Krieg gegen die Menschlichkeit
Der Kampf gegen das Palästinenserhilfswerk UNRWA ist Teil der israelischen Entvölkerungsstrategie.
Der Völkermord Israels gegenüber den Palästinensern nimmt immer dramatischere Züge an. Schon seit Langem blockiert das Land jegliche internationale Hilfe. Nun hat die Regierung ohne jeden Beweis das Hilfswerk UNRWA beschuldigt, von der Hamas infiltriert worden zu sein, und damit westliche Staaten dazu gebracht, die Finanzierung dieser für das Überleben der Palästinenser essenziellen Organisation einzustellen. Dadurch verschlimmert sich die humanitäre Lage im Gazastreifen weiter. Dem Volk droht nun noch ein Sterben durch Verhungern und Verdursten.
Seit Beginn des Völkermords seitens Israels im Gazastreifen ist das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) mit allen Kräften damit beschäftigt, das größte Leid abzufedern. Die Hilfsorganisation, die 1949 als „temporäre Organisation“ gegründet wurde, hat seitdem die Aufgabe, in den Palästinensergebieten humanitäre Hilfe zu leisten, Bildung bereitzustellen und soziale Hilfe zu leisten. Und so ist es diese Organisation, die seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Israels gegen den Gazastreifen die vertriebenen Palästinenser unterzubringen und mit dem Nötigsten zu versorgen versucht — eine Aufgabe, die unter den Umständen, die in Gaza herrschen, unmöglich zu bewältigen ist. Immerhin gibt es in Gaza kein einziges funktionierendes Krankenhaus mehr, Gaza-Stadt ist zu großen Teilen ein Ruinenfeld, und die Wasserversorgung, die von Israel ausgeht, wird immer wieder unterbrochen.
Doch als wäre die Situation nicht schon schwierig genug, hat der kollektive Westen im Januar dieses Jahres angekündigt, die Zahlungen an das Hilfswerk einzustellen. Lebensmittelversorgung, Trinkwasserversorgung und auch die rudimentäre medizinische Versorgung, die nach der Zerstörung sämtlicher Krankenhäuser in Gaza noch möglich war, wurden dadurch noch einmal erschwert bis unmöglich gemacht. UNRWA musste daraufhin ankündigen, dass das Hilfswerk seine Arbeit bis Ende Februar einstellen müsse, wenn keine Zahlungen mehr einträfen.
Die Situation im Gazastreifen, schon zuvor eine humanitäre Katastrophe, verschlimmert sich dadurch weiter. Mehr als 1,7 Millionen Menschen im Gazastreifen waren bereits von Nahrungsmittel- und Wasserknappheit bedroht, und damit beinahe die gesamte Bevölkerung dieses schmalen und dicht besiedelten Stückes Land, was sich durch die Einstellung der Finanzierung nur noch weiter verschärft. Es ist wohl die bisher größte humanitäre Katastrophe des 21. Jahrhunderts.
Grund für die Einstellung der Finanzierung seitens europäischer und nordamerikanischer Länder ist der Vorwurf, 12 der 13.000 Mitarbeiter des Hilfswerks seien an den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen. Dieser Vorwurf wurde von israelischen Politikern sowie dem Geheimdienst Shin Bet erhoben. Beweise dafür präsentierten sie keine, und der Westen verlangte solche Beweise offenbar auch nicht. Ohne zu zögern stellte er sich hinter die Anschuldigungen Israels. Schon zuvor hatte es immer wieder Kritik an der Organisation gegeben, dass sie eine zu große Nähe zur Hamas pflege. Da sich ein Teil der Mitarbeiter aus der örtlichen Bevölkerung rekrutiert, wären beide Vorwürfe zwar vorstellbar, ohne Beweise jedoch dürfen sie in Rechtsstaaten keine Konsequenzen nach sich ziehen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Dass die Hilfsorganisation eine Nähe zur Hamas hat, ist sogar recht wahrscheinlich und ergibt auch Sinn: Denn im Gazastreifen ist die Hamas die regierende Organisation, und mit dieser muss sich eine Hilfsorganisation nun einmal abstimmen und mit ihr zusammenarbeiten, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen will.
Es ist außerdem eine abartige Form der Kollektivstrafe, die rund zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens leiden zu lassen, weil sage und schreibe zwölf Mitglieder einer externen Hilfsorganisation an den Angriffen beteiligt gewesen sein sollen, Angriffen noch dazu, deren Opfer zu einem nicht unerheblichen Teil auf das Konto der israelischen Armee (IDF) selbst gingen.
Die UNRWA hat auf die Anschuldigungen sogar sofort reagiert, eine Untersuchung eingeleitet und neun der zwölf beschuldigten Mitarbeiter augenblicklich entlassen. Drei von ihnen waren bereits bei den Angriffen der israelischen Armee ums Leben gekommen. Der Westen wollte das Ergebnis dieser Untersuchung aber offenbar nicht erst abwarten. Die USA, die in den vergangenen Jahren stets 300 bis 400 Millionen US-Dollar an UNRWA gespendet hatten, wollen dieses Geld nun anderen Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen (UN) wie etwa UNICEF zur Verfügung stellen.
Auch Deutschland stellt sich in dieser Angelegenheit wieder einmal hinter Israel und streicht ebenfalls die Hilfszahlungen in Höhe von 200 Millionen Euro. Damit beteiligt sich Deutschland an einem Völkermord in Israel. Denn laut der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) liegt auch dann ein Völkermord vor, wenn ein Land ein Volk einer Situation aussetzt, in der Leiden und Sterben des Volkes eine erwartbare Folge ist. Und Hunger und Durst gehören zu genau einer solchen Situation. Anstatt diesen Umstand zu kritisieren, leisten die deutschen Medien noch propagandistische Schützenhilfe. Zwar hat die Bundesregierung erklärt, die Hilfen der Palästinenser liefen weiter; so habe man etwa die Zahlungen an das Internationale Komitee von Rotem Kreuz und UNICEF aufgestockt. Allerdings wurde auch eingeräumt, dass UNRWA für die Grundversorgung der Palästinenser lebenswichtig sei. Seit Januar hat sich in Folge der fehlenden Finanzen die humanitäre Hilfe des Hilfswerkes halbiert.
Schnelle Strafe
Die Anschuldigungen Israels wurden just nach der einstweiligen Verfügung laut, die der Internationale Gerichtshof (IGH) gegenüber Israel ausgesprochen hat. Die einstweilige Verfügung war eine juristische Breitseite gegen das Handeln Israels im Gazastreifen und hat Israel eine ganze Reihe von Maßnahmen und Unterlassungen auferlegt. Der IGH ließ in diesem Verfahren auch Mitarbeiter des UNRWA zu Wort kommen, die über die lebensfeindlichen Zustände im Gazastreifen berichteten. Die Anschuldigungen Israels gegenüber UNRWA sowie die folgende finanzielle Austrocknung durch den Westen können daher auch als Strafe verstanden werden. Denn obwohl der IGH verkündet hatte, dass der Vorwurf des Genozids nicht ausgeschlossen werden kann und in einem Hauptsachverfahren behandelt werden muss, das sich über viele Jahre hinziehen wird, hat Deutschland das Urteil eigenwillig uminterpretiert und Israel juristische Schützenhilfe zugesichert.
UNRWA ist der faschistischen Regierung Israels allerdings schon länger ein Dorn im Auge und wird von Israel seit der Gründung der Organisation bekämpft. Die Hilfsorganisation federt die schlimmsten Auswüchse der Unterdrückung der Palästinenser ab und erhält diese somit am Leben. Daher hat Israel schon lange beabsichtigt, die Arbeit der Organisation zu erschweren. Der jüngste Krieg sowie das Urteil des IGH dienen der Regierung damit als Vorwand, sie endgültig loszuwerden, und somit das eigentliche Ziel, nämlich die vollkommene Vertreibung der Palästinenser und die Integration Gazas in das israelische Staatsgebiet, zu erreichen.
Dazu nutzt Israel auch den Hunger als Waffe, um notfalls die beinahe zwei Millionen Palästinenser durch Verhungernlassen auszulöschen. Nicht umsonst blockiert Israel jede Lebensmittelversorgung in den Gazastreifen und hat nun mit der Anschuldigung gegenüber UNRWA auch noch dafür gesorgt, dass anderweitig keine Nahrungsmittel mehr in den Gazastreifen gelangen. Die UNRWA war ein Hindernis auf dem Weg, den Gazastreifen zu entvölkern, und soll nun beseitigt werden.
Die Hungerkatastrophe im Gazastreifen verschlimmert sich mit jedem Tag, den dieses Massaker andauert. Bereits etwa ein Viertel der Menschen in Gaza sind Angaben der UN zufolge vom Hungertod bedroht.
Nahrungsmittellieferungen werden, wenn es sie überhaupt gibt, blockiert. Doch die israelische Armee macht sich den Hunger der Palästinenser sogar für ihren krieg zunutze. So hat Israel eine Nahrungsmittellieferung in den Gazastreifen organisiert, nur um dann die hungernden Palästinenser, die sich versammelten, um Nahrungsmittel abzuholen, zu massakrieren. Panzer und Soldaten, sowie einigen Augenzeugenberichten zufolge auch Flugzeuge nahmen die Palästinenser unter Beschuss und töteten sie. Bislang sind etwa 200 Todesopfer gemeldet worden. So werden Nahrungsmittellieferungen als Falle genutzt, um die Palästinenser anzulocken und zu töten. Hunger ist damit gleich eine doppelte Waffe Israels gegen das Volk der Palästinenser.
Das Ziel der israelischen Regierung ist entweder die totale Vernichtung der Palästinenser oder aber die vollkommene und endgültige Vertreibung. Das geben israelische Politiker auch ganz offen zu und fantasieren vom Einsatz taktischer Atomwaffen im Gazastreifen, der Abschiebung aller Palästinenser auf eine künstliche Insel, was schon sehr an den Madagaskarplan (Deportationsplan des NS-Regimes) erinnert. Deswegen akzeptiert die israelische Regierung auch nicht den vorgeschlagenen Waffenstillstand mit der Hamas. Benjamin Netanjahu, seines Zeichens Ministerpräsident des Landes, erklärte dazu, es könne nur einen „totalen Sieg“ über die Hamas geben — eine Rhetorik, die an dunkelste Zeiten Deutschlands erinnert und die eigentlich jede vernünftige deutsche Bundesregierung zum Einspruch motivieren müsste.
Auch Netanjahus Erklärung, eine Zwei-Staaten-Lösung abzulehnen, deutet in die Richtung, dass die israelische Regierung anstrebt, die Palästinenser vollkommen zu vertreiben und den Staat Israel in die Palästinensergebiete auszudehnen. Nun plant das israelische Regime sogar, die Stadt Rafah anzugreifen. Diese liegt im Süden des Gazastreifens und hier halten sich die aus dem Norden vor dem krieg geflohenen Palästinenser auf. Die Stadt ist vollkommen überfüllt und schon jetzt Schauplatz einer humanitären Katastrophe. Ein Angriff auf die Stadt käme einer Vernichtung der Palästinenser gleich. Dies ist ein weiterer Hinweis auf die Absicht Israels, die Palästinenser entweder vollkommen zu vertreiben, oder aber auszulöschen.
Schon vor dem 7. Oktober 2023 war Netanjahu zudem vor den Vereinten Nationen aufgetreten und hatte eine Karte des „neuen Nahen Ostens“ präsentiert, auf dem Palästina nicht mehr zu sehen war, sondern die Gebiete dem Staatsgebiet Israels aufgeschlagen worden waren. Hinzu kommt die ansteigende Gewalt israelischer Siedler und des Militärs gegenüber Palästinensern im Westjordanland. Bereits seit geraumer Zeit haben radikale Siedler dort lebende Familien mit immer größerer Gewalt und unter der Schützenhilfe des Militärs vertrieben, getötet und verletzt, um israelische Siedlungen in der Region zu errichten. Ebenso waren sie immer radikaler gegen Besucher der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem vorgegangen — einer der Gründe, warum der Angriff der Hamas am 7. Oktober den Decknamen „Al-Aqsa-Flut“ erhalten hat. Zuletzt hat das israelische Militär auch Angriffe im Westjordanland durchgeführt.
Die zunehmende Gewalt der Siedler und des Militärs, die scharfe Rhetorik der stramm faschistischen Regierung Israels, der Völkermord im Gazastreifen sowie die Blockade von Hilfslieferungen in die Gebiete deuten darauf hin, dass die israelische Regierung nun mit dem lange schon gehegten Plan, Israel auf die Palästinensergebiete auszuweiten, ernst macht.
Deutschland, das sich stets auf die Fahne schreibt, aus seiner Vergangenheit gelernt zu haben, unterstützt Israel dabei mit allen Kräften, unter Anderem mit Waffenlieferungen und juristischer Schützenhilfe, und beteiligt sich daran, die Palästinenser im Gazastreifen auszuhungern, indem die Finanzierung der wichtigsten Hilfsorganisation gestrichen wurde.
Doch immerhin schließt sich nicht der ganze Westen der Politik des Aushungerns an: So haben Norwegen und Spanien dem Hilfswerk UNRWA auch im Februar noch Geld überwiesen und somit die Arbeit des Hilfswerks zumindest temporär gefördert. Dennoch ist die Situation nach wie vor prekär und wird es bleiben, solange Israel den Völkermord nicht beendet und humanitäre Hilfe in die Palästinensergebiete lässt.