Heilige Einfalt
Der Begriff „Mohrenkopf“ soll als „strukturell rassistisch“ verbannt werden — dabei handelt es sich bei dem Bildmotiv um das Konterfei des Heiligen Mauritius.
Politische Korrektheit geht selten mit Geschichtsbewusstsein einher. Bar historischen Hintergrundwissens rücken die woken Gesinnungswächter mit der kulturellen Abrissbirne an, um alles von der Bildfläche zu tilgen, was rein hypothetisch die Gefühle von Minderheiten oder bestimmten Gruppen verletzen könnte. Das gilt auch für den Begriff „Mohrenkopf“. Unter anderem Schankwirtschaften und ein Gebäck tragen — noch — diesen Namen. Doch damit soll nun im Namen der politischen Korrektheit in Bälde Schluss sein. Denn der Begriff sei strukturell rassistisch, klagen die Oberkommissare der Moralpolizei an. So sehr sie sich der vermeintlichen Tatsache bewusst sind, der Begriff könnte die Gefühle anderer verletzen, so unbewusst sind sie sich der Begriffsherkunft. Der „Mohrenkopf“ steht sinnbildlich für den Heiligen Mauritius. Dessen Wirken zu Lebzeiten ist nichts, dessen man sich schämen müsste. Ganz im Gegenteil verkörperte dieser Tugenden, wie man sie sich bei woken Ideologen vergeblich wünscht.
Ach, die Bäckersfrauen… sie sind so herrlich unideologisch und bar jeglicher grün-roter, inzwischen auch gelber, Scheuklappen. Zweijähriges tägliches Maskieren allerdings sensibilisiert eben vielfach doch anders, als politische Herrschaft es wünscht. Marginal hierbei auch nur der Unterschied zwischen Stadt und Land.
Ach, diese Bäckersfrauen! Sie wissen noch, was ein Mohrenkopf ist und verkaufen ihn sogar, manchmal mit einem verschmitzten Lächeln, manchmal mit einem verbindenden Augenzwinkern. Sympathisch ist es allemal und selbst griesgrämige Gesichter zeigen sich plötzlich erfrischter, kommt der Mohrenkopf zur Bestellung. Warum auch sollte die Erinnerung an einen Heiligen, mag man zur religiösen Überlieferung stehen, wie man will, verbannt werden? Hatte nicht auch der Heilige in den Augen seiner politischen Herrschaft versagt und daraufhin den Zorn der Herrschaft auf sich gezogen? Wurde er nicht, ob seiner Standhaftigkeit, zum Tode verurteilt? Denn dieser Mohrenkopf ist ja ursprünglich nichts anderes als das Konterfei des Heiligen Mauritius oder des St. Maurice oder des Heiligen Moritz oder des Heiligen Mohr der Deutschen.
Der Mohr als Weltbürger
Offizier war dieser Mauritius jedenfalls, dunkelhäutig, katholisch. Nach spätantiker Legende Kommandierender der Thebäischen Legion, wahrscheinlich bei Theben in Ägypten geboren. Seine Legion, vermutlich um die 6600 Mann stark, wurde unter Diocletian durch den kaiserlichen Mitregenten Maximianus in Agaunum, dem heutigen Saint-Maurice im Wallis, Schweiz, stationiert und sollte Christen verfolgen. So war Mauritius Ägypter und ebenso Römer, war Walliser, Schweizer und Deutscher … ein Weltbürger eben. 302 oder 303 unserer Zeitrechnung wurde er mit seiner gesamten Legion hingerichtet, denn er machte sich der Befehlsverweigerung schuldig, wollte seine christlichen Glaubensbrüder und -schwestern nicht töten.
Bereits im Jahre 380 fand man die Gebeine der christlichen Märtyrer. Und 440 schrieb der Bischof Eucherius von Lyon die Passionsgeschichte des Mauritius in der „Leidensgeschichte der Märtyrer von Agaunum“ (Passio Acainensium martyrum) nieder. Aus der einstigen, über der Grabstätte errichteten Kirche ging ab 515 das Kloster St-Maurice d‘Agaune hervor, es gilt als das älteste durchgängig bewohnte und genutzte Kloster des Abendlandes.
Die Verehrung des Mauritius als Heiligen wurde auf Veranlassung Otto I. im Jahr 962 von Papst Johannes XII. bekräftigt. So ziert das dunkle Porträt des Heiligen den Magdeburger Dom und manch anderen Ort, findet sich als Schutzheiliger im Wappen des Bistums von München und Freising, wanderte schließlich in das Wappen von Papst Benedikt XVI. Ingolstadt gilt der Heilige Moritz als Patron der Stadt. Nun aber soll die Ingolstädter Lokalität „Café Mohrenkopf“ ihren Namen verlieren. Zeitgeistler und ideologisch Verblendete wittern „Zeichen für strukturellen Rassismus“.
Was mag es da noch nützen, dass sich mit dem Namen des Heiligen der Schutz der Soldaten, der Waffen- und Messerschmiede verbindet? Was mag es bedeuten, Patron der Kaufleute, Hutmacher, Tuchweber, Wäscher und Glasmaler, auch der Pferde und Weinstöcke zu sein? Stets begleitete ihn der Ruf des Heilkundigen, so wurde er bei Pferdekrankheiten, bei Besessenheit und Krämpfen, Gicht und Ohrenschmerzen angerufen. Und so verdanken ihm vielfach Kirchen, Apotheken oder eben die Häuser zum Mohren ihren Namen. So wurde und wird an den Afrikaner erinnert, der sich vehement der Verfolgung anderer entgegenstellte und das schließlich mit seinem Leben bezahlte. Auch der Mohrenkopf als Gebäck findet in dieser Tradition seine Anknüpfung.
Wer oder was sollte mit dem Mohr also herabgewürdigt werden? Wer könnte hier Grund zum Beleidigtsein haben? Beleidigt sein könnten allein die Bäckersfrau wie auch der Bäcker, die Apothekerin wie der Apotheker, die Gastwirtin wie der Gastwirt ob der derzeit grassierenden Geschichtsvergessenheit und Unwissenheit. Natürlich muss nicht jeder all diese Dinge wissen, doch bevor man das Pferd politischer Korrektheit sattelt, darf und muss man sich informieren.
Unheilstiftend war sie nämlich immer schon, diese Kombination aus Unwissenheit und moralischem Überlegenheitsgefühl.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere auch noch an gewisse Bauernregeln: „Ist das Wetter an Sankt Mauritius klar, toben Winde im kommenden Jahr“; „Gewitter um Mauritius, bringt Schaden und Verdruss“; „Ist Sankt Mauritius hell und klar, stürmt der Winter, das ist wahr“. Am 22. September ist der Gedenktag des Heiligen Mohren der Deutschen, das sollte einen Mohrenkopf wert sein und das Lächeln der Bäckersfrau gibt es gratis dazu.