In der Empörungsschleife
Die täglichen Skandälchen sind der Laserpointer, der die Aufmerksamkeit der Menschen fixiert.
Man gewinnt den Eindruck, dass die Zahl der Ereignisse zunimmt: Anschlag in Magdeburg, Silvesternacht in Berlin, der Skandal um Habecks Konterfei auf dem Siegesbogen in München — immer gibt es einen Skandal, der die Empörung der Menschen befeuert. Doch diese ständige Skandalisierung von selbst unwesentlichen Nebensächlichkeiten ist Teil einer „Teile und herrsche“-Strategie, mit der von den wahren Missständen abgelenkt wird und die Menschen gegeneinander aufgewiegelt werden, um sie besser beherrschen zu können.
Es hat ja bereits Tradition, dass pünktlich zum neuen Jahr eine mediale Empörung über die Silvesternacht zelebriert wird. Klassischerweise in Berlin eskaliert die jährliche Feier zum neuen Jahr zu etwas, das in den Medien gern als „Böllerschlachten“ bezeichnet wird, in denen sich Gruppen junger Menschen gegenseitig mit Silvesterböllern beschießen und dabei auch Unbeteiligte sowie Gebäude und Infrastruktur in Mitleidenschaft ziehen. So erwartbar wie jedes Jahr kam es dann auch an diesem Jahresende wieder — und die mediale Empörung erweckt den Eindruck, als handele es sich dabei um eine vollkommene Neuheit. Tagelang echauffierten sich die unterschiedlichen Medien über die Gruppen junger Männer, die mit Sprengstoffen hantierten, zeigten apokalyptische Bilder und ließen auch noch die letzte unwichtige Randfigur zu Wort kommen, die imstande war, eine Meinung zu diesem Thema zu formulieren.
Ganz vorne mit dabei waren auch sogenannte oppositionelle Medien, vorwiegend aus dem rechten oder konservativen Spektrum. Telegram schien geradezu überzulaufen vor Kommentaren bezüglich dieser Ereignisse, Bilder und Videos sollten das Ausmaß der Unerhörtheit illustrieren.
Wie ein Schlachtfeld sei es gewesen, ließ man uns wissen, so als sei diese Beschreibung nicht auch auf jeden typischen Partyabend deutscher Gäste am Ballermann anwendbar. Aber nein, gleich darauf wurde aus dem Nicht-Problem der Silvesternacht ein Einwanderungsproblem gemacht. Denn, so fanden findige Redakteure heraus, etwa 40 Prozent der Täter hätten keinen deutschen Pass. Sagenhaft. Im Umkehrschluss bedeutete das: 60 Prozent, und damit über die Hälfte, hatten eben doch einen.
Doch es wird getan, als spielte der deutsche Pass in irgendeiner Form eine Rolle, als sei die Staatsangehörigkeit der Beteiligten in irgendeiner Form relevant. Wohin man auch blickte, auf allen Kanälen dominierte die Empörung, und das unerhörte Vorkommen fesselte die Aufmerksamkeit der Journalisten, Kommentatoren und Medienkonsumenten für mehrere Tage.
Schon zuvor hatte Empörung die vorweihnachtliche und weihnachtliche Zeit bestimmt. Hier hatte ein tatsächlich tragisches Ereignis, nämlich der Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg, die Gemüter erhitzt. Dieselben Stimmen und Medien versuchten, auch aus diesem Ereignis ein Migrationsproblem, insbesondere ein Islamismusproblem zu zimmern. Denn immerhin handelte es sich bei dem Täter um einen aus Saudi-Arabien eingewanderten Mann. Der Fall verleitete selbst Elon Musk zur einem Kommentar, der in einem Post die Migration anprangerte und sie als Ursache für den Anschlag darstellte. Allerdings wurde ziemlich schnell deutlich, dass der Mann kein Islamist war, sondern ganz im Gegenteil ein Feind des Islam und bekennender Zionist. Er hatte zuvor auf X über Jahre hinweg seiner Ideologie Ausdruck verliehen. Als Elon Musk davon erfuhr, sperrte er kurzerhand das Profil des Täters und entfernte alle Kommentare, die auf dessen Gesinnung schließen ließen, bevor er es wieder freigab. So viel zur Freiheit auf X.
Der Fall wirft zudem noch einen Verdacht auf deutsche Geheimdienste. Immerhin hatte Saudi-Arabien die deutsche Regierung vor diesem Mann gewarnt, der Täter selbst hatte sich auf X an Nancy Faeser gewandt und seine Tat mehr oder weniger angekündigt. Doch die Behörden hatten kein Gefahrenpotenzial erkannt. Verdeutlicht man sich, dass es begründeten Verdacht gibt, dass Geheimdienste hinter jedem Terroranschlag der vergangenen 25 Jahre stecken, könnte man daraus schlussfolgern, dass die Behörden den Mann zumindest mit Absicht nicht aufgehalten haben — ein klassischer Fall von „Let it happen on purpose“, kurz LIHOP. Oder aber der ganze Anschlag war vom Geheimdienst inszeniert — „Make it happen on puprpose“, kurz MIHOP. Doch diese Feinheiten und Details kamen in der Debatte gar nicht vor. Stattdessen wurde auf das Empörungsgaspedal getreten.
Empörung war, das kann man vermuten, das erwünschte Ziel, sie wurde beinahe nahtlos in die Ereignisse der Silvesternacht eingebracht und ließ auch in der Folge nicht nach. Das Thema der Silversternacht wurde zwar nach absurd langer Zeit fallen gelassen, die Empörung aber mit einem anderen Inhalt gefüllt. Diesmal galt sie Robert Habecks Konterfei als Projektion auf dem Münchener Siegestor. Und wieder wurde aus einer unbedeutenden Provinzposse ein Skandal inszeniert. Als sei es für die Republik von Relevanz, dass irgend ein lokaler Verband einer randständigen Kleinpartei ihren erkorenen Führer auf ein Bauwerk projizieren lässt.
Immerhin wird dasselbe höchst offiziell immer wieder mit den Fahnen anderer Länder auf dem Brandenburger Tor in Berlin getan — ohne, dass sich darüber besonders viele Menschen aufregen. Doch nun wurde haarklein die historische Bedeutung des Siegestores ausgeführt, bei dem es sich um ein Symbol des deutschen Sieges über Frankreich handele, und daraus eine irgendwie geartete Verbindung zu Robert Habeck und den Grünen geknüpft — die als Kriegsbefürworter schon viel weniger subtil in Erscheinung getreten sind. Der Umstand, dass die Verantwortlichen für diese Wahlwerbung keinerlei Genehmigung hatten, die Polizei sie nach kurzer Zeit beendete und den Verantwortlichen eine Strafe aufgebrummt wurde, ist ein amüsanter Fakt, bestätigt aber die Qualität als Provinzposse.
Bald darauf wurde auch dieses Thema ausgetauscht, um die Empörung auf einem hohen Level zu halten. Nun war es das Gespräch von Alice Weidel mit Elon Musk. Ein US-amerikanischer Oligarch bittet die Spitzenkandidatin der von ihm favorisierten Partei zum Gespräch — und der Mainstream echauffiert sich. Wahleinmischung sei das, so hieß es. „Finger weg von unserer Demokratie, Herr Musk“ titelte der Spiegel, der seit Jahren mit Millionen Euro von Bill Gates finanziert wird, der wiederum zu Zeiten der sogenannten Coronapandemie einen ausführlichen Auftritt in der ARD genossen hat — zur besten Sendezeit.
Und war es nicht Barack Obama, der sich zu seiner Zeit als US-Präsident im Zuge einer Bundestagswahl für Angela Merkel als Kanzlerin ausgesprochen hatte? Heuchelei, wohin man nur blickt. Doch Musk mischt sich in die deutschen Bundestagswahlen ein, einfach weil er mit Alice Weidel spricht. Das Gespräch war noch dazu — trotz ein paar Lobeshymnen in einigen deutschen pseudooppositionellen Medien — relativ banal und seicht. Doch die Aussage Weidels, dass Hitler Kommunist gewesen sei, hat eingeschlagen wie eine Bombe und das Empörungslevel in die Höhe getrieben.
In der Folge haben sich verschiedene Personen dazu positioniert. Einerseits der Mainstream, der sogenannte Experten zu Wort kommen ließ, die einhellig diese Idee abwehrten. Andererseits einige sogenannt oppositionelle Medien, die schon von vornherein den Fehler begingen, die herrschende Politik als „links“ oder „sozialistisch“ zu bezeichnen und dann wortreich zu argumentieren, dass Hitler tatsächlich Kommunist gewesen sei. Beide Seiten bedienten sich dabei Begrifflichkeiten, die sie in keiner Weise reflektiert haben und über deren ideologische Herkunft und Inhalte sie nur wissen, was sie zu wissen glauben — und das ist eben nicht viel mehr als die Propaganda aller Seiten. Interessant an diesem Aspekt ist lediglich, dass beide Seiten Argumente für ihre Position vorbringen können — und damit wieder einmal bestätigen, wie verzerrt die Darstellungen von links und rechts, Kommunismus und Faschismus, die noch dazu stets mit den Adjektiven links und rechts ineins gesetzt werden, eigentlich sind und wie nutzlos, um Tatsachen zu beschreiben.
Zudem zeigt sich wieder einmal das Spaltungspotenzial dieser Einteilung. Denn an dieser Debatte scheiden sich wieder einmal die ideologischen Geister und Wertvorstellungen. Auch das ist eine Folge der Empörung.
Und so dreht sich die Empörungsspirale weiter, wechselt ihren thematischen Inhalt — Asylgesetz, Demonstrationen gegen CDU und AfD, um nur die jüngsten Beispiele zu nennen — aber nicht ihre Funktionsweise.
Diese inszenierte Empörung ist nichts weiter als eine Ablenkungsstrategie. Sie lenkt die Diskussion auf Nebensächlichkeiten und zugleich von den wahren Ursachen echter Probleme ab. Denn natürlich spielt für die sogenannten Böllerschlachten in Berlin die Staatsangehörigkeit keine Rolle — es ist vielmehr eine Folge von Gettoisierung und damit letztlich von Reichtumskonzentration in den Händen einiger weniger. Auch Kriege und wirtschaftliche Zerstörung und Armut in anderen Ländern spielen hier eine Rolle — denn woher kommen all diese Menschen ohne deutschen Pass, und aus welchem Grund haben sie den Weg nach Deutschland angetreten? Könnte das etwas mit westlichem Neokolonialismus und Rohstoffkriegen zu tun haben?
Auch der Möchtegernkanzler in spe, Robert Habeck, der sein Konterfei auf ein historisches Bauwerk projizieren ließ, ist eigentlich nicht von Relevanz. Der ganze Vorgang hatte wahrscheinlich keinen weiteren Hintergedanken als bloße plumpe Wahlwerbung für die Grünen. Doch es werden Seiten über Seiten, Sendeminuten über Sendeminuten, und ganze Telegramkanäle mit diesen Nicht-Skandalen gefüllt. Das führt dazu, dass über tatsächliche Skandale nicht berichtet wird. Etwa den Umstand, dass die Vereinten Nationen (UN) am 24. Dezember 2024 einen globalen Überwachungspakt durchgewunken haben, oder dass am Tag, an dem das Asylgesetz gescheitert ist, die herrschenden Parteien zusammen mit der AfD das Zeitenwendegesetz beschlossen haben, das weitere Aufrüstung und damit den bereits geplanten Krieg vorbereitet. Auch die Gründe für Rezession und Verarmung werden unter den Teppich gekehrt und daraus stattdessen ein Migrationsproblem gemacht, das uns noch dazu Böllerschlachten und Messermorde bringt.
Die Dauerempörung wird benutzt wie der Laserpointer, mit dem man eine Katze manipulieren kann. Sie springt dem Lichtpunkt hinterher, ohne dass sie jemals in der Lage wäre, ihn zu erwischen. So bleibt sie beschäftigt mit Dingen, die sich ihrem Verständnis entziehen, und so wird auch die mediale Empörung genutzt.
Die Menschen werden bombardiert mit zu Skandalen aufgeblähten Nichtigkeiten, über die sie reden und sich aufregen können. Gleichzeitig finden die wirklich wichtigen Dinge an ganz anderer Stelle statt. Vermögen wird umverteilt, und zwar von unten nach oben — so viel auch zum Thema Kommunismus —, die Machtzentren weiten ihren Zugriff aus und planen gleichzeitig eine neue Weltordnung in digitalen und KI-gesteuerten Käfigen, sowie einen Abriss Europas mittels Kriegs. Die Empörung jedoch spaltet die Menschen in unterschiedliche Lager, die sich gegenseitig bekämpfen, anstatt ihren Zorn gegen die herrschenden Eliten aus Zentralbanken und Vermögensverwaltern zu lenken.
Die dauernde Empörung führt bei den Medienkonsumenten zudem zu Erschöpfung und damit zu einem Nachlassen ihrer Resilienz. Auf diese Weise werden die Menschen weichgeklopft, sich dem Druck der Herrschenden schließlich doch zu beugen, den Forderungen nach Genspritzen, digitaler ID, CBDCs und so weiter nachzugeben, einfach um in Ruhe und der versprochenen Sicherheit leben zu können — die aber niemals eintreten wird, weil Unsicherheit eine Herrschaftsstrategie ist.
Es wird erst Sicherheit geben, wenn die herrschende Klasse entmachtet, das Zentralbankensystem ersatzlos abgeschafft, die Konzerne zerschlagen sind und die Menschen selbst die Macht über ihre Versorgungsbasis haben. Doch auch davon lenkt die Empörung ab. Sie verhindert, dass die Menschen ihre Interessen erkennen und sich zusammenschließen, um diese durchzusetzen.
„Teile und herrsche“ funktioniert nach wie vor, und auch einige der sogenannten alternativen Medien leisten dazu ihren Beitrag, indem sie auf die Empörungswelle aufspringen. Das zeigt, dass sie in Wahrheit keine echte Opposition sind, sondern ein Teil der Herrschaft, der sich als Opposition ausgibt — ob sie sich dessen bewusst sind, oder nicht.