Kampf oder Flucht

Donald Trump hat nach dem Attentat auf ihn Oberwasser — ob er sich als Präsident wirklich mit dem Sicherheits-Establishment anlegen wird, steht auf einem anderen Blatt.

„Fight! Fight! Fight“ oder doch lieber „Stay safe!“ Donald Trump hat sich mit viel Glück und einem ausgeprägten Sinn für Effekte als Kämpfer inszeniert, dem nicht mal eine Kugel aus einem Präzisionsgewehr etwas anhaben kann. Die meisten Analysten sehen ihn jetzt auf der Siegerstraße in Richtung einer zweiten Präsidentschaft. Der geistig nicht mehr ganz präsente Joe Biden scheint nicht mehr das Zeug dazu zu haben, dem Helden von Pennsylvania das Wasser zu reichen. Aber was geschieht dann? Sein gefährlichster Fight könnte dem im Schlachtgetümmel Gestählten noch bevorstehen. Der US-amerikanische Sicherheitsapparat bildet zusammen mit der Rüstungsindustrie eine Schattenregierung, die es vielleicht nicht zulassen wird, dass ihr der alt-neue Präsident durch zu viel Friedensliebe einen Strich durch die Rechnung macht. Donald Trump könnte sich anpassen und ein paar ruhige Jahre im Oval Office verbringen — oder er könnte tun, was er suggeriert: gegen den „Apparat“ kämpfen und alle entlassen, die nicht auf seiner Linie sind. Dann allerdings könnte niemand mehr ausschließen, dass die nächste Kugel, die auf ihn abgefeuert wird, besser trifft.

Vor sechs Monaten sagte ich zu einer bekannten Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, dass die US-Geheimdienste Trumps erste Präsidentschaft zerstört hätten und dass er, sollte er eine zweite Chance erhalten, deren gesamte Führungsriege entlassen oder einfach zulassen solle, dass diese das Land regiert, während er sich aufs Geldmachen in eigener Sache konzentriert.

Mein Gesprächspartner antwortete, man habe kürzlich von Tucker Carlson erfahren, dass sich Trump sehr wohl der Gefahr eines Attentats durch die Geheimdienste bewusst sei. Trump würde sich vermutlich also eher für die zweite Option entscheiden — letzteres ein Gedanke meines Gesprächspartners und nicht von Tucker Carlson.

Ich behaupte nicht, dass die Geheimdienste für den Mordversuch am Wochenende verantwortlich sind. Das weiß ich nicht. Ich frage mich allerdings, welche Gedanken Trump über seine Nahtod-Erfahrung gerade durch den Kopf gehen.

Ich habe übrigens versucht, auszurechnen, um welchen Bruchteil eines Grades das Gewehr falsch ausgerichtet war, damit es aus einer Entfernung von knapp 110 Metern sein Gehirn um etwa 2,5 Zentimeter verfehlte. Meine mathematischen Fähigkeiten reichten dafür nicht aus, aber es handelt sich um die Marge eines winzigen Zitterns der Hand am Abzug.

Ich denke, man kann so gut wie sicher davon ausgehen, dass sich Trump gefragt hat, ob die staatlichen Akteure, die seine Sicherheit koordinieren, die Sicherheitspanne nicht zumindest teilweise durch einen Mangel an Eifer und Begeisterung verursachten.

Das ist keine Kritik an Trumps unmittelbaren Leibwächtern, die sich lobenswert verhalten haben. Fairerweise muss man auch darauf hinweisen, dass Trumps eigene Trotzhaltung mutig war. Er konnte nicht gewusst haben, ob sich weitere Schützen in der Nähe aufhielten, und wie schwer er tatsächlich verletzt worden war.

Diese persönliche Haltung hat seine Wahlchancen mit Sicherheit erhöht — mehr noch: durch eine seltsame politische Alchemie, die mit Logik wenig zu tun hat, scheint es nun eine allgemein anerkannte Weisheit zu sein, dass dieses Ereignis Rücktrittsforderungen der Demokraten gegenüber Biden deutlich erschwert.

In seiner Ansprache vom Weißen Haus verwechselte Biden Trump nicht mit Frank Sinatra; er vergaß auch nicht, warum er sich überhaupt dort aufhielt. Es wird behauptet, dass (die Ansprache) seine Position wiederhergestellt hat. Dennoch war es eine typische Performance à la Biden: abfällig und parteiisch, vor allem in der Wiederholung seines Narrativs vom 6. Januar, als ob es sich hier um eine ernsthafte Bedrohung der Demokratie handelte und nicht um einen idiotischen, isolierten Aufstand.

Dass die Demokratie in den Vereinigten Staaten eine Farce ist, wird daran deutlich, dass die Wähler die Wahl zwischen zwei unglaublich fehlerbehafteten Individuen haben. Ein solches Szenario kann man sich gar nicht ausdenken.

Würde man Donald Trump und Joe Biden in einen zufällig ausgewählten Yogakurs in Oklahoma setzen, wären weder Trump noch Biden in diesem Yogakurs diejenige Person, die sich am besten als Präsident der Vereinigten Staaten eignen würde.

In einer Hinsicht jedoch ist die Demokratie in den USA lebendiger als im Vereinigten Königreich. In letzterem hat das Establishment mit Keir Starmer den von ihnen gewünschten Politiker gewählt und sich dabei mit den Tories ausschließlich über Fragen der Kompetenz gestritten.

In den Vereinigten Staaten ist das Establishment darüber beunruhigt, dass Trumps isolationistische Tendenzen und mangelnde Begeisterung für das Anzetteln von Kriegen das immerwährende schnelle Geld des militärisch-industriellen Komplexes zum Versiegen bringen könnten.

Insbesondere sieht Trump sowohl China als auch Russland als potentielle Handelspartner zu beiderseitigem finanziellen Nutzen. Er betrachtet sie in erster Linie nicht als militärische Bedrohung.

Kurz gesagt lässt sich Trump nicht vor das Propaganda-Narrativ spannen, das bestimmte Feinde benötigt, um massive Verteidigungsausgaben zu schüren und die kontinuierliche Folge von Invasionen in andere Länder zu rechtfertigen.

Es handelt sich hier nicht um eine ideologische Ablehnung des Krieges vonseiten Trumps. Es ist einfach nur so, dass Trump ebenso wie China erkennt, dass sich Handel, Finanzen, Investitionen und Soft Power letztendlich als viel lukrativer erweisen als das klassische westliche imperialistische Modell der bewaffneten Eroberung.

Trumps Problem besteht darin, dass zu den mächtigen Interessengruppen, die mit dem westlichen imperialistischen Modell Geld machen, auch die Geheimdienste gehören. Daher haben sie seine erste Präsidentschaft so skrupellos unterminiert.

Wir haben den komplett hohlen Blödsinn des „Russiagate“-Schwindels gesehen, über den ich ausgiebig geschrieben habe — die einfache Tatsache bleibt jedoch, dass es nie einen wie auch immer gearteten Beweis dafür gab, dass Russland an der Weitergabe der DNC-, Clinton- oder Podesta-E-Mails beteiligt war.

Wir sahen, wie Trumps nationaler Sicherheitsbeauftragter General Michael Flynn aus dem Amt gejagt wurde — wegen Gesprächen mit dem russischen Botschafter, die sich als vollkommen korrekt herausstellten, als sie schließlich veröffentlicht wurden. Wir sahen, wie Roger Stone für seine Lügen gegenüber dem FBI inhaftiert wurde, das behauptete, er habe Verbindungen zu WikiLeaks, die er jedoch nicht hatte. Die Medien versäumten schändlicherweise eine Richtigstellung.

Wir erlebten die berühmt bösartige Titelseite des Guardian mit der Behauptung, es habe Treffen zwischen Manafort und Assange gegeben, die jedoch nie stattgefunden haben.

Als Krönung des Ganzen gab es die von der CIA koordinierte Fälschung der Enthüllungen des Laptops von Hunter Biden zwei Wochen vor der Wahl in 2020.

Dass dieser Laptop, von dem alle Betroffenen wussten, dass er echt war, als gefälscht deklariert wurde, war vielleicht das bedeutendste Beispiel für Fake News in der Weltgeschichte. Dieses Lügennarrativ wurde von Geheimdiensten und Mainstream-Medien weltweit koordiniert und beeinflusste zweifellos das Wahlergebnis.

Wichtiger noch ist, dass sowohl Facebook als auch Twitter kooperierten, um die Geschichten um Hunter Bidens Laptop zu unterdrücken und das Narrativ zu stärken, der Laptop sei ein Fake. Also hat die perfekte Allianz aus Geheimdiensten, staatlichen und kommerziellen Medien und kommerziellen Gatekeepern der alternativen Medien zusammengearbeitet, um eine Lüge zu verbreiten, die Bidens Wahl sicherstellen sollte.

Es sagt etwas über die Welt aus, in der wir leben, dass die wichtigsten und erfolgreichsten Fake News der Geschichte genau von denjenigen in die Welt gesetzt wurde, die für sich in Anspruch nehmen, ein Urteil darüber fällen zu dürfen, was Fake News sind und was nicht.

Was mich zum Beginn dieses Artikels zurückbringt. Was wird Donald diesbezüglich unternehmen, wenn er wieder an die Macht kommt?

Ich denke, Donald Trump liegt richtig, wenn er fürchtet, möglicherweise von den eigenen Sicherheitsdiensten umgebracht zu werden, sollte er eine vernünftige Lösung für den Ukrainekrieg aushandeln, anstatt die Multi-Billionen-Dollar-Goldgrube an Waffen, Tod und hohen Energiepreisen aufrechtzuerhalten, die der Krieg jetzt ist.

Damit Trump die Vereinigten Staaten wirklich regieren kann, bräuchte es eine beispiellose Säuberung der Clintonesquen Führungsriege im gesamten Sicherheits-Establishment, die viel tiefer ginge als ein normaler Regierungswechsel. Ich denke, Trump war sich dessen stets bewusst, hielt es jedoch für undurchführbar, „den Sumpf auszutrocknen“.

Beim kränkelnden Biden ist es für jedermann offensichtlich, dass er nicht wirklich für irgendetwas zuständig ist. Ich sage voraus, dass Trump, sollten wir eine Trump-Regierung bekommen, auch nicht wirklich zuständig sein, sondern sich mit einem leichten Leben zufrieden geben wird, während er das Establishment weiter das Land regieren lässt.

Als Peter Cook den „Establishment Club“ gründete, verspottete ihn niemand mit der Aussage: „Was für ein alberner Verschwörungstheoretiker, so etwas wie das Establishment gibt es nicht.“ Ich ziehe dieses Wort dem Begriff des Deep State vor. Es ist jedoch dasselbe.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Assassination And Trump’s Mentality“. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.