Gespenst aus der Vergangenheit
Die Ankündigung Donald Trumps, illegale Migranten ins Lager Guantanamo Bay abzuschieben, weckt ungute Assoziationen.
Es gilt als das ultimative Symbol für das moralische Versagen des Westens und als die Hölle auf Erden. Das Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba wurde bekannt durch Fotos erniedrigter Menschen, die in orangefarbener Bekleidung und mit Gasmaske vor dem Gesicht auf dem Boden kauerten, sowie durch erschütternde Erfahrungsberichte wie den des türkischen Staatsbürgers Murat Kurnaz, der dort fünf Jahre lang unter schlimmen Haftbedingungen einsaß. Es kann zumindest als instinktlos betrachtet werden, dass Donald Trump das Lager nun für einen ganz anderen Zweck „wiederverwerten“ will. Abgeschobene, straffällig gewordene Migranten sollen dort untergebracht werden. Der Kontext für die Abschiebung dieser neuen Insassen ist ein ganz anderer. Ob es wieder zu krassen Menschenrechtsverletzungen kommt, muss sich erst zeigen. Wer Abschiebungen aus politischen und moralischen Gründen rigoros ablehnt, vermag andererseits meist nicht die Frage zu beantworten, wie die vielfältigen Probleme im Zusammenhang mit Migration anders gelöst werden können.
Am 29. Januar 2025 hat US-Präsident Donald Trump entschieden, straffällige illegale Migranten nach Guantanamo Bay abzuschieben. Das kam international nicht gut an, denn mit Guantanamo verbinden viele das unter Präsident Joe Bush dort errichtete Hochsicherheitsgefängnis. Es wurde im Januar 2002 für in Afghanistan verhaftete Al-Qaida-Kämpfer eingerichtet und wegen der unmenschlichen Haftbedingungen weltweit kritisiert. Von den insgesamt 780 Gefangenen sind 732 ohne Auflagen entlassen und repatriiert worden, einige nach mehr als zehn Jahren Haft. Ex-Präsident Biden wollte das Lager noch vor Ende seiner Amtszeit schließen, zurzeit sind noch 15 Häftlinge in Guantanamo.
Die nun ausgewiesenen Migranten werden allerdings nicht in das berüchtigte Al-Qaida-Lager überführt, das am südlichen Ende der amerikanischen Enklave liegt. Weiter nördlich innerhalb der Guantanamo-Bucht hat es bereits ein Lager für ausgewiesene Migranten gegeben, das nun ausgebaut wird. Die neue Heimatschutz-Ministerin Kristi Noem hat nach einem Besuch dort unterstrichen, dass dieses „Migrant Operations Centre“ schon länger benutzt wird.
In der Tat sind dort Anfang der 1990er Jahre 12.000 Haitianer und 33.000 Kubaner interniert worden, die per Boot die USA erreichen wollten. Keiner von ihnen bekam die Chance, einen Asylantrag zu stellen; in den letzten Jahren wurde das Lager aber kaum noch genutzt.
Die neue Ausweisungswelle ist nicht reine Willkür des Präsidenten, sondern legal flankiert. Trump hat dazu am 29. Januar mit dem „Laken Riley Act“ ein Gesetz unterschrieben, das den Heimatschutz (Homeland Security) beauftragt, straffällige illegale Migranten zu verhaften und auszuweisen. Mit dieser Idee hat er schon im Wahlkampf gepunktet, denn mit 11 Millionen Illegalen haben auch die USA ein erhebliches quantitatives Problem.
Guantanamo in der Geschichte
Auf seiner zweiten Reise 1494 landete Kolumbus in der Bucht von Guantanamo. Seitdem haben Europa und später auch die USA dort ihre Interessen verfolgt. Die Bucht ist ein natürlicher Tiefwasserhafen, der zudem wegen seiner Randgebirge Schutz vor den karibischen Tropenstürmen bietet. Für die spanische Kolonisierung Lateinamerikas war Guantanamo deshalb ein logischer Marinestützpunkt, der den Schiffverkehr von und nach Mexiko kontrollierte, ihrem kolonialen Verwaltungszentrum.
Er war aber auch für die Briten, Niederländer und Franzosen interessant, die damals ihre Interessen in der Karibik ausbauten, deren Inseln ihnen bis heute steuerliche Vorteile bringen. 1762 eroberte eine britische Flotte Havanna und übernahm damit das spanische Kuba. Im Vertrag von Paris 1763 gab Großbritannien Kuba aber im Tausch gegen Florida an Spanien zurück. Die Insel wurde mit ihren Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen reich, brauchte aber zunehmend afrikanische Sklaven für Anbau und Ernte. Als die jungen USA 1808 die Einfuhr von Sklaven verboten, wurde Havanna zum wichtigsten Umschlagsplatz. Das Hutchinson Center for African and African-American Research in Cambridge, Massachusetts, schätzt, dass über Havanna mit insgesamt 800.000 doppelt so viele Afrikaner importiert wurden wie in die USA.
Nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 übernahmen die USA die spanischen Kolonien Kuba, Puerto Rico, die Philippinen und Guam, Puerto Rico und Guam bis heute als „incorporated territories“. Die Guantanamo Bay Naval Base, eine von 800 US-Militärbasen in 70 Ländern, ist 127 qkm groß und von einem 27 km langen Zaun geschützt. Sie wurde 1903 auf unbestimmte Zeit von Kuba gemietet. Die Jahresmiete beträgt bis heute 4.085 Dollar, die Schecks löst Kuba aber seit 1959 aus Protest nicht ein. Alle Rückgabeverlangen der Kubaner werden ignoriert, ebenso wie die Appelle zur Schließung durch mehr als hundert Menschenrechtsorganisationen.
Das deutsche Dilemma
Die Merkel‘sche Willkommenskultur ist Geschichte, obwohl es noch viele private Hilfsinitiativen gibt. In Europa ist die Stimmung inzwischen deutlich gegen die Migranten umgeschlagen und in Deutschland zum wichtigsten Wahlkampfthema geworden. Abschiebungen werden gefordert und von Politikern angekündigt, bleiben allerdings in der Praxis fast undurchführbar. Die Ausländerbehörden und die Polizei verzweifeln an der Aufgabe, von den mehr als 220.000 Ausreisepflichtigen bleiben 80 Prozent mit einer Duldung im Land.
Viele Herkunftsländer, soweit sie feststellbar waren, lehnen die Rücknahme ab. Überseegebiete hat Deutschland 1918 verloren, praktische Alternativen zur Duldung gibt es also nicht. Rigorose Aufnahmebegrenzungen wie in Polen oder Dänemark sind politisch bisher nicht durchsetzbar, Abweisungen an den Grenzen weitgehend illusorisch.
Ob ein „Zustrombegrenzungsgesetz“, wenn es denn in der neuen Bundesregierung beschlossen wird, durchgreifend Abhilfe schaffen kann, bleibt offen. Das ist insbesondere dadurch fatal, dass Deutschland in den letzten zehn Jahren nur begrenzte Erfolge bei der Integration neuer Migranten erzielen konnte.
Die demographische Entwicklung erfordert natürlich Einwanderung, aber Auswahl und Qualifikation für den deutschen Arbeitsmarkt bleiben ein zentrales Problem, bisher weitgehend ohne Lösungsansätze.