Herrschaft durch Handel

Mit den erhobenen US-Zöllen inszeniert sich Donald Trump als ein längst überwunden geglaubtes Stereotyp: der starke Mann.

Es sind keine gewöhnlichen Zolltarife, die die Vereinigten Staaten dieser Tage verhängt haben. Es sind Zeichen. Zeichen eines weltpolitischen Paradigmenwechsels, der nicht nur Lieferketten zerstört, sondern ganze Weltbilder. Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, pauschal zehn Prozent auf sämtliche Importe, zwanzig Prozent auf EU-Waren und vierunddreißig Prozent auf chinesische Produkte zu erheben, ist keine bloße Maßnahme zur Korrektur von Handelsbilanzen. Sie ist ein machtpolitischer Akt. Und sie stellt die alte Frage neu: Wer entscheidet über den Lauf der Dinge, Interessen oder Prinzipien?

Die Rückkehr des Dominanzdenkens

Wer sich die Rhetorik der vergangenen Tage anschaut, erkennt rasch, dass hier kein ausgewogener Interessenausgleich angestrebt wird. Vielmehr geht es um eine Rückeroberung von Deutungshoheit, ökonomisch wie politisch. Die USA präsentieren sich nicht länger als Partner im internationalen Handel, sondern als Richter, Jury und Vollstrecker in einem. Wer sich den Regeln des „stärkeren Partners“ nicht fügt, wird zur Kasse gebeten. Wer sich wehrt, bekommt mehr.

Das ist keine neue Idee. Aber sie kehrt mit Macht zurück. Unter dem Deckmantel von Reziprozität wird ein Weltbild durchgesetzt, das auf Überlegenheit statt Ausgleich, auf Einfluss statt Austausch baut. In dieser Logik ist Wirtschaft kein Raum des Miteinanders, sondern ein Spielfeld strategischer Erpressung.

Wirtschaftliche Gewalt im Kleid der Ordnung

Was dabei irritiert, ist nicht nur die Maßnahme an sich, sondern wie sie legitimiert wird. Trumps Administration spricht von „notwendigen Zöllen“, um die „amerikanische Souveränität zu sichern“. Doch Zölle, die alle treffen, unabhängig von politischem Verhalten oder tatsächlicher Marktverzerrung, sind nicht Schutz, sondern Drohung. Sie verwandeln Wirtschaft in eine Waffe.

Und genau darin liegt die Gefahr: Wenn ökonomische Beziehungen nicht mehr auf Verlässlichkeit, sondern auf Angst gründen, ist keine Zusammenarbeit mehr möglich, nur noch Gehorsam oder Widerstand.

Die Reaktion Chinas — 34 Prozent Gegenzölle ab dem 10. April 2025 — ist nicht nur symbolisch. Sie ist ein Schritt in Richtung wirtschaftlicher Entkopplung, der nicht nur das Verhältnis zwischen den USA und China verändert, sondern die globalen Fliehkräfte verstärkt. Wer seinen Wohlstand dem Export verdankt, wie große Teile Europas, steht nun vor einer existenziellen Frage: Wie unabhängig sind wir eigentlich noch?

Zwischen Macht und Moral

Die Märkte reagieren, wie sie immer reagieren, wenn Unsicherheit dominiert: nervös, panisch, hektisch. Die Börsen verlieren, die Investoren flüchten, die Realwirtschaft zögert. Doch jenseits der ökonomischen Turbulenzen stellen sich weit tiefere Fragen: Was ist der Preis von Sicherheit? Was passiert, wenn „Freihandel“ zur Einbahnstraße wird? Und was, wenn die politische Architektur, auf der dieser Handel ruhte, selbst ins Wanken gerät?

Denn während ökonomische Sanktionen eskalieren, geraten auch andere Koordinaten aus dem Gleichgewicht: die Vorstellung von Fairness, von Gleichwertigkeit, von einer Weltgemeinschaft, die mehr ist als ein Marktplatz mit Zollschranken. Wenn wirtschaftliche Entscheidungen nicht mehr auf Ausgleich, sondern auf Unterwerfung zielen, verlieren wir etwas, das sich nicht mit Zahlen beziffern lässt: die Idee einer kooperativen Welt.

Der Mensch in der Maschine

Und mittendrin: der Mensch. Nicht als Trader, nicht als Funktionsträger, sondern als sozial eingebettetes Wesen, das auf Stabilität und Gerechtigkeit angewiesen ist. Für ihn bedeutet Trumps Zollpolitik keine geopolitische Debatte, sondern höhere Preise, Jobverlust, Unsicherheit. Für ihn ist ein Wirtschaftskrieg keine abstrakte Kategorie, sondern Realität.

Doch diese Realität ist nicht naturgegeben. Sie ist das Ergebnis politischer Entscheidungen. Und deshalb muss sie auch hinterfragt werden dürfen. Wer profitiert von dieser Konfrontation? Wem nützt die Erzählung vom „vergewaltigten Amerika“, vom „plündernden Ausland“? Und wer zahlt den Preis?

Was wir jetzt brauchen

Vielleicht ist es an der Zeit, den Begriff „Handel“ neu zu denken. Nicht als Ausdruck von Konkurrenz, sondern von Beziehung. Nicht als Mittel zur Durchsetzung, sondern zur Verständigung. Denn wenn wirtschaftliche Macht zur politischen Herrschaft wird, verlieren wir mehr als Märkte — wir verlieren Vertrauen, Fairness und die Chance auf eine gerechtere Welt.

Es geht nicht darum, naiv zu sein. Es geht darum, nicht zynisch zu werden. Nicht alles, was machbar ist, ist legitim. Und nicht alles, was strategisch klug erscheint, ist auch menschlich vertretbar. In einer Welt, in der wirtschaftliche Interessen zunehmend über moralische Grundsätze gestellt werden, braucht es Stimmen, die das benennen.

Und Menschen, die sich erinnern: dass Fortschritt nicht nur in Zahlen messbar ist, sondern in der Art, wie wir miteinander umgehen.