Helden ziehen nicht in den Krieg!
Die Ehrfurchtsbekundungen für den verstorbenen John McCain sind menschenverachtend.
Posthum wird McCain als Held, als „Letzter seiner Art“, als prinzipientreuer Kriegsgefangener gefeiert – schließlich soll man ja über die Toten nicht schlecht reden. Dass er ein Falke war, ein Kriegshetzer und Kriegsverbrecher, der den Mord an Millionen von Menschen und die Verwüstung mehrerer Länder mitverantwortete, wird in den Mainstream-Medien geflissentlich verschwiegen. Nick Pemberton über McCain und das Amerika, das er hinterlässt.
Ein verstorbener McCain, 2,5 Millionen tote Iraker
Das Krasseste an der US-amerikanischen Gesellschaft ist die reaktionäre Sentimentalität, die unsere mit Tratsch geschwängerten Herzen jedes Mal reflexartig ergreift, wenn einer unserer angeblichen Kriegshelden ins Jenseits übergeht. Die sorgfältig einstudierten Erklärungen unnützer politischer Figuren betäuben unseren Geist, während all jene, die noch zurechnungsfähig sind, sich wohl fragen, was so ein staubiger alter Knochen wie John McCain je für uns getan hat.
Donald Trump war einst ein Neuling auf der politischen Bühne und konnte noch immer Brücken abbrechen, wenn sie es wert waren, abgebrochen zu werden. Eine von Trumps Sternstunden fand statt, als er sagte, McCain sei kein Kriegsheld. Eine derartige Erklärung war so notwendig, dass man sagen könnte, es sei der schönste Moment gewesen, den der „Nicht so große Pumpkin“ [Der „Große Kürbis“ ist eine Gestalt — ähnlich dem Weihnachtsmann — in den Geschichten um Charlie Brown/Die Peanuts; Anmerkung der Übersetzerin] dem US-amerikanischen Volk gebracht hat. Ich brauche wohl nicht extra darauf hinzuweisen, dass wir jeglicher politisch korrekter Sentimentalität widerstehen müssen, wenn Trump einst vor seinen Schöpfer tritt.
Ob jemand ein Kriegsheld war oder nicht, entschied Trumps Machometer dadurch, ob der Betreffende gefangengenommen wurde oder nicht. Der Ausdruck „Kriegsheld“ ist ein Paradox in sich, wir müssen also dem öden Cheeseball (1) die glanzlose Definition verzeihen. John McCain ist kein Held.
„McCain-Doktrin“
John McCain war überzeugter Zionist, aber diese Eigenschaft ist so US-amerikanisch wie Apple Pie.
McCain setzte sich stärker als fast jeder andere für mehr Truppen im Irak ein. Als George W. Bush nachgab und 2007 weitere 20.000 Streitkräfte in den Irak entsandte, nannten die Demokraten dies „Die McCain-Doktrin“.
US-Amerikaner, die sogar noch dümmer als Bush II. sind, bezeichnen Bush inzwischen als „vernünftig“. Der vernünftige Bush sprach von fünfzig Jahren im Irak, McCain erhöhte den Einsatz auf einhundert Jahre. Auch für den Krieg in Afghanistan sprach er sich begeistert aus. Und wie sein Kumpel Barack auf der anderen Seite des politischen Spektrums fühlte auch er sich von Libyen unter Muammar Gaddafi bedroht. McCains mannhaftes Getue gegen Vladimir Putin war so aufschlussreich wie Trumps Bromance (2) mit eben diesem.
Das Ganze stank ganz furchtbar, als John McCain sich auf die Seite der guten alten amerikanischen Werte schlug und seinen Bruder aus der anderen Partei, Barack Obama, zu seinem Begräbnis einlud – wahrscheinlich, um Donald Trump eins auszuwischen. Politiker von heute tun gerne so, als hätte es im Klub der guten alten Jungs in der Vergangenheit keine bösartige Frauenfeindlichkeit à la Trump gegeben.
Aber vertiefen Sie sich mal in McCains öffentliche Erklärungen — Sie werden viele sexistische Anmerkungen finden. Das muss man Trump lassen: Er verschwendet keine Zeit mit Sentimentalitäten. Er glaubt an nichts und niemanden.
Trump ist der folgerichtige nächste Schritt in einer Gesellschaft, die moralisch bankrott ist und mit unechtem, chauvinistischem Kitsch die eigene Lächerlichkeit zu rechtfertigen versucht.
Die Demokraten als Auffangbecken für Ex-Militärs und Geheimdienstler
John McCain und sein Markenzeichen eines Amerikas alter Schule starben aus, als die Abrissbirne Donald Trump die Bühne betrat. McCains Körper mag sich ja länger gehalten haben, als es uns lieb war, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis er sich seiner Ideologie in ihrem Grab zugesellte.
Nun ist es an den Demokraten, wieder zu übernehmen — was sie auch ehrenvoll taten. Die Demokraten predigen eine vermehrte Beteiligung von Frauen in den Gefechten – wir müssen uns jedoch fragen, was das tatsächlich bedeutet, hat diese Partei doch bereits #MeToo und [den Kampf um] die reproduktiven Rechte aufgegeben. Es ist offensichtlich, dass die Demokraten nun der sichere Hafen für anständige, selbstgerechte Kandidaten sind, die früher in Militär und Geheimdienst gedient haben. Die Demokraten sind nun McCains Partei.
Blut geleckt
Ich erinnere mich an den Tag, an dem Osama bin Laden ermordet wurde. Es war schwer, einen US-Amerikaner zu finden, der dadurch nicht aufgegeilt war. Aufmärsche schossen wie Pilze aus dem Boden. Blutrünstige Politiker begannen zu geifern. Da war auch ein gewisser Stolz darüber, dass es „unser“ Obama war, der bin Laden zu Fall gebracht hatte. Das reichte, um uns allen ein mulmiges Gefühl zu bescheren.
Wenn so viele US-Amerikaner Blut geleckt hatten — wen wunderte es da schon, dass so viele von uns Donald Trumps verrücktes Schikanieren geil fanden?
Die US-amerikanische Kultur ist einfach zu extrem. Wir teilen alle in Freund/Feind ein. Wenn unsere Freunde sterben, müssen wir Lügen über sie erzählen. Wenn unsere Feinde sterben, organisieren wir Paraden.
Ich beabsichtige keine Parade für John McCains Tod — nur ein bisschen Perspektive.
Nun ist die Welt ein friedlicherer Ort
John McCain inszenierte die Verwüstung mehrerer Länder mit. An seinen blutigen Händen kleben Millionen Tote. Nun, da er von uns gegangen ist, ist die Welt ein friedlicherer Ort. Warum erweckten die 22 jemenitischen Kinder, die am Vortag getötet worden waren, nicht dasselbe Ausmaß an Kummer? Auch der US-saudische Krieg gegen den Jemen war von McCain unterstützt worden. John McCain wird als Kriegsheld erinnert werden – ich würde aber gerne den erbarmungslosen Falken Donald Trump frei wiedergeben: „Echte Helden ziehen nicht in den Krieg“.
Nick Pemberton studiert am Gustavus Adolphus College. Er kann unter pemberton.nick@gmail.com erreicht werden.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Anspielung auf Trumps Haar- und Hautfarbe: ein Cheeseball ist ein gelb-oranger Snack mit Käsegeschmack; Anmerkung der Übersetzerin
(2) Bromance, zusammengesetzt aus bro, Bruder/Kumpel, und romance: innige Männerfreundschaft; Anmerkung der Übersetzerin
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „One Dead McCain, 2.5 Million Dead Iraqis". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.