Kompendium der Propaganda
Im zeitgeist-Verlag erschien ein kompaktes Nachschlagewerk über die wichtigsten Methoden der Meinungslenkung. Exklusivabdruck aus „Moderne Propaganda“.
Propaganda, also der Versuch der gezielten Beeinflussung unseres Denkens, Fühlens und Handelns, ist heute allgegenwärtig: in der Werbung offenkundig, raffinierter dagegen in der Politik und in den Medien. Das Repertoire an Methoden ist enorm, die Meinungslenkung als solche bei vielen Erscheinungsformen aber nur schwer zu entlarven. Doch nur wer Propaganda durchschaut, kann sich ihrer Wirkmacht entziehen. Exklusivabdruck aus „Moderne Propaganda — 80 Methoden der Meinungslenkung“.
Wir sind täglich von professionell gestalteten Botschaften umgeben — jeden Tag sprechen fremde Menschen zu uns, ihre Stimmen dringen in Millionen Köpfe ein. Was bei der Massenkommunikation jedoch zu wenig bedacht wird, sind die enormen Einflussmöglichkeiten.
Der Soziologe Paul Felix Lazarsfeld bemerkte im Jahr 1948, dass die Macht des Radios nur mit der Macht der Atombombe vergleichbar sei. Heute müssen wir feststellen, dass die Medien unsere Kultur und unser Verhalten wohl noch tiefgreifender beeinflusst haben als die Kernkraft oder Massenvernichtungswaffen. Eine unsichtbare Wolke künstlicher Emotionen, Meinungen und Schlussfolgerungen umgibt den modernen Menschen. Propaganda kann Weltanschauungen verbreiten, Gehorsam oder Revolutionen erzeugen, Kriegen zum Ausbruch verhelfen und sie beenden, Politiker stürzen — oder zu Staatsoberhäuptern machen.
Monopolisierung
Wird ein bestimmter Sachverhalt immer nur aus einer Perspektive gezeigt, sodass man denkt, es gäbe nur diese eine, ist es leicht, die Meinung der Bevölkerung zu steuern. Die Menschen beginnen zu glauben, dass es wahr sein muss, wenn es überall auf ähnliche Weise geschildert wird (Phänomen der Selbstbestätigung). Die Sicht der Dinge scheint dann alternativlos. In ihrem eigentlichen Auftrag sind die Medien angehalten, ein ausgewogenes, pluralistisches Meinungsbild aufzuzeigen. Denn nur durch verschiedene Sichtweisen auf eine Sache kann der Bürger in eine neutrale Haltung kommen, die wiederum Voraussetzung für um- und weitsichtige Entscheidungen wäre. Wird ein Thema jedoch stets auf ein und dieselbe Art und Weise präsentiert, verleitet das zu dem Schluss, es handle sich um die alleinige Wahrheit, und es suggeriert, dass derjenige doch verrückt sein muss, der eine andere Ansicht vertritt. Dies führt dazu, dass kritisch denkende Menschen zu Außenseitern abgestempelt werden, sobald sie ihren Standpunkt äußern. Folglich halten sich viele zurück und setzen so die sogenannte „Schweigespirale“ in Gang.
EinTeufelskreis aus einseitiger Berichterstattung und immer größer werdender Angst, sich abweichend zum Meinungsmonopol zu äußern, unterbindet daraufhin jeden Diskurs. Die Medien sind zum einzigen Organ geworden, das die öffentliche Meinung bestimmt.
Selbst eigene Erfahrungen, nachprüfbare Fakten und logische Schlussketten können dann der vorherrschenden Propaganda nicht mehr entgegenwirken, denn sie werden ignoriert, umgedeutet oder als Zufall eingestuft, welcher die medial erzeugte Scheinrealität nicht infrage stellt. Eine solche Monopolisierung kann nur durch Information aus erster Hand überwunden werden. Die Bringschuld wird dann zur Holschuld, was eigene Quellenrecherche unumgänglich macht. Außerdem gilt es, sich mit Menschen aus der eigenen näheren Umgebung auszutauschen, um kommunikative Einbahnstraßen, wie beim Konsum von Massenmedien, zu umgehen. Ein direkter Austausch kann jedoch durch Diskursregulation und Tabuisierung erschwert werden.
Die Nutzung des Primacy-Effekts
Der frühe Vogel fängt den Wurm, diesen Grundsatz macht sich auch die Propaganda zunutze. Der Primacy-Effekt besagt, dass Menschen in der Regel das erste Narrativ glauben, das ihnen zu einem bestimmten Thema präsentiert wird. Derjenige, der die Bevölkerung schnell mit seiner Interpretation des Geschehens versorgen kann, hat einen Vorsprung gegenüber langsameren Akteuren, welche zunächst die vorherige Version widerlegen müssen, um ihre eigene Darstellung glaubhaft machen zu können. Der Primacy-Effekt wird beispielsweise bei der Diffamierung genutzt: Wenn man dem Publikum ein negatives Bild des politischen Gegners einpflanzen kann, bevor es überhaupt die Möglichkeit hatte, ihn kennenzulernen, dann stellt das einen großen Vorteil dar. Viele Menschen lassen sich durch das medial gezeichnete Bild so abschrecken, dass sie das Original gar nicht erst ansehen möchten.
Wenn sich das Bild dann mittels Wiederholung und Autorität in die Köpfe brennt, erweist sich der Primacy-Effekt als große Hürde bei der Verbreitung von Sichtweisen, die vom Monopol abweichen, da das Publikum den zuerst vermittelten Eindruck für die eigene Meinung hält. Die konträre Darstellung kann zudem eine kognitive Dissonanz erzeugen, woraufhin das Publikum entsprechend ablehnend reagiert. Der Primacy-Effekt erklärt auch, weshalb die Indoktrination kleiner Kinder für propagandistisch beherrschte Staaten einen hohen Stellenwert besitzt.
Demontage mithilfe der Mohawk-Valley-Formel
Es gibt Propagandatechniken, die es erlauben, gezielt unerwünschte Proteste zum Verstummen zu bringen. Eine funktioniert mithilfe der sogenannten „Mohawk-Valley-Formel“. Die Methode wurde das erste Mal 1937 eingesetzt, um den Willen streikender Arbeiter zu brechen, doch sie kann ebenso gegen politische Demonstranten verwendet werden. Zuerst muss man Propaganda verbreiten, welche die protestierende Gruppe als Feind der Ordnung brandmarkt und zum Außenseiter erklärt. Dann ist ein Kreis aus einflussreichen und prominenten Personen zu bilden, der sich gegen die Demonstranten wendet, während diese gleichzeitig mit massiver Polizeipräsenz eingeschüchtert werden. Im nächsten Schritt gründet man eine Gegenbewegung, die sich zum Beispiel im Falle eines Streiks für die Wiederaufnahme der Arbeit einsetzt. Die künstliche Installation von Graswurzelbewegungen nennt man auch „Astroturfing“. Im letzten Schritt ist es wichtig, die oppositionelle Gruppe stark zu demoralisieren und bei deren Einlenken und Nachgeben möglichst schnell zur Normalität zurückzukehren.
Die Wolfsrudeltaktik
Mit der Wolfsrudeltaktik kann man einen Gegner Zug um Zug unschädlich machen. Ein Wolfsrudel sucht sich das schwächste Tier einer Schafsherde aus, kreist es ein, isoliert es und tötet es schließlich. Ähnlich kann man bei politischen Organisationen vorgehen:
Man wählt den angreifbarsten Teil aus, lenkt die Aufmerksamkeit auf ihn, isoliert ihn mit Kampfbegriffen, Labeling und Kontaktschuld und vernichtet ihn schließlich durch politische, mediale und wenn nötig auch physische Angriffe. Dann wendet man sich dem Nächsten zu.
Die Taktik funktioniert, wenn der Angegriffene im Stich gelassen wird, sie misslingt, wenn ihm die Gruppe zu Hilfe eilt, sich nicht distanziert und ihn verteidigt. Je mehr einflussreiche Personen eine Gemeinschaft bilden, die sich nicht spalten lässt, desto widerstandsfähiger ist sie gegen die Wolfsrudeltaktik.
Eine abgeänderte Form kommt in politischen Talkshows zum Einsatz, wenn dort ein Oppositioneller auf eine Überzahl an regierungstreuen Akteuren trifft. So wird es möglich, ihn durch die Überzahl zu übertönen und zum Außenseiter zu erklären.
Gaslighting
Gaslighting ist eine Methode zur Störung des Realitätsempfindens. Der Begriff stammt aus dem Theaterstück „Gas Light“ von Patrick Hamilton aus dem Jahr 1938. Darin treibt ein Ehemann seine Frau in den Wahnsinn, indem er ihr einredet, sie bilde sich real existierende Dinge wie das Flackern der Gaslichter nur ein. Gaslighting zielt darauf ab, die Unterscheidung von Illusion und Realität im Geist des Opfers zu unterlaufen, indem eine starke Autorität behauptet, Dinge, die klar zu sehen sind, seien nicht existent, oder Dinge, die nicht existieren, seien real. Im Opfer entsteht eine Dissonanz zwischen der eigenen Wahrnehmung und der durch die Autorität vorgegebenen Scheinrealität. Das Ministerium für Staatssicherheit verwendete die Methode im Rahmen der Zersetzung, um politische Gegner an sich selbst zweifeln zu lassen. Und in „1984“ werden der Bevölkerung paradoxe Aussagen wie „Krieg ist Frieden“, „Freiheit ist Sklaverei“, „Ignoranz ist Stärke“ und „2 + 2 = 5“ als unantastbare Wahrheit präsentiert. Jeder, der diese Widersprüche hinnimmt, unterwirft sich vollkommen der Realitätsversion der herrschenden Schicht. Ein solches Vertauschen von guten und schlechten Dingen nennt man auch Inversion. Eine davon betroffene Bevölkerung hält die für sie schädlichen Dinge für gut und die nützlichen Dinge für schlecht. Sie treibt aufgrund dessen aktiv die eigene Versklavung voran, da sie diese für gut erachtet.
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Quellen und Anmerkungen:
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Moderne Propaganda — 80 Methoden der Meinungslenkung“ von Johannes Menath.
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