Konturen der neuen Weltordnung
Das Ergebnis der UN-Abstimmung gegen den Ukraine-Krieg machte deutlich, dass die Karten auf dem geopolitischen Spielbrett neu gemischt wurden.
Die Abstimmung über die von den USA eingebrachte UN-Resolution gegen den Ukraine-Krieg Russlands hat die Zweiteilung der Welt deutlich gemacht. Von den 181 abgegebenen Stimmen unterstützten 141 Länder, angeführt von den USA, die Resolution. Fünf Länder — Russland, Belarus, Syrien, Nordkorea und Eritrea stimmten mit Nein. 35 Länder, darunter die beiden mächtigsten Länder des globalen Südens, China und Indien, enthielten sich der Stimme. Zehn Länder, darunter Venezuela und Marokko, blieben der Abstimmung fern. Das Ergebnis dieser UN-Abstimmung mag ein Rohgerüst der künftigen weltpolitischen Konflikte widerspiegeln.
In die Enthaltungsstimmen flossen gewiss unterschiedliche Motive. Für viele war jedoch mit Sicherheit das Urteil maßgebend, dass der kriegerische Einfall Russlands in die Ukraine abzulehnen ist. Hingegen wird den USA aber ihr Anklägerstatus als Verfechter einer gerechten und friedfertigen internationalen Ordnung bestritten und Russland werden berechtigte Sicherheitsinteressen an seiner Westgrenze zugebilligt.
Letzten Endes kreuzen sich in der Ukraine die Interessen konkurrierender kapitalistischer Länder, die des westlichen Blocks mit einem wieder erstarkten russischen Kapitalismus. Unter den Enthaltungen befinden sich die Regierungen von Vietnam und Kuba, von Nicaragua und El Salvador, vom Kongo und Zimbabwe, von Algerien und Angola, von Senegal und Irak und manche andere, die in jüngster Vergangenheit konkrete Erfahrungen mit dem Kolonialismus und Imperialismus des Westens gemacht haben. Das geschundene und von der Nato zerbombte Libyen stimmte ebenso für den Antrag der USA wie das eben nach 20-jährigem NATO-Krieg als Ruine zurückgelassene Afghanistan.
Das Ergebnis dieser UN-Abstimmung mag ein Rohgerüst der künftigen weltpolitischen Konflikte widerspiegeln. Die Völker mit eigenen Erfahrungen im Befreiungskampf gegen die Kolonialmächte des Westens wie auch die Länder, die in der geopolitischen Auseinandersetzung um die Chance auf eine eigenständige, erfolgreiche Entwicklung kämpfen, lassen sich nicht vereinnahmen von der donnernden Kriegspropaganda des Westens, akzeptieren aber auch nicht den kriegerischen Chauvinismus Russlands.
Nicht zuletzt spricht die lange Liste afrikanischer Staaten, die sich enthalten haben, für dieses politische Bewusstsein der jungen Nationen. China, mit seiner Neuen Seidenstraße ein mächtiger Faktor in den internationalen Konflikten, steht offenbar als Eckpfeiler dieser neuen globalen Streitmacht bereit.
Russland ist als undemokratisches, kleptokratisch-kapitalistisches System mit seinem Angriffskrieg zu einer Belastung für die noch wenig strukturierte globale Kraft gegen die Ausbeutung durch den Westen geworden. Es muss schleunigst seinen Krieg beenden, seine Truppen zurückziehen und im Innern zu demokratischen Entwicklungen finden. Auch wenn es nicht zu demokratischen Veränderungen in Russland kommt, muss Putin-Russland sofort seinen Krieg beenden und die russischen Truppen müssen die Ukraine verlassen.
Der Einmarsch Russlands in der Ukraine ist wie jeder Angriffskrieg auf das Schärfste zu verurteilen. Eine Friedenskonferenz unter der wesentlichen Mithilfe Chinas und Indiens muss für eine neue Friedensordnung im gesamten eurasischen Raum sorgen.
Diese Perspektive mag langfristig sein, doch mit einer Neuordnung der europäischen Fragen muss heute schon begonnen werden. Die Mitwirkung der USA ist dabei ebenso zu akzeptieren wie die von China. Der bisherige Vorstoß der NATO nach Osten muss beendet werden. Unter der neutralen Aufsicht der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) muss ein Friedensregelwerk für Europa einschließlich der Fragen der Rüstungs- und der Atomwaffenkontrolle festgelegt werden.
Nationen, die sich bei der UN-Resolution zum Einmarsch Russlands in die Ukraine enthalten haben:
- Algerien
- Angola
- Armenien
- Bangladesch
- Bolivien
- Burundi
- Zentralafrikanische Republik
- China
- Kongo
- Kuba
- El Salvador
- Äquatorial Guinea
- Indien
- Iran
- Irak
- Kasachstan
- Kirgistan
- Laos
- Madagaskar
- Mali
- Mongolei
- Mozambique
- Namibia
- Nicaragua
- Pakistan
- Senegal
- Südafrika
- Süd-Sudan
- Sri Lanka
- Sudan
- Tadschikistan
- Uganda
- Tanzania
- Vietnam
- Zimbabwe