"Hoffnung ist eine unserer wichtigsten Ressourcen"
Ein Interview mit dem Buchautor, Journalisten und Öko-Visionär Dirk C. Fleck.
Nach Dirk C. Fleck steht der Kollaps der globelen Wirtschaftsordnung unmittelbar bevor. Welches Handeln beschert angesichts dieser Perspektive der Menschheit eine bessere Welt und der Welt eine bessere Menschheit? Zu diesen Fragen sprach Michael Weisser mit Dirk C. Fleck.
Herr Fleck, auf Ihrer Website www.dirk-c-fleck.de ist eine historisch anmutende Schriftrolle mit der Überschrift »Unsere Satzung« abgebildet. In Schreibschrift ausgeführt ist dort unter anderem zu lesen: »Jede Substanz birgt in ihrem gegenwärtigen Zustand alle ihre vergangenen und zukünftigen Aufgaben. Sie drückt das ganze Universum aus, da nichts vom anderen so weit entfernt ist, dass es nicht Verbindung mit ihm hätte.«
Weiter heißt es: »Dies ist der Kernsatz unserer Satzung, die überall zur Einsicht ausliegt – wo ihr steht und geht und weit darüber hinaus …«
Welches »unser« und welches »wir« steht hinter diesem mahnenden Bekenntnis? Und worauf zielt dieser prophetisch anmutende Text ab? Geht es um einen Geheimbund? Um eine Verschwörung? Um die Zukunft?
Nein, es geht nicht um einen Geheimbund, es geht um uns alle, denn jeder von uns unterliegt der kosmischen Energie, die ständig im Wandel begriffen ist. Unser kurzes Gastspiel in diesem Körper ist nur eine Form unserer unendlichen Existenz. Die Formen, die wir wahrnehmen, gleichen den Wellen auf dem Ozean, sie kommen und gehen, der Ozean aber bleibt bestehen. Die Tatsache, dass wir eines Tages unsere Gestalt verlieren und wieder eintauchen werden in seine Tiefe, bedeutet ja nur, dass wir wieder eins werden mit dem Meer der unendlichen Möglichkeiten, wie der Quantenphysiker Hans-Peter Dürr es nannte.
Sie sind Journalist und Buchautor, haben eine Lehre als Buchhändler absolviert, studierten an der Deutschen Journalistenschule in München, waren u. a. Lokalchef der Hamburger Morgenpost, Redakteur bei Merian und Die Woche, schrieben Kolumnen für Die Welt und arbeiteten als freier Autor für Stern, GEO, Der Spiegel. Sie greifen auf einen großen Erfahrungshintergrund zurück. Gibt es ein Thema, das Sie über den Zeitraum Ihrer Entwicklung hinweg ganz besonders interessiert hat und bis heute interessiert? Wenn ja welches und aus welchem Grund?
Wir leben am Ende unserer Zivilisation, die, wie Stanislav Lem es ausdrückte, ohne Pläne gebaut wurde und nun führerlos dahin schlingert. Es fehlt ihr ganz einfach an spiritueller Verbundenheit, mit deren Hilfe wir einen Kurs hätten wählen können, der eben nicht in die Katastrophe mündet. Der unbedachte Raubbau an den irdischen Ressourcen führt zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und somit direkt in den Ökozid. Keine Generation vor uns hatte eine solche Bedrohung auszuhalten. Gibt es vor diesem Hintergrund ein Thema von größerer Bedeutung? Ich begreife mich als Zeitzeuge und als solcher äußere ich mich auch dazu.
Wie kamen Sie von der journalistischen Arbeit im Auftrag von Redaktionen zum freien Schreiben des Schriftstellers? War das ein schleichender Prozess oder gab es für Sie ein Schlüsselerlebnis?
Ich hatte das Glück, den Journalismus noch in seiner ursprünglichen Form zu erleben – wo noch recherchiert wurde, wo Nachrichten und Kommentare noch streng getrennt wurden. Wo man, um es ein wenig idealistisch zu formulieren, seinem Wächterauftrag in der Demokratie noch gerne nachkam. Heute wird der Journalismus nicht mehr als kulturelle Leistung begriffen, auf die wir ein Anrecht haben. Die Ökonomisierung unseres Berufes durch viele Verlagsmanager, die sich allein an den Umsatzrenditen messen lassen mussten, war der Ursprung einer Fehlentwicklung, die den Journalismus zum Konsumgut degradiert hat. Heute werden Redaktionen nicht anders gemanagt als eine Schraubenfabrik, auch wenn in ihr an den Stellschrauben der Gesellschaft gedreht wird. Als ich mich mit meinen Themen nicht mehr durchsetzen konnte, war das Ende der Fahnenstange für mich erreicht. Das ist jetzt sechzehn Jahre her und ich habe diesen Ausstieg nie bereut.
Als Journalist haben Sie »Pflichten« gegenüber dem Auftraggeber. Als Schriftsteller sind Sie erst einmal frei in der Wahl Ihres Themas und Ihres Stils und der Werte, die Sie vertreten. Diese Freiheit schränkt sich erst nach Abgabe des Manuskripts ein, wenn der Verlag entscheidet, ob es ein Buch wird oder nicht. Schriftsteller und bildende Künstler haben viel gemeinsam, denn beide kreieren neue Welten zum Sehen und zum Lesen. Beide gestalten, der eine mit Worten, der andere mit Bildern. Spüren und genießen Sie diesen Akt des Gestaltens als einen intensiven Moment der Freiheit, der persönlichen Entfaltung? Empfinden Sie Ihr Handeln als Erfüllung?
Ja. Wobei sich auch die Buchverlage sehr schwer damit tun, Themen abseits des Mainstreams zu fördern. Die Schreiberei selbst ist natürlich ein Akt der Freiheit, die Verlagssuche hingegen gestaltet sich zum Teil so schwierig, dass man der Verzweiflung gelegentlich schon recht nahekommt. So hat zum Beispiel der Piper Verlag den dritten Band meiner Maeva-Trilogie abgelehnt, obwohl sie die ersten beiden Bände veröffentlicht hatten, mit einigem Erfolg übrigens. Die Ablehnung von »FEUER AM FUSS« erfolgte, ohne dass man das Manuskript überhaupt eingesehen hatte. Das Thema passte ihnen nicht. Es ging um den Untergang unserer Zivilisation, der aber auch neue Chancen eröffnet.
Der Begriff »Kunst« wird spontan verbunden mit dem Begriff »Kreativität«. Kreativität kann sich gezielt als Problemlösung erfüllen, sie kann sich aber auch als freies Spiel der Ideen entfalten. Als Romanautor tragen Sie eine »Message« in die Welt, Ihr wichtiges Thema ist die Ökologie, die Hoffnung auf das Überleben unseres Planeten Erde. Warum schreiben Sie keine Sachbücher, sondern wählen den Roman als Medium?
Sachbücher zum Thema Ökologie gibt es genug. Ein Roman bietet die Möglichkeit, ein hochgerechnetes Szenario für ein breiteres Publikum sinnlich erfahrbar zu machen. Und darum geht es doch, wenn man überhaupt noch Einfluss nehmen will.
Der Roman erzählt von Menschen und deren Gefühlen. Er bietet Identifikation und erweckt Emotionen. Emotionen sprechen die komplexe Gefühlswelt an, schaffen Spannung, Begeisterung, reißen mit und entzünden Empathie. Nutzen Sie diesen Zusammenhang von Emotion und Identifikation ganz bewusst, um Ihre Message tiefer in die Seelen der Leser zu bringen?
Ja.
In welchem Genre sehen Sie Ihre Romane? Schreiben Sie Krimis oder Science-Fiction?
Weder noch. Meine Romane sind literarische Hochrechnungen, die auf einem soliden Fundament nachprüfbarer Fakten beruhen.
Im Dezember 2013 brachte der Verlag p.machinery die Neuauflage Ihres Romans »GO! – Die Ökodiktatur – Erst die Erde, dann der Mensch«, heraus, der als Erstauflage bereits 1993 bei Rasch und Röhring erschienen war. Zwanzig Jahre liegen zwischen diesen beiden Ausgaben – haben Sie damals noch eine Fiktion beschrieben, die in der Zwischenzeit zur brennenden Realität geworden ist?
Es ist selbst für mich als Autor erschreckend zu sehen, wie die Realität meine Schilderungen nach und nach einholt. »GO!« beginnt zum Beispiel mit einem Kapitel, in dem geschildert wird, wie die zusammen gezimmerten Flüchtlingsboote in der Straße von Gibraltar von spanischen Schnellbooten untergepflügt werden.
Im Vorwort Ihrer Neuauflage schreiben Sie: »Wir Menschen haben Jahrhunderte lang in unser Wohnzimmer uriniert. Anstatt aber unsere Lebensweise zu hinterfragen, diskutierten wir lieber über die Saugfähigkeit des Teppichs. Erst jetzt, da der Sättigungsgrad des Teppichs erreicht ist, beginnen wir allmählich aufzuwachen. Dabei hätte es nicht zwangsläufig so weit kommen müssen. Wir hatten unsere Chance, wir hatten sie immer. Wir konnten sie nur nicht nutzen, weil wir als politisches Gemeinwesen keine Idee besaßen, was und wer wir eigentlich jenseits unseres immer kümmerlicher werdenden Konsumentendaseins im Scheinpluralismus weniger Konzerne sein wollten.«
Sie bemängeln das Fehlen von »Ideen«. Aber reichen Ideen überhaupt aus, um die Welt zu verbessern? Selbst die besten Ideen waren bislang nicht in der Lage, die Welt nachhaltig positiv zu gestalten.
Bedarf es neben der Idee nicht auch der Handlung und neben der Handlung auch der Motivation und neben der Motivation auch die ethische Grundposition? Diese Grundposition hat die Menschheit in ihren verschiedenen Kulturen, Religionen und Gesetzen seit Jahrhunderten verankert. Dennoch wird der Planet vom Menschen zerstört – das ist Menschheitsmord!
Sie scheiben weiterhin im Vorwort: »Der Mensch ist schlau, er hat immer Auswege gefunden, wenn es zur Krise kam. Aber nie zuvor in seiner Geschichte ist seinem Erfindungsreichtum ein solcher Riegel vorgeschoben worden, wie zu Zeiten der kapitalen Gier. Kaum zu glauben aber wahr: Das Profitinteresse einer kriminellen Finanz- und Wirtschaftselite hat in den letzten Jahrzehnten jede vernünftige Problemlösung im Ansatz erstickt.«
Aber ist es wirklich die Elite, die die Welt zerstört? Hart gefragt: Sind es nicht alle (also auch wir), die mitmachen?
Es wäre in der Tat zu billig, alleine die Machteliten für die augenblicklichen Zustände verantwortlich zu machen. Wir alle tragen durch unser Verhalten eine Mitschuld. Das gilt es auch klar zu benennen. Die Frage ist nur, wie wir aus dem mörderischen System ausbrechen können, das unser Leben bis ins letzte Detail fest im Griff hat.
Kann vielleicht nur noch der bis zur Unerträglichkeit für uns alle steigende Leidensdruck zu wahrnehmbaren Veränderungen führen?
Ich denke ja. Erst wenn die Umstände es unmöglich machen, so weiter zu wirtschaften wie bisher, werden wir zum Umdenken gezwungen. Deshalb wäre der baldige Kollaps unseres giergesteuerten globalen Wirtschaftssystems fast zu wünschen. Das sage nicht nur ich, das sagt zum Beispiel auch ein Mann wie Maurice Strong, der Gründer des UN-Environment Programme und Initiator des Klimagipfels in Rio. Zitat Strong: »Ist nicht der Kollaps der industrialisierten Welt die einzige Hoffnung für den Planeten? Liegt es nicht in unserer Verantwortung hierfür zu sorgen?«
Sie schreiben »Der Umbau der globalen Konsumkultur wird das wichtigste Ereignis in der Geschichte der Menschheit sein.« Wie sollen wir weltweit politische Gemeinwesen werden? Wer soll diesen Umbau von wem autorisiert vornehmen? Wer hat Ihrer Meinung nach die Macht auf unserem Planeten? Die Politik? Die Wirtschaft? Das Militär? Die Medien? Die Völker? Oder jeder einzelne Mensch?
Sehen Sie, solche Postulate sind schön und gut, aber es wird nicht funktionieren. Eine Bewusstwerdung auf breiter Basis wird nicht herzustellen sein, bei all den sozialen Verwerfungen und Kriegen auf der Welt. Ich halte es da lieber mit dem Philosophen Hans Jonas, der gesagt hat, dass die einzig noch verbliebene Ressource die Hoffnung ist. Aber immerhin hat jeder Einzelne von uns die Möglichkeit, an sich selbst zu arbeiten und seinen eigenen Weg zu finden.
Welche Idee haben Sie als kreativer Literat, der mit Worten kühne Visionen und Welten erschaffen kann … welche Lösung finden Ihre Romanfiguren?
Seit die Untergangsliteratur von der Unterhaltungsindustrie vereinnahmt worden ist, bemühe ich mich ganz bewusst um positive Zukunftsentwürfe. In allen fünf Bereichen, die der Mensch seit jeher zu managen hatte (Energie, Mobilität, Nahrung, Kleidung, Behausung), gibt es zahllose, angedachte oder bereits erprobte Alternativen. Sie werden allerdings größtenteils von kapitalen Interessen blockiert. Aber für eine wirksame Romanhandlung sind sie bestens geeignet.
Oder ist der bevorstehende Untergang des Planeten Erde fatalistisch wie sachlich gesehen Teil des Evolutionsprozesses? Sind wir so angelegt, dass wir uns unausweichlich in andere energetische Zustände transformieren?
Das mag so sein. Ich denke des Öfteren, dass diese geballte Ladung Dummheit, welche die Menschheit an den Tag legt, vermutlich gewollt ist. Vielleicht hat die Evolution den Menschen nur eingesetzt, um den Planeten einmal kräftig umzupflügen, damit sie sich neue Bahnen suchen kann. So richtig tröstlich ist das aber auch nicht …
Das Interview erschien zuerst in Weisser, Michael: »neugierig:denken! – Interviews & Dialoge zum künstlerisch-kreativen und non-linearen Denken mit Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik«. Die|QR|Edition – Edit 5. p.machinery, Murnau am Staffelsee, September 2016, 384 Seiten, 210 x 210 mm. Softcover: ISBN 978 3 95765 070 2, Hardcover: ISBN 978 3 95765 071 9.
Literatur & Quellen:
Website von Dirk C. Fleck, www.dirk-c-fleck.de/de
Dirk C. Fleck. DAS TAHITI-PROJEKT. Die Maeva-Trilogie 1. Piper, München, 2. Aufl. Dezember 2011, Taschenbuch, 346 Seiten. ISBN 978 3 492 25362 8.
Dirk C. Fleck. DAS SÜDSEE-VIRUS. Die Maeva-Trilogie 2. Piper, München, Januar 2013, Taschenbuch, 334 Seiten. ISBN 978 3 492 30067 4.
Dirk C. Fleck. FEUER AM FUSS. Die Maeva-Trilogie 3. p.machinery, Murnau, September 2015, Paperback, 356 Seiten. ISBN 978 3 95765 037 5. www.pmachinery.de/?p=3466
YouTube Video, Holger Strohm, KenFm im Gespräch mit Dirk C. Fleck, 1:40 – 2015. www.youtube.com/watch?v=f3gDBEtZUwE
YouTube Video, Holger Strohm, KenFm im Gespräch mit Dirk C. Fleck, 1:38 – 2014. Journalismus ist das Immunsystem der Demokratie. www.youtube.com/watch?v=SNdO7pUMrtA
KulturPort, Hans-Juergen Fink, 12. Februar 2014. Dirk C. Fleck: Der Umbau der globalen Konsumkultur wird das wichtigste Ereignis in der Geschichte der Menschheit sein. www.kultur-port.de/index.php/kunst-kultur-blog/literatur/8796-dirk-c-fleck-der-umbau-der-globalen-konsumkultur-wird-das-wichtigste-ereignis-in-der-geschichte-der-menschheit-sein.html