Kleine Seelen
Durch Kinderaugen gesehen ist die schöne neue Corona-Realität noch härter und grausamer als sie uns erscheint.
Über Kinder und ihr Schicksal in der Maßnahmenrepublik Deutschland wird derzeit viel gesprochen. Mit Kindern redet selten jemand darüber, jedenfalls nicht öffentlich. Werden schon Erwachsene von „ihrem Staat“ wie Kinder behandelt, bleibt für den Nachwuchs nur noch der Platz ganz, ganz unten auf der sozialen Stufenleiter. Sie werden nicht geliebt und gefördert, sondern gefürchtet — als Krankheitsüberträger. Sie werden nicht zusammengeführt, sondern — je nach der Corona-Ideologie ihrer Eltern — voneinander getrennt. Statt Vertrauen erhalten sie Befehle, ihre Gesundheit andauernd unter Beweis zu stellen. Obwohl unschuldig, werden sie Maßnahmen ausgesetzt, die sich wie Strafen anfühlen — bis hin zu wochenlangem Hausarrest. Geben ihre Eltern dem Verlangen der Schule nach, müssen sie körperliche und seelische Martern erdulden; stellen sich die Eltern schützend vor sie, bleiben sie zuhause isoliert. Die Autorin hat ihrem Kind einen bewegenden und einfühlsamen Brief geschrieben.
Mensch Kind, ich weiß es doch auch nicht. Sollen wir die Kitas jetzt dicht machen und alle Kinder nach Hause schicken? Oder sollen wir eisern versuchen, ein kleines Terrain für dich und deine Freunde zu sichern, indem ihr etwas geschützt seid vor dem Irrsinn, der durch die Welt tobt?
Du nimmst Schaden. So oder so.
In einer institutionellen Kinderbetreuung gibt der Staat den Ton an. Lediglich die Lautstärke etwas mindern und die schrillen Töne rausnehmen — das könnten wir Erzieherinnen, wenn wir denn wollten. Wir könnten auch erkennen, was euch bedrückt, könnten mit einem Augenzwinkern nicht reglementieren, wenn es wieder aus euch herausbricht. Es ist doch eure Art des Widerstandes, wenn ihr anfangt, im Garten Bäumchen und Sträucher rauszureißen, wenn ihr uns Erwachsenen mehr und mehr aus dem Weg geht und wenn ihr das wilde Toben jeder anderen Bewegung vorzieht.
Und zu Hause in bedrückender Enge mit Erwachsenen, die euch eingebläut haben, dass ihr die Welt vor euch selber schützen und mitunter sogar im Wohnzimmer maskiert sein müsst, ist alles für euch verloren, was ihr eigentlich braucht. Denn was ihr braucht, ist:
Sicherheit durch geliebte und ungeliebte Routinen, gelassene und ausreichend sinnvoll beschäftigte Eltern, dazu Herausforderungen, die euch stark, mutig, anständig und klug werden lassen und wirkliche Fürsorge, die nichts aber auch gar nichts zu tun hat mit feuchten Lappen vor Nase und Mund, gesperrten Spielplätzen und Freibädern, Entzug von Spielkameraden und großelterlicher Unterstützung.
Wie ist das für dich, Kleiner, wenn du im Garten einer befreundeten Familie spielst und wenn du zur Toilette musst, verweigert dir der Hausherr den Zugang wegen der Infektionsgefahr? Wie ist das für dich, ach Kind, wenn deine Eltern diese Menschen weiter als Freunde bezeichnen, weil sie sonst keine mehr haben? Und was geschieht in dir, wenn dein Vater, ein gestandener Mann, beschämt den Lappen hochzieht, wenn eine Unbekannte ihn auf offener Straße ankeift?
Als die Erzieherin angefangen hat, Kindern beim Eintritt in die Kita einen schönen Stempel auf die Hand zu drücken, weil die Eltern brav Vollzug des Tests an dir gemeldet haben, hattest DU keinen schönen Stempelaufdruck auf deiner Hand. Versteckst du sie hinter deinem Rücken, diese Hand?
Apropos Hände. Vielleicht ist es besser, nichts wird darauf gedruckt. Denn deine Hände sind kalkweiß und aufgedunsen, haben rötliche tiefe Risse. Eine Erzieherin hatte dir gesagt, du sollst dir nicht ins Gesicht fassen. Aber das tun deine Hände… Also musst du den ganzen Morgen Hände waschen — immer und immer wieder. Desinfektionsmittel zu Hause erledigen dann den Rest.
Vierzehn Tage Hausarrest war noch vor ein paar Monaten eine Kindeswohlgefährdung. Jetzt ist es Fürsorge und die Behörde droht schon mal mit Kindesentzug, wenn deine Eltern dich nicht isolieren und einsperren.
Der nette Herr vom Kinderschutzbund spricht dagegen. Man müsse da doch Augenmaß behalten und den gesunden Menschenverstand nutzen und natürlich müssen die Kinder nach draußen. Er möchte weder genannt noch zitiert werden.
Also auch auf diese Menschen kannst du nicht hoffen.
Später wirst du erfahren, dass eine immer größer werdende Menge von Kindern auf der ganzen Welt gerade verhungert, noch mehr Kinder schlimmster Gewalt ausgesetzt sind und dass die Maßnahmen, mit denen man dich angeblich schützen möchte, deine Altersgenossen in tiefste Armut stoßen, verletzen und töten. Du wirst das alles irgendwann wissen, weil das jetzt keiner wissen will. Die Wahrheit ist die größte Macht und nichts kann sie berühren. Sie kann nur sichtbar werden.
Vielleicht aber weißt du es jetzt schon, ohne dass du Worte dafür hast. Deine traurigen Augen, dein ständig sondierender, misstrauischer Blick, der Verlust deiner Unbefangenheit, deiner Leichtigkeit und deiner fröhlichen Unbekümmertheit in der Gemeinschaft deiner Freunde sprechen dafür.
Kind, versteh‘ doch: Es gibt keine Sicherheit. Es gibt nichts, woran du dich halten kannst, damit du dich in Ruhe entwickeln und entfalten kannst. Du bist schon jetzt im Überleben statt im Erleben angekommen — zwanzig Jahre zu früh. Und solltest du dir tatsächlich eine eigene Wahrnehmung erlauben und für dich interpretieren, wird ganz bestimmt ein erneuter Test das Gegenteil beweisen.
Wenn Oma/Papa/Nachbar doch stirbt, dann bleibt die tiefe Gewissheit, dass du etwas damit zu tun hast. Denn du warst nicht brav.
Ach Kind, deine grenzenlose Loyalität tut weh, denn sie verhindert eines Tages die Vergebung. Es ist deine Mutter, die deine Lehrerin/Erzieherin denunziert hat, weil sie sich einen menschlichen Umgang mit dir erlaubte.
Und das ist das Traurigste von allem.
Wirklich perfide ist aber, dass dir als Ausweg die Spritze präsentiert wird.
Früher haben wir auf den städtischen Spielplätzen die Spritzen der Junkies abgesammelt, damit ihr euch nicht verletzt.
In deinem Kopf wird es sich festsetzen: Wenn es dir schlecht geht, wenn du verzweifelst an der Enge und Rigidität deiner Welt, — die deine Phantasie getötet hat — wirst auch du an die Erlösung durch Spritzen, Tabletten und „Maßnahmen“ glauben. Nur nie wieder an dich selbst.