Hitlers Helfer
Die Westmächte unterstützten den Aufstieg der Nazis, um Deutschland gegen die Sowjetunion in Stellung zu bringen. Teil 1/2.
„Immer schreibt der Sieger die Geschichte der Besiegten. (…) Aus der Welt geht der Schwächere und zurück bleibt die Lüge.“, schrieb einst Bertolt Brecht. Seit mehr als 20 Jahren erforscht Guido Preparata die tatsächlichen Zusammenhänge, Ereignisse und Ursachen des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Als im Jahre 2005 sein Buch „Wer Hitler mächtig machte“ erschien, wurde ihm an der Universität Washington die Beförderung zum Professor verweigert. Stattdessen erhielt er eine außerordentliche Professur an der Universität Tacoma. Heute arbeitet er als Hochschuldozent für Kriminologie an der Technischen Universität in Vancouver. Mikael Sander sprach für „Das Milieu“ mit dem italoamerikanischen Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Guido Preparata über Hitlers Hintermänner, die Unterstützung der Amerikaner und Briten für das Dritte Reich sowie die Schuldfrage an den beiden Weltkriegen.
MILIEU: In deutschen Schulen wird bereits früh das Bild eines Hitlers vermittelt, der ein herrschsüchtiger, geisteskranker Bösewicht gewesen sei, welcher die Weltherrschaft an sich reißen wollte. Würden Sie dem zustimmen?
Prof. Preparata: Hitler als Geisteskranker und Psychopath ist ein propagandistisches Porträt von Hollywood, das uns durch die Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg aufgezwungen wurde. Mein Buch „Conjuring Hitler — Wer Hitler mächtig machte“ handelt im Kern davon, dass die Sieger, die selbst verantwortlich für das Entstehen des Hitlerismus waren, mit diesem Hitler-Bild von ihrer eignen Schuld ablenken.
Mit welcher Motivation wird uns in den Schulen diese Version der Geschichte gelehrt?
Das ist eine typische dämonisierende Charakterisierung eines besiegten Gegners. Die Sieger verfolgen damit zwei fundamentale Ziele: Erstens, unter den Schülern das aufrichtige Gefühl zu entwickeln, dass die Diktatur Hitlers, die Herrschaft des „Antichristen“ gewesen sei, und dass jeder, der sie zum Sturz brachte, quasi ein „Ritter Gottes“ war.
Zweitens, durch die alleinige Schuldzuweisung an (Nazi-)Deutschland für jegliche Schandtaten des Westens, konnten sich die angloamerikanischen Staatenlenker und ihre Sympathisanten aus aller Welt als „die Guten“ darstellen. Sie krönten sich selbst als eine „Legion Gottes“ und wuschen sich damit von jeglichen Schuldgefühlen für die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki rein. War der Nationalsozialismus eine Manifestation des Teufels? Sicherlich war er das, genauso wie das, was man in Hiroshima und Nagasaki getan hat, ein teuflisches Werk war. Nicht mehr und nicht weniger. Teufel hier und Teufel dort. Konzepte, wie „Gott“ und das „Gute“, haben in keinster Weise damit zu tun.
Wer war Adolf Hitler in Ihren Augen?
Hitler bleibt für mich ein Rätsel. Mit Sicherheit war er ein Verführer. In allen Epochen hat es immer wieder Phasen gegeben, in denen sich auf dem Boden zerrütteter Gesellschaften Abgründe aufgetan haben. Niemand weiß, wie sich anarchistische Kräfte entfesseln, geschweige denn, wie sogar die „kritischen Stimmen“ in der Bevölkerung diesen „spirituellen Suggestionen“ von charismatischen „Führern“ erliegen.
Wenn politische und wirtschaftliche Zustände erheblich modifiziert oder frisiert werden, um solch eine beunruhigende Fusion zu erreichen, kann sich ein derartiges Phänomen wie das des Hitlerismus entwickeln. Obgleich dies als ungewöhnlich erscheint, sind ähnliche Ereignisse aus der Historie sehr wohl bekannt. Bereits 1915 konnte Thorstein Veblen gewisse Muster des bevorstehenden deutschen Revanchismus erkennen, womit er ein erschreckend genaues Porträt von Hitler und von dem, der er werden sollte, lieferte. Diese Textstelle zitiere ich in meinem Buch.
Welche Rolle sollte Hitler als „Marionette“ der Briten und Amerikaner in der Weltpolitik spielen?
Die Siegermächte züchteten Hitler ganz bewusst heran, um Deutschland als potenzielle Gefahr für geopolitische Interessen des angloamerikanischen Staatenbundes ein für alle Mal zu beseitigen. Als Führer eines „neuen Deutschen Reiches“ sollte er einen Angriff auf das „rote gottlose Russland“ einleiten.
Wie konnte das Dritte Reich überhaupt trotz seiner finanziellen Schieflage die Kriege finanzieren?
Durch nationale Ersparnisse, die in einer Spekulationsblase mündeten. Hitler wollte natürlich versuchen, die Schulden durch die Eroberungen zurückzuzahlen. Großbritannien vereinfachte die internationale Kreditvergabe für die Beschaffung von Rohstoffen aus dem Ausland, an denen es Deutschland mangelte.
Ist der Plan der Briten und Amerikaner schiefgegangen oder aufgegangen als die Nazis zum Aggressor wurden?
Alles lief exakt wie geplant. Es hat 20 Jahre gedauert, und alles war sorgfältig ausgearbeitet. Ich ging ja zunächst auch von der konventionell gelehrten Sichtweise aus. Diese habe ich aber schon längst verworfen. Es ist ein erschreckendes Bild, das sich in meinem Kopf nach einem Jahrzehnt intensiver Forschungen entwickelt hat. Wie die Briten und Amerikaner den Nationalsozialismus und die damit einhergehende Radikalisierung bis hin zur Eskalation befeuern konnten, ist Inhalt meines Buches.
Sie sprechen von einer Radikalisierung durch die Alliierten. Die Drahtzieher dieses Plans müssen doch gewusst haben, zu was Hitler fähig war?
Nicht ganz. Wenn man sich mit Veblens Rezension von Keynes‘ Werk „Krieg und Frieden: Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrages von Versailles“ befasst, das er 1920 verfasste, wird man lesen, dass die Alliierten ohnehin schon von einem Untergang des Dritten Reiches, das von revanchistischen und reaktionären Kräften geprägt war, ausgingen. Sie vertrauten darauf, Deutschland manipulieren und zu einem weiteren Konflikt anstiften zu können.
Dies geschah 21 Jahre später mit dem Angriff Deutschlands auf das bolschewistische Russland. Veblen hatte all das schon 1920 geschrieben. Es scheint so, als ob ich der Einzige wäre, der es gewagt hat, diese Vorhersage zu zitieren. Es wirkt so, als ob britische Strategen in der Hinsicht sehr zuversichtlich gewesen waren, eine Massenschlacht zu ihrem alleinigen Vorteil nutzen zu können — mit oder ohne einen massenhaften Verführer. Für sie war das ein doppelter Segen. Das Manna der Hölle.
Welche Auswirkungen hat Ihre Forschung auf die Schuldfrage in Bezug auf die beiden Weltkriege?
Die Geschichte mit der Alleinschuld ist kompletter Unfug. Das ist britische Propaganda, die in der liberalen Ära der Theatralik und des Massenspektakels als Grundlage für ihr System dient. Der Imperativ lautet immer, niemals als Aggressor zu erscheinen, auch wenn man der Drahtzieher der gesamten Operation war.
Dieser Imperativ gründet auf dem schizophrenen Bedürfnis danach, eine dreiste Selbstgerechtigkeit an den Tag zu legen und einer Kriegslüsternheit, die immerzu Dominieren und Erobern von anderen Nationen bedeutet. Dieses Zusammenspiel von machtgetriebenem Blutrausch und Hochmut mündet in einer irren Heuchelei, wodurch das tatsächliche Motiv der kriegerischen Bestrebungen samt des „diplomatischen Zwischenfalls“, der eigentlich zum Krieg führte, verschleiert bleibt. Uns wird also weiß gemacht, dass die Schandtaten Deutschlands die angloamerikanischen Imperialisten dazu zwangen, aktiv zu werden. Durch die „Intervention“ musste man angeblich einem „Tyrannen“ Einhalt gebieten.
Aber Hitler war ein Tyrann?
Klar. Ich behaupte ja nicht, dass Deutschland unschuldig war. Keinesfalls. Aber man kann aufzeigen, dass ein angriffslustiges Deutschland sehr geschickt zu einer Kriegserklärung gedrängt wurde. Man kann sich hierfür beispielhaft die zwei Auslöser vor Augen führen, die zum Ersten und Zweiten Weltkrieg geführt haben: Die Briten stellten den Deutschen zwei selbstauslösende Fallen in Form von Belgien und Polen.
Deutschland erscheint dadurch im Rückblick immer als Aggressor, obwohl die gesamte Dynamik über einen längeren Zeitraum hinweg durch britische Strategen geschaffen wurde, die nicht weniger als Deutschland und andere Großmächte an einem Krieg interessiert waren. Eigentlich sogar noch mehr, da die neueren Entwicklungen den Aufstieg des Deutschen Reiches zur Supermacht zum Ende des 19. Jahrhunderts offenbarten. Das war eine direkte Gefahr für das Britische Imperium: Großbritannien war der Herrscher und die Welt war sein Territorium. Die Briten wollten diese Dominanz nicht gefährden. Sie denken noch immer auf diese Weise, so wie es Amerikaner tun, die von den Briten geschult wurden.
Wie konnte sich das Dritte Reich so sehr überschätzen, dass es glaubte, sich mit den Briten und Amerikanern anlegen zu können?
Das ist wirklich erstaunlich. Sie verhielten sich auf der weltpolitischen Bühne unreif. Ihre Selbstüberschätzung gründete in ihrer totalitären, selbstverherrlichenden und kollektiven Kult-Idee. Es war zudem eine militärische Aggressivität, gepaart mit einer außerordentlichen strategischen Mittelmäßigkeit. Das Dritte Reich war damit den Briten in ihrem Spiel kein ebenbürtiger Gegner. Ihre rassistische Feindseligkeit gegenüber den Russen und Slawen führte dann im Juni 1941 zu ihrem Untergang. Das war ein grenzenloser Triumph für die Angloamerikaner.
Die Fortsetzung folgt...
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst auf www.dasmili.eu.