Iran im Visier

Die USA führen einen „Krieg der Worte“ gegen den Iran.

„AN DEN IRANISCHEN PRÄSIDENTEN ROUHANI: BEDROHEN SIE NIEMALS WIEDER DIE VEREINIGTEN STAATEN, SONST WERDEN SIE DIE KONSEQUENZEN ZU SPÜREN BEKOMMEN, WIE SIE NUR WENIGE JEMALS IN DER GESCHICHTE ZU SPÜREN BEKOMMEN HABEN. WIR SIND KEIN LAND, DAS IHRE IRREN WORTE VON GEWALT UND TOD HINNEHMEN WIRD. SEIEN SIE VORSICHTIG!"

Die Botschaft in Großbuchstaben, die in der normalen Bevölkerung als „Mobbing“ oder Pöbelei eingestuft würde, stammt von US-Präsident Donald Trump und richtet sich an seinen iranischen Amtskollegen Hassan Rouhani.

Getwittert hatte Trump seine Zurechtweisung am späten Abend des 22. Juli 2018. Angeblich, so die US-Journalistin Laura Rozen in Washington, habe Trump auf eine Äußerung von Rouhani wenige Stunden zuvor reagiert.

Bei einem Treffen mit iranischen Diplomaten hatte Rouhani demnach den US-Präsidenten gewarnt, „mit dem Schwanz des Löwen zu spielen“. Amerika solle „wissen, dass Frieden mit Iran die Mutter des Friedens ist. Aber Krieg mit Iran ist die Mutter aller Kriege.“

Trumps nationaler Sicherheitsberater John Bolton bestätigte am Montag, dem 23. Juli 2018, dass Trump genau gemeint habe, was er gesagt habe. Sollte der Iran sich schlecht verhalten, werde „das Land einen Preis bezahlen, wie kaum ein Land zuvor.“

Andere Kommentatoren meinten allerdings, Trump habe seine „Feuer und Zorn“ Drohungen wiederholt, die er bereits früher gegenüber Nordkorea ausgestoßen habe.

Das Ergebnis der Drohungen sei gewesen, dass nur kurze Zeit später sich Trump und sein nordkoreanischer Amtskollege Kim Yong un in Singapur getroffen und erklärt hätten, die nukleare Bedrohung aus Nordkorea sei gelöst. Mit anderen Worten: Hunde, die bellen, beißen nicht?

Von US-Außenminister Mike Pompeo kann man das kaum erwarten. Er hatte am Vorabend, am 22. Juli 2018, eine „Dringlichkeitsrede zum Iran“ in der Bibliothek Präsident Ronald Reagan (Simi Valley, Kalifornien) gehalten. Sein Thema: „Unterstützung der iranischen Stimmen“, sein Publikum: die Gesellschaft der Iranisch-Amerikanischen Gemeinden, die die oppositionellen iranischen Volksmujaheddin unterstützen.

Vor den rund 1.000 geladenen Gästen versprach Pompeo, die Trump-Administration werde „schwere wirtschaftliche Sanktionen gegen den iranischen Öl- und Bankensektor“ verhängen, um den Druck auf das „iranische Regime“ zu erhöhen. Das „Regime“ sei „ein Albtraum für das iranische Volk“, so Pompeo und an das Publikum gewandt fuhr er fort:

„Die Trump-Administration träumt die gleichen Träume für das iranische Volk (wie Sie) und mit unserer Arbeit und Gottes Wohlgefallen wird das eines Tages wahr werden.“

Pompeo kündigte die Finanzierung eines Radiosenders an, der in Farsi 24 Stunden und sieben Tage die Woche senden werde. Damit und mit sozialen Medien sollten diejenigen im Iran unterstützt werden, die das Regime anklagen wollten, weil es Geld für die Unterstützung des syrischen Präsidenten Bashar al Assad und die libanesische Hisbollah ausgebe.

„Unsere Mission ist, der iranischen Führung den Zugang zu Ressourcen, Reichtum, Geld und allen Möglichkeiten zu verweigern, mit denen sie weltweit den Terrorismus unterstützt.“

Der Oberkommandierende der Iranischen Al Quds Brigaden, Generalmajor Qasem Soleimani, meldete sich einige Tage später zu Wort. Als Soldat sei es seine „Pflicht auf die Drohungen“ von Trump zu antworten, so Soleimani. „Wenn er uns drohen will, sollte er zu mir sprechen, nicht zum Präsidenten (Hassan Rouhani).“

Die USA drohe dem Iran mit „nie zuvor da gewesenen Aktionen“, so Soleimani. So rede ein Nachtclub-Besitzer (nicht ein Präsident). Trump „sollte wissen, dass wir eine Nation sind, die bereit ist, Opfer zu bringen. Wir warten auf ihn.“

Am Freitag kursierte die Meldung, die USA bereite sich mit Unterstützung der Geheimdienste von Großbritannien und Australien auf einen Krieg gegen den Iran vor. Im Visier seien iranische Atomanlagen, die bereits im August bombardiert werden könnten, so der australische Fernsehsender ABC.

Die Dementis folgten umgehend. Zunächst wies der australische Ministerpräsident Malcolm Turnbull die Nachricht als „Spekulation“ zurück. US-Verteidigungsminister Jim Mattis bezeichnete den ABC-Bericht als reine „Fiktion“.

Die USA habe „keine festgelegte Politik”, die einen „Regime Change” oder „den Sturz der Regierung“ im Iran vorsehe, so Mattis. Die USA wolle erreichen, dass der Iran sein „bedrohliches Verhalten ändert, das sein Militär, seine Geheimdienste, seine Stellvertreter darstellen können“.

Während Kreise wie die Iranisch-Amerikanische Gesellschaft einen Angriff auf den Iran gar nicht abwarten können, warnen andere. Selbst bei Fox News, dem Haussender des amtierenden US-Präsidenten, sieht man die Eskalation gegen den Iran mit Sorge.

Die Art, wie Trump sich dem Iran gegenüber verhalte, könne ihn das Präsidentenamt kosten, warnte der Journalist Tucker Carlson in einem Kommentar. „Wir sind auf Konfrontationskurs mit dem Iran. Das sollte jedem Sorgen bereiten, besonders aber denjenigen, die den Präsidenten unterstützen“, so Carlson.

Sollte Trump sich für einen Krieg gegen den Iran entscheiden, „wird das seine Präsidentschaft zerstören. Genauso, wie der Irak-Krieg die Präsidentschaft seines republikanischen Vorgängers, George W. Bush zerstörte.“

Einer der sich angesichts des verbalen Schlagabtauschs zwischen Iran und den USA zufrieden zurückgelehnt haben dürfte, ist der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Seit Jahren warnt er vor der „Gefahr aus dem Iran“, die die ganze Welt bedrohe.

Ob nukleare Industrie, Chemiewaffen, Langstreckenraketen, Terroristen, Syrien, Jemen, Hisbollah – will man dem israelischen Regierungschef glauben, ist der Iran die „Wurzel allen Übels“.

Der saudische Kronprinz Mohamed Bin Salman, der mittlerweile eng mit Israel kooperiert, hat den religiösen Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, sogar als „neuen Hitler des Mittleren Ostens“ bezeichnet.

Erinnert man sich an die Entwicklungen im Irak, in Libyen und Syrien – deren Präsidenten ebenfalls als „neuer Hitler“ denunziert wurden - kann man sicher sein, dass der nächste US-geführte Krieg gegen den Iran stattfinden soll.

Warum die Eskalation?

Iran und die politischen Führungen der Vereinigten Staaten von Amerika verbindet eine lange Feindschaft. Die Liste der CIA-Operationen gegen den Iran ist lang, der Sturz des iranischen Ministerpräsidenten Mohammed Mossadagh war nur ein Beispiel, um die Verstaatlichung der iranischen Ölressourcen zu beenden.

Im Frühjahr 2017 wurde bei der CIA ein Mann fürs Grobe zum Chef der Iran-Operationen befördert. Der „Dunkle Prinz“ oder „Ayatollah Mike“ wird Michael D'Andrea genannt. Er war verantwortlich für Folter, die Jagd auf Osama Bin Laden und US-amerikanische Drohnenangriffe in Afghanistan, Pakistan, im Irak und Jemen, die Tausende Menschen – Kämpfer und Zivilisten – töteten.

Die Personalentscheidung – damals noch unter CIA-Chef Mike Pompeo, dem heutigen US-Außenminister – ist Programm. Die Anti-Iran-Kampagne der USA ist eng mit Israel und Saudi Arabien abgestimmt. Erst kürzlich hatte Israel erstmals einen militärischen Koordinator für den (Kampf gegen den) Iran ernannt. Tel Aviv beliefert – gern über Oppositionelle der iranischen Volksmujaheddin - die USA und westliche Geheimdienste mit immer neuen „Beweisen“, die alle ein Ziel haben: Krieg gegen den Iran zu rechtfertigen.

Ein wichtiges Argument ist aktuell die angebliche iranische Truppenpräsenz in Syrien. Israel wird nicht müde zu erklären, dass es vom Iran bedroht werde. Dessen Armee habe sich in Syrien „eingegraben“ und wolle Israel vernichten.

Als US-Präsident Trump Anfang Mai 2018 sein Wahlversprechen einlöste und das Atomabkommen mit dem Iran einseitig aufkündigte – obwohl der Iran sich nachweislich penibel an alle Auflagen gehalten hat - konnte Israel für seine Anti-Iran-Kampagne einen Erfolg abfeiern. Mit den Wirtschaftssanktionen soll der Iran daran gehindert werden, sein Öl und Gas zu exportieren.

Israel will künftig selber sein Gas an Europa verkaufen. Gewollter Nebeneffekt ist, die europäische Wirtschaft daran zu hindern, Geschäfte mit dem Iran zu machen. Weiterer Nebeneffekt ist, Druck auf Russland auszuüben, das mit dem Iran in Syrien und regional in strategischer Partnerschaft kooperiert.

Was will Präsident Donald Trump?

Vielleicht ist das Twitter-Gewitter des US-Präsidenten gegen den Iran tatsächlich so einzuordnen wie seine Wutausbrüche gegen Nordkorea. Selbst der Anti-Iran-Hardliner Mike Pompeo musste bei seiner Rede vor den Iranisch-Amerikanischen Gemeinden am vergangenen Sonntag einräumen, dass Trump offen für Gespräche mit dem Iran sei. Gefragt, was die Basis für eine Versöhnung zwischen den USA und Iran sein könne, erinnerte Pompeo daran – wenn auch unwillig, wie Beobachter berichteten - dass Trump einem „Deal mit dem Iran“ gegenüber nicht abgeneigt sei. Wichtig bei Nordkorea und Iran sei, dass die Menschen dort ihre „Freiheit“ erhielten.

Wenn das erreicht werden könne, wenn „wir die Führung dazu bewegen können, eine strategische Entscheidung für die Absicherung des eigenen Wohlergehens und für das Wohlergehen des Volkes zu treffen“, dann sei man auch zum Gespräch darüber bereit, „wie das vorangehen“ könne. Er, Pompeo, sehe das nicht so schnell passieren, aber „ich habe Hoffnung.“

Im Iran versteht man die Angriffe des Westens und weiß, dass der Ursprung der Eskalation vor allem bei Israel und Saudi Arabien zu suchen ist. Es geht um strategische Kontrolle im Mittleren Osten, die der Iran nach dem US-geführten Krieg gegen den Irak (2003), durch den Krieg in Syrien (seit 2011) und den Krieg Saudi Arabiens gegen den Jemen (seit 2015) erfolgreich zu seinen Gunsten ausbauen konnte. Teheran ist nicht an einem Krieg interessiert, sondern will, dass seine Position und seine Interessen als Regionalmacht in der Region akzeptiert werden. Auf dieser Basis ließen sich neue Vereinbarungen treffen.

Saudi Arabien und Israel sehen das als Machtverlust und Bedrohung an und wollen ihre Verbündeten – allen voran die USA – in einen Krieg gegen den Iran treiben. Wenn das nicht möglich ist, soll der Iran innenpolitisch destabilisiert werden.

Das Weiße Haus laviert hin und her, zumal die Administration in Washington keineswegs in eine Richtung läuft. Trump selber ist bei den Halbzeitwahlen im November vor allem an einem weiteren Wahlerfolg interessiert.

Russland, die neue Ordnungsmacht in der Region, macht derweil Politik. Moskau versteht es, mit allen Akteuren im Gespräch zu bleiben. Wichtig dabei ist die Kooperation mit dem Iran und der Türkei, um den Krieg in Syrien zu beenden und einen weiteren Flächenbrand auszuschließen. Grundlage dafür ist das Astana-Abkommen, das seit Anfang 2017 die meisten Fronten in Syrien befrieden konnte. Inzwischen senden selbst der Iran und Israel ihre Emissäre regelmäßig nach Moskau, um ihre Interessen abzusichern.

Zwischen Drohungen von allen Seiten absolviert Moskau einen Hochseilakt und setzt dem Krieg der Worte zuverlässige Diplomatie entgegen.