Gewollte Entfremdung
Bevor wir uns selbst finden können, biegt uns die Wirtschaft zurecht.
Die meisten Menschen unserer Kultur glauben, frei und selbstbestimmt zu leben. Doch tun wir das wirklich? Wissen wir, wer wir sind, worin unsere Stärken liegen, und wie wir leben wollen? Nur einen Menschen, der sich selbst fremd geworden ist, können sich die Systeme aneignen. Der freie, sich seiner selbst bewusste Bürger ist zu unbequem und nur schwer ökonomisch verwertbar. Arbeiten wir gerade deshalb daran, das System, in dem wir leben, in die Welt zu verwandeln, die wir uns wünschen.
Die Kreation einer Identität
Die Frage nach der eigenen Identität ist wohl die bedeutsamste und schwierigste des Lebens. Offensichtlich sind die verschiedenen Schalen von Identität, in die wir uns mental kleiden. Als wir auf die Welt gekommen sind, wussten wir nichts davon, auf die Welt gekommen zu sein. Erst unser Umfeld, vor allem unsere Eltern, haben uns konditioniert, dass wir ein geborener Mensch, ein Ich, seien.
Da haben wir also angefangen zu glauben, ein Ich zu sein — Ich bin.
Dieses Ich setzen wir dann mit dem Körper gleich, und dem Namen, den uns unsere Eltern gegeben haben. Aber nicht nur unseren Namen haben wir von unseren Eltern zugewiesen bekommen, auch unsere gesamte persönliche Entwicklung vom frühesten Kindesalter bis zur Pubertät wird von Charakter, Stellung, Weltbild, Denk- und Verhaltensmuster unserer Eltern bestimmt. Wir haben lediglich übernommen, beziehungsweise imitiert, was wir vorgelebt bekommen haben.
Diese kindliche Abhängigkeit von außen und der noch nicht ausgeprägte und daher leicht zu beeinflussende Charakter rufen auch noch andere Akteure auf den Plan.
Bereits im Alter von 2 bis 3 Jahren über die Schulzeit bis optional zur Studienzeit übernimmt der Staat die Rolle der Eltern und macht uns zu gehorsamen, gleichgeschalteten und nicht länger zur Reflexion fähigen Untertanen. Eine Möglichkeit, das eigene Kind davor zu bewahren, gibt es, wenn überhaupt, nur in abgeschwächter Form — wer sein Kind nicht zur Schule schickt, wird von ihm getrennt.
So sind wir uns stets des Zwanges der Kapitalisierung der eigenen Lebenszeit bewusst, nehmen diese aber freudig hin, angesichts der zu erwartenden eigenen Vorteile, und ordnen uns dem System ein und unter, Verantwortung für sich oder das eigene Verhalten stets von sich weisend. Nehmen wir schließlich unsere Arbeit auf und gründen unsere Familie, kommen weitere Schichten mental konstruierter Identitäten hinzu.
Stellung, Beruf, Status und die familiäre Position werden die entscheidenden identitätsstiftenden Elemente, bis das Alter dem Ganzen schließlich mehr und mehr den Riegel vorschiebt, und unsere Erinnerung an das frühere Arbeits-, Familien- und gesellschaftliche Leben unsere Identität und fortlaufenden Verhaltensmuster trägt.
Dann verliert der Körper schließlich seine Lebensfähigkeit und stirbt.
Sklavenhaltung
Die Sicherstellung der neuen Generation der Leistungsträger für das Großkapital hat für den Staat als dessen Exekutive oberste Priorität, getarnt und beschönigt, aber dennoch treffend als Bildungs-Wesen bezeichnet. So wird der Mensch ver-bildet, Namen und staatliche Erziehung führen zur Ein-Bildung einer fremden Identität.
Der fremde Mensch kennt sich selbst nicht, sich selbst zu ent-decken und ent-wickeln wurde ihm abtrainiert — seine Identität ist die ihm zugewiesene Rolle des Großkapitals — die des Produzenten und Konsumenten.
Die allermeisten Beschäftigten arbeiten vor allem nicht für sich selbst, sondern für die Superreichen, die den produzierten Mehrwert größtenteils abschöpfen — weil sie es können.
Daran scheint sich aber kaum jemand zu stören, man ist ja konditioniert, sich dem ,,System“ unterzuordnen, das ,,System“ weder zu hinterfragen noch verstehen zu wollen, und das ,,System“ als eine großartige Errungenschaft und als beste Lösung zum Wohle aller zu empfinden. Schließlich sei man zwar, wie alle anderen, systemabhängig, aber dennoch auch ein großer Profiteur der gegebenen Umstände, wie das neue Auto, das neue Smartphone oder der entspannte zweiwöchige Urlaub beweisen. Dafür ist man dann auch gerne bereit, sich selbst als Arbeitskraft der oberen Klasse zur Verfügung zu stellen.
Das Verlangen nach Freiheit wird negiert, schließlich ist man ja schon frei.
Wenn überhaupt, muss die Freiheit darin liegen, auch alle anderen, die sich selbst als frei sehen, in Wahrheit aber unfrei sind, in die totale Freiheit des Arbeitslebens hineinzuzwingen. Der fremdgesteuerte Mensch leugnet seine Fremdsteuerung. Der Sklave will Sklavenaufseher und nicht frei sein.
Möglich ist dies nur, weil der Mensch sich selbst nicht kennt, und auch nicht kennenlernen will, da er sich als minderwertig und nutzlos betrachtet, so wie es ihm beigebracht wurde. Das ist nur möglich, weil das kollektive Solidarempfinden, das jede normale menschliche Gemeinschaft auszeichnet, in Europa auf brutalste Arten der physischen und psychischen Kriegsführung der oberen Klasse über Jahrhunderte vernichtet wurde. Vergessen wird dabei oft die Kulturvernichtung, auf der ,,unser“, eben dieses Gesellschaftssystem beruht.
Kulturvernichtung
Vor Jahrtausenden wurde die Kulturreligion unserer Vorfahren vom römischen Imperium und später von vom Vatikan aufgebauten Nachfolge-Imperien mit Zwang und durch Gewalt vernichtet, so zum Beispiel durch die Verfolgung und Hinrichtung der Druiden während des gallischen Krieges.
Durch die fortlaufende Christianisierung wurden immer mehr Grundlagen unserer Kultur vernichtet, denn bald gab es kaum noch jemanden, der die Geschichte der Ahnen kannte — die Kultur, in die wir geboren sind — und der Natur unserer Gemeinschaft. Dies Wissen wurde vernichtet, in der frühen Neuzeit — nicht im ach so finsteren Mittelalter! — die letzten Wissensträger, die Hexen, lebendig verbrannt. Auch wenn natürlich viele Elemente unserer früheren Kultur, wie das Weihnachtsfest, noch heute in umgewandelter Form vorhanden sind.
Auf der Asche unserer verbrannten und vergessenen kulturellen Heimat schuf man uns eine neue, eine fremde, und zugewiesene — die uns kontrollierende und in Abhängigkeit haltende ökonomische Eigentumsordnung unserer Gesellschaft. Doch ließ sich diese Gesellschaftsordnung nur unter unfassbarem Terror etablieren, so geschehen während des Bauernkriegs vor etwa fünfhundert Jahren, bei dem stellenweise ein Drittel der Bevölkerung ermordet wurde.
Im 19. Jahrhundert bröckelte diese Art der Menschenhaltung jedoch erneut, da das zur Verfügung stehende militärische Kapital vor allem im Außen zur Rohstofferbeutung durch den Kolonialismus und zur Abwehr anderer europäischer Konkurrenzmächte benötigt wurde, und dadurch Aufstandsbekämpfung im Inneren erschwert wurde. Vor allem aber, da die Menschen im Zeitalter der Aufklärung begannen, die ökonomischen und politischen Zusammenhänge des Systems zu verstehen, so formulierte Karl Marx zum Beispiel erstmals den großen Widerspruch des Kapitalismus.
Der Mensch produziert demnach Mehrwehrt durch Arbeit nicht mehr für sich selbst, sondern als Arbeiter des Großkapitals für eben dieses, welches sich so am Arbeiter bereichert und ihn selbst in Abhängigkeit und Knechtschaft zwingt. Bevor diese unterdrückte Klasse die Eigentumsordnung und ihr untergeordnete gesellschaftliche und politische Abläufe zu erreichen und verändern zu vermochte, war es daher zwangsläufig notwendig, neben dem Körper der Untertanen jetzt auch ihren Geist zu beherrschen.
Demokratie
Dies war die Geburtsstunde der Propaganda und der geistigen Versklavung, wie wir sie heute kennen. Man kreierte subtile Täuschungen und Ablenkungen, wie zum Beispiel die sogenannte ,,repräsentative“ Demokratie. Tatsächlich leben wir in keiner Demokratie, sondern im Faschismus der oberen Klasse. Niemals wurden wir gefragt, ob wir in diesem System so leben wollen, es wurde uns mit Terror und Lüge aufgezwungen. Niemals wurden wir gefragt, ob wir im modernen Nationalstaat, heißt er jetzt Deutschland, Frankreich oder USA, leben wollen — auch das wurde für uns entschieden.
Die moderne politische Aufteilung der Erde ist also größtenteils demokratisch nicht legitimiert, und damit illegal.
Um den Menschen die Möglichkeit zu entziehen, die Zusammenhänge des Systems durch eigenes Denken zu erkennen, wurde das mediale Riesenreich der Ablenkung und endlosen Weiten geschaffen, darauf abzielend, jedwedes geistige Potenzial zu beschlagnahmen und auszusaugen.
Außerdem werden große Anstrengungen darauf verwendet, dem Menschen eigenes logisches Denken abzutrainieren, beobachtbar in Schulen und Universitäten. Hier wird der eigene Verstand nicht geschult und geschärft, sondern negiert und als unbrauchbar erklärt, bestenfalls noch dazu geeignet, fremde Gedankengänge und Konzeptionen bestmöglich auswendig zu lernen und wieder zu rezipieren. Da Wissenschaft aber nur im Diskurs möglich ist, wurde so die Anti-Wissenschaft zur neuen Wissenschaft erklärt.
Menschen sind Sozialwesen — daher bemüht man sich jetzt, den so erzeugten fremden Menschen zum vorherrschenden Idealbild zu machen, so dass sich alle, um sich in die menschliche Gemeinschaft integrieren zu können, nach diesem Idealbild ausrichten und ihm entsprechend agieren müssen.
Wer sind wir?
Die Welt ist kein fragmentiertes Puzzle, sondern ein großes Ganzes.
Alle Völker dieser Erde sind eins. So hat schon Einstein mit seiner Relativitätstheorie physikalisch beschrieben, wie ein jedes Wesen im Kosmos mit allen anderen in unaufhörlichem und untrennbarem Kontakt zueinandersteht, und alles sich gegenseitig beeinflusst.
Wer sind wir?
Vor allem in esoterischen Kreisen ist inzwischen das Dogma, das wir nicht der Körper seien, weit verbreitet. Der Körper ist aber nun einmal da, und unzweifelhaft untrennbarer Teil unserer Identität. Wir sind also in physische und psychische Hüllen gekleidet, die wir auf verschiedenste Art und Weise decodieren können, zum Beispiel durch eine genetische oder psychologische Analyse. Unser innerstes Selbst, die Seele, die diese Hüllen bewohnt, können wir aber nicht als ein von uns getrenntes Objekt fassen und beschreiben, wie wir dies mit Körper und Psyche tun können.
Wir können ja niemals nicht wir selbst sein, oder etwas anderes, als uns Selbst.
Die Frage, wer wir sind, setzt ja voraus, dass wir nicht wissen, wer wir sind, und natürlich können wir das auch niemals wissen. Wissen ist ja nur konzipierte Sinneswahrnehmung, uns selbst können wir aber nicht wahrnehmen und konzipieren, denn Wahrnehmung und Konzeption ist nicht das, was wir sind.
Der Verstand ist nur relativ, aber nicht absolut wirklich.
Wir sind uns unseren Sinneswahrnehmungen, also chemischen Reaktionen in unserem Gehirn, gewahr, die wir als denkende Wesen dann konzipieren können. Diese Konzeptionen sind aber nicht die Sinneswahrnehmungen, und die Sinneswahrnehmungen sind wiederum nicht das, was sie wahrnehmen.
„Ich denke, also bin ich“ ist falsch, richtig wäre „Ich denke, dass ich bin“, wobei aber auch jedes Wesen, das nicht denken kann — wie zum Beispiel eine Katze —, trotzdem ist, und zwar genauso bewusst wie auch jedes andere lebende Wesen.
Wörter wie Bewusstsein, Seele oder Gott können als Zeiger auf uns selbst fungieren, wir selbst sind immer wir selbst — jetzt, hier, und für alle Ewigkeit.