieben den Frieden“ für sie keine hohle Phrase ist. Sie ging auf die Suche nach dem Frieden und fand ihn in Büchern, Filmen und vor allen in der Musik. Da das sehr einsam ist, organisiert sie zusammen mit anderen das Pax Terra Musica Friedensfestival.