Kritische Lehrer im Visier
In den letzten zweieinhalb Jahren wurden Lehrkräfte unter Druck gesetzt oder sogar aus den Schulen gemobbt, wenn sie sich für das Wohl ihrer Schutzbefohlenen einsetzten.
Mehr als zweieinhalb Jahre sind vergangen, seit die ersten Coronamaßnahmen in Kraft traten. Vor allem die Schulen waren von Schließungen, Maskenpflicht und Wechselunterricht betroffen. Viele Schüler erholten sich nicht mehr von diesen politisch motivierten Beeinträchtigungen. Aber auch Lehrer, die die Maßnahmen nicht so einfach hinnehmen wollten, leiden bis heute unter der erfahrenen Ausgrenzung. Dieser Artikel erzählt von dem Gymnasiallehrer Peter K. (Name geändert) und davon, wie es ihm in den letzten zweieinhalb Jahren ergangen ist.
„Im Jahr 2020 hörte man von den ersten Meldungen über ein neuartiges Virus, das COVID-19 hieß“, erinnert sich Peter K. Der Lehrer für Naturwissenschaften war zu dem Zeitpunkt an einem Gymnasium in einer mittelgroßen Stadt beschäftigt. Man kennt sich, entweder durch den Sportverein oder durch die Kinder, die in die gleichen Klassen gehen.
„Wirklich ernst nahm damals kaum einer die Situation um das Virus“, sagt Peter heute. Doch das änderte sich, als am 13. März 2020 in der fünften Stunde die Durchsage durch die Lautsprecher hallte, dass aufgrund der pandemischen Lage die Schule für drei Wochen geschlossen wird. Ohne Konferenz, ohne Absprache mit den Eltern. „Es gab natürlich einen riesigen Jubel unter den Schülern“, so Peter K. In der darauffolgenden sechsten Stunde packten die Lehrer ihre Sachen und gingen nach Hause.
Ursprünglich hieß es seitens der Landesregierung, die Schulschließung würde nur drei Wochen dauern. Ab Mai folgten halbe Klassen, das heißt, die eine Hälfte der Schüler musste zu Hause bleiben und die andere Hälfte genoss den Präsenzunterricht. Ab diesem Zeitpunkt herrschte bereits Maskenpflicht. Pfeile in den Gängen zeigten, wo und in welcher Laufrichtung Lehrer und Schüler sich zu bewegen hatten. „Die Stimmung war angespannt“, so Peter. Niemand wusste genau, wie es weitergehen würde.
Zwei Tage vor Beginn des Unterrichts setzte die Schulleitung eine Dienstbesprechung an. In der Turnhalle trafen sich die Kollegen; maskiert, mit Abstand und in zwei Gruppen. „Ich laufe an diesem Tag durch die Schule und sehe, dass auf Höhe des Hausmeisterbüros eine Palette mit Flächendesinfektionsmittel steht“, erzählt Peter. Dieses enthielt 80 bis 90 Prozent Ethanol und war dadurch hochexplosiv und flüchtig. „Das stand da frei rum.“ Als Versammlungsleiter bei naturwissenschaftlichen Exkursionen kennt Peter den Sicherheitsstandard.
Angst bei Lehrern und Schülern
„Brennbare Flüssigkeiten über fünf Liter dürfen jenseits des Sicherheitsschrankes nicht in Sammlung aufgehoben werden. Und auf einmal stehen da 180 Liter!“ Laut Aussage des Hausmeisters stand die Palette bereits seit mehreren Tagen dort. Auf die Frage, wo die Flüssigkeiten hinsollen, zuckte er nur mit den Schultern. Auch der Sicherheitsbeauftragte konnte die Frage nicht beantworten.
„Eine irre Gefahrenwahrnehmung! Während die Menschen um Leib und Leben fürchten, und kein Schüler beim Spaziergang am Rhein ohne Sportlehrer mit Rettungsschwimmer-Qualifikation auch nur die Füße ins Wasser halten darf, hat man mit hochexplosiven Substanzen auf dem Schulkorridor kein Problem. Ich nenne das kognitive Dissonanz“, moniert Peter. Irgendwann verschwanden die Flüssigkeiten wieder, die in diesen Mengen eigentlich in einem dauerhaft belüfteten Metallcontainer hätten aufbewahrt werden müssen.
Langsam spielte sich der Wechselunterricht ein. Auf der Schulplattform konnten die Lehrer Videos hochladen, auch die Videokonferenzen funktionierten. Viele Kollegen von Peter waren über die kleinen Klassen, gerade in der Mittelstufe, ganz froh. „Endlich kann man wirklich Unterricht machen — ohne Unruhe.“ Peter sah das auch so, jedoch spürte er bei den Schülern, vor allem aber bei den Lehrern Angst. Manche Kollegen sind, wenn man sich auf dem Gang getroffen hat, extra an der Wand gelaufen. „Ich will doch einfach nur alles richtig machen“, hörte Peter immer wieder von Kollegen.
Manche Schüler nahmen sich selbst die Angst
Maskenpflicht bestand durchgehend, teilweise auch im Lehrerzimmer und auf dem Schulhof.
Manche Kollegen erzählten von Kindergeburtstagen, bei denen die Kinder mit Schals an Stangen festgebunden waren, damit sie im Rahmen der Abstandsgebote eine lebensgroße Variante von Tischkicker spielen konnten.
„Ein Kindergeburtstag, an dem sich kein Kind nahe kommen darf“, sagt Peter heute und schüttelt den Kopf. Er sah die Situation schon früh kritisch, vor allem, was die Maßnahmen angeht. Peter beriet sich mit Kollegen und verwies auf die Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI), insbesondere auf das Sterbealter und die Tatsache, dass so gut wie keine Kinder von COVID-19 ernsthaft betroffen sind.
„Da gab es immer wieder im Kollegium heftige Diskussionen. Die einen, die an den Lippen von Christian Drosten und Lothar Wieler hingen und wenig hinterfragten, und die wenigen anderen. Doch kaum einer schaute sich wirklich die Zahlen an.“
Was Peters Kollegen nicht machten, nämlich zu hinterfragen, taten jedoch einige Schüler. Im Unterricht schaute sich der Biologielehrer gemeinsam mit den Kindern die offiziellen Zahlen des RKI an. Er bezog sich darauf, als im Herbst 2020 die Schulleitung die Lehrer beauftragte, die steigenden Zahlen im Unterricht zu thematisieren. Das durchschnittliche Sterbealter schätzten die Schüler immer wieder ähnlich falsch ein: 40 Jahre, manche meinten 50 Jahre.
Ein Schüler fragte dann von sich aus, wie hoch denn die durchschnittliche Lebenserwartung überhaupt in Deutschland sei. Doch bewertet habe er die Zahlen nicht, betont Peter immer wieder. Als sich die Schüler erarbeitet hatten, dass sie selbst laut den offiziellen Zahlen so gut wie gar nicht an Corona sterben werden, waren viele erleichtert. „So gaben sich die Schüler ihre Antwort selbst. Jedoch stand das nie im Fokus der Kommunikation. Jeder war mit der eigenen Angst beschäftigt“, so Peter.
Psychische Probleme bei Schülern stiegen an
Nach dem ersten Coronafall in der Schule mussten 42 Schüler und acht Lehrer für 14 Tage in Quarantäne. Dann flatterten die ersten Briefe vom Gesundheitsamt ins Haus.
„Bitte stellen Sie sicher, dass das Kind möglichst wenig Kontakt mit den Hausbewohnern hat. (...) Sollte dies nicht sichergestellt sein, so kann das Bundesamt die Quarantäne mit Zwang durchsetzen.“
Nach einer Woche Symptome war der erste Coronafall wieder auf den Beinen. Angesteckt hatte sich von den 50 Personen, die zwei Wochen in die Isolation mussten, niemand. Manche Schüler bekamen ihr Essen an die Treppe, andere Eltern nahmen ihr zweijähriges Kind 14 Tage lang nicht auf den Arm.
Viele Schüler, insbesondere Abiturienten, erwiesen sich als besonders eifrig, was das Melden vermeintlicher Verstöße gegen das Hygienekonzept der Schule betraf. Es gab auch Klassenbucheinträge, weil Schüler ihren Banknachbarn angetippt hatten, mit der Frage, ob sie sich den Radiergummi ausleihen durften.
„Da bin ich zum ersten Mal zur Schulleitung, weil ich diese Maßnahmen als Pädagoge nicht mittragen kann. Es kann nicht sein, dass Schüler die Erfahrung machen müssen, dass ihre Eltern Angst vor ihnen haben und sie ins Gästezimmer einsperren!“, meint Peter.
Im Winter 2020 wurden die Maßnahmen intensiviert. Masken mussten auch am Platz getragen werden, und alle zwanzig Minuten gab es die Anweisung, dass die Klassenzimmer gelüftet werden müssten. Die Schülervertretung machte indes eine Umfrage, wie es um den mentalen Zustand ihrer Mitschüler während des Lockdowns bestellt war. Mehr als 20 Prozent gaben an, es ginge ihnen schlecht. „Zwei meiner Schüler entwickelten ernsthafte psychische Probleme. Einer bereits im ersten Lockdown. Doch die Schulleitung winkte ab. Wir Lehrer sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“, ist sich Peter heute sicher.
Herr K. betreibe „Agitation in eine bestimmte Richtung“
Im Februar 2021 begann das Impfen. Peter behandelt in der Oberstufe seit zehn Jahren das Thema Gentechnik, vor allem in Lebensmitteln. Ergebnisoffen, wie er betont. Auf die Frage, die er schriftlich an die Schulleitung einreichte, was passiert, wenn sich Lehrer oder Schüler nicht impfen lassen wollen, erhielt er keine Antwort. Auch Emails, die belegten, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrien überlastet sind, blieben unbeantwortet. Als er dann eine 65-seitige Erhebung von „Eltern stehen auf“ an die gesamte Schulleitung, die Schülervertretung und den Schulsozialarbeiter schickte, bekam der Lehrer nach wenigen Minuten eine Antwort, er möge doch zum Dienstgespräch am kommenden Freitag erscheinen.
Im Gespräch führte Peter seine Sorgen aus, warum er viele Maßnahmen als gefährlich für die Schüler erachtet. Im Protokoll des Gesprächs gestaltete sich der Sachverhalt dann ganz anders. Herr K. würde über den Schulaccount „irreführende und falsche Angaben“ verbreiten, was den Schulfrieden und den Ruf der Schule störe. Es handle sich dabei um „eine Agitation in eine bestimmte Richtung“. Er wurde aufgefordert, das Thema Corona nicht mehr im Unterricht zu behandeln. Wenn doch Fragen von Schülern kämen, sollte der Biolehrer einen Kollegen hinzuziehen.
„Ich habe nie einseitig Schülerfragen beantwortet. Und ‚Agitation‘ kenne ich nur aus dem Kontext totalitärer Regime. Also konnte ich die Dienstanweisung nicht unterschreiben.“
Das normale Prozedere ist, dass das Schriftstück dem Personalrat vorgelegt wird. Anschließend wird es in der Personalakte abgelegt.
Es folgten weitere Denunziationen. Der Lehrer sei auf einer „rechtsextremen Demo“ gesehen worden, hieß es. Daraufhin forderte die Elternvertretung eine Entschuldigung. Doch Peter K. weigerte sich. „Ich habe lediglich von meinem Recht, demonstrieren zu dürfen, Gebrauch gemacht. Von Rechtsextremismus kann keine Rede sein.“
Fälle wie diese sind kein Einzelfall
Wenige Tage später wurde er vom Stundenplan ausgeplant und erhielt „wegen akuter Gefährdung der Schulgemeinschaft“ Betretungsverbot. Aufgrund des psychischen Drucks — private Telegram-Screenshots wurden ebenso veröffentlicht wie Berichte in der lokalen Presse, die ihn als „Querdenkerlehrer“ und „Verschwörungstheoretiker“ betitelten — ließ sich Herr K. krankschreiben.
Doch nicht alle sahen den Lehrer so. Sein aktueller sowie der vorjährige Abiturjahrgang kontaktierten die Lokalzeitung und baten um eine Gegendarstellung. Mit Erfolg. Eine Woche später erschien ein ausführlicher Artikel, in dem die Jugendlichen betonten, dass Herr K. weder rechtsextrem sei noch Verschwörungstheorien im Unterricht verbreite.
Zwei Wochen ging er noch in die Schule. Doch Peter merkte, dass sich das Klima gewandelt hatte. „Nicht in der Unterstufe, auch nicht in der Mittelstufe. Aber in der Oberstufe veränderte sich die Stimmung. Zu Schülern, zu denen ich immer ein gutes Verhältnis hatte, hatte ich auf einmal keinen Draht mehr. Ich wurde angeschaut, als wäre ich ein Schwerverbrecher“, so Peter K.
Seit eineinhalb Jahren hat der Lehrer keinen Klassenraum mehr von innen gesehen. Er ließ sich im Sommer 2021 beurlauben. Wie es weitergeht, weiß er heute noch nicht. „Eigentlich möchte ich schon wieder als Lehrer arbeiten.“ Durch einen Umzug ist dies vielleicht im kommenden Jahr wieder möglich. Was ihn am meisten verletzt hat, waren Dienstanweisungen, ohne dass es wegen seines Unterrichts jemals Beanstandungen gab. „Ich war nur auf Demos und habe meine Meinung gesagt.“
Fälle wie die von Peter K. sind keine seltenen Ausnahmen. Immer wieder berichten Lehrer von Anfeindungen, Ausgrenzungen, weil sie an coronakritischen Demonstrationen teilnahmen.
Es bleibt abzuwarten, ob dieses Meinungsklima auch in Zukunft noch Bestand haben wird.