Historische Echos

Im Rubikon-Exklusivgespräch diskutieren der Historiker Uwe Alschner und der Mediziner Christian Schubert über das Filmprojekt „Never Again Is Now Global“ — eine Warnung von Holocaust-Überlebenden vor einer Wiederholung der Geschichte.

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“, lautet eine Warnung des spanischen Philosophen George Santayana. Vera Sharav hat als Überlebende des Holocaust eine provozierende filmische Dokumentation vorgelegt, die unterstellt, dass sich die Geschichte der Shoah aktuell wiederholen könnte, gerade weil sie nie wirklich aufgearbeitet worden ist, also nicht wirklich bekannt sei. Sharav und andere Überlebende sehen deutliche Parallelen. Sie warnen: „Nie wieder“ ist jetzt! Und zwar weltweit — „Never Again Is Now Global“. In ihrem Gespräch geht Friederike de Bruin mit Christian Schubert und Uwe Alschner unter anderem der Frage nach, warum sich die deutschsprachige Öffentlichkeit mit der Dokumentation schwertut.

Natürlich spielt das strafbewehrte Verbot der Leugnung von NS-Verbrechen eine zentrale Rolle in diesem Zusammenhang. Aber woher kommt diese Gesetzesnorm? Wie ist sie im Kontext des Berichts der Kommission von Elie Wiesel zu verstehen? Der spätere Friedensnobelpreisträger und Überlebende von Auschwitz hat 1979 mit einer Kommission, der zahlreiche weitere Überlebende angehörten, in einem Bericht an US-Präsident Jimmy Carter Empfehlungen für angemessenes Gedenken an den Holocaust formuliert. In diesen wird explizit von der Möglichkeit einer Wiederholung gesprochen und dass gerade die Überlebenden das Recht und die Pflicht hätten, solche Warnungen auszusprechen. Kann vor diesem Hintergrund das filmische Projekt von Vera Sharav grundsätzlich als unangemessen abgetan werden, bevor es gesehen wurde? So fragt Uwe Alschner.

Christian Schubert bringt in diese Debatte das Phänomen der selbstähnlichen Muster, Fraktale, ein. Diese sind in der Psychologie bekannt und möglicherweise auch in der Geschichte dann vorstellbar, wenn Ereignisse nicht aufgearbeitet werden. Was an der Katastrophe, die zum Holocaust führte, nicht aufgearbeitet worden ist, bildet einen zentralen roten Faden in der Dokumentation von Vera Sharav. Neben diversen Kontinuitäten auf der Ebene von dynastischen Familienstrukturen und Konzernsystemen geht es in der Diskussion auch um die Kontinuitäten auf der Ebene der Eugenik, des Transhumanismus und der vierten industriellen Revolution des World Economic Forum.



Friederike de Bruin im Gespräch mit Christian Schubert und Uwe Alschner