Glaubenskrieg gegen Globuli

Die Gegner der Homöopathie behaupten, diese Heilkunst verstoße gegen die Naturgesetze — was ihr eingeschränktes Bild von „Natur“ demonstriert. Teil 2/4.

Nach einer Blütezeit der alternativen Medizin Ende des 20. Jahrhunderts hat es in jüngerer Zeit ein schulmedizinisches Rollback gegeben. Schon relativ anerkannte Methoden wie die Homöopathie werden nicht nur in der etablierten Fachpresse, sondern auch im journalistischen Mainstream mit immer härteren Bandagen bekämpft. Das Imperium schlägt zurück, und politisches und medizinisches Establishment ziehen dabei an einem Strang. Was immer mit ins Feld geführt wird, ist die Behauptung, die Homöopathie verstoße gegen die Naturgesetze. In homöpathischen Mitteln sei „nichts drin“. Nicht geschieht jedoch im Widerspruch zu den Naturgesetzen. Allenfalls kann es sein, dass ein Gesetz den Naturwissenschaftlern — noch — nicht bekannt ist, weil sie ein eingeschränktes Bild von „Natur“ pflegen. Die wissenschaflichen Weltbilder verändern sich — die Heilwirkungen der Homöpathie bleiben.

Als homöopathischer Arzt fällt es mir schwer, die gern von Homöopathie-Gegnern und ihnen folgenden Journalisten getroffene Aussage, Homöopathie widerspreche den Naturgesetzen, zu kommentieren. Wohl weiß ich, was Homöopathie ist, nun ja, mit gewissen Einschränkungen, die dadurch entstehen, dass es Homöopathen gibt, die es etwas anders sehen als ich und die teilweise recht haben könnten.

Um beurteilen zu können, ob Homöopathie den Naturgesetzen widerspricht, müsste ich hingegen sicher wissen, was Naturgesetze sind.

„Diese Naturgesetze sind Schöpfungen des Menschen, das sollte man nicht vergessen, und wenn etwas nicht damit übereinstimmt, so ist das der Beweis, daß das Naturgesetz falsch ist,“ Georg Groddeck (1).

Noch weiter zurückgehend, wäre zu definieren, was die Natur ist. Doch schon allein das ist schwer. Am bekanntesten ist vermutlich die Unterscheidung von Natur und Kunst. Kunst wäre an die Wirkung von Menschen gebunden, Natur wäre unabhängig vom Menschen.

Nun, auch diese Aussage kann man anzweifeln. In vielen Fällen hat Kunst sehr wohl etwas mit Natur zu tun. Wenn man beispielsweise die sehr alten Kunstwerke des Menschen ansieht, so bilden sie fast durchweg Natur ab, stehen also eigentlich nicht im Gegensatz zur Natur.

Und um etwas weiter zu gehen: Es scheint so zu sein, als läge die Fähigkeit zur Kunst in der Natur des Menschen, fast ausschließlich in der Natur des Menschen, wenn man vom Affen Aziut absieht (2). Diese Unterscheidung von Natur und Kunst führt uns also nicht wirklich weiter in der Beantwortung der Frage, was Natur denn sei.

Die andere Auffassung, dass Natur alles sei, was es gibt, führt uns natürlich auch nicht weiter, denn sie ermöglicht keinerlei Differenzierung.

Ein Beispiel: Ein Smartphone wächst nicht auf Bäumen, ist also theoretisch ein Kunstprodukt, wir verwenden heute eher die Begriffe Wissenschaft und Technik.

Ein Kernreaktor ist ebenfalls ein Kunstprodukt, aber er nutzt natürliche Zusammenhänge. Ich sehe einmal davon ab, dass es auch ohne den Einfluss des Menschen entstandene sogenannte Naturreaktoren gab wie in der Oklo-Mine in Gabun.

Und wozu gehört die Medizin? Zur Kunst oder zur Natur?

Medicus curat, natura sanat? Der Arzt behandelt, die Natur heilt? Bleibt der Medicus mit allen seinen Kenntnissen immer hinter der Natur zurück? Sehen wir einmal davon ab, dass der spätere Zusatz „Deus salvat“, Gott rettet, heute meist weggelassen wird, weil er nicht zeitgemäß erscheint.

Ich erkenne schon: An dieser Stelle komme ich mit der eindeutigen Definition dessen, was Natur ist, nicht weiter. Ich bin kein Philosoph und ich befürchte, es würde mir auch wenig nutzen, wenn ich einer wäre.

Aber sehen wir uns den zweiten zur Diskussion stehenden Begriff an: „Naturgesetze“. Die alten Griechen hätten dieses Wort wahrscheinlich absurd gefunden, denn für sie gab es einerseits die Natur und andererseits die von Menschen gemachten Gesetze.

Provokativ möchte ich daher fragen: Ist ein Naturgesetz ein objektiver — vom Menschen unabhängiger — Zusammenhang in der Natur oder ist ein Naturgesetz die menschliche Beschreibung dieses Zusammenhanges?

Wenn letzteres der Fall ist, dann ist diese Beschreibung selbstverständlich fehlbar — ebenso wie die Behauptungen, es gebe keine schwarzen Schwäne. Selbst wenn wir aber ein Naturgesetz als einen objektiven Zusammenhang der Natur begreifen, hängt unser Wissen davon ab, wie viel wir über den Zusammenhang wissen und ob dieses Wissen richtig ist. Denn auch bei diesem Wissen lässt sich der Irrtum niemals ausschließen.

Was bedeutet es also, wenn jemand sagt, Homöopathie widerspreche den Naturgesetzen?

Selbst wenn wir die objektiven Zusammenhänge der Natur vollständig kennen würden, wovon wir weit entfernt sind, könnte es nichts geben, was dazu im Widerspruch stünde. Das ist aber jenseits aller Realität.

Zweitens können wir wohl eher davon ausgehen, dass wir die Naturgesetze entweder nur unvollständig kennen oder die objektiven Zusammenhänge in der Natur nicht richtig beschreiben. Man denke in diesem Zusammenhang auch an die grundlegenden Haltungen der Verfechter des Realismus, Empirismus und Konstruktivismus. Das würde den Satz, Homöopathie widerspreche den Naturgesetzen, relativieren. So müsste der Satz lauten: Homöopathie stimmt nicht mit unserer gegenwärtigen Kenntnis der Zusammenhänge in der Natur überein.

Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass es eine Kollision gibt zwischen der Weltsicht der Homöopathen und der Weltsicht der Naturwissenschaftler oder dessen, was gemeinhin als Naturwissenschaft angesehen wird.

Drittens ist es verführerisch, die Homöopathie öffentlich zu verurteilen und an den Pranger zu stellen, weil sie — in welchem Sinne auch immer — den Gesetzen — welchen auch immer — widerspricht. Das ist gemeinhin der Umgang mit Gesetzlosen. Und das passiert gegenwärtig zunehmend in der „Qualitätspresse“, auch wenn die „Gesetzlosigkeit“ entweder nur eine unbewiesene Vermutung oder der Verstoß gegen von Menschen gemachte Gesetze ist.

Und viertens sollte jeder, der behauptet, dass Homöopathie den Naturgesetzen widerspricht, zumindest auch erwähnen, welche Naturgesetze er meint. Dem Gravitationsgesetz zum Beispiel scheint sie mir nicht unbedingt zu widersprechen. Und sie muss auch nicht unbedingt jenen Naturgesetzen widersprechen, die wir noch nicht kennen beziehungsweise die eine Erweiterung der Naturgesetze, die wir zu kennen glauben, darstellen könnten.

Die beschriebene Kollision zwischen Homöopathie und Wissenschaft bedarf einer Präzisierung: Gemeint ist eine Kollision zwischen Homöopathie und dem gegenwärtigen Stand der Naturwissenschaft, Geisteswissenschaften sind wenig betroffen. Dabei sehe ich einmal davon ab, dass es sich bei der Naturwissenschaft vorwiegend um eine Theorie handelt und bei der Homöopathie vorwiegend um eine Praxis und dass daher durchaus beides richtig sein könnte.

An dieser Stelle will ich ein Argument anführen, das mich eigentlich langweilt, weil es so selbstverständlich ist. Ich schäme mich fast, es zu gebrauchen, aber es muss wohl sein. Es muss deshalb sein, weil die Gegner der Homöopathie gerade dieses Argument nicht gern akzeptieren:

Naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind keine Konstante, sondern sie ändern sich.

Für diese Tatsache möchte ich nur zwei Beispiele nennen:

Ende des 19. Jahrhunderts war die Auffassung verbreitet, auf dem Feld der Physik gebe es nichts weiter zu entdecken. Tatsächlich ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts in der Physik sehr viel passiert — und das geht bis heute so weiter und wird gewiss noch lange anhalten. Die Nobelpreise für Physik sind für diese Entwicklungen ein deutliches Zeichen.

Das zweite Beispiel ist ein wenig älter und es ist auch deswegen interessant, weil gerade die Homöopathie-Gegnerin (und ehemalige Homöopathin) Natalie Grams es gebraucht (3). Begeben wir uns zurück ins Jahr 1700. Da konnte die Naturwissenschaft absolut zweifelsfrei beweisen, dass ein Stück Kohle oder Holz schwerer ist als das bisschen Asche, was nach der Verbrennung zurückbleibt. Es muss also bei der Verbrennung etwas entweichen.

Dieses Etwas nannte man Phlogiston. Es passte wunderbar zu den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der damaligen Zeit und die Hypothese hielt sich fast 80 Jahre, bis ein völlig neues und richtigeres Konzept der Verbrennung entstand.

Interessant finde ich, dass Natalie Grams und ich das gleiche Argument in unterschiedlichem Sinne gebrauchen. Grams meint, dass die Homöopathie endlich weg muss, weil sie dem gegenwärtigen Stand der Naturwissenschaft nicht mehr entspricht. Ich meine, dass die Naturwissenschaft irgendwann eine Erklärung für Homöopathie finden könnte. Zugegebenermaßen wäre das eine ziemliche Revolution der Naturwissenschaft, aber mir gefallen wissenschaftliche Revolutionen. Interessant ist dabei auch, dass ich mit meiner Argumentation Grams als konservativ bezeichne, sie aber sehr wahrscheinlich dasselbe Adjektiv für mich und meine Haltung anwendet.

Meine Frage ist nicht, wer von uns beiden Recht hat, sondern, wer entscheidet, wer von uns beiden Recht hat. Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich bin Dieter Elendt, nicht Meta ..., was weiß ich.

Aber es gibt noch mehr zu sagen:

Auch wenn die pauschale Aussage, Homöopathie widerspreche den Naturgesetzen, problematisch ist, führt die gegenwärtige Naturwissenschaft doch weitere ernst zu nehmende Argumente gegen die Homöopathie ins Feld. Die erste Gruppe dieser Argumente besteht darin, dass bislang keine tragfähige naturwissenschaftliche Erklärung für die Wirkungsweise existiert. Das zentrale Argument in dieser Gruppe ist das bekannte „Es ist nichts drin“.

Das Argument trifft uns Homöopathen hart, denn wir können jenes Pauschalargument, ab der Verdünnung 1:1023 sei „nichts mehr drin", nicht wirklich aushebeln: Nach der neuen Definition vom Mai 2019 bezeichnen wir als ein Mol jene Stoffmenge in Gramm, in der sich 6,02214076 * 1023 Moleküle oder Atome eines reinen Stoffes befinden. Wie viele Gramm das sind, hängt natürlich von der Größe des jeweiligen Moleküls ab. Bei Natriumchlorid, Kochsalz, in der Homöopathie Natrium muriaticum genannt –entspricht ein Mol 48,44 Gramm. Bei einem der größten Proteine, die wir kennen, dem Keyhole Limpet Hemocyanin, wären ein Mol bis zu 32 Tonnen.

Wenn man nun dieses Mol in einem Liter Wasser löst — sofern das geht — erhält man eine einmolare Lösung. Nimmt man davon 100 µl — das wären in etwa zwei Tropfen — während Hahnemann nur einen verwendete, so enthalten die zwei Tropfen ein Zehntausendstel eines Mols, also rund 6,02 mal 1019 Moleküle. Wenn man diese 100 µl in 10 ml Wasser löst, entsteht eine erneute Verdünnung von 1:100 oder homöopathisch ausgedrückt C1. Nimmt man davon wieder 100 µl, so enthält diese neue Lösung rund 6,02 mal 1017 Moleküle.

Man kann auf diesem Wege leicht ausrechnen, ab wann ein 10-ml-Fläschchen wahrscheinlich gar kein Molekül des Ausgangsstoffes mehr enthält. Die Journalisten, die uns das illustrieren — am besten in dem sie mit einer Pipette einen Tropfen in den Ozean fallen lassen, liegen zwar mit den konkreten Zahlen meist falsch, weil sie die Ausgangskonzentration und Ausgangsmenge nicht angeben, aber sie liegen nicht falsch damit, dass wirklich irgendwann „nichts mehr drin ist“. In einer homöopathisch gebräuchlichen Verdünnung von 1:1030 ist auf diesem Rechenwege mit Sicherheit kein einziges Molekül des Ausgangsstoffes mehr vorhanden, es sei denn, das Lösungsmittel enthält den Ausgangsstoff als Verunreinigung. Und Homöopathen verwenden auch Verdünnungen von 1:100200 oder gar noch höher.

Hahnemann — wissenschaftlich auf der Höhe seiner Zeit — kannte diese Problematik, wenn auch womöglich nicht mit genauen Zahlen. Er sprach daher bei den höheren Verdünnungen nicht von einer stofflichen, sondern von einer geistartigen Wirkung. Und er sprach auch nicht von Verdünnungen, sondern von Potenzierungen oder Dynamisierungen, womit er meinte, dass durch einen speziellen Verdünnungsprozess gewisse arzneiliche Kräfte erst verfügbar würden.

Naturwissenschaftler bestreiten natürlich geistartige Kräfte. Das ist auch klar, denn so etwas läge jenseits ihres Bereiches, und da die Naturwissenschaft meint, nichts existiere jenseits ihres Bereiches, kann es natürlich keine geistartigen Kräfte oder Wirkungen geben.

Quod erat demonstrandum — nur leider in einer Art Tautologie.

Natur und Geist. So spricht man nicht zu Christen,
Dafür verbrennt man Atheisten.
Johann Wolfgang von Goethe
, Faust, 4897 f (4).

Das Problem der Homöopathen ist dabei ein mehrfaches:

  • Sie können nicht im naturwissenschaftlichen Sinn schlüssig erklären, wieso eine Arznei, in der kein Wirkstoff mehr ist, dennoch wirken kann.
  • Sie können ebenso wenig erklären, wieso durch die besondere Verdünnungsprozedur, genannt Potenzierung oder Dynamisierung, besondere arzneiliche Kräfte frei werden beziehungsweise sich das Wirkungsspektrum ändert — bis hin zur Umkehr der Wirkung.
  • Und sie können nicht erklären, was sie mit einer geistartigen Wirkung meinen und wie diese zustande kommt.

Das ist bitter. Doch es gibt natürlich Erklärungsversuche.

Bezogen auf die erste Problematik lautete die Lieblingshypothese der Homöopathen lange Zeit, dass das Lösungsmittel eine Art Gedächtnis an die Moleküle bewahren könnte, die einmal da waren, bevor sie ausverdünnt wurden, und dass diese Information über die Potenzierungsstufen weitergegeben wird. Leider handelt es sich dabei um ein naturwissenschaftliches Erklärungsmodell, bei dem es kaum Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Aussage so stimmt. Der bedeutendste Einwand ist der, dass die Wasserstrukturen, die sich um ein Molekül, etwa ein Protein, bilden, zwar von diesem beeinflusst, aber nicht sehr stabil sind und ohne die Anwesenheit dieses Makromoleküls sehr schnell wieder zerfallen. Man kann über diesen Einwand wohl diskutieren, aber man kann ihn nicht wegwischen.

Als zweites führen Homöopathen gern die Quantenverschränkung als Erklärungsmodell an. Davon verstehe ich allerdings zu wenig. Ich habe jedoch das Gefühl, dass die meisten Homöopathen, die dieses Argument gebrauchen, ebenfalls nichts davon verstehen. Eine Ausnahme sind vielleicht die Autoren der „schwachen Quantentheorie" (5), aber auch dieses Konzept ist umstritten.

Das zweite Problem, dass die spezielle Verdünnungsprozedur besondere arzneiliche Kräfte freisetze, die das Wirkungsspektrum ändern, enthält zwei Teilprobleme. Das erste ist die Frage: Wie kann die besondere Verdünnung namens Potenzierung zu dieser Freisetzung von anderen arzneilichen Kräften führen? Diese Frage kann ich nicht beantworten.

Das zweite Teilproblem ist die Dosisabhängigkeit der Wirkung. Wir wissen, dass die Wirkung eines Arzneistoffs dosisabhängig nicht immer die gleiche bleibt und nur stärker beziehungsweise schwächer wird. Nach der Arndt-Schulz-Regel kann mit steigender Dosis eine Wirkungsumkehr stattfinden, nach dem Konzept der Immunologie findet die Immunreaktion zwischen der low-dose- und high-dose-Toleranz statt. Dieses Teilproblem ist also im Hinblick auf die Homöopathie auch innerhalb der Naturwissenschaft prinzipiell lösbar — allerdings mit dem Vorbehalt, dass es sich bei den genannten Beispielen immer noch um materielle Konzentrationen des in Frage stehenden Stoffes handelt.

Das dritte Problem ist die Erklärung der Wirkung als eine geistartige. Dieses Argument stammt von Hahnemann (6). Ich persönlich ziehe es vor zu sagen, dass ich keine Ahnung habe, wie die Wirkung der homöopathischen Arzneimittel zustande kommt.

Zwar kann ich mit dem Begriff „geistartig“ durchaus etwas anfangen, aber darüber möchte ich nicht schreiben. Ich fühle mich nicht imstande, das adäquat zu formulieren, was ich mit diesem Begriff verbinde.

Das zweite wissenschaftliche Argument gegen Homöopathie ist leichter zu entkräften: Das Simile-Prinzip sei nicht richtig. Das Simile-Prinzip besagt grob, dass man mit einem Arzneimittel die Krankheit bekämpfen kann, die dasselbe Mittel beim Gesunden hervorruft. Dazu ein Beispiel: Atropa Belladonna, die Tollkirsche, erweitert die Pupillen. Wenn sich bei jemandem plötzlich die Pupillen weiten, ohne dass die Lichtverhältnisse oder Drogen das provoziert haben, geben ihm Homöopathen Belladonna, vorzugsweise in potenzierter Form.

Das widerspricht zwar der herrschenden medizinischen Doktrin, aber auch innerhalb der wissenschaftlich fundierten Medizin gibt es durchaus Beispiele für eine, wenngleich grobe Anwendung des Simile-Prinzips, zum Beispiel Impfungen zur Prophylaxe oder Hyposensibiliserungen zur Therapie bei Allergien.

Es gibt noch ein paar wissenschaftliche Argumente mehr gegen die Homöopathie, aber ich will es an dieser Stelle dabei bewenden lassen. Vielmehr möchte ich eine andere Frage stellen: Ist es eigentlich wichtig, dass für die Homöopathie ein wissenschaftliches Erklärungsmodell existiert, mit anderen Worten, dass wir wissen, wie sie wirkt? Vorausgesetzt, dass sie wirkt! Hier nehme ist letzteres vorerst einmal an.

Auch in der wissenschaftlich fundierten Medizin war der Wirkungsmechanismus mancher Arzneisubstanz irgendwann noch nicht bekannt oder ist es sogar bis heute nicht. Nur zwei Beispiele: Als man Weidenrinde gegen Schmerzen einsetzte, kannte man die Wirkungsweise von Salicylsäure beziehungsweise deren Nachfolger Acetylsalicylsäure, Aspirin, noch nicht. Es ist durchaus denkbar, dass wir auch heute noch nicht alles über die medizinischen Effekte von Aspirin wissen.

Ebenso gibt es für Narkosemittel bislang zwar Ansätze, ihre Wirkung zu verstehen, aber keine umfassende Erklärung.

Ich gebe indes zu, dass die Unverträglichkeit zwischen Homöopathie und der gegenwärtigen Naturwissenschaft tiefer reicht. Da geht es wirklich an die Substanz. Über die Wirkung von Narkosemitteln wissen wir immerhin etwas, von den homöopathischen Arzneimitteln nichts. Aber auch von der Weidenrinde wusste man lange Zeit nur, dass sie gegen Schmerzen hilft.

Meine Frage, ob wir wissen, dass Homöopathie helfen kann, ist aber keine Frage von Erklärungsmodellen, sondern eine Frage der persönlichen Erfahrung und der Statistik.

Darum wird es im dritten Teil dieser kleinen Serie gehen. Um Studien also und auch grundsätzlich um das Verhältnis von Naturwissenschaft, Statistik und persönlicher Erfahrung.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Georg Groddeck: „Das Buch vom Es. Psychoanalytische Briefe an eine Freundin“
1923 erschienen, im gleichen Jahr wie Freuds „Das Ich und das Es“ und Bubers „Ich und Du“
(2) Herbert Stein: „Freuds letzte Lehre oder Eros und die Linien des Affen Aziut“, Heidelberg 1993 Hier geht es tatsächlich unter anderem um einen Affen, der irgendwann begann, Linien zu zeichnen und sich damit weg bewegte von seiner Natur und hin zur Kunst.
(3) Grams, Natalie: „Homöopathie neu gedacht: Was Patienten wirklich hilft“, Berlin, Heidelberg 2015
(4) Goethe, Johann Wolfgang von: „Faust“ , Vers 4897f (Verszählung nach der Schöne-Ausgabe, Frankfurt am Main 1999)
(5) Atmanspacher, H. R. Roemer, H. Walach: „Weak quantum Theory. Complementarity and Entanglement in Physics and Beyond“, Foundations of physics 32, 2002, 379-406
(6) (3) Hahnemann, Samuel: „Organon der Heilkunst“, Leipzig 1921