Lebensfreude ist Widerstand

Die Lebensgeschichte des Buchenwald-Überlebenden und ehemaligen französischen Diplomaten Stéphane Hessel erweckt den Widerständler in uns zum Leben.

Fröhlich und unbeschwert können nur Menschen sein, die keine Ahnung haben, wie schlimm die Welt ist. Das klingt plausibel, doch es ist ein Irrtum. Der Beweis: Stéphane Hessel. Anstatt im Alter von 93 Jahren nach einer Karriere als Diplomat zu denken, er habe genug für den Weltfrieden getan, um ruhigen Gewissens seinen Lebensabend zu genießen, schrieb er seine Enttäuschung über die Entwicklung der Politik nieder. In seinem 2010 erschienenen Werk mit dem Titel „Empört euch!“ kritisierte er die Diktatur des Finanzkapitalismus und rief zum politischen Widerstand auf. Wider Erwarten schaffte das ungewöhnlich kurze Buch in Frankreich und Deutschland den Sprung in die Bestsellerlisten. Und nicht nur das: Junge Menschen gingen in Massen auf die Straße, und mehrere soziale Protestbewegungen, etwa in Spanien, Portugal und Griechenland, beriefen sich unter anderem auf seine Thesen. Hessel starb 2013, doch seine Kraft und Zuversicht spendende Botschaft brauchen wir heute vielleicht dringender als damals.

Wer ist Stéphane Hessel?

Stéphane Hessel gehörte zu den Helden seines Landes. Wir verwenden dieses Wort ohne Ironie, denn Hessels Lebensweg ist wirklich unfassbar.

Er wurde 1917 in Berlin geboren — ein Junge jüdischer Herkunft. Die Familie zog 1924 nach Paris. Seit 1937 französischer Staatsbürger, wurde Hessel zum Kriegsdienst eingezogen. Er erlebte die Niederlage Frankreichs gegen Nazideutschland und die Kollaborationspolitik von Marschall Philippe Pétain. 1941 schloss er sich Charles de Gaulles „Freiem Frankreich“ an, einer Widerstandsgruppe mit Sitz in London.

Im März 1944 wagte Stéphane Hessel eine halsbrecherische Mission. Er ließ sich heimlich in Frankreich absetzen, um mit Widerstandsgruppen Kontakt aufzunehmen. Im Juni wurde er dann verraten und von der Gestapo verhaftet. Hessel wurde gefoltert und in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert — unter normalen Umständen sein Todesurteil.

Durch eine Aktion, die Stoff für einen Thriller hergäbe, gelang es ihm jedoch, dem Tod zu entkommen. Er vertauschte seine Identität mit derjenigen eines im Lager an Typhus Verstorbenen. Stéphane Hessel war damit noch nicht frei, er wurde zu Zwangsarbeit in ein nahe gelegenes Lager verlegt. Zweimal gelang es ihm zu fliehen, bevor er sich zu den anmarschierenden alliierten Truppen durchschlagen konnte.

Die Ideale der Résistance

„Dieses neu geschenkte Leben galt es sinnvoll zu nutzen“, schrieb Hessel in seiner Autobiografie. Er machte Karriere bei den Vereinten Nationen und wurde Referent von Henri Laugier, Sekretär der Menschenrechtskommission. Auf diesem Weg wurde er auch Mitglied der Kommission, die die 1948 veröffentlichte „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ entwarf.

Der Autor von „Empört euch!“ sieht in der Erklärung den Geist der Résistance verewigt. Der Nationale Widerstandsrat unter de Gaulle hatte 1944 ein Programm verabschiedet, „auf dessen Werten die Demokratie des befreiten neuen Frankreich ruhen sollte“. Hessel: „Genau diese Grundsätze und Werte sind uns heute nötiger denn je.“

Verrat am Erbe des Antifaschismus

Aus der Perspektive von 2010, als die Weltwirtschaftskrise zeigte, dass Staatsgelder nicht reichten, um armen Menschen zu helfen, aber in der Lage waren, Banken zu retten, erklärte Stéphane Hessel:

„(Das) gesamte Fundament der sozialen Errungenschaften der Résistance ist heute in Frage gestellt.“

Leider spezifizierte der Autor nicht, inwieweit die Regierung von General de Gaulle in der Nachkriegszeit diesem Ideal überhaupt treu geblieben war. Hessel war zudem ein vehementer Gegner des grausamen Algerienkriegs von 1954 bis 1962. De Gaulle war Staatspräsident von 1959 bis 1969.

Auch die Kritik an der Politik unter Präsident Nicolas Sarkozy, die das schmale Bändchen „Empört euch!“ mit gerade einmal 15 Seiten Haupttext enthält, ist nicht sehr präzise. Uns hätten mehr Details interessiert. Das, was Hessel durchblicken lässt, besitzt jedoch aufrüttelnde Kraft:

„Man wagt uns zu sagen, der Staat könne die Kosten dieser sozialen Errungenschaften nicht mehr tragen. Aber wie kann heute das Geld dafür fehlen, da doch der Wohlstand so viel größer ist als zur Zeit der Befreiung, als Europa in Trümmern lag? Doch nur deshalb, weil die Macht des Geldes — die so sehr von der Résistance bekämpft wurde — niemals so groß, so anmaßend, so egoistisch war wir heute.“

Und dann kommt der alte Herr zum Kern seiner Botschaft:

„Das Grundmotiv der Résistance war Empörung. Wir, die Veteranen der Widerstandsbewegung und der Kampfgruppen des Freien Frankreich, rufen die Jungen auf, das geistige und moralische Erbe der Résistance, ihre Ideale mit neuem Leben zu erfüllen und weiterzugeben. Mischt euch ein, empört euch! Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, die Intellektuellen, die ganze Gesellschaft dürfen sich nicht kleinmachen und kleinkriegen lassen von der internationalen Diktatur der Finanzmärkte, die es so weit gebracht haben, Frieden und Demokratie zu gefährden.“

Das Missverständnis von Empörung

Leider dient Empörung inzwischen den Herrschenden als Mittel, um den Widerstand zu unterdrücken, wie Rainer Mausfeld in seinem Buch „Warum schweigen die Lämmer?“ darlegt, wo er die „Revolution von oben“ beschreibt:

„Der mit dieser Revolution einhergehende Transformationsprozess ruht wesentlich auf zwei Säulen. Die erste Säule (…) besteht darin, dass die Organisationsformen von Macht immer abstrakter und mit gezielter Diffusion gesellschaftlicher Verantwortlichkeit gestaltet werden, so dass Unbehagen, Empörung oder Wut der Machtunterworfenen keine konkreten, politisch wirksamen Ziele mehr finden und der Veränderungswille der Bevölkerung keine Adressaten mehr unter den tatsächlichen Entscheidungsträgern hat.“

Während Hessel den Begriff Empörung ganz selbstverständlich mit dem Drang zum Engagement und zur friedlichen Revolte verknüpft, stellt Mausfeld ihn eher in einen Zusammenhang mit den absichtlich erzeugten Ängsten, die die Macht der Herrschenden sichern, anstatt sie zu gefährden:

„Durch die Erzeugung von Hass lässt sich Ängsten ein geeignetes Zielobjekt geben, auf das sich Affekte des Volkes richten können. Dadurch ist sichergestellt, dass sich Empörungsenergie und Veränderungsbedürfnisse nicht gegen die Zentren der Macht richten.“

Tatsächlich beobachten die meisten von uns wohl die Art der Empörung, die zu nichts führt, weil die Menschen sich damit zufriedengeben, zu meckern, aber dann selbst nichts ändern, oder noch schlimmer, ihren Frust an anderen Gruppen der Gesellschaft auszulassen, sodass die Bevölkerung gespalten und zu einem Pulverfass wird.

Empörung als Antrieb

Hessels Pamphlet ist geradezu eine Liebeserklärung an das Wort „Empörung“. Während die meisten Bürger nach dem Grundsatz „Im Zweifelsfall bleibe ich erst mal ruhig“ agieren, ruft der Veteran dazu auf, sich einen Grund zu suchen, um empört zu sein.

„Ich wünsche allen, jedem Einzelnen von euch einen Grund zur Empörung. Das ist kostbar. Wenn man sich über etwas empört, wie mich der Naziwahn empört hat, wird man aktiv, stark und engagiert.“

Hessel schreibt der Empörung die kreative Kraft zu, die Geschichte voranzutreiben. Er ist ein Schüler zweier großer Philosophen: Hegel sieht die Geschichte als allmählichen Aufstieg der Menschheit zur Freiheit — durch eine Serie von Konflikten zwischen Gegensätzen. Sartre stellte den Menschen allein und ohne göttlichen Rückhalt auf die Erde, voll verantwortlich für eine im Prinzip offene Zukunft.

Momentan droht die Hegelsche „Dialektik“ leider ins Stocken zu geraten, da sich die Antithese zur These „Neoliberalismus“ noch recht schwach artikuliert. Und sozialistische Intellektuelle vom Format Jean-Paul Sartres, der das Zeug zum „Gewissen der Nation“ hatte, kann man heute mit der Lupe suchen.

Doch ist der Aufwand an Manipulation durch die Eliten nicht der Beweis für die Kraft, die Empörung entfalten kann, wenn Menschen diese als Antrieb nutzen?

Zwei Hauptgruppen von „Empörungsgründen“ schlüsselt Stéphane Hessel auf: „Die weit geöffnete und noch immer weiter sich öffnende Schere zwischen ganz arm und ganz reich.“ Und „Die Menschenrechte und der Zustand unseres Planeten.“

Hessel empörte sich auch über die Zustände in Palästina und im Gazastreifen. Der Autor besuchte zwischen 2002 und 2010 — schon hoch betagt — mehrfach die Krisenregion. Man muss in Rechnung stellen, dass Hessel selbst jüdischer Abstammung ist, wenn er sagt:

„Was den Gaza-Streifen betrifft, so ist er für anderthalb Millionen Palästinenser ein Gefängnis unter freiem Himmel.“

Und er konstatiert, sehr bitter:

„Dass Juden Kriegsverbrechen begehen können, ist unerträglich. Leider kennt die Geschichte nicht viele Beispiele von Völkern, die aus ihrer Geschichte lernen.“

Gegen die Gleichgültigkeit

Lange vor den Attentaten von Paris im Januar und November 2015, die Hessel selbst nicht mehr erlebte, interpretierte er den Terrorismus als „Erscheinungsform von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit“. Man könne, sagte er in Anlehnung an Sartre, „die Bombenwerfer nicht entschuldigen, aber verstehen“. Trotzdem ist sein Appell zur Gewaltlosigkeit in „Empört euch“ klar.

„Gewalt wirkt nicht. (…) Wenn es gelingt, dass Unterdrücker und Unterdrückte über das Ende der Unterdrückung verhandeln, wird keine terroristische Gewalt mehr erforderlich sein. Deshalb darf man nicht zulassen, dass sich zu viel Hass aufstaut.“

Mehr als um einzelne Missstände scheint es dem Autor aber um das Prinzip „Empörung“ zu gehen. „Das Schlimmste ist Gleichgültigkeit“, schreibt er.

„‚Ohne mich‘ ist das Schlimmste, was man sich und der Welt antun kann. Den ‚Ohne mich‘-Typen ist eines der absolut konstitutiven Merkmale des Menschen abhanden gekommen: die Fähigkeit zur Empörung und damit zum Engagement.“

So solidarisierte sich Hessel auch explizit mit modernen Protestbewegungen und Nichtregierungsorganisationen wie Attac. Seine besondere Sorge galt der Jugend, die in Gleichgültigkeit und Medienkonsum zu versumpfen droht:

„Und so rufen wir weiterhin auf zu einem wirklichen, friedlichen Aufstand gegen die Massenkommunikationsmittel, die unserer Jugend keine andere Perspektive bieten als den Massenkonsum, die Verachtung der Schwächsten und der Kultur, den allgemeinen Gedächtnisschwund und die maßlose Konkurrenz aller gegen alle.“

„Neues schaffen heißt Widerstand leisten“

Besonders peinlich für die Herrschenden war aber die Tatsache, dass ein verdienter Résistance-Kämpfer ihnen bescheinigte, sich nicht konsequent genug vom Geist des Faschismus abgewandt zu haben beziehungsweise wieder darauf zuzusteuern:

„Der Nazismus ist besiegt worden dank des Opfers unserer Brüder und Schwestern in der Résistance und der im Kampf gegen die faschistische Barbarei verbündeten Nationen. Doch die Bedrohung ist nicht vollständig gebannt, und unser Zorn über die Ungerechtigkeit ist nicht gewichen.“

Hessels kraftvoller Leitsatz, sein Resümee, heißt: „Neues schaffen heißt Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen.“ In einer Zeit, in der gelenkte Pressekampagnen gern die „Dagegengesellschaft“ beschwören, ist dieser Satz erfrischend wie der Vorfrühling, der jetzt draußen Einzug hält.

Ernüchterung?

Elf Jahre nach dem Erfolg von Hessels Streitschrift scheint all sein Wirken nichts gebracht zu haben, obwohl er damals so viele Menschen dazu bewegte, zu protestieren und zu rebellieren. Also was nehmen wir mit?

Wir könnten sagen, es bringt nichts, sich zu engagieren und auf die Straße zu gehen, denn die Dinge ändern sich ja doch nicht. In dem Fall werden wir tatsächlich recht haben und es wird sich nichts ändern.

Wir könnten aber auch etwas aus dieser Erkenntnis lernen und uns fragen, welche Art von Engagement etwas bringen kann und was genau es bringen soll. Ein Mensch und selbst Hunderttausende Menschen auf der Straße können die Finanzoligarchen offenbar nicht stürzen und die Ungerechtigkeit nicht beseitigen, doch ist das Grund genug, nun die Hände in den Schoss zu legen und ergeben unser Schicksal zu akzeptieren, falls wir arm und machtlos sind, oder uns mit Konsum, Social Media oder intellektuellen Debatten abzulenken, falls wir zu den Privilegierten gehören?

Oder lernen wir daraus nicht vor allem, dass selbst wenn die aktuellen Herrscher gestürzt würden, einfach neue an ihre Stelle träten? Dass Widerstand nicht auf den Straßen gegen bestimmte Menschen wirksam ist, sondern zunächst einmal in unseren Köpfen gegen die Glaubenssätze, die uns schwächen? Wie zum Beispiel derjenige, dass wir nichts tun können und machtlos sind? Dass wir unser Leben und unsere Gesellschaft nicht selbst gestalten können?

Auch Hessel erkannte, dass der Widerstand heutiger Generationen anders sein muss als einst, da es keine offensichtlichen Feinde wie zu seiner Zeit Adolf Hitler und die Nazis mehr gibt, sondern, wie auch Mausfeld beschrieb, die Organisation der Macht heute abstrakt und nicht greifbar ist.

Und dennoch schrieb er seine Streitschrift, um Missstände anzuprangern, anstatt sich zu sagen, es sei alles vergebens und er sei durch sein hohes Alter sowieso nicht mehr betroffen.

Auf Ansteckung setzen

In der Einleitung seiner Autobiografie schreibt Hessel:

„Trotz eines gehörigen Maßes an enttäuschter Zuversicht und verlorenen Illusionen, erlebtem Schrecken und bitteren Schlüssen, bleibt mir die Gewissheit: Alles, was es wert ist, gewünscht zu werden, wird wahr. Zur Gunst, die mir das Schicksal so großzügig erwiesen hat, gehört nicht zuletzt das Privileg, die Welt und ihren Werdegang zeitlebens mit einem zuversichtlichen Blick zu betrachten. Und je größer die Zeitspanne ist, die der Blick erfasst, desto mehr bestärkt er diesen Optimismus.“

Wenn Protestbewegungen letztendlich immer zu verpuffen scheinen, können wir unsere Widerstandsenergie in konkreten Handlungen im Alltag ausleben, was in Anbetracht der chaotischen Zusammenhänge aller Elemente und Geschehnisse in der Welt gewiss nicht einfach, aber jeden Tag aufs Neue möglich ist.

Unser Verhalten und unsere Stimmung haben Auswirkungen — nicht auf das gesamte Weltgeschehen, aber auf unser direktes Umfeld. Die Transformationsforscherin Maja Göpel schreibt in „Unsere Welt neu denken“ von der Tyrannei der kleinen Entscheidungen, die die Welt so machen, wie sie heute ist.

Im Umkehrschluss heißt das, dass unsere kleinen Entscheidungen zusammengenommen große Macht haben, auch wenn wir sie nicht direkt wahrnehmen. Nutzen wir unsere Kreativität und Vorstellungskraft und lassen uns von Stéphane Hessels Optimismus und Fröhlichkeit anstecken und verwandeln damit unser direktes Umfeld in einen besseren Ort.

Lebensfreude ist Widerstand

Hessel inspiriert nicht nur durch seinen Mut, als junger Mann in der Résistance mitgekämpft zu haben und als Mitglied des Establishments, zu dessen Begräbnis der damalige französische Staatspräsident François Hollande die Trauerrede hielt, die Politik Israels scharf zu kritisieren, sondern vor allem durch eine unerschütterliche Lebensfreude.

Im Konzentrationslager half es ihm, in seinem Kopf Gedichte zu rezitieren, um zu fühlen, dass er noch ein Mensch war. Vier Jahrzehnte nach seiner Verhaftung durch die Gestapo an der Mauer des Friedhofs Montparnasse in Paris, kehrte er an diesen Ort zurück und spazierte denselben Weg leichtfüßig im Walzerschritt entlang. In Fernsehinterviews drückt er sich immer wieder poetisch und stets sanftmütig aus.

Stellen Sie sich vor, viel mehr Menschen wären so wie Stéphane Hessel und würden dem Schrecken in der Welt, der heuchlerischen „Alternativlosigkeit“ der herrschenden Politiker und den ausdruckslosen Gesichtern der Konsumgesellschaft eine unerschütterliche Sanftmut, Fröhlichkeit und Leichtigkeit entgegensetzen.

Die Frage ist, wie es uns gelingen soll, diese zu kultivieren, und die Antworten darauf sind womöglich so verschieden wie wir alle. Eines ist jedoch nicht mehr von der Hand zu weisen: Dass es geht.

Wenn Stéphane Hessel mit all seinen Erlebnissen als Soldat, Widerständler und KZ-Häftling und mit all seinen Desillusionierungen als Diplomat für die UNO in der Lage ist, Lebensfreude zu kultivieren und Optimismus zu verbreiten, dann haben wir keine Ausrede mehr, es ihm nicht gleichzutun.

Es geht darum, dass jeder einzelne Verantwortung für seine Lebensfreude übernimmt. Verantwortung für all seine kleinen Entscheidungen und dabei gleichzeitig achtsam und verständnisvoll mit sich selbst ist. Wenn wir zu viel von uns verlangen, fallen wir schnell in alte Gewohnheiten zurück und der Teufelskreis aus Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen, die uns schlecht gelaunt und mürrisch machen, beginnt von vorn. Deshalb ist die Lebensfreude ein guter Wegweiser.

Hessel inspiriert uns zu der Deutung, dass Engagement damit beginnt, uns selbst — unsere Gedanken, unser Verhalten und unsere Stimmung — zu beobachten und verstehen zu lernen.

Was jeder von uns tun kann: Informationen nicht nur konsumieren, um sie dann wieder zu verdrängen, sondern sie sacken lassen, fühlen, was sie mit uns machen, und überlegen, was wir konkret tun können — wobei jeder Mensch vielleicht eine ganz andere Idee und Vorstellung hat, sodass eine Vielfalt verschiedener kleiner Handlungen zu einer neuen Entwicklung führt, die wir gar nicht absehen können.

Das Leben lässt sich nicht kontrollieren und entfaltet sich in einer Vielfalt an Prozessen und Elementen, von denen jedes wichtig ist, egal wie klein sein Einfluss auf das Ganze ist. Wenn wir das begreifen, begreifen wir auch, wie wichtig unser Engagement im Kleinen ist.

Uns inspiriert Stéphane Hessel dazu, mehr auf unsere Stimmung zu achten. Wir können informiert und fröhlich sein — er war der lebende Beweis.

„All jene, die ihre Lebensfreude bekunden, erkenne ich sofort und ich bin ihnen dankbar dafür. Sie sind ebenso ängstlich wie ich, doch die Angst veranlasst sie, das Eintreffen dessen, was sie von dieser befreit, zu beschleunigen.“


Videotipp: „Stéphane Hessel — „Der fröhliche Sisyphos““, ARTE 2017


Quellen und Anmerkungen:

Literatur:

  • Stéphane Hessel: Empört euch. Ullstein Verlag 2011
  • Stéphane Hessel: Tanz mit dem Jahrhundert — Erinnerungen. List Taschenbuch 2015
  • Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer? Westend Verlag 2018
  • Maja Göpel: Unsere Welt neu denken. Ullstein Buchverlage 2020