Kalter Krieg 2.0
Um ihre Weltdominanz zu bewahren, bedienen sich die USA aller Mittel der psychologischen und militärischen Kriegsführung. Exklusivabdruck aus „Der Tiefe Staat schlägt zu“. Teil 1/2.
Seit dem Ende der UdSSR haben sich die USA und das außenpolitische Establishment der EU im Rahmen ihrer geopolitischen Welt-Neuordnungspläne dazu entschlossen, den marktradikalen Kapitalismus nach Osten auszudehnen und dieses Projekt militärisch durch die NATO-Osterweiterung abzusichern. Haupttreiber der NATO-Politik sind die USA. Die US-Imperialstrategie betrifft letztlich die gesamte Welt. Ziel des transatlantischen außenpolitischen Establishments in NATO und EU ist, ihre imperialistischen Territorialansprüche durch die Aufnahme immer neuer Länder maximal zu erweitern, Ressourcen, Märkte und Investitionsräume zu erobern sowie Handelswege zu sichern. Jedes Land, das sich diesen Plänen entgegenstellt, wird zunächst propagandistisch dämonisiert, dann destabilisiert und bei fortgesetztem Widerstand letztlich mit Krieg überzogen. Der folgende Text ist Teil 1 des Beitrags „Wie die ‚westliche Wertegemeinschaft‘ den Kalten Krieg 2.0 installierte“ aus dem Buch „Der tiefe Staat schlägt zu“, erschienen im Februar 2019 im Promedia Verlag.
Die Herrschaftsetagen der westlichen Fassadendemokratien unter US-Führerschaft sahen sich nach 1990 als Siegermächte eines Systemkampfes. Sieger schreiben die Geschichte und darum kam für die politischen Führungen der USA und ihre europäischen Statthalter eine an langfristiger politischer Stabilität und Zusammenarbeit mit Russland „auf Augenhöhe“ orientierte Außenpolitik gar nicht in Frage.
Für sie ging es fortan darum, die Satellitenstaaten der kollabierten UdSSR in ihren Interessenraum zu integrieren, um auf dem eurasischen Schachbrett vollendete Tatsachen zu schaffen. Sie allein wollten den Gang der Geschichte bestimmen und waren fest entschlossen, ihre Einflusszonen unter geostrategischen Gesichtspunkten maßgeblich in Eurasien sowie dem Nahen und Mittleren Osten zu erweitern. Bereits die NATO-Gründung, vor allem jedoch die NATO-Erweiterungsrunden nach 1999 sowie alle Aufrüstungsschritte der NATO-Staaten, stehen in direktem Zusammenhang zur US-Strategie der Weltherrschaft und können nicht getrennt davon betrachtet werden.
Im Westen nichts Neues: alte und neue Weltbeherrschungsideologie
Die Zerstörung Jugoslawiens, die NATO-Osterweiterungen, das mediale Kesseltreiben gegen Russland und den „bösen Putin“, die zahllosen Militärmanöver unter anderem an den russischen Grenzen, die Zerlegung der Länder des Nahen und Mittleren Ostens, die erneute Aufrüstung der NATO und das permanente Anfachen von Konflikten gehören zu einem Handlungsensemble. Das bislang größte NATO-Militärmanöver mit circa 50.000 Soldaten seit den 1980er-Jahren, Trident Juncture, fand zwischen dem 25. Oktober und dem 7. November 2018 in Norwegen statt.
Insgesamt fanden 2018 über 106 NATO-Übungen und 180 nationale und multinationale Übungen der Verbündeten statt. Im Jahr 2017 führte die NATO 108 Übungen durch, und die Verbündeten hielten 162 nationale und multinationale Übungen ab.
Gemeinsam mit der irrwitzigen Aufrüstung — inklusive Raketenabwehrkomplexen in Polen und Rumänien — dient diese Strategie in Europa einem Ziel: Russland wirtschaftlich zu ruinieren, tot zu rüsten und schließlich zu erobern. Darüber hinaus sind die NATO-Erweiterungsrunden umfassender zu sehen. Die NATO-Expansion der post-1990-Ära folgt der Weltbeherrschungsagenda der USA und seines Anhängsels Großbritannien, aber auch den sub-imperialistischen Ambitionen der EU mit ihren Haupttreibern in Berlin und Paris. Die NATO verschafft sich ferner über „Partnership for Peace“-Abkommen Zugang zu Staaten, die dem transatlantischen Bündnis nicht angehören, um so ihre Einflusszonen systematisch zu erweitern.
Grundlage der US-Weltbeherrschungsideologie ist der marktradikale Kapitalismus und sein Zwang zur steten imperialistischen Ausdehnung sowie zur „Integration“ neuer geopolitischer Räume in sein Einflussgebiet.
Dieser Anspruch auf Weltherrschaft wurde in dem Report des Nationalen Sicherheitsrates an Präsident Truman nach dem Zweiten Weltkrieg revitalisiert: Die „United States Objectives and Programs for National Security“, NSC-68, gilt als „die Bibel der amerikanischen Sicherheitsstrategie nach 1950 und umfassendste Stellungnahme der neuen Ideologie, die die amerikanischen Führer“ in der Ära des Kalten Krieges anleitete. Die Ideologie der US-Weltdominanz durchzieht diesen Report wie alle späteren nationalen Sicherheitsstrategien bis zum heutigen Tage.
Sie rechtfertigte alle verbrecherischen Herrschaftspraktiken im Namen von „Demokratie und Freiheit“, einschließlich der „Intensivierung positiver und zeitgemäßer Maßnahmen und Operationen mit verdeckten Mitteln in den Bereichen Wirtschaftskrieg sowie der politischen und psychologischen Kriegsführung, um Unruhen und Revolten in ausgewählten strategischen Satellitenländern zu schüren und zu unterstützen.“
Da den USA und den NATO-Staaten mit dem Zusammenbruch der UdSSR nach 1990 der Feind und der Kalte Krieg abhandenkamen, brauchten sie für ihre Militärapparate neue Aufgaben und Legitimationen. Die Vorbereitungen hierzu schufen sie im Zeitraum bis etwa 1998. Ihre neue Geostrategie der Expansion war in Umrissen jedoch schon zur Mitte der 1990er-Jahre konzipiert. Sie basiert auf Machtzuwachs und Expansion in die ehemaligen UdSSR-Satellitenstaaten, um immer neue Länder in den eigenen Machtbereich aufzusaugen.
Der alte Kalte Krieg des abgeschlossenen Systemkampfes Kapitalismus gegen Kommunismus wurde ab etwa 2000 in ein neues ideologisches Gehäuse umgebettet und als Kalter Krieg 2.0 gegen das „aggressive Russland Putins“, gegen die „Terroristen“ und neuerlich gegen China fortgeführt. Die Weltbeherrschungsstrategie der USA und ihres transatlantischen NATO-/EU-Anhangs umfasst seit dem totalen Sieg des Kapitalismus 1990 folgende Komponenten, die hier nur kurz genannt werden:
- die NATO-Osterweiterung in mehreren Schritten und Aggressionsphasen, 1999, 2004, 2009, 2017
- die EU-Erweiterungen, 1995, 2004, 2007, 2013
- die Radikalisierung des außenpolitischen Establishments der USA durch neokonservative Cliquen,
- die systematische Revitalisierung Russlands als neuer Feind ab etwa 2000
- den „war on terror“, formal seit 2001, den ideologischen Hintergrund formulierte Huntington in „Clash of Civilizations“
- die Greater Middle East Initiative zur Beherrschung des ölreichen Nahen und Mittleren Ostens
- den Schwenk nach Asien (Pivot to Asia) unter Obama seit 2012, um den neuen Feind China ins Visier zu nehmen
- den Kampf der Herrschaftscliquen gegen die eigenen Völker durch Massenverdummung (information warfare), Totalüberwachung und Aufstandsbekämpfung
- die Instrumentalisierung der Massenmigration unter anderem als „Herrschaftstechnik nach Innen“.
Transformation der Sprache in der neoliberalen Propaganda
Der totalen Herrschaft des „Marktes“ und seiner Akteure gehen die Transformation der Sprache und die Umdeutung von Begriffen voraus. Bei Pierre Bourdieu liest sich diese Strategie folgendermaßen:
„Wenn die politische Arbeit im Wesentlichen eine Arbeit vermittels Worten ist, heißt das, dass die Worte dazu beitragen, die soziale Welt zu erzeugen. [...] In der Politik ist nichts realistischer als der Streit um Worte. Ein Wort an die Stelle eines anderen setzen heißt, die Sicht der sozialen Welt zu verändern und dadurch zu deren Veränderung beizutragen.“
Die Begriffe wurden im Informationskrieg ihrer ursprünglichen Bedeutung beraubt und mit neuen Inhalten gefüllt.
- Die Herrschenden reden von Demokratie, meinen jedoch die Sicherung ihrer Oligarchenherrschaft und die pseudo-Partizipation der breiten Massen durch Scheinwahlen.
- Freiheit wurde zum Kampfbegriff und meint die Freiheit der Herrschaftscliquen zur hemmungslosen Selbstbereicherung.
- Freie Märkte sind die von allen ethisch-moralischen Verpflichtungen freigestellten Märkte, in denen sich das internationale Anlagekapital an flexibilisierten Arbeitskräften und vagabundierenden Arbeitssklaven bereichert und daran, dass Umweltschäden als „externalisierte Kosten“ in keiner betriebswirtschaftlichen Gesamtrechnung auftauchen.
- Reformen sind das millionenfach wiederholte neoliberale Mantra zur Zerstörung des Sozialstaats und damit der Demokratie.
- Der Rechtsstaat wurde im Zuge kollabierender Gewaltenteilung zum Unrechtsstaat, der zum Beispiel Wirtschafts- und Regierungskriminelle weitgehend straffrei stellt. So laufen alle Kriegsverbrecher der seit 9/11 geführten Kriege noch frei herum. Unrecht wurde dergestalt „verrechtlicht“, dass diese Verbrecher nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.
- Menschenrechte werden von den westlichen Scheineliten durch Kriegsvorbereitungen und Krieg ad absurdum geführt.
- Ein weiterer „Klassiker“ im Reich orwell'scher Begriffsverwirrung ist die Phrase „Verantwortung übernehmen“. Denn die selbsternannten Verantwortungsträger übernehmen generell keine Verantwortung für die Folgen der von ihnen verursachten Schäden durch Sanktionen, „Bankenrettungen“, Kriegstreiberei und Kriege.
- Hinzu tritt das innige Bekenntnis der Herrschafts-Cliquen, sich für den „Kampf gegen den Terrorismus“ wappnen und diesen weltweit bekämpfen zu müssen, während sie in wechselnden Koalitionen die Terroristen an allen Fronten ausbilden und unterstützen.
Das bedeutet: Die Umdeutung von Begriffen ist die Voraussetzung für die Eroberung von Ländern. Die Transformation der Sprache dient PR-Agenturen, Spinndoktoren, Regierungssprechern und Herrschaftsmedien zur professionellen Gehirnerweichung ihrer Adressaten. Darum werden Milliarden in die Massenverdummung investiert, die integraler Bestandteil der weltweiten Kriegführung ist. Die gewendeten Begriffe und unzähligen Phrasen sind die Insignien des modernen Imperialismus und Eliten-Faschismus.
„Tiefer“ Kriegsstaat USA auf weltweitem Kreuzzug
Die gesamte US-Gesellschaft ist mit Schusswaffen und Gewaltobsessionen epidemischen Ausmaßes durchseucht und vom Militarismus durchdrungen. Damit nicht genug: In der Breite der US-amerikanischen Gesellschaft wirkt eine tief verankerte missionarisch-kriegerische Überlegenheitstheologie. Darum ist es auch kein Zufall, dass Kriegstreiber wie John McCain in weiten Teilen der US-amerikanischen Gesellschaft hohes Ansehen genießen.
Tief verinnerlichte Wahnvorstellungen und groteskes Sendungsbewusstsein auf der Grundlage der Manifest Destiny treibt die US-amerikanische Führungskaste dazu, für vermeintlich höhere Werte alle nur erdenklichen Verbrechen gegen andere Völker zu begehen und diese für gerechtfertigt zu halten.
„Die Mythologie, die um den 11. September herum geschaffen wurde, war in ihren Themen überwiegend christlich. Der Tag wurde in das politische Äquivalent eines heiligen Kreuzigungstages, eines Martyriums verwandelt, das mehrere Funktionen erfüllte: als Grundlage einer politischen Theologie, als Gemeinschaft um den mystischen Körper einer kriegerischen Republik, als Warnung vor politischem Glaubensabfall, als Heiligung des Führers der Nation und dessen Transformation […] in ein Instrument der Erlösung. Dies, um die Glaubensgemeinschaft gleichzeitig an eine Kriegsmilitanz zu erinnern, die sie zu unkritischer Loyalität und Unterstützung auffordert und zur Teilnahme an einem Sakrament der Einheit und an einem Kreuzzug zur ‚Befreiung der Welt vom Bösen‘ aufruft.“
Mit dem gigantischen US-Budget in Höhe von mehr als 1 Billion US-Dollar in 2018 — schwarze, inoffizielle Budgets nicht berücksichtigt — finanzieren die USA ihren finanzkapitalistisch-staatsterroristisch-militärisch-industriellen Kommunikations-Komplex (FSMIKK). Der besteht in erster Linie aus dem Pentagon, dem Department of Homeland Security, den 17 Geheimdiensten, den privaten Sicherheitsapparaten, tausenden Kontraktfirmen und dem Propagandakomplex der Systemmedien. Die Führungsmacht der NATO ist ein oligarchisch-plutokratischer Kriegsstaat. Sie erfüllt alle Kriterien einer fassadendemokratischen Militärdiktatur, da die Herrschaftskasten die Demokratie vollends zu einem Schmierentheater umfunktioniert haben.
Weite Teile der Finanzindustrie sowie von Kongress und Senat, neokonservative Think Tanks und Universitätsinstitute gehören ebenfalls zum FSMIKK. Der FSMIKK und seine Netzwerke sind der Tiefe Staat, und dieser Tiefe Staat ist die permanente, die eigentliche Regierung, die der Bürger durch Wahlen nicht beeinflussen kann. Das heißt: die maßgeblichen Akteure sind weder wählbar noch abwählbar. Die Zivilgesellschaft ist die Geisel dieses Tiefen Staates. Sie hat den Macht- und Kriegsterror der herrschenden Klasse und dessen Folgen zu finanzieren und zu erleiden. Alles verläuft getreu nach dem Prinzip, wie Henry Kissinger es formulierte: „Das Illegale tun wir gleich. Das Verfassungswidrige dauert ein wenig länger.“
Wissenschaftler des Projekts „The Cost of War“ am Watson Institute für Internationale und Öffentliche Angelegenheiten der Brown Universität, Rhode Island, kommen zu dem Ergebnis, dass die von 2001 bis 2018 geführten US-Kriege in Irak, Syrien, Afghanistan und Pakistan sowie die post-9/11 “Global War on Terror“-Kriege 5,632 Billionen US-Dollar kosteten, inklusive der Kosten für die Veteranenversorgung und die Homeland Security. Bis 2056 kommen voraussichtlich noch Zinsen in Höhe von 7,9 Billionen hinzu. Bemerkenswerterweise waren alle post-9/11-Kriege Schulden-finanziert. Die Schulden werden die USA niemals zurückzahlen, geschweige denn Kompensationen für die angerichteten Schäden leisten.
Tatsächlich geht es im marktradikalen Kapitalismus um den uneingeschränkten Zugriff auf Ressourcen, besonders auf Öl und Gas, auf die Transportwege sowie um deregulierte Investitionsräume für das internationale Anlagekapital und Warenabsatzmärkte.
Erklärte Politik der USA ist, wie wir vom Geostrategen George Friedman wissen, einen Cordon Sanitaire von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer zu errichten, um gut nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Russland und Deutschland zu verhindern.
Das deutsche, opportunistische, parteiübergreifende außenpolitische Establishment hat diese US-oktroyierte Politik als einzig mögliche Wahrheit internalisiert. Neben Russland gerät aber auch China immer stärker ins Fadenkreuz der transatlantischen Eroberer.
Das NATO-Kriegskartell folgt weiter unbeirrt dem verheerenden Kurs der „einzigen Weltmacht“ USA. Dazu gehört, dass die Trump-Administration im Herbst 2018 das Iran-Atomabkommen und den INF-Vertrag gekündigt hat. Allererste zarte europäische Absetzbewegungen entzünden sich allein am Rüpelverhalten Trumps. Gegen die Drohnenmord- und Kriegspraxis „humanitärer Interventionen“ seines Vorgängers Obama hatten das EU-Kartell und die entpolitisierte Zivilgesellschaft nichts einzuwenden. Im Gegenteil, man verstand sich bestens und so diskutierten Obama und Merkel im Rahmen des evangelischen Kirchentages im Mai 2017 meilenweit an den Realitäten ihrer Kriegspolitik vorbei, unter dem Motto: „Engagiert Demokratie gestalten: Zuhause und in der Welt Verantwortung übernehmen.“
Neokonservative Think Tanks
Der US-Imperialismus war stets von zahlreichen Geheimdienst- und NGO-gesteuerten Destabilisierungs- und Regimewechsel -Operationen begleitet, unter anderem in Iran, Indonesien, Georgien, der Ukraine, zahlreichen arabischen Staaten, in Mittel- und Südamerika. Ziel all dieser Operationen war die Installation Freimarktkapitalismus-freundlicher, westlich-orientierter Regime und Militärdiktaturen an den Schaltstellen der Macht bei gleichzeitiger Bekämpfung aller „sozialistischen Umtriebe“.
Nach dem scheinbaren Ende des Kalten Krieges brachten die zahlreichen neokonservativen, von Superreichen finanzierten Think Tanks die USA auf einen neuen Konfrontationskurs gegen die Russische Föderation. Damit gelang es ihnen, in den USA eine neue Ära der Hochrüstung einzuleiten und die NATO auf den alten und nunmehr wieder neuen Feind Russland einzuschwören.
Auf dem NATO-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in der lettischen Hauptstadt Riga vom 28. bis 29. November 2006 verkörperte kein anderer den Geist dieser Veranstaltung besser als der seinerzeitige NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer:
„Ich möchte dem German Marshall Fund, der lettischen Transatlantischen Organisation, der Kommission für strategische Analyse und der Abteilung für öffentliche Diplomatie der NATO für die Einrichtung dieses beeindruckenden Treffens sowie Präsidentin Vaira Vike-Freiberga für die Ausrichtung dieses Galadinners an einem so exquisiten Ort herzlich danken. Ich denke, dass hier ein besonderes Wort der Dankbarkeit an Craig Kennedy, Ron Asmus und den German Marshall Fund angebracht ist. Es gibt einfach keinen anderen großen Think Tank, der mehr getan hat, um eine starke und gesunde transatlantische Beziehung zu fördern.
So ist beispielsweise das Brüsseler Forum zu einem unverzichtbaren transatlantischen Marktplatz für Ideen geworden. Und der Erfolg der vorangegangenen Think-Tank-Konferenzen auf unseren jüngsten Gipfeln hat dieses Format bereits zu einer geschätzten Tradition gemacht. […] Ich glaube fest an die Interaktion zwischen den Praktikern auf der einen Seite und den Think Tanks und der Wissenschaft auf der anderen Seite. Unsere Sicherheitsumgebung ist viel zu komplex, um zu glauben, dass sich die Praktiker einfach auf ihre eigene Erfahrung verlassen können. Ohne das Fachwissen — und die gelegentliche Provokation — von Think Tanks würden wir Praktizierende schnell den Überblick verlieren. Wir sind auf den stetigen Strom frischer Ideen angewiesen, auch wenn wir es nicht immer zugeben. […]
Doch mit Missionen und Operationen auf drei Kontinenten mit 50.000 Mann starken Truppen, mit neuen Fähigkeiten und mit neuen globalen Partnern sorgt die NATO für Sicherheit auf neue Weise und an neuen Orten. Und mit ihrem Engagement für den Dialog zwischen den Bündnispartnern und mit der Think-Tank-Welt erwirbt die NATO auch das intellektuelle Instrumentarium, das sie braucht, um sich in einem immer komplexeren Sicherheitsumfeld durchzusetzen.“
Besser kann man seine eigene Überflüssigkeit gar nicht umschreiben und die besondere Rolle der neokonservativen Think Tanks nicht hervorheben. Diese Denkfabriken ersinnen stets neue Bedrohungen, um den parasitären, militaristischen Komplex am Leben zu erhalten, der nach 1990 auf dem Müllhaufen der Geschichte hätte entsorgt werden müssen. Der Publizist Peter Scholl-Latour bezeichnete den Austragungsort Riga seinerzeit als „Provokation“.
„Die NeoCons wollten, dass die Vereinigten Staaten als alleinige Supermacht über ein weltweites Imperium herrschen.“
Die neokonservativen Think Tanks sind auch der entscheidende Personal-Pool für alle bedeutenden Ämter in Außen- und Verteidigungspolitik. Hierbei spielt der Council on Foreign Relations seit Jahrzehnten eine führende Rolle. Einige wichtige neokonservative Think Tanks außerhalb des Pentagon und der CIA mit zum Teil europäischen und deutschen Niederlassungen sind:
AEI, American Enterprise Institute,
AFPC, American Foreign Policy Council,
AIPAC, The American Israel Public Affairs Committee,
Aspen Institute,
Atlantic Council,
Brookings-Institution,
CAP, Center for American Progress,
CATO-Institute,
CEIP, Carnegie Endownment for International Peace,
CFR, Council on Foreign Relations,
CSBA, Center for Strategic and Budgetary Assessments,
CSIS, Center for Strategic and International Studies,
FPRI, Foreign Policy Research Institute,
Heritage-Foundation,
Hudson Institute,
ICG, International Crisis Group (Soros-Ableger),
ISW, Institute for the Study of War,
NDI, National Democratic Institute (NED-Ableger/CIA-Ableger),
NED, National Endownment for Democracy (CIA-Ableger),
New America,
PNAC, später CNAS Center for a new American Security,
Rand Corporation,
SSI, Strategic Studies Institute of the US Army War College,
The Stimson Center,
Trilaterale Kommission
WINEP, The Washington Institute fof Near East Policy.
Sanktionen und Erpressungen
Am 5. November 2018 traten die zuvor ausgesetzten US-Sanktionen gegen den Iran wieder voll in Wirkung, nachdem Präsident Trump am 8. Mai den Rückzug der USA aus dem nach 13-jährigen mühsamen Verhandlungen im Januar 2016 erreichten Iran-Atomabkommen ausstieg. Dieser Ausstieg erfolgte unter fadenscheinigen Vorwänden. Selbst die US-Geheimdienstchefs konnten keinerlei Verstöße Irans gegen das Abkommen feststellen. Mit den Sanktionen gegen Iran erpressen die USA europäische Unternehmen. Diese müssen sich nach Inkrafttreten der Sanktionen entweder für Geschäfte mit den USA oder mit dem Iran entscheiden. Faktisch bedeutet dies, dass die wirtschaftspolitische Souveränität der EU reine Fiktion ist. Alle verhalten sich so, wie es der Hegemon von ihnen erwartet.
„Tatsächlich haben sich europäische Staaten, einschließlich der neutralen Schweiz, in der Vergangenheit gesetzlichen Übergriffen der USA meistens unterworfen – sogar ohne großen Protest seitens der Regierungen. Diese akzeptieren, dass einige US-Gesetze und US-Erlasse ‘extraterritorial’ gelten, also auch in der EU und in der Schweiz. Diese fordern nicht einmal ein Gegenrecht.“
Darüber hinaus ist durch den Ausstieg der USA aus dem Iran-Atomabkommen ein Krieg gegen den Iran, den Israel und Saudi-Arabien so sehnlich wünschen, wahrscheinlicher geworden.
Erwünschter Sekundäreffekt sämtlicher, weit über den Iran hinausreichender US-Sanktionen, zum Beispiel auch gegen Russland, ist die Schwächung der europäischen Wirtschaft. Gegen Russland haben die USA seit 2011 62 Mal Sanktionen ausgesprochen. Darüber hinaus sind 2014 auch die EU und weitere Länder auf den Sanktionszug aufgesprungen, um Russland für sein Verhalten in der Ukrainefrage und der Übernahme der Krim abzustrafen. Dass die USA und die EU den Putsch in der Ukraine Ende 2013/Anfang 2014 inszenierten, berücksichtigen die politischen Ignoranten und Kriegstreiber nicht. Tatsache ist, dass die politischen Führungen der EU-Staaten mit den Sanktionen ihren eigenen Mittelstand massiv beschädigen. Die USA sind davon kaum selbst betroffen, da ihr Handelsvolumen mit Russland nicht von Bedeutung ist. Nach Aussagen des russischen Außenministers Lawrow soll der wirtschaftliche Schaden für die EU-Staaten mehr als 100 Milliarden Euro betragen, wobei etwa 40 Prozent des Schadens auf Deutschland entfallen.
In Europa lehnen sich die politischen Herrschaftscliquen Englands, Polens und des Baltikums besonders stark an die aggressive US-amerikanische Außenpolitik an. In ihrer Rolle als hysterisch-russophobe Transatlantiker werfen sie sich gegenseitig die Bälle zu und drehen immer weiter an der Eskalationsschraube. Die polnische Führung drängt die USA Ende 2018 dazu, auf ihrem Territorium einen Militärstützpunkt zu errichten. Darüber hinaus planen die USA den Aufbau weiterer Militär- und Geheimdiensteinrichtungen in Deutschland, Polen, der Tschechischen Republik, Belgien und den Niederlanden im Wert von einer viertel Milliarde US-Dollar.
Die skandalöse Einmischung der USA in innereuropäische und einzelstaatliche Angelegenheiten schreitet damit immer weiter voran. Einen Gipfel erreicht die Einmischung in die Causa Nord Stream 2. So legte der US-Kongress am 11. Oktober 2018 den Gesetzentwurf „European Energy Security and Diversification Act“ zur Reduzierung der russischen Gaslieferungen an die EU vor. Ziel ist, mit vorwiegend polnischer Schützenhilfe das Nord Stream-2-Projekt zu Fall zu bringen und den Europäern mit Erpressermethoden teures Fracking-Gas (LNG) in den Energiemarkt zu drücken.
„Laut TASS sieht das Dokument die Bereitstellung einer Milliarde US-Dollar zur Finanzierung von Projekten zur Nutzung neuer Energiequellen in der EU sowie die Bereitstellung diplomatischer und technischer Hilfe für die Europäische Union zwischen 2019 und 2023 vor. Das Gesetz zieht Maßnahmen für eine Reihe von US-Regierungsstellen in Betracht, um private Investitionen der USA in strategisch wichtige Energieprojekte in Mittel- und Osteuropa zu unterstützen.“
Faktisch richtet sich dieser reale Wirtschaftskrieg nicht nur gegen den erklärten Feind Russland, sondern auch gegen die sogenannten Bündnispartner. Diese haben ausschließlich das umzusetzen, was die „Kolonialmacht“ von ihnen erwartet. Dem Präsidenten stehen „viele andere Instrumente zur Verfügung, um zu versuchen, das Projekt einzudämmen und zu stoppen.“*
Seit 2017 gestattet das Gesetz „Countering America's Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA)“oWashington, Firmen mit Sanktionen zu belegen, die sich an russischen Gas-Pipelines beteiligen.
„Es gibt noch eine weitere geostrategische Sicht auf das, was vor sich geht. Viele russische Analysten glauben, dass es bei einer langfristigen US-Strategie nicht um einen Kampf um den Gasmarkt (europäisch oder gar global) als solchen geht, sondern um seine Transformation in Analogie zum aktuellen Ölmarkt. Ziel Washingtons ist es, so viele bestehende und im Bau befindliche Gaspipelines zu blockieren, damit der größte Teil des Gases in Form von LNG auf dem Seeweg transportiert wird.“
Im Hintergrund steht also das Ansinnen der USA, die Kontrolle über den Welt-Gasmarkt zu erreichen, Verkäufern und Käufern die Bedingungen zu diktieren und den Energiemarkt der Welt an den US-Dollar zu binden. Grotesk ist, dass 80 Prozent der europäischen Energieimporte in Höhe von jährlich etwa 300 Milliarden Euro in US-Dollar abgerechnet werden, obwohl nur 2 Prozent aus den USA kommen.