Krieg gegen die eigene Bevölkerung

Der "Krieg gegen den Terror" dient der Disziplinierung durch Angst.

Es erscheint mir durchaus nicht abwegig, mit dem „Krieg gegen den Terror“ einen Einschnitt in der Geschichte, der Entwicklung des Zeitgeists zu machen - wenn auch nicht in der Linie der Politik: ein Einschnitt in die vorher herrschende Sorglosigkeit und Wohlgefälligkeit des „juste milieu“ auf jeden Fall.

Dass der Krieg „gegen den Terror“ als „Antwort“ auf die Zerstörung der twin towers ausgegeben werden konnte, war aber schon ein Zeichen für die Verblendung der Zeitgenossen, die wahrscheinlich immer noch davon überzeugt waren, dass sie „sich einer fundamentalen und radikalen Kritik gegenüber den herrschenden Verhältnissen widmete(n)“.

Mit dem „Krieg gegen den Terror“ wird der Krieg gerechtfertigt, mit dem die USA (und ihre Gefolgsleute) die Völker der Welt überziehen. Der Terror, gegen den sie kämpfen, ist von ihnen selbst erst erzeugt worden - mit diesen Kriegen.

Zbigniew Kazimierz Brzezinski hat die Kriege angekündigt: gegen die „Achse des Bösen“. Und er hat auch erklärt, wofür diese Kriege geführt werden: für die Erhaltung der Weltherrschaft der USA (1).

Die Bevölkerung wird mit diesen Kriegen terrorisiert: nicht nur die Bevölkerung des überfallenen Landes – die sich mit Hilfe von „Terroristen“ zur Wehr setzt (die trotzdem die Ausnahme bleiben), sondern auch die Bevölkerung des Landes, das Krieg führt, selbst: s. z.B. den Terrorakt am Berliner Weihnachtsmarkt 2016, und andere vorher in anderen europäischen Städten. Wir sollten also besser von einem „war for terror“, oder einem Kriegsterror sprechen.

Und: diese Bevölkerung reagiert (wie) terrorisiert: Brückner diagnostizierte vor langem schon die „Rückkehr der Gewalt“ in die Regelung der zwischenmenschlichen Beziehungen (2). Sie ist in allen Bereichen zu beobachten: von der Gewalt gegen andere, Schwächere, als Schwächere oder als Außenseiter Stigmatisierte (Aktionen gegen Hartz IV-Bezieher, gegen Geflüchtete) bis hin zu vom Staat offiziell als „terroristisch“ bezeichneten Anschlägen.

Die „Rechtsentwicklung“ kann auch so erklärt bzw. eingeordnet werden, denn: sie ist zwar (auch) „Protest“ - gegen die Arroganz der sog. selbsternannten Eliten, Kompensation der Demütigung, Verschiebung der Angst (bzw. Verantwortung) auf „Sündenböcke“ - aber: Es ist Protest im Rahmen des Diskurses der Macht, also eine affirmative „Kritik“. In gewisser Weise hat Adler (1919) diese Affirmation der Macht auch für die „Kriegsbegeisterung“ im ersten Weltkrieg angenommen (3).

Protest im Rahmen des Diskurses der Macht: Der Diskurs der Macht verführt nicht die Bevölkerung, an die Parolen der Machthaber zu „glauben“, sondern sie übernehmen diese als „Rationalisierung“ ihres Handelns (und Denkens). Das Handeln selber folgt anderen Gründen als den Parolen: z.B. Kompensation von Demütigung, Scham. Dass sie die Parolen des Diskurses der Macht übernehmen - und keine diesem widersprechenden - hängt zusammen mit der Tatsache der Macht - oder andersherum mit der Schwäche, Niederlage der Gegenmacht.

Dem Staat (Staats-Apparat) dient diese terrorisierte Gewalt wiederum zu terroristischen und Terrorismus fördernden Antworten: Gesetzesverschärfungen, Verschärfung der Überwachung und der Einschränkung der bürgerlichen (Freiheits-)Rechte, der Militarisierung der Polizei (4) usw.
Elke Steven (2017) spricht angesichts der Vorbereitungen auf den G20-Gipfel von der „Ausrufung des Ausnahmezustands“: die Politik probe den Ernstfall und übe schon einmal ganz konkret den autoritären Staat (5).

„Es heißt, dass der Einsatz der Armee gegen den »Feind« im Land nur geplant sei, wenn die anderen Repressionsapparate wie Polizei und Inlandsgeheimdienste an ihre Grenze gestoßen sind. Nun denn, betrachtet man nur das Versagen dieser Behörden in jüngerer Vergangenheit (NSU, Abhörskandal, Al-Bakrs ominöser Suizid, Terroranschlag in Berlin), müsste der Notstand bereits ausgerufen werden. Natürlich würde das Militär auf unseren Straßen daran absolut nichts ändern, darum geht es auch gar nicht. Wollte man die Konsequenzen aus den sogenannten Pannen wirklich ziehen, müssten die Verantwortlichen, die sich vor den diversen Ausschüssen verhalten wie die bekannten drei Affen, in die Wüste geschickt werden – inklusive ihres obersten Chefs Thomas de Maizière. Das Gegenteil ist passiert: Nicht nur, dass niemand zur Verantwortung gezogen wurde, die Kompetenzen dieser »Versager« wurden regelmäßig erweitert. (…) So gewinnt die Militarisierung der deutschen Gesellschaft immer mehr an Tempo – und jedes »Versagen« der Sicherheitsdienste ist nützlich, um der Zivilgesellschaft beizubringen, dass nur der Kommiss auch im Inland (Friedhofs-)Ruhe schaffen kann“ (Peter Tiedke 2017) (6).

Es handelt sich um eine „Militarisierung“ der „civil society“ mit
- der Präsenz der Bundeswehr im zivilen Raum
- der Militarisierung des Bewusstseins („man muss eine Ansage machen, sonst ist man ein looser“)
- der Militarisierung der Sprache und des Sprechens (sich überschlagend schnell, kein Verhalten, Nachdenken)
- der Rückkehr des reflexartigen Zustimmens, Ja-Sagens zur Politik der Regierung, zum Diskurs der Macht,
- der Rückkehr des Autoritären (Bruder-Bezzel 2016) (7)

Bereits 1972 hatte Peter Brückner über die „Rückkehr roher Gewaltförmigkeit – auch - in die Politik der herrschenden Klassen“ geschrieben (2) - damals als Antwort auf die „antiautoritäre Bewegung“ - Also lange vor dem 11.9.2001.

Der „Krieg gegen den Terror“ also nicht „gegen“ sondern „für“ den Terror? Terror gegen die eigene Bevölkerung. Man muss nicht wissen, dass dieser Krieg vor dem 11. September geplant, vorbereitet war - die „Feinde“, gegen die der Krieg vermeintlich geführt werden sollte bereits zeigen das: Bin Laden: ein US-Agent, gegen die SU aufgebaut bis zum IS: ebenfalls von den USA mindestens mit Waffen versorgt.

Die Liste der Feindes-Länder stand seit Zbigniew Brzeziński fest; das zu wissen, nennt man „Verschwörungstheorie“. Aber dann wäre Verschwörungstheorie diejenige, die eine Verschwörung aufdeckt. Dieser Theorie zu widersprechen: Das sind die ersten und eigentlichen „fake-news“.

Man muss das alles nicht wissen. Es genügt, sich die Techniken, Taktiken dieses „Krieges gegen den Terror“ anzuschauen: am Beispiel des 11. September oder der Attentate in Mailand, London, Paris, Berlin. Wie reagieren die, die die Bevölkerung gegen solche Anschläge schützen sollten?

Jedes mal eine große Inszenierung der Trauer und danach Verschärfung der Gesetze, die in ihrer bisherigen Fassung ausgereicht hätten, hätte man sich an sie gehalten, hätte man sie angewandt. Z.B. Fußfessel, um jederzeit zu wissen, wo sich ein „Gefährder“ befindet, wie De Maiziere sagt, wo man dies bei dem Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt bereits ohne Fußfessel wusste; aber man am Tag vor dem Attentat dessen Überwachung einstellte.

Also das nicht verhinderte Attentat macht die Bahn frei für Verschärfungen der Gesetze, bzw. Erweiterung der Kompetenzen derer, die das Attentat nicht verhindert haben. Keine Kritik am „Versagen“ der Abwehr-Organe des Staates, Versagen der Politik. Außenpolitisch: Eine Änderung der Politik kommt nicht in Frage. Es ist ja die Politik der Ausbeutung, Ausraubung dieser Länder, aus denen der Terror kommt - als Antwort auf diese Politik. Innenpolitisch: Wirkung des Terrors: die - gespaltene - Bevölkerung wieder zusammen zu schweißen durch das Bedrohungsszenario („Ich sehe keine Klassen mehr“ rief schon Kaiser Wilhelm entzückt angesichts der Zustimmung der Sozialdemokraten 1914).

Bereits am 19. Oktober 2010 hatte Jens Wernicke in Telepolis unter der Überschrift „Demokratie als Standortnachteil“ festgestellt: „Die Debatte um das im Sinne der Kapitalverwertung „effizienteste“ Regierungssystem ist offenbar erneut eröffnet. „Wenige Tage, nachdem Bahnchef Grube den Demonstranten in Stuttgart ihr „Widerstandsrecht“ abgesprochen und sein Demokratieverständnis dahingehend offengelegt hatte, dass er kundtat, die Bürger hätten gefälligst dem Willen der Parlamente zu folgen. Nichts anderes sei schließlich „Kern einer Demokratie“, erfreute sich Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) auf einer Reise durch Saudi-Arabien und Katar, zwei Diktaturen am Persischen Golf, an der Ruhe, von der Regierungshandeln dort begleitet wird. Nicht nur er, sondern auch andere bewerten derlei „Ruhe“ dabei inzwischen als Standortvorteil im internationalen Wettbewerb. So wird von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt in gewissen Kreisen denn aktuell auch eine Debatte über „einen möglichen Nutzen diktatorischer Regierungsformen“ geführt“ (8).

Wie aber ist es möglich, dass der Terror gegen die Bevölkerung diese Wirkung erzielt, die Wirkung der Zustimmung zum Vorgehen der Regierung?

Zunächst: das Ereignis - losgelöst aus seinem Zusammenhang - erscheint (dadurch) wie aus „heiterem Himmel“, in das Tal der Ahnungslosen zu fallen, ohne (Vor)Geschichte.

Diese Wirkung wird durch die mediale Darstellung verstärkt: Es ist auch das Vorgehen der Medien: der medialen Darstellung und Kommentierung. Auch die Medien stellen die Vorgeschichte des Ereignisse keineswegs her, liefern sie nicht nach (9).

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„Technisch“, mit Hilfe der Technik, ohne dass die politische Absicht sichtbar wird, wird hier durch die Wahl des Ausschnitts der Verfolger zum Verfolgten. Beispiel: die als Berichterstattung deklarierte Dauer-Kampagne gegen Rußland. Oder: die ebenso unversöhnliche Kampagne gegen die DDR.

Unabdingbar ist: die Wiederholung, gebetsmühlenhaft; Wiederholung der Parolen bei jeder Gelegenheit („vermuteter islamistischer Hintergrund“, „unsere Werte“, die wir uns nicht durch die Terroristen nehmen lassen, der unendliche „Aufschwung“ „unserer“ Wirtschaft, der ständig gegenüber dem Arbeitgeberanteil steigende Arbeitnehmeranteil am Bruttosozialprodukt, usw. Auch die ständige Wiederholung der Bilder des 9/11. Gehört hierher. So liefen am 11. September pausenlos die Filmstreifen mit den in die Tower einfliegenden Flugzeuge über die Fernsehschirme.

Immer geht es um Herauslösen eines Ereignisses aus dem Zusammenhang der Geschichte, des Kontextes: „Positivismus“ (10).

Dieses Vorgehen beim „Krieg gegen den Terror“: es wird herausgeschnitten: wie ist es dazu gekommen? Wen oder was muss man bekämpfen? Was folgt auf den „Krieg gegen den Terror“: der Terror wird zurückgetragen nach Deutschland bzw. Europa.

Dort, in Deutschland bzw. Europa, bestätigt er die Richtigkeit der Maßnahmen, die die Herren ergreifen, um den Terror zu verhindern – in Deutschland, aber nicht im Land der „Terroristen“. D.h. er bewirkt eine Idiotisierung der Bevölkerung: sie wird nicht mehr zugänglich für Argumente, nicht zugänglich für eine Entspannung der Fixierung des Blicks.

Diese Reduzierung auf das Herausgelöste läßt die „token“ (Skinners) entstehen. Man wird abhängig von Surrogaten, die mehr zu tun haben mit dem, der diese gibt („der Versuchsleiter“ im psychologischen Experiment) als mit dem Bedürfnis des Subjekts (der „Versuchsperson“).
Für uns besonders auffällig wird das in der Presse für die Unterschicht. Aber für die Schicht der Akademiker wirkt das ebenso: z.B. „Militainment“ (militarisierte Unterhaltung): Im „Netflix“-Programm erscheinen fast nur noch Filme, die Militär und Krieg verherrlichen. Auch in Computerspielen und bei Kinderspielzeug ist das zu erkennen.

Positivismus ist aber nicht nur eine Haltung innerhalb der Wissenschaften, sondern des gesellschaftlich herrschenden Bewusstseins: Marcuses (1964) Untersuchung des „eindimensionalen“ Denkens und Verhaltens hat gezeigt: Es geht um den Ausschluß der Geschichte aus der Reflexion, die „Abriegelung“ des Widerspruchs, der Kritik (11). Politisch äußert sich der Positivismus im Schaffen von faits accomplis, der Regierung des Basta, des „Durchregierens“ – gegen die Bevölkerung, der Herrschende agiert hier als „Herr“, so wie der Intellektuelle als „Versuchsleiter“ (im „Milgram“-Experiment der Psychologie).

Dieses Herausschneiden aus dem Zusammenhang verstärkt also „nur“ das, was bereits Wirkung der Wahrnehmung des Ereignisses selbst ist. Diese Struktur der Wahrnehmung ist (aber) Ergebnis einer geistigen Dressur: des Positivismus der „eindimensionalen“ Gesellschaft. Was eigentlich etwas Gewaltförmiges und Antirationales ist, erscheint als selbstverständlich, als immer naheliegender.

Das Herausschneiden ist die Herstellung eines neuen Ereignisses: fake news, Lüge: Diese geistige Dressur läuft nicht nur über Bilder und deren Wahrnehmung, sie ist nicht unabhängig von Sprache, Kommunikation und Diskurs zu denken. Das Herauslösen aus dem Kontext wird auch (und zugleich) auf der Ebene der Sprache bewerkstelligt, indem die Möglichkeit der Sprache benützt wird: Man muss nicht alles sagen, was man denkt; man kann das verstecken, indem man etwas anderes zeigt; man kann seine Absicht hinter (unter) ganz anderen Behauptungen verstecken.

Bourdieu hatte das in die Formel „Verstecken durch Zeigen“ gefasst (12). Gemäß dieser Formel arbeiten die Medien an der Herstellung und Aufrechterhaltung des herrschenden Konsens:
Kommunikation, Sprechen, Sprache:

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Die „geistige Dressur“ datiert (also) nicht auf 9-11, aber seit diesem Datum zeigt sich die Struktur dieser Dressur und ihre Breite deutlicher: Ein neuer Feind wurde erklärt („der Islam“):

„Islamistischer Hintergrund“ ist inzwischen zum Brandmal geworden, unerbittlich mit heißen (statt kalten) Kriegen bekämpft, an dem zugleich für jeden klar in die Augen springen müsste: die Willkür der „Feinderklärung“ - Willkür, weil der „Feind“ „uns“ nichts getan hatte, nicht willkürlich, wenn man an die Bodenschätze und Bevölkerungen und deren Territorien denkt, welche „man“ sich anzueignen vorgenommen hatte.

Zugleich eine ebenso neue (innen)politische Situation: die Generation von 68ff, gewendet durch den Zerfall der DDR und der SU einerseits, durch die Teilhabe am Krieg (gegen Jugoslawien) andererseits - also auf die Seite der Herrschenden übergegangen, wird konfrontiert mit einem Widerstand, den sie verraten muss (weil er sie als Teil der politisch herrschenden Klasse, bzw. als deren Anhang, trifft).

Auch dieser Seitenwechsel, „Wende“, kann mit Hilfe der Struktur der Sprache (und des Sprechens) vollzogen werden und zugleich versteckt (wie Boltanski & Chiapello (13) gezeigt haben). Versteckt wird die Zustimmung zum Diskurs der Macht. Der Diskurs der Macht „organisiert und beherrscht überall die öffentliche Kundgebung, die Zeugenschaft im öffentlichen Raum“ (Derrida 1993, S. 90). In ihm „werden die Diskurse der politischen Klasse, der massenmedialen Kultur und der akademischen Kultur verschmolzen, dank der Vermittlung der Medien“. „Sie kommunizieren und zielen in jedem Augenblick auf den Punkt der größten Kraft hin, um die politisch-ökonomische Hegemonie und den Imperialismus zu sichern“ (ebd., S. 91) (14).

Boltanski & Chiapello zeigten, wie die Begriffe der 68er Bewegung – „Emanzipation“, „Autonomie“, „Selbstverwirklichung“ - zu zentralen Begriffen des „Management“-Diskurses geworden waren (15), eines Teils des Diskurses der Macht – d.h. man spricht weiter von „Autonomie“, aber den Begriffen Autonomie usw. wird die entgegengesetzte Bedeutung untergeschoben. Das ist Gewalt und zugleich Verstecken der tatsächlichen Gewalt. Diese Umkehrung, Verkehrung (ins Gegenteil) läuft seit 68; mit „Reform“ hat es angefangen. Der Diskurs der Macht, zu dessen Begriffen sie umgedreht worden sind, kann damit zugleich versteckt werden. Diese Verkehrung bleibt ebenso wenig auf den Diskurs beschränkt („Umkodierung“), wie der Positivismus auf die Wissenschaften. Sie „materialisiert“ sich in den Techniken, Verhaltensweisen, Produkten und wirkt von diesen auf das Bewusstsein zurück. Die Tätigkeit des Arbeiters, auf eine bloße Abstraktion der Tätigkeit beschränkt, ist nach allen Seiten hin bestimmt und geregelt durch die Bewegung der Maschinerie, nicht umgekehrt. Die Wissenschaft, die die unbelebten Glieder der Maschinerie zwingt, durch ihre Konstruktion zweckgemäß als Automat zu wirken, existiert nicht im Bewußtsein des Arbeiters, sondern wirkt durch die Maschine als fremde Macht auf ihn, als Macht der Maschine selbst (Marx 1857/58) (16).

Diese Verkehrung ist Spiegel der Verkehrung der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst. Regeln des Diskurses müssen durch die am Diskurs Beteiligten akzeptiert worden sein unter den gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen dieser Diskurs stattfindet: Primär ist die gesellschaftliche Macht bzw. die gesellschaftlichen (Herrschafts-)Verhältnisse, die primär Produktionsverhältnisse sind, hier: Eigentumsverhältnisse, und zwar Verhältnisse des Privateigentums an den Produktionsmitteln: „Verkehrung“ aller Verhältnisse (17).

Aber: Diese Regeln des Diskurses zeigen denselben zugrundeliegenden Mechanismus: Zustimmung kann nur dem Gesagten, Hörbaren, Sichtbaren, Behaupteten (S2) gegeben werden; nicht dem Unsichtbaren, Versteckten (S1). Das Versteckte aber ist das, was auf die Zustimmung folgt: die Wirkung der Macht:

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Die Wirkung kommt erst hinterher, wenn man auf die Versprechen „reingefallen“ ist.

Inzwischen bedienen sich selbst die Rechten der Begriffe und Themen der Linken, ja sogar der Protestformen aus der 68er Bewegung, wie Pegida, AfD, die Identitären oder compact: gegen TTIP, Kritik an der Vorherrschaft der USA, Kritik an den etablierten Politikern und den diesen ergebenen Medien. Dies ist – leider – kein Zeichen der Stärke der Linken (wie man vermuten sollte), sondern derer, die es sich leisten können, die Themen und Begriffe der Linken auszubeuten - für ihr „braunes Süppchen“. Braun wird die Suppe allerdings vom Koch angerührt, und nicht von den Zutaten (wie manche nahelegen, die diese von den Linken geklaute Kritik zur „rechten“ erklären (möchten).

Die Kritik spricht auch durchaus eine in Teilen der Bevölkerung verbreitete Unzufriedenheit an. Gerade deshalb gehen die Rechten damit auf Stimmenfang: Der Versuch, die bestehende Unzufriedenheit - in der Situation der Schwäche der Linken - nach rechts, in eine Affirmation zu lenken – Affirmation des Diskurses der Macht - in rassistischem Gewand; denn das Programm ist durch und durch neoliberal. Dieses Programm spielt in der Diskussion in der Öffentlichkeit keine Rolle, insofern versteckt. Es muss versteckt werden, denn es widerspricht, schlägt ins Gesicht: den Parolen selbst (gegen TTIP, gegen die neoliberale politische Klasse).

Damit spielen die Rechten eine Funktion der Entlastung des „Establishments“. Denn dieses, das „Establishment“ erscheint nun - vor dem Hintergrund der Mobilisierung aller „demokratischen Kräfte“ gegen rechts als Hort oder Hüter der Demokratie, die sie – die neoliberalen Eliten – selber zerstört haben und weiter zerstören werden, als Hort oder Hüter der Freiheit und der Menschenrechte, die sie – in ihren völkerrechtswidrigen Kriegen und in der Wahl und Kooperation mit ihren Bündnispartnern - selbst verraten, gebrochen haben und täglich brechen.

Das Beispiel der USA führt dies sozusagen auf die Ebene der „großen“ Weltpolitik: Trump. Auch hier der Stimmenfänger mit Kritik am „Establishment“, der mit dem Ende der Rolle des Weltpolizisten und der Annäherung an Russland geprahlt oder gedroht hat. Und nun diese Rolle mit Karacho wieder aufnimmt.

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung, die nicht durch eine Linke aufgenommen wird, ist den plattesten Lügen der Herrschenden geradezu ausgeliefert: der Wunsch, sie mögen es besser machen, der Wunsch nach dem guten König, ist stärker als der Realismus der Einsicht in die Notwendigkeit, seine Sache selber in die Hand zu nehmen.

Die Herrschenden ihrerseits – durch keine selbstbewusste Linke daran gehindert –kommen nicht zur Vernunft, die nötig wäre für die Einsicht in die Notwendigkeit, die bisherigen Lösungsversuche zu verabschieden: Krieg, Terror, Ausbeutung, Raubbau.

Keiner führt das besser vor, als der „verrückte“ Präsident der USA, der mit einem Knopfdruck mal eben 16.ooo.ooo Dollar verbrennt – und dabei beinahe 100 Menschen umbringt - und schon ist er in den Augen der veröffentlichen Meinung der westlichen Wertegemeinschaft wieder der Held und Gott, der der amerikanische Präsident bisher gewesen war.

Verleugnung: Was die Herrschenden mit der Bevölkerung verbindet: Während die einen verleugnen, dass sie mit ihrer „Kunst“ am Ende sind, verleugnen die anderen die Erfahrung der Geschichte - obgleich die Zeichen und Symptome ihrer Wiederholung unübersehbar sind.

„Eine Tradition des Nichtwahrhabenwollens, des Beschweigens, des Verleugnens gehört zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wie gelang nach 1945 die „Wiederherstellung der alten Macht- und Besitzverhältnisse“ […] Die Selbstentnazifizierung der Eliten […] ist ebenso verdrängt wie die heftigen Auseinandersetzungen um die Richtung, in die sich Staat und Gesellschaft entwickeln sollten […]“ (Anzeige des Ossietzky Verlags 2017) (18).

Die Rechnung wird uns heute präsentiert:

Deutsche Soldaten stehen wieder an Russlands Grenzen, als habe es den 22. Juni 1941 nicht gegeben, nicht die 27 Millionen toter Sowjetbürger, nicht die verbrannte sowjetische Erde, nicht die mehr als 600 niedergemachten Dörfer Belorusslands, nicht die Million Verhungerter während der Blockade Leningrads, nicht das bis auf die Grundmauern zerstörte Stalingrad. Mit unglaublicher Arroganz wird all das ignoriert und stattdessen die gegen Russland gerichtete NATO-Politik mitgetragen, eine Politik, die wiederum vor allem US-amerikanischen Interessen entspricht. Nach wie vor sind die Worte des Stratfor-Chefs George Friedman vom Februar 2015 aktuell: »Jedenfalls sind wir jetzt zurück beim alten Spiel.« (19)

Im Diskurs der Macht kommt das (so) nicht zur Sprache. Dass es sich dabei, wenn es nicht zur Sprache kommt, um Verschweigen, Verstecken, Verleugnen handelt, ist bloße Möglichkeit, die die Struktur der Sprache bietet:

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Nicht zu sagen, was man „im Kopf hat“ (S1), etwas anderes sagen (S2), als man denkt. Für den Empfänger bietet diese Struktur des Sprechens die Möglichkeit, sein eigenes Denken an die Stelle dessen zu setzen, was er nicht wissen kann (S1): seine Hoffnungen, Wünsche, Deutungen und dadurch der Parole des anderen zuzustimmen, sie zu seiner eigenen zu machen (Adler 1919).

Dass das Nicht-Gesagte tatsächlich zugleich etwas Verschwiegenes ist, wird erst im weiteren Verlauf des Diskurses deutlich, wenn für den Empfänger erkennbar wird (weil sich seine Wünsche nicht erfüllen), dass sein dem S1 des Senders untergeschobenes eigenes s1 lediglich sein Wunsch (Denken) gewesen war.

Diese Mechanismen wirken auch beim Diskurs der Macht. Deshalb sind auch die „Gegen-Diskurse“ so wichtig und deshalb gibt es auch die Diffamierung der „Sozialen Medien“ (in denen sich nicht nur der Diskurs der Macht behaupten kann).

Die Herstellung der Zustimmung zum Diskurs der Macht (Diskurs der Herren, der Herrschaft) geschieht (aber) nicht nur durch die Mechanismen der Struktur der Sprache und des Sprechens, sondern vermittels der privilegierten Verfügung über diese Mechanismen der Struktur der Sprache und des Sprechens durch die Macht selbst.

Zu den Möglichkeiten der gesellschaftlichen Macht gehört auch die der Manipulation des Diskurses („manufacturing consent“) durch die Herstellung der Bedingungen, die den Diskurs in die erwünschte Richtung kanalisieren.

Diese Macht kann sich (aber, vielmehr) hinter (unter) diesen Mechanismen verstecken. Durch die Regeln des Diskurses wird versteckt, dass es sich um einen Diskurs der Macht handelt. Der Diskurs der Macht verleugnet (damit) seinen Charakter, der der Macht zu sein und damit seine Bedingung, Voraussetzung, nämlich die Verhältnisse der Herrschaft (der Macht). Die Macht ist in ihm ent-materialisiert, „vergeistigt“ ebenso auch die Verkehrung der Verhältnisse.

So kann es zur „Kompetenz“ werden, sich in den Diskurs einzubringen. Die Freude an der Beherrschung der Regeln des Diskurses verkehrt die Beherrschung durch den Diskurs in sein Gegenteil (Analoges beobachten wir bei der Arbeit am Computer: Der „Benutzer“ wird an die Maschine gefesselt - nicht durch die Peitsche des Aufsehers, nicht durch die Drohung der Vorenthaltung des Lohns bei Nicht-Arbeit, sondern durch den „Erfolg“, das Gefühl der Beherrschung der Technik, des Geräts (die die Beherrschung durch das Gerät, bzw. durch die hinter dem Gerät stehende Macht, die von der Benutzung des Geräts profitiert, zugleich verschleiert, dem Bewusstsein entzieht).

Verleugnet wird - die Zustimmung zum Diskurs der Macht, verleugnet wird, dass es der Diskurs der Macht ist, dem man sich angeschlossen hat, in den man eingestiegen ist, dessen Parolen man als die eigenen ausgibt (Fiktion des „autonomen Subjekts“).

Verleugnet wird das „Jenseits“ des Gesagten, Gezeigten, der Parolen: Fiktion des „Positivismus“. Der Positivismus anerkennt keine zweite Ebene, keinen „Subtext“: Fiktion der Objektivität, der Unabhängigkeit des Diskurses oder die Fiktion, dass man dieses Jenseits mit eigenen Wünschen, Absichten „füllen“ kann, dass man nur „so tut, als ob“ man dem Diskurs zustimme, während man „in Wirklichkeit“ den Diskurs aufrechterhält, die Parolen weiterträgt. Es ist eine Verleugnung ohne Bewusstsein, sozusagen eine „objektive“, „unbewusst“?

„Krieg gegen den Terror“: die flankierende Strategie zum Neoliberalismus. Sie trägt den Terror ins eigene Land, terrorisiert die eigene Bevölkerung und stärkt so deren Loyalität gegenüber den Regierenden, vor allem bei der Durchsetzung der „inneren Sicherheit“ (auf Kosten von Freiheit und Demokratie, allgemeinem Wohlstand): terroristische Überfälle sollen die Notwendigkeit von Gesetzesverschärfungen plausibel machen.

Die neoliberale Politik wird dabei in ihrer zerstörerischen Politik (nach außen wie nach innen)
nicht wahrgenommen. Sie wird sogar im „Kampf“ gegen Rechts zur Hüterin von Freiheit und Demokratie stilisiert (z.B. in der Wahl-Empfehlung für Macron in der „Bewegung“ für Europa, unter dem Schirm von Soros und von diesem gesponsert).

Reden vom „guten Leben“, die immer mehr an Ansehen gewinnen, sind Ausdruck dieser Interessenlage (obwohl sie sich als Gegenentwurf zum Neoliberalismus darstellen). Die neoliberale Politik (und Ideologie) schafft nicht nur Gewinner, sondern auch einen größer werdenden Kreis derer, die auf Teilhabe an diesem Zustand hoffen, an dem Genuss, den der Neoliberalismus seinen Gewinnern verspricht - und dafür bereits Vorleistungen erbringen: sich selbst zum vermeintlichen Subjekt seiner Ausbeutung zu machen.

Der Neoliberalismus braucht die Strategie des Terrors (der „Spannung“), um die Gesellschaft (mittels Angst) wieder zusammenzuschweißen, die er (vorher) gespalten hat (bzw. deren Spaltung vertieft): in Gewinner und Verlierer (der neoliberalen „De-Regulierung“).

Die Gewinner sehen in den Verlierern zwar, was sie bedrohen könnte (und was sie abwehren müssen), aber die Verlierer sehen ebenso, was ihnen fehlt und könnten den Zusammenhang durchschauen. Die Strategie des Terrors lenkt von den Gewinnern (im Inneren der Festung) ab auf die, die die Festung von außen bedrohen (könnten).

Fußnoten:

  • (1) wichtigste Veröffentlichung: The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives. Basic Books. 1997
  • (2) Peter Brückner (1972): Zur Sozialpsychologie des Kapitalismus. Frankfurt (Europäische Verlagsanstalt, S. 126ff)
  • (3) Alfred Adler (1919): Die Andere Seite. Eine Massenpsychologische Studie über die Schuld des Volkes. Wien: Verlag von Leopold Heidrich. [Faksimile-Nachdruck, broschiert, mit einem Vorwort von Almuth Bruder-Bezzel (Berlin) 1994, Alfred Adler Studienausgabe, Band 7 Gesellschaft und Kultur, Herausgegeben von Almuth Bruder-Bezzel, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht]
  • (4) IMI-Studie 2017 Militarisierung der Polizei; http://www.imi-online.de/2017/03/31/militarisierung-der-polizei/
  • (5) Elke Steven (2017): Die Ausrufung des Ausnahmezustands. Rubikon, 7. April 2017
  • (6) Peter Tiedke (2017): Militär auf unseren Straßen. Leserbrief vom 16.03.2017 zu jW vom 8. März: »Feind im Blick«
  • (7) Almuth Bruder-Bezzel (2016): Die Rückkehr des Autoritären. Vortrag im Rahmen der Langen Nacht der Psychoanalyse, Berlin, Juni 2016; https://www.youtube.com/watch?v=kXdv4JN4VBg
  • (8) Jens Wernicke (2010): „Demokratie als Standortnachteil“. Telepolis, 19. Oktober 2010
  • (9) Bild-Quelle: https://swisspropaganda.wordpress.com/2016/05/01/das-gewuenschte-narrativ/ (Stand: 31.01.2017)
  • (10) s. Klaus-Jürgen Bruder (1982): Psychologie ohne Bewußtsein. Die Geburt der behavioristischen Sozialtechnologie. Frankfurt/M. (Suhrkamp) - Psychoanalyse erscheint hier als Gegenbewegung: ihr Fragen nach der Geschichte, nach dem „anderen Ort“
  • (11) Herbert Marcuse (1964): One-dimensional man; s.a.
  • (12) Pierre Bourdieu (1996): Sur la télevision. Liber – Raison d´agir. 1996 [dt.: Über das Fernsehen. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1998].
  • (13) Luc Boltanski u. Ève Chiapello (1999): Le nouvel Ésprit du Capitalisme. Paris: Editions Gallimard [dt.: Der neue Geist des Kapialismus. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2003].
  • (14) Jacques Derrida (1993): Spectres de Marx. Paris [dt.: Marx' Gespenster: Der verschuldete Staat, die Trauerarbeit und die neue Internationale. Frankfurt a. M.: Fischer 1995]
  • (15) Klaus-Jürgen Bruder (2005): Selbstthematisierung. Journal für Psychologie 2005, 189-211 http://ssoar.info/ssoar/handle/document/1718
  • (16) aus dem "Maschinenfragment" von Karl Marx 1857/58. Grundrisse, MEW, Bd. 42
  • (17) Karl Marx „Auszüge aus James Mills Buch „Eléments d’économie politique“. Trad. Par J. T.Parisot, Paris 1823, in: MEW Ergänzungsband Erster Teil, Dietz Verlag Berlin, 1968, S. 462f; s.a.: Karl Marx „4. Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis“, in: MEW, Bd. 23, Das Kapital, Erster Band, Buch I: Der Produktionsprozeß des Kapitals, 1. Abschnitt, Ware und Geld, 1. Kapitel, Die Ware, S. 85-94
  • (18) Anzeige in der jungen Welt vom 14./15.01.2017, S. 7 zu: „Tabus der bundesdeutschen Geschichte“
  • (19) Bundeswehr raus aus Litauen! Antrag der Kommunistischen Plattform in der Partei Die Linke zum Bundesparteitag in Hannover im Juli 2017, jW 26.04.2017, S. 8