Kakofonie des Korporatismus
Die Hymne der neuen Normalität ist eine Melange aus Neusprech, Propaganda-Parolen und antidemokratisch-autoritärer Rhetorik. Teil 2/2.
Ein rauer Ton — das ist der Soundtrack der „Zeitenwende“. Eine düstere Dissonanz, die wie eine stehende Welle über dem Land hängt. Über der gesamten Zivilisation. Ein Arrangement destruktiver Störfrequenzen, das aus kupierten Debattenräumen bis in die letzten Winkel des maroden zivilgesellschaftlichen Resonanzbodens trägt, um die Fundamente von Humanismus, Aufklärung und souveräner Autonomie zu malträtieren. Konzertierte, amplifizierte Disruptionen, deren normativen Transformationsprozessen seit Proklamation der vermeintlichen Jahrhundert-Pandemie niemand mehr zu entkommen vermag. Nicht dass dieser mit einem enervierenden Tinnitus assoziierbare Missklang, diese Kakofonie apokalyptischer Arien ein Novum darstellt — das Crescendo lässt sich, folgt man der Spur des Geldes, über Dekaden rekonstruieren —, doch wurden sich viele seiner erst mit Etablierung des übergriffigen COVID-Infektionsregimes im März 2020 gewahr, als das ohrenbetäubende Schweigen von Justitia und Vierter Gewalt nicht mehr zu überhören und die Tyrannei zu Hause angekommen war.
Unweigerlich steht die Frage im Raum, wie sich solch groteske Verhältnisse zementieren konnten und warum sich über Generationen hinweg nichts daran geändert hat. Wann hätten die vielen intervenieren müssen, um dem von wenigen diktierten technokratischen Neofeudalismus von heute Einhalt zu gebieten?
500 Jahre vor Christus, als Solon die Attische Demokratie reformierte, um repräsentative Herrschaft salonfähig zu machen? Obwohl diese schon im antiken Griechenland wenig mehr als eine Kosten-Nutzen-Analyse der Athener Eliten war, die Stand und Macht vor heraufziehenden Revolutionen bewahren wollten.
Einige Jahrhunderte später, um die Dominanz von Klerus, Hochadel, Erbmonarchie und Kolonialismus zu brechen? Im 17. Jahrhundert, als das englische Königshaus reichen Kaufleuten Sonderrechte gewährte, um die British East India Company zu formieren, die fortan Korporationsgesetze erlassen, den Indischen sowie den Pazifischen Ozean kontrollieren und dem angelsächsischen Wirtschaftsimperialismus mit aller Brutalität Geltung verschaffen durfte?
Mitte des 18. Jahrhunderts, als in Europa Bankiersdynastien von nie dagewesenem Einfluss und Reichtum entstanden, die aus Profitgier bis in die Gegenwart Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gegeneinander ausspielen, was sie, wie beispielsweise hinsichtlich der Schlacht von Waterloo oder der zäsierenden Balfour-Erklärung, mit stolz geschwellter Brust in Familienarchiven dokumentieren?
Hätte man Cecil Rhodes stoppen müssen, den rassistischen Kolonialisten, mächtigsten Mann seiner Zeit und Gründer von De Beers, dem die britischen Kolonie „Rhodesien“ ihren Namen verdankt? Scheinen doch speziell seine testamentarisch überlieferten Pläne zur Etablierung einer angloamerikanisch dominierten Weltordnung über Round-Table-Gruppen und ein Ponzi-Zentralbanken-Schema bis dato durchaus Früchte getragen zu haben. Der renommierte Historiker Caroll Quigley, der als Professor an den Elite-Universitäten Harvard und Princeton lehrte, schrieb über diese mafiösen Umtriebe in seinen Werken „Tragedy and Hope“ und „The Anglo-American Establishment“:
„Diese Junta übernahm in den ersten zwei Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts die Kontrolle über das politische, finanzielle und kulturelle Leben Amerikas. (…) Dieses System sollte auf feudalistische Weise von den Zentralbanken der Welt kontrolliert werden, die gemeinsam handelten (…). Die Spitze des Systems sollte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel sein, eine Privatbank im Besitz und unter der Kontrolle der Zentralbanken der Welt, die selbst Privatunternehmen sind. (…) Auf dieser ursprünglich finanziellen Grundlage (…) entstand im 20. Jahrhundert zwischen London und New York ein Machtgefüge, das tief in das Universitätsleben, die Presse und die Praxis der Außenpolitik eindrang.“
Hätte man der kognitiven Devolution, dem unsichtbaren Gefängnis, zu dem das Habitat des Homo sapiens seither avancierte, im Jahr 1919 entgegenwirken können, als Howard Scott in New York die Technokratie-Bewegung gründete, die sich anschickte, den Planeten über den Energieverbrauch all seiner Systeme — dazu gehört nach Ideologie der Technokraten auch der Mensch — steuern zu können? Ist dies doch das Kernziel der seit 1972 vom Club of Rome aufmunitionierten Klima-Apokalyptiker, die sich dieser Tage anmaßen, die Individualmobilität der Menschheit über CO₂-Tracking einschränken zu wollen.
Vielleicht war Huxleys „Schöne neue Welt“ de facto schon Realität, als Richard Nixon 1972 Mao Zedong besuchte, dessen Aufstieg zum „Überragenden Führer“ von der US-Elite-Universität Yale finanziert wurde — und den die Kaderschmiede in der hauseigenen Postille Yale Daily News bis heute als „Alumnus“ bezeichnet. Denn was Nixon und Kissinger dem Massenmörder offerierten, war keine ökonomische „Öffnung gen Westen“, sondern das technokratische Herrschaftsmodell. Noch vor Abschluss des ersten Handelsabkommens mit Peking begannen US-Konzerne, die entsprechende Infrastruktur im Reich der Mitte aufzubauen, um China zu einem Pilotprojekt für die gläserne Gesellschaft der Zukunft zu machen.
„Die Erfindungen für Menschen werden unterdrückt, die Erfindungen gegen sie gefördert“, gab schon Bertolt Brecht zu bedenken. 1998 griff die Washington Post das Thema auf, als bekannt wurde, dass US-Firmen geheime Raumfahrttechnik illegal in die Volksrepublik transferierten. Im darauffolgenden Jahr lieferte die US-Außenhandelsbehörde eine detaillierte Studie zu den sicherheitspolitischen Risiken der heimlichen Technologietransfers sowie den astronomischen Summen, die US-Konzerne und internationale Oligarchie nach China verschoben. Die Speerspitze dieser Aktivitäten bildete die Rockefeller-Dynastie, die zudem federführend bei der Gründung der Vereinten Nationen (UN), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Council on Foreign Relations (CFR) war. Selbst das Filet-Grundstück am New Yorker East River, auf dem heute das UN-Hauptgebäude steht, war eine „Spende“ der Bankiersfamilie.
Das Rockefeller-Imperium reckte seine Tentakel weit vor allen politischen Gesandten in Richtung China. Die deutschstämmige Familie, deren Wurzeln bis ins Jahr 1590 zurückdatieren, engagiert sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts auffällig intensiv für die „demokratische Diktatur des Volkes“. Das belegen Archive des Rockefeller Brothers Fund. Schon 1917 stiftete der Industriemagnat John D. Rockefeller, der selbstredend auch beste Verbindungen zu Yale pflegte, China eine Schule. Er machte exakt zu der Zeit erstmals im drittgrößten Land der Welt von sich reden, als die Kommunistische Partei gegründet wurde. Entsprechend führt die in tadellosem Ruf stehende Wissenschaftspublikation The Lancet in einem Beitrag vom 11. Mai 2013 aus, dass niemand in den vergangenen 100 Jahren mehr Einfluss auf dem Feld „Globale Gesundheit“ hatte als die Rockefeller-Stiftung. Gleiches gilt indes für vielerlei Branchen. Das bis ins Jahr 1910 zurückreichende Archiv der diskret operierenden Stiftung zeigt, welch ungeheuerliche Einflusssphären sich diese binnen eines Jahrhunderts erschloss.
„Manche glauben, wir seien Teil einer geheimen Verbindung, welche gegen die besten Interessen der Vereinigten Staaten arbeitet; sie charakterisieren meine Familie und mich als Internationalisten und behaupten, dass wir uns weltweit mit anderen zur Errichtung einer global integrierten, politisch-wirtschaftlichen Struktur verschworen haben (…). Wenn das die Anklage ist, bekenne ich mich schuldig, und ich bin stolz darauf“ (David Rockefeller, Memoiren — Erinnerungen eines Weltbankiers, 2002).
Hätte man demzufolge einfach überbordenden Reichtum verhindern müssen? Oder die illiberale Gegenwart im Jahr 1930 noch hintertreiben können, als die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die in Basel auf exterritorialem Gebiet residiert, von einem generationsübergreifend strategierenden Netzwerk internationaler Hochfinanz gegründet wurde? Oder 1944, als die gleiche Clique in Bretton Woods das aktuelle Fiat-Finanzsystem ersann, Internationaler Währungsfonds (IWF) sowie Weltbank entstanden und entfesselte „Economic Hit Men“ antraten, die Welt monetär zu unterwerfen? Seither hat das internationale Bankenkartell nämlich unmissverständlich unter Beweis gestellt, welch deterministische Verhandlungsgegenstände es verfolgt. Dass sich an diesem Kurs wenig ändern wird, au contraire, lassen diverse Aktivitäten der BIZ vermuten. Zum Beispiel Projekt Helvetia, ein „Proof of Concept“ im Bereich digitale Zentralbankwährung (CBDC, Central Bank Digital Currency), oder Projekt Viridis, eine Plattform für klimabezogenes Risikomanagement, die Finanzbehörden künftig nutzen sollen.
Wie dem auch sei: Niemand trat den vorgängig benannten Entwicklungen bisher mit ausreichender Wucht entgegen. So hat die Menschheitsfamilie vermutlich die Regierungen, die sie verdient, wie Joseph de Maistre es formulierte. Quod erat demonstrandum. Was früher unter Klerus, Adel, Aristokratie oder Feudalwesen firmierte, existiert noch immer. In Form von Kapitalakkumulation, intransparenten Beteiligungsstrukturen, Technokratie und korporatistischer Global Governance, verkleidet in philanthrope Camouflage. Die moderne Pseudodemokratie ist ein Trojanisches Pferd. Ein Potemkinsches Dorf. Fantasterei — wie die Vision vom freien, menschenwürdigen Leben in Smart Cities, wo prädiktive Software den Homo demens endgültig von der Bürde der informierten Entscheidungsfindung erlöst. Ja, der als Tiefenstaat bezeichnete Opponent freiheitlich organisierter Zivilgesellschaften mag derzeit vordergründiger Akteur sein — der Beelzebub —, Bürokraten, Judikative und Exekutive die Handlanger, das Weltwirtschaftsforum die PR- und Projektmanagement-Abteilung. Doch gibt es allen Grund zur Annahme, dass die Langfristplanung, die „Roadmap“ geopolitischer Tyrannei nach wie vor durch Zirkel definiert wird, die sich nicht um politische Strömungen scheren. Von Kreisen, die nicht in elektoralen Zyklen denken.
Angesichts dieser Umstände fordern sich Freiheitsdrang und Aktionismus fruchtlos heraus, wenn supranationalem technokratischen Korporatismus mit Mitteln repräsentativer Demokratie auf nationaler Ebene Einhalt geboten werden soll. Kein Parlament, keine Partei und keine Oppositionsbewegung wird das System mit von ihm zur Verfügung gestellten Werkzeugen signifikant ändern. Wenn demokratische Prozesse oder Wahlen das könnten, wären sie verboten. So erhärtet sich ausgangs die Hypothese, dass „Geschichte die Menschen lehrt, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt“ (Mahatma Gandhi). Sie lassen sich düpieren. Obwohl die Machtergreifung faschistischer Triumvirate in Europa, das historische Korrelat zur Gegenwart, weniger als ein Jahrhundert zurückliegt, grassiert nonchalante Geschichtsvergessenheit. „Vernunft ist die Fähigkeit, objektiv zu denken“, notierte Erich Fromm — das jedoch scheinen viele Mitmenschen aufgegeben zu haben. Umso dringender gilt zu eruieren, wie sich der „Spiritus liber“ aus den Fängen eines Herrschaftsmodells winden kann, wenn diesem nicht mehr durch das simple Überqueren einer Landesgrenze zu entkommen ist, die Freiheit nicht mehr einfach hinter einer Mauer im Westen wartet.
Wenn Kollektivismus das Individuum usurpiert, Ideologie Ratio eliminiert, Doppelmoral Ethos ersetzt und Humanismus von Gutmenschentum daniedergemeuchelt wird, bedarf es neuer Lösungen und Organisationsformen. Man muss dem System nicht räumlich entkommen, sondern mental — indem man prädiktive Denkschablonen und Lebensentwürfe boykottiert. Indem man unumstößlichen Überzeugungen folgt anstatt kognitiven Dissonanzen im intellektuellen Souterrain. Indem man digitalen Abolitionismus lebt. Detox — nicht Revisionismus. Als Hasardeur des eigenen Plots. „Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen“, forderte Antoine de Saint-Exupéry. Darauf sollte der Fokus des Widerstands im Griff der „Zeitenwende“ liegen — auf der Etablierung von Alternativen zu Fiat-Geld, Fassadendemokratie, Sozialismus, Kommunismus oder Faschismus. Denn im Ergebnis stehen alle diese Konzepte für ein und dasselbe: Tyrannei.
Es sind „gleiche Brüder mit ungleichen Kappen“, konstatierte Hannah Arendt. Wohin die Reise auch geht — in Richtung Basisdemokratie nach Schweizer Vorbild, in die Privatrechtsgesellschaft, einen schlanken Minimal- und Sozialstaat, zu dezentraler Anarchie oder Agorismus — sie muss unter allen Umständen in die „Autonomie des souveränen Individuums“ (Friedrich Nietzsche) führen. Nicht in die Utopie der wenigen, die den vielen Dystopie verheißt. Das ist ein kategorischer Imperativ.
Denn Geschichte schreiben die Gewinner. Und in Zeiten totaler Digitalisierung birgt der zivilisatorische Kamikaze-Kurs in die Peripherie eines Dritten Weltkriegs nie dagewesene Risiken. Ist das orwellsche „Memory Hole“ doch längst Realität und könnte zeitnah dazu führen, dass nachfolgende Generationen überhaupt kein Bewusstsein mehr dafür entwickeln können, was es bedeutet, ein freies und menschenwürdiges Leben zu führen. „Big Brother“ lässt sie sukzessive vergessen, wofür es sich zu lieben und zu leiden lohnt. Doch wurde Freiheit nie gewährt, sondern stets erkämpft.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Artikel erschien zuerst unter dem Titel „Kakophonie des Korporatismus Teil 1 von 2.“ im TUMULT-Magazin — Vierteljahresschrift für Konsensstörung, Winter-Ausgabe 2022/2023.