Jerusalem: Kluft zwischen US-Politikern und ihrer jüdischen Basis
US-Präsident Trump hat Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Das widerspricht sämtlichen UN-Resolutionen zum Thema.
Bereits 1947 definierte die UNO Jerusalem als getrennte Einheit, über deren Status erst zukünftig zu entscheiden sei. Dies wurde wiederholt bekräftigt, und es gilt gleichermaßen für West- und Ost-Jerusalem (das eine ab 1948, das andere ab 1967 unter israelischer Kontrolle). Folgerichtig wurde das israelische Gesetz von 1980, das die Annexion der beiden Teile Jerusalems ins israelische Staatsgebiet verfügte, vom UN-Sicherheitsrat wie von der Generalversammlung für null und nichtig erklärt. Daran hat sich bis heute nichts geändert (1).
Es ist aber nicht allein Trump, der hier rücksichtslos auf das Völkerrecht pfeift: Es ist die große Mehrheit der US-Politikerkaste. Trump führt nur das aus, was beide Kammern des US-Parlaments seit über 20 Jahren fordern, und zwar auch die Demokraten. 1995 wurde der "Jerusalem Embassy Act" verabschiedet, von den demokratischen Senatoren einhellig unterstützt (nur Robert Byrd stimmte dagegen) und ebenso von einer großen Mehrheit der demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus (nur 30 von 204 stimmten dagegen). Ebenso schrieb Hillary Clinton 2016 in ihr Wahlprogramm der Demokraten, Jerusalem möge "Israels Hauptstadt bleiben". Und noch im Juni 2017 ermahnte der Senat einstimmig Präsident Trump (mit 90:0 Stimmen), seine Vorbehalte gegen den Umzug nach Jerusalem endlich aufzugeben (2). Der Wahnsinn ist in Washington endemisch.
All dies hat natürlich viel mit dem Einfluss der christlich-jüdisch zionistischen Lobbyorganisation AIPAC zu tun, aber wenig mit der Meinung der demokratischen Wählerschaft. Von diesen sind 81% gegen den Umzug der Botschaft (3). Ganz ähnlich sieht es unter US-amerikanischen Juden aus: Bei einer Umfrage des American Jewish Committee (das als Lobbyorganisation selbst den Umzug massiv befürwortet) im August 2017 sprachen sich 44% der befragten Juden völlig gegen einen Umzug aus, weitere 36% befürworteten den Umzug nur dann, wenn es auch gleichzeitig klare Verhandlungsfortschritte mit den Palästinensern gäbe, das sind also insgesamt 80% der Befragten (4).
Wenn daher die EU und insbesondere Deutschland Trump Paroli böten und beispielsweise endlich Palästina als Staat anerkennen würden, wie bereits 136 Staaten und die UN-Vollversammlung, dann hätten wir dabei sicher nicht die Unterstützung der US-Politikerkaste, aber der großen Mehrheit der demokratischen Wähler und auch der großen Mehrheit der US-amerikanischen Juden.
Dazu passend hat unser Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung am 11. Dezember eine entsprechende Petition lanciert. Wir fordern die Bundeskanzlerin und den Außenminister auf, jetzt Palästina anzuerkennen, und bitten dafür hier die Leserinnen und Leser um Unterstützung.
KenFM im Gespräch: mit Rolf Verleger („Hundert Jahre Heimatland?“)
Anmerkungen und Quellen:
(1) http://www.nachdenkseiten.de/?p=41534
(2) http://www.sfchronicle.com/opinion/openforum/article/Trump-s-actions-on-Jerusalem-come-with-12414559.php?cmpid=gsa-sfgate-result).
(3) https://criticalissues.umd.edu/sites/criticalissues.umd.edu/files/nov_2017_umcip_questionnaire_final_version.pdf (Frage 61)
(4) https://www.ajc.org/survey2017 (Frage 15)