Im Zweifel für den Frieden
Konsequenter Pazifismus versucht zwar, die Motive des Gegners zu verstehen, verharmlost aber niemals das Grauen des Krieges. Teil 2/2.
„Es gibt Regeln für das Töten im Krieg“, sagte die Konfliktforscherin Belkis Wille von Human Rights Watch über die Kampfhandlungen in der Ukraine. Dahinter steht die Vorstellung, es gebe „Kriegsverbrechen“ auf der einen Seite — also zum Beispiel die Tötung von Zivilisten oder die Misshandlung von Kriegsgefangenen — und „legitime“, „normale“ Kriegshandlungen. Diese Annahme ist eine Beschönigung des Grauens. Der Krieg selbst ist ein Verbrechen — immer. Dies wird für Menschen umso mehr zu einer Wahrheit, je näher sie der Realität des Krieges gekommen sind. Konsequente Pazifisten haben deshalb schon immer alle wohlfeilen Rechtfertigungen für Kriegshandlungen — „Ich musste es tun, weil …“, „Ich musste es tun, damit …“ — zurückgewiesen. Sie argumentieren aus unmittelbarer Menschlichkeit und aus dem Mitgefühl heraus. Aber auch strategisch und ganz rational hat der Pazifismus vieles für sich: Wer sich weigert, Feind zu sein, nimmt seinem Gegenüber jene Angst, die er selbst auch empfindet. Krieg ist niemals im Interesse der einfachen Bürger in den beteiligten Ländern, die von selbst nicht darauf kämen, auf völlig Fremde zu schießen. Stets hilft er nur einer Minderheit von verirrten, auf Profit oder Macht versessenen Individuen. Friedlich sein, versöhnlich, nachgiebig, ist nicht ohne Risiko — im Vergleich zu all dem Leid und der Zerstörung, die die gegenteilige Haltung anrichtet, ist es jedoch eine bedenkenswerte Option.
Gehorchst du noch oder lebst du schon? Es kann nicht genug betont werden, welchen schädlichen und verrohenden Einfluss der Militärdienst auf alle ausübt, die ihm einmal unterworfen sind — selbst wenn dieser nicht in eine lebensgefährliche Teilnahme an Kriegshandlungen mündet. Der Theologe Eugen Drewermann sagt darüber:
„Was wir Krieg nennen, was wir Militär nennen, ist das Untergraben von allem, was Kultur bedeutet. (…) Das Militär ist die Gegenwelt zur zivilen Welt. Alles das, was Ihnen verboten wird zu tun: Lügen, Töten, Brandschatzen, Rauben, Morden, wird im Krieg als befohlene Strategie geübt und ganz normalen 18-jährigen Jungen und jetzt sogar Mädchen aufgezwungen.“
Drewermann spricht von einer „Entseelung des Körpers zu einer bloßen Marionette“. Dabei verbirgt sich gerade hinter den sinnlosen Befehlen, die die „Würze“ jeder Militärausbildung ausmachen, aus Sicht der Befehlenden ihr tieferer Sinn.
„Das alles ist so sinnlos, dass der Zweck umso deutlicher wird: Die Angetretenen sollen nicht denken. Sie sollen aufhören, ein persönliches Gewissen zu haben. Sie sollen aufhören, als Subjekte Verantwortung zu tragen für ihre eigenen Gefühle und Entscheidungen.“
In ähnlicher Weise schreibt Erich Maria Remarque in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“:
„6 Wochen Kasernenhof haben genügt, dass wir vor einem ehemaligen Postboten, nur weil er die richtigen Epauletten trägt, durch den Schlamm robben und jeden töten, den er befiehlt zu töten. Wir sind Bestien geworden, Mörder geworden. Käme dein eigener Vater von drüben, du würdest ihn mit deiner Handgranate zerfetzen. Das hat man aus uns gemacht.“
Eine Spirale der Angst
Eugen Drewermann interpretiert Krieg aber auch als Ausdruck einer tiefsitzenden Angst vor dem „anderen“, die dieser in der Regel erwidert: „Man tut dem anderen an, was man selbst nicht erleiden möchte: die Drohung mit Vernichtung.“ Es entsteht eine Spirale der Angst, die nur durchbrochen werden kann durch den Mut, wehrlos zu bleiben — ein Mut, der zunächst von einer der beiden beteiligten Seiten ausgehen muss und im besten Fall eine Spirale des Vertrauens und der Deeskalation auslöst.
Dazu Drewermann:
„Die organisierten Verbände bis hin zu Staatengebilden und Bündnissen haben Angst vor einem potenziellen Angreifer. Und wie antworten unsere Staaten darauf? Nicht indem sie Angst überwinden? Ganz im Gegenteil! Indem wir, die wir Angst haben, mehr Angst machen müssen jedem potenziellen Angreifer. (…) So treibt die Angst voreinander zu immer wahnsinnigeren paranoiden Ideen des militärischen Rüstens. Und es schafft nicht Sicherheit, es ist die Bedrohung der ganzen Menschheit durch den Menschen, durch niemanden sonst. Also müssen wir aus dieser Spirale heraus und das Allereinfachste und Wichtigste dabei lernen: Der Friede kommt nicht durch die Stärke der Waffen, durch die Überlegenheit der Rüstung.“
Hellsichtig mischt Eugen Drewermann die psychologische mit der politischen Analyse:
„Das Programm ist, Angst zu beruhigen durch Angstverbreitung. Und das Mittel dazu: immer abscheulichere Mordinstrumente zu systematisieren und zu installieren, eine Spirale ohne Ende. (…) Am Ende sind die Ausgaben für die Rüstung so teuer, dass man Krieg führen muss, damit es sich rentiert.“
Und was könnte der Ausweg aus dem Dilemma sein?
„Der Widerstand gegen die Bereitschaft zum Krieg und zur Rüstung für den Krieg liegt eigentlich nur darin, sich nicht länger einschüchtern zu lassen. (…) Wir müssten den uns Regierenden erklären: Wir lassen uns von euch nicht länger ins Bockshorn jagen durch immer neue Schreckensszenarien wie ‚Der Russe kommt‘, wie ‚Der Chinese kommt!‘. Dass ihr kommt, ist schlimm genug!“
Die Annäherung an das Böse
Ein weiteres wichtiges Argument, wenn es darum geht, Frieden zu schaffen, betrifft den oft noch immer naiven und manipulativen Gebrauch der Begriffe „gut“ und „böse“. Zwar bewerten gerade Pazifisten Kriegshandlungen noch klarer und kompromissloser als „böse“, als es die meisten Menschen tun. Jedoch ziehen sie aus dieser Beobachtung andere Schlussfolgerungen. Warum sollten vernünftige Menschen, wenn sie feststellen, dass Furchtbares durch die Hand anderer geschieht, bestrebt sein, dieses Furchtbare selbst auch zu tun — und zwar mit der eher fadenscheinigen Begründung, der andere hätte damit angefangen? Durch Gewalt eignen wir uns selbst jenes Böse an, das wir bei unserem Gegner beklagen.
Eugen Drewermann schreibt dazu sehr hellsichtig:
„Druck erzeugt Gegendruck. Das Böse, das Sie bekämpfen, schleicht sich ein in Sie selbst, in Ihre Seele, es verbessert nichts. Wenn jemand wirklich etwas tut, das nach moralischer Wertung als böse bezeichnet werden muss, ist uns nicht die Pflicht gegeben, dagegen anzukämpfen, sondern nachzuschauen, aus welchen Zusammenhängen, mit welchen Absichten, unter welchen Bedingungen der andere so in die Ecke getrieben wurde, dass er meinte, so handeln zu sollen. Und diese Umstände, die wir selber mit zu verantworten haben, müssen wir abtragen.“
Diese Sätze sind von Drewermann sicher bewusst auf die Situation im Russland-Ukraine-Krieg zugeschnitten. Einerseits hat es keinen Sinn, den Begriff „böse“ nur noch mit vermeintlich überlegener Ironie zu gebrauchen, so als spräche man aus einer ethikfreien Position heraus — „jenseits von Gut und Böse“. Wie sollte man denn das Töten, das Verletzen und Verstümmeln, das Ängstigen, Vertreiben und Traumatisieren Tausender von Menschen sonst bezeichnen? Andererseits regt Drewermann gerade im Fall Russland/Ukraine dazu an, die Zusammenhänge des Geschehens und den westlichen Anteil daran ehrlich zu erforschen. Er rät, in einer schönen Formulierung gesagt, die Umstände „abzutragen“. Das könnte zum Beispiel bedeuten, auf weitere Provokationen Russlands, etwa die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, zu verzichten und auch als westliche Staaten aktiv dazu beizutragen, dass sich die russischsprachige Minderheit im Donbass sicher fühlt.
„Männer aus Stahl“
Versöhnlich sein, selbstkritisch, den „Balken im eigenen Auge“ zu sehen … In der Regel geschieht, ist der Krieg erst einmal ausgerufen, genau das Gegenteil: Die Rhetorik verschärft sich, die Herzen verhärten sich, die Kriegsmaßnahmen eskalieren. „Im Vorfeld jedes Kriegs werden Sie mit Lügen und Propaganda-Aussagen dahin gelenkt, den potenziellen Gegner zu hassen. Er war schon immer schlimm, immer war der Russe schuld“, schreibt Drewermann.
„Wir, die wir ‚die Guten’ sind, gewissermaßen der Erzengel Michael im Kampf gegen den Teufel, werden selber auf diese Art ‚das Böse’, das wir bekämpfen wollen, in unsere eigene Seele und Psychologie aufnehmen. Wir müssen böser sein, als jeder denkbare Böse sein könnte. Wir wollen den Bösen in die Hölle schicken, aber wir machen die ganze Welt, dabei an allererster Stelle uns selber, zum Herrschaftsgebiet des Teufels.“
Eine der eindrucksvollsten Folgen der Dystopie-Serie „Black Mirror“, geschrieben von Charlie Brooker, ist „Männer aus Stahl“. Darin macht eine Militäreinheit Jagd auf Mutanten, „Kakerlaken“ genannt. Ihre Gesichter sind furchterregende Fratzen; statt zu sprechen, stoßen sie tierartige Laute aus. So fällt es den Soldatinnen und Soldaten leicht, die Wesen ohne Zögern zu erschießen — zumal diesen schlimme Gräueltaten unterstellt werden. Eines Tages sieht der Soldat Stripe statt der „Kakerlaken“ gewöhnliche, verängstigte Menschen.
Des Rätsels Lösung: Ihm wurde von seinen Vorgesetzten ein Gehirnimplantat eingesetzt, das seine Wahrnehmung verzerrte. In Wahrheit handelte es sich um geplanten Völkermord. Die Implantate dienten dem Zweck, den Soldaten die Tötungsvorgänge als einen Akt legitimer Schädlingsbekämpfung erscheinen zu lassen. Als die Sinnestäuschung aus technischen Gründen einmal ihren Dienst versagt, erkennt Strike die Zusammenhänge, legt seine Waffen nieder und verhilft einer „feindlichen“ Frau mit ihrem Sohn zur Flucht.
Der Krieg bringt mehr Plagen hervor, als in der Geschichte vom Auszug der Israeliten aus Ägypten in der Bibel aufgezählt werden. Dazu gehören drastische Umweltzerstörungen — ausgerechnet in der Ära der CO2-Moralwächter. Dazu gehört die Erzeugung neuer Flüchtlingsströme.
Hinzu kommen die langfristige Traumatisierung der meisten Beteiligten — Opfer wie Täter —, die Vereinnahmung des Wohlstands einer Gesellschaft durch den Militärapparat und die Kriegsfinanzierung, die Gleichschaltung des öffentlichen Diskurses in allen Krieg führenden oder mit einer der Kriegsparteien „befreundeten“ Ländern, die Verrohung unzähliger Menschen, die ihr natürliches „Nein“ zum Krieg in sich niederringen, um Übereinstimmung mit einer verblendeten Mehrheitsgesellschaft herzustellen. Denn wer seinem Gehirn geradezu akrobatische Leistungen abverlangt, um Kriegshandlungen zu rechtfertigen, hat schon ein Stück seiner Menschlichkeit aufgegeben.
Ist Pazifismus Verhöhnung der Opfer?
Stellt der Ruf nach Frieden nicht eine Verhöhnung der Opfer des Angreifers dar? Dazu schreibt Eugen Drewermann, sicher mit bewusstem Bezug zum Russland-Ukraine-Krieg:
„Aber was macht eine Politik daraus, die die Verzweiflung und das Leiden der Menschen dazu benutzt, einen sinnlosen Krieg immer weiter zu verlängern mit immer mehr Waffen, die geliefert werden? Das alles dient nicht dem Mitleid mit den Leidenden. Einzig das Leiden wird sich universalisieren, geht dieser Krieg weiter. Dann wird es unzählige solcher Bilder geben. Sie nehmen nicht ab! Gerade im Namen dieser trauernden Ukrainerin müssen wir erwarten, dass nicht länger aufgerüstet wird, sondern dass Friedensverhandlungen eingeleitet werden.“
Nicht unbedingt hat also derjenige die Menschlichkeit und das Mitgefühl für sich gepachtet, der die Befreiung der Ukrainer mit militärischen Mitteln befürwortet. Die ethischen Fragen, die sich aus einer solchen Lage ergeben, sind komplizierter. Soll die Chance auf größere Freiheit durch noch mehr Tote erkauft werden? Oder besser das Leben vieler durch Zugeständnisse an den Gegner gerettet werden? Steht Putin morgen am Rhein, wenn ihm nicht durch erbitterte Kämpfe „bis zum letzten Ukrainer“ rechtzeitig Einhalt geboten wird? Vermeidet der Westen also durch einen konsequent und siegreich geführten Krieg vielleicht weitere Kriege, also noch mehr Tote?
Dies suggerieren etablierte deutsche Politikerinnen und Politiker wie Annalena Baerbock. Andere argumentieren, die NATO hätte von Anfang an eher sich selbst Einhalt gebieten sollen und so den jetzt tobenden Krieg verhindern können. Auch Eugen Drewermann argumentiert in diesem Sinn.
Für oder gegen Putin?
Menschen, die konsequent für den Frieden eintreten, stellen sich aber noch weiter gehende Fragen: Sollten Pazifisten „für Putin“ sein, weil der Frieden immer mit dem Versuch beginnt, den Gegner zu verstehen? Oder sollten sie „gegen Putin“ sein, weil Machthaber, die Krieg auf dem Territorium einer anderen Nation führen, immer die natürlichen Gegner der Friedliebenden sind? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Man müsste Putin um des Friedens willen entgegenkommen, ihn aber als Pazifist auch klar verurteilen.
Dabei ist es nicht entscheidend, ob der Angriff auf die Ukraine „unprovoziert“ war. Das war er nicht. Aber dies bedeutet nicht, dass er notwendig und alternativlos war. Auch in diesem Konflikt kam es zu einer Spirale der Gewalt und der wechselseitigen Drohgebärden. Wer den einen Pol dieser Spirale leugnet und den Schuldanteil eines der Beteiligten ausklammert, der begrenzt sich selbst unnötig auf ein halbiertes Sichtfeld. Ich stelle bei vielen Kommentatoren ein ausgeprägtes Desinteresse daran fest, die vollständig Wahrheit zu erkennen. Dass uns das niemals ganz gelingen kann, ist verständlich; dass es viele nicht einmal versuchen, befremdet mich.
Aus meiner Sicht können die in diesem Artikel gesammelten pazifistischen Denkanstöße nur auf eines hinauslaufen: Im Sinne eines ethischen Werturteils sind alle Seiten zu verurteilen — und zwar die westlichen Akteure wie auch die ukrainische und die russische Regierung. Die meisten Bürger der beteiligten Nationen sind dabei Opfer, sofern sie unter Kriegshandlungen, Angstpropaganda, den Folgen von Sanktionen und der Ausplünderung der öffentlichen Kassen durch Aufrüstung zu leiden haben. Von den Bürgern der beteiligten Länder können wiederum viele als Mitläufer eingestuft werden, sofern sie ihre Regierungen in ihrem kriegerischen Verhalten unterstützen.
Wir kommen einer vollständigeren Wahrheit nur näher, wenn wir es schaffen, mehrere einander scheinbar entgegengesetzte Teilwahrheiten in den Blick zu nehmen. Es ist schon ein Fortschritt, ein „Einäugiger unter Blinden“ zu sein; noch viel besser ist es allerdings, sich zu einem möglichst vollständig Sehenden zu entwickeln.
Niemals töten, unter keinen Umständen!
Es gibt durchaus einen Gedanken, der die auseinanderstrebenden Erkenntnisse wieder zusammenführen und harmonisieren kann: Es ist der Gedanke, dass Töten, dass Grausamkeit und Zerstörung unter allen Umständen falsch sind. Wer etwa die Kriegshandlungen Russlands in der Ukraine aus der jüngeren Geschichte heraus zu erklären versucht, hat in vieler Hinsicht recht. Solche Erkenntnisse können helfen, dass nach einem Ausbruch von Gewalt Verständigung und Entspannung wieder möglich sind.
Wer allerdings die „russische Sonderoperation“ für notwendig hält, für den sind auch das konkrete Leid, der Tod, die Verstümmelung, der Verlust geliebter Menschen, die von Kriegsopfern erlitten wurden, „notwendig“. Er möge dies dann bitte den Betroffenen erklären. Ich vermag das nicht. Daher beteilige ich mich nicht an Überlegungen der Art „Was hätte Putin denn sonst tun sollen?“. Ebenso wenig befriedigen mich vergleichbare Rechtfertigungen für die Kriegshandlungen westlicher Länder — „Was hätten die USA denn nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 sonst tun sollen?“.
Die Alternative dazu, Krieg zu führen, ist immer: keinen Krieg zu führen. Der richtige Zeitpunkt, um aus einer Spirale der Gewalt auszusteigen, ist immer: jetzt. Denn jedes Zögern kann Leben kostet. Die richtige Person, um mit der Aussöhnung zu beginnen, bin ich. Damit gemeint ist: diejenige Konfliktpartei, der man sich selbst zurechnet. Ein solches Verhalten mag bei globalpolitischen Auseinandersetzungen riskant wirken, aber als Michail Gorbatschow und seine westlichen Kollegen in den 1980er-Jahren so handelten, war die Welt vorübergehend eine friedlichere.
„Nein“ zum Krieg, „Ja“ zu sich selbst
Unsere Möglichkeiten, die Handlungsweisen von Politikern wie Putin oder Biden, Selenskyj oder Baerbock zu beeinflussen, sind naturgemäß begrenzt; verantwortlich sind wir vor allem für unser eigenes Handeln. In jedem Fall kann der Einzelne in den beteiligten Ländern für sich die Entscheidung treffen, nicht zu kooperieren. Der Krieg und seine „Logik“ werden seine Person dann nicht mehr ihrem Einflussbereich hinzufügen, werden ihn nicht zu einem seelisch ausgehöhlten Tötungsroboter im Dienst der Macht umfunktionieren können. Kriegsdienstverweigerung fordert von vielen einen hohen Preis — richtig ist sie trotzdem.
Hermann Hesse schreibt in seinem Roman „Demian“ über die Verweigerer:
„Es ist möglich, dass sie dich einziehen und dir sagen: ‚Nimm das Gewehr! Ziele! Drück ab!‘. Und du tust es. Dann werden die Zeitungen sagen, dass du ein treuer, tapferer Soldat bist. Dann wird der Militärpfarrer dich womöglich dafür segnen, dass du den Befehlen gehorcht hast. Die bürgerliche Welt wird dir zustimmen, dass du sie verteidigt hast. Es ist aber auch möglich, dass in dir selber eine leise Stimme spricht: ‚Du sollst nicht töten!‘. Also nimmst du das Gewehr und zerbrichst es über deinen Knien. Dann hast du sie alle gegen dich, die Presse, die Pfarrer, die öffentliche Meinung. Dann bist du ein Querdenker, ein Fantast, ein Pazifist. Aber du hast ‚Nein‘ gesagt, um zu dir selber ‚Ja‘ zu sagen.“