In Hass geeint

Die deutsche Unterstützung für Israel spiegelt den kolonialen Rassismus Deutschlands wider.

Die Inszenierung sogenannter judenfeindlicher Hetzjagden in Amsterdam wirft ein deutliches Licht auf weit verbreitete Einstellungen im Westen gegenüber Israel und Muslimen. Denn hier wurde ein eigentlich eher unbedeutender Vorfall nicht nur einfach instrumentalisiert, um Stimmung zu machen, nein, die Ereignisse wurden zuvor sogar in ihr Gegenteil verkehrt und Opfer zu Tätern umgedeutet und umgekehrt. Damit wird der vorgebliche „Kampf gegen den Antisemitismus“ im Westen neu befeuert, der letztlich nur ein koloniales Instrument ist und stets vollkommen ahistorisch missbraucht wird.

Mitte November dieses Jahres machte ein Skandal medial die Runde, der für weitreichende Empörung bei europäischen Politikern und Mainstreammedien sorgte. Nach einem Fußballspiel in Amsterdam, in dem Maccabi Tel Aviv gegen Ajax Amsterdam verlor, kam es zu Auseinandersetzungen der israelischen Fans mit Einheimischen. Die Presse schrieb von schweren Ausschreitungen, in deren Verlauf Hetzjagden auf Juden veranstaltet worden seien. Die israelische Regierung beabsichtigte sogar, Flugzeuge der israelischen Armee (IDF) nach Amsterdam zu schicken, um die Fans zu evakuieren. Letztlich wurden es nur zivile Flugzeuge, doch die Symbolkraft bleibt. Wenig überraschend wurde der ganze Vorfall als antisemitischer Vorfall verschlagwortet, der Ausdruck des in Europa noch immer grassierenden Antisemitismus sei, auch importiert durch die vielen muslimischen Migranten.

Dankbar griffen das auch einige der sogenannten alternativen Portale auf. Hier sind vor allem die eher rechts zu verortenden Portale gemeint, welche die öffentliche Erzählung vom grassierenden Antisemitismus nacherzählen und dabei der herrschenden Politik in die Karten spielen. Hier wird von „muslimischen Hetzjagden“ geschrieben, die als Beweis dafür herangezogen werden, dass es sich bei Muslimen hauptsächlich um Terroristen und Straftäter handele. Dies wiederum wird für die Abschieberhetorik und die Forderung nach Migrationsbegrenzung genutzt.

Doch gab es in Amsterdam eigentlich tatsächlich Hetzjagden auf Juden? Die Antwort ist ziemlich eindeutig: nein. Denn wenn man sich das Material und die Berichterstattung über den besagten Vorfall einmal genauer ansieht, dann kommt man zu dem wenig überraschenden Schluss: Es war genau umgekehrt.

Die Ultras der Fußballmannschaft Maccabi Tel Aviv haben nicht nur Palästinaflaggen von Fenstern und Balkonen abgerissen, sondern sind übergriffig gegenüber Muslimen und niederländischen Bürgern geworden. Sie waren es, die Hetzjagden veranstaltet und dabei Flaschen und Steine geworfen haben.

Dies wurde von Bürgerjournalisten auch so gemeldet und von Sky News zunächst korrekt berichtet. Der Bericht wurde allerdings wenig später in der Weise neu vertont, dass er die Täterschaft der Israelis verschleierte.

Schon vor dem Spiel sind die Fans von Maccabi Tel Aviv negativ aufgefallen. So sangen sie antiarabische Lieder, in denen sie ankündigten, wie sie palästinensische Frauen vergewaltigten und sich darüber freuten, dass es in Gaza „keine Schulen“ mehr gebe, weil „es keine Kinder mehr gibt“. So ist es wenig überraschend, dass die Maccabi-Hooligans nach der 5:0-Niederlage ihrer Mannschaft wütend und frustriert auf Palästina-Unterstützer losgingen. Erstaunlich ist lediglich, wie schamlos die Medien hier Täter zu Opfern erklärten und Opfer zu Tätern. Es ist vermutlich der einzige Fall in Europa, bei dem eine Menschengruppe, die in anderem Kontext wohl klar als Neonazis bezeichnet werden würde, nach von ihnen begangenen Ausschreitungen von der Presse in Schutz genommen und zum Opfer verklärt wurde.

Denn die Ideologie, die sich in den Äußerungen und der Gewalt der Fans ausdrückte, ist ziemlich eindeutig rassistischer Natur, geprägt von einem Herrenmenschendenken, das erlaubt, sich anderen nicht nur überlegen zu fühlen, sondern sie auch anzugreifen und zu töten.

Maccabi-Fans stehen in der Tat in dem Ruf, rassistisch und gewalttätig zu sein. Bereits 2023 griffen sie in Athen einen Palästina-Unterstützer an und prügelten ihn bis zur Bewusstslosigkeit. Am selben Tag attackierten sie noch eine weitere Person. Zudem scheinen einige der Fans der israelischen Armee (IDF) anzugehören, sind also im wehrfähigen Alter und müssten eigentlich ihren Patriotismus im Gazastreifen oder im Libanon ausleben.

Die Gesinnung der Fans ist in Israel jedoch keine Minderheitenmeinung, wie die der in Deutschland versprengten neonazistischen Gruppen. Sie entspricht der Auffassung der israelischen Regierung, die mit ihrer ultrarechten Ausrichtung ein israelisches Pendant zum Nationalsozialismus darstellt. Die durch sie repräsentierten Menschen in Israel halten sich – religiös begründet – für überlegene Herrenmenschen, denen das göttlich gegebene Recht auf das Land im Nahen Osten zukommt und denen es deswegen erlaubt ist, die Palästinenser zu vertreiben oder in genozidaler Kriegsführung auszulöschen. Es ist eine kolonialistische Siedlungs- und Kriegspolitik, die dort betrieben wird, ein Apartheidsstaat, der Palästinenser – je nachdem, wo sie leben – zu Bürgern zweiter, dritter und vierter Klasse degradiert.

Dennoch stellen sich europäische Presse und Politik auf die Seite der israelischen Fans und der israelischen Regierung. So verurteilen die Medien einhellig den angeblichen Antisemitismus, und der deutsche Bundestag verabschiedete gar eine Resolution, die darauf abzielt, „jüdisches Leben in Deutschland zu schützen und zu stärken“ und Antisemitismus zu bekämpfen. Dazu soll die ganze Härte des Strafrechts und des Ausländer- und Asylrechtes ausgeschöpft – man könnte auch sagen: illegal ausgeweitet und damit Recht gebeugt – werden. Denn die Antisemitismus-Resolution ist sehr bedenklich.

Sie entfaltet keine formelle Rechtswirkung, kann also rechtlich gar nicht angegriffen werden; sie kann allerdings das Handeln der Staatsorgane bestimmen. Es handelt sich um eine Art Schattenverfassung, die keinerlei Rechtskontrolle unterliegt.

Zudem maßt sich der deutsche Bundestag hier an, den Deutschen eine Definition von „Antisemitismus“ vorzuschreiben, welche Kritik am Staat Israel umfasst und sich auch gegen „antiimperialistische Linke“ richtet.

Dieser letzte Aspekt zeigt deutlich auf, worum es den Regierungen, nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, eigentlich geht, wenn sie vermeintlichen Antisemitismus – den es tatsächlich fast gar nicht mehr gibt – bekämpfen und Israel zur Staatsräson erklären. Nicht das Lernen aus der Geschichte und der Schutz von Opfern ist hier die Triebfeder – denn dann würde die deutsche Bundesregierung sich auch nicht hinter die israelische Regierung, sondern hinter die Palästinenser stellen, die gerade in großer Zahl abgeschlachtet werden. Stattdessen bestimmen geopolitische Interessen und der koloniale Habitus das Geschehen.

Beim Staate Israel handelt es sich um ein koloniales Produkt. Israel wurde von westlichen Staaten auf der Grundlage einer zionistischen Herrenmenschenideologie gegründet und beruht auf der Vertreibung und Enteignung von 700.000 Palästinensern. Die Gründung Israels und die Geschichte der USA weisen damit eine entscheidende und diese Länder bis heute bestimmende Gemeinsamkeit auf: Diese Staaten wurden gegründet auf fremdem Land, erzwungen durch Vertreibung und massenhafte Tötung der Einheimischen; beide sehen sich bis heute als von Gott erwählt. Folgerichtig gibt es eine enge Verbundenheit zwischen den USA und Israel, was auch die neue Regierung unter Trump zum Ausdruck bringt. Deutschland spielt hier als US-amerikanischer Vasall und Täter des Holocausts eine wichtige Rolle – denn so kann man die deutsche Schuld für Herrschaftszwecke instrumentalisieren. Und auf diese Weise ist auch Deutschland eng mit Israel verbunden.

Das Projekt Israel dient den USA hauptsächlich dazu, die Vorherrschaft im Nahen Osten und in der muslimischen Welt zu sichern. Von Israel aus werden Kriege in Syrien oder dem Irak geführt, und durch Israel wird der Iran in einem hybriden Krieg immer wieder angegriffen.

Israel dient als Proxy für US-amerikanische und in geringerem Ausmaß auch für europäische Interessen in der Region. Man kennt das bereits aus der Ukraine, die als Stellvertreter gegen Russland aufgebaut wurde und in der man ebenso ungeniert mit offenen Neonazis kollaboriert. Auch hier werden Letztere zu Opfern des „russischen Angriffskrieges“ stilisiert, im Endeffekt geht es aber nur um neokoloniale Interessen der Rohstoffe in der Ukraine, wie ja selbst deutsche Politiker schon zugegeben haben, sowie die Rohstoffe in Russland. Auch hier handelt es sich um reine Machtpolitik, die humanistisch zu bemänteln versucht wird.

Dasselbe Spiel wird im Nahen Osten gespielt. Zu diesem Zweck werden antimuslimische Ressentiments geschürt, nicht nur in Israel, wo diese sehr verbreitet sind, sondern auch in den USA und Europa. Der Muslim wird als minderbegabter Untermensch dargestellt, der inhärent antisemitisch sei. Das ist der Grund, aus dem die Ereignisse rund um das Fußballspiel medial so aufgeblasen wurden. Denn diese Geschichte konnte, nachdem man sie um 180 Grad gewendet hatte, als Bestätigung des eigenen Rassismus herhalten und die Parteiergreifung für Israel abermals mit dem hehren Anspruch des Schutzes angeblich diskriminierter Juden bemäntelt werden, wobei es eigentlich nur um Kolonialismus und Machtpolitik geht.

Das ist auch der Grund, aus dem einige der sogenannten alternativen Medien auf diesen Zug aufsprangen. Sie nutzen die Geschichte, um ihren eigenen Rassismus zu maskieren und ihrer Hetze gegen Migranten neue Nahrung geben zu können, ohne sich dabei als die Rassisten zeigen zu müssen, die sie sind.

Denn die Ablehnung von Migranten – die man aus unterschiedlichen Gründen ja sogar verstehen könnte – speist sich hauptsächlich aus einer empfundenen Bedrängung durch Fremde, die zudem noch als primitiv wahrgenommen werden. Die geforderte Migrationspolitik erschöpft sich dementsprechend auch nur in der Forderung, alle abzuschieben und die Grenzen dichtzumachen. Die Frage der Migrationsursachen, die in den zahlreichen vom Westen entfesselten Kriegen, in unfairen Handelsabkommen und kolonialer Ausbeutung begründet liegen, wird dabei systematisch ausgeklammert.

Sie muss auch ausgeklammert werden, da dieselben Menschen in Europa wie den USA sich gleichzeitig für den westlichen „Wohlstand“ einsetzen. Dieser Wohlstand ist aber überhaupt nur möglich, weil in anderen Regionen der Welt eben Kriege geführt, Ressourcen billig ausgeplündert und die heimische Bevölkerung systematisch in die Armut und den Tod getrieben werden. Dass diese Menschen sich dann irgendwann auf den Weg in jene Regionen machen, in denen das Leben nicht ständig bedroht ist, überrascht eigentlich nicht, muss aber ignoriert werden, wenn man den „Wohlstand“ erhalten, und gleichzeitig Migranten draußen halten will.

Der Rassismus großer Teile der westlichen Gesellschaften ist notwendig, um die Kriege in der Region zu rechtfertigen und die Ausbeutung dieser Völker weniger grausam erscheinen zu lassen.

Verbunden wird das oft auch mit einer Vorstellung, dass diese Völker es ja besser haben könnten, wenn sie so gut organisiert und fleißig wären wie wir hier im Westen. Da sie aber faul und unorganisiert, dazu noch korrupt, rückständig und Anhänger einer rückständigen, menschenverachtenden Religion sind, können sie eben nicht die Erfolge des Westens nachahmen und sind zudem inhärent gewalttätig und antisemitisch. Dass die entsprechenden religiösen Texte des Judentums und des Christentums ebenso gewalttätig sind wie die des Islam und dass der Antisemitismus oder die Ablehnung des Staates Israels durch diese Völker möglicherweise auf das Verhalten des Staates selbst in den letzten 70 Jahren zurückzuführen sein könnte, wird dabei ignoriert. Hier drückt sich erneut die Vorstellung von rassischer Überlegenheit aus, die den weißen Menschen aus dem Westen als dem „Muselmanen“ überlegen und eben deswegen erfolgreicher darstellt.

Mit den zunehmenden Spannungen der globalen Machtblöcke und dem Abstieg der Weltmacht USA sowie dem Verschwinden Europas in der Bedeutungslosigkeit nehmen auch die Spannungen im Nahen Osten weiter zu. Der neue Präsident Donald Trump und seine Getreuen haben schon mehrfach deutlich gemacht, dass sie Iran als Feind betrachten, weil sie ihm unterstellen, die USA zu hassen. Die lange Geschichte der US-amerikanischen Interventionen in diesem Staat wie auch die zahlreichen Sanktionen gegen das Land, die es in Armut und Not halten, werden dabei erneut ignoriert. Doch der Kampf gegen Iran wird unter der Herrschaft Trumps eine Rolle spielen, und so muss der Proxy Israel gegen dieses Land in Stellung gebracht werden. Schon jetzt zündelt Israel immer wieder und provoziert einen direkten Krieg gegen Iran, anstatt nur, wie bisher, einen Krieg gegen die iranischen Stellvertreter im Libanon und im Jemen.

Israel und der Westen sind, wie sich auch im Umgang mit den israelischen Übergriffen in Amsterdam zeigt, in Hass vereint. Sie verachten die muslimische Welt, die sie seit Jahrhunderten immer wieder unterwerfen, ausbeuten und nach ihren Interessen ordnen.

Israel spielt in diesem Kolonialismus eine Rolle und muss deswegen an der Heimatfront verteidigt und zum ständigen Opfer erklärt werden. In Israel werden die rassistischen Kräfte unterstützt, die Krieg und Genozid befürworten. Natürlich sind nicht alle Israelis mit diesem Kurs einverstanden, und Israel ist schon gar nicht mit den Juden gleichzusetzen, auch wenn die deutsche Bundesregierung das in ihrer Auffassung von Antisemitismus tut. So desertieren immer mehr israelische Soldaten, da sie den Krieg nicht mittragen wollen, israelische Aktivisten fordern in einem offenen Brief die internationale Gemeinschaft auf, mehr Druck auf die Regierung auszuüben, um sie zu einem Waffenstillstand zu bewegen, und Tausende Israelis protestieren gegen die eigene Regierung, um sie zu einer diplomatischen Lösung zu bewegen.

Leider sind diese Stimmen, die sich für ein friedliches Miteinander von Israelis und Palästinensern, von Juden und Muslimen einsetzen, derzeit in der Minderheit. Die Leidtragenden der neokolonialen Kriegs-, Besatzungs-, und Genozidpolitik sind aber letztlich und wie stets die Zivilisten, nicht nur die muslimischen, sondern am Ende auch die israelischen, für die ein Zusammenleben mit den muslimischen Nachbarn bei einem Sieg Israels unmöglich sein wird und die bei einem Niedergang Israels dem Zorn der Opfer ausgesetzt sein werden. Damit führt die westliche Politik des vorgeblichen Schutzes des Staates Israels und der Bekämpfung des Antisemitismus möglicherweise eher in Richtung Auslöschung des Staates Israels und seiner Bürger – und ist damit der wahre Antisemitismus.

Auch die europäischen Zivilisten könnten Leidtragende dieser rassistischen Politik sein. Denn der Zustrom zahlloser muslimischer Migranten, die man sich durch das repressive und brutale Vorgehen gegen Muslime in Nahen Osten dann zum Feind macht, birgt das Potenzial für einen Bürgerkrieg. Dieser wird auch durch die Migrantenfeinde hierzulande ermöglicht, die durch die Migrationspolitik nicht nur gegen die Migranten, sondern auch gegen deren Fürsprecher und die Regierung aufgebracht werden. Auf diese Weise dient die Migrations- und Kriegspolitik auch einer „Teile und herrsche“-Strategie, welche einen starken Staat rechtfertigt und die heimische Bevölkerung unter Kontrolle hält. Der Bürgerkrieg ist somit als Teil des „Klassenkampfes von oben“ bereits eingepreist, ist dabei aber nicht unbedingt beherrschbar und schwächt auf jeden Fall den Westen. So führt der Hass des Westens auf die Muslime schließlich auch zum eigenen Niedergang.