Geräuschlose Auslöschung
Obwohl die USA noch keine Bomben auf den Iran abwerfen sind die Schäden infolge des Wirtschaftskriegs enorm.
Eine halbe Millionen Kinder starben nach Schätzungen an den Folgen der US-Sanktionen gegen den Iran. Diesen Kindern und ihren Eltern hilft es nichts, wenn es keine Kugeln oder Bomben waren, die ihnen den Tod gaben, sondern „nur“ Cyberattacken und eine Politik des Aushungerns. Europa traut sich nicht, das Embargo des Weltenbeherrschers zu unterlaufen — entgegen auch eigenen ökonomischen Interessen. Und selbst wenn sich Donald Trump vorerst nicht zu einem Bombardement entschließen kann — es ist fraglich, ob es sich die iranische Führung länger bieten lässt, dass eine fremde Macht ihr Land systematisch zerstört. Verhandlungen könnten eine Lösung sein – aber die USA haben zu deutlich zu erkennen gegeben, dass ihnen nicht zu trauen ist.
Der Krieg der USA gegen den Iran findet mit kurzen Phasen der Zurückhaltung seit 1953 statt, als die CIA mit Korruption, Erpressung und Schlägertrupps eine demokratisch gewählte Regierung stürzten. Und der derzeit gegen das Land geführte Wirtschaftskrieg, in dem die USA die ganze Welt erpressen und bedrohen, schadet den Menschen im Iran in beispielloser Weise.
Und die Führung des Irans hat gesehen, wie im Vorfeld des Krieges gegen den Irak über 500.000 Kinder an den Folgen der Sanktionen starben.
Sie werden das nicht zulassen und lieber einen offenen Krieg riskieren, denn sie haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, dem Imperium mit seiner über hundertfachen militärischen Überlegenheit (ohne die militärischen Fähigkeiten der Verbündeten Länder Israel und Saudi-Arabien zu berücksichtigen) große Schmerzen zu bereiten. Ein typischer Fall von David gegen Goliath. Nur dass David dem Goliath intellektuell und moralisch hoch überlegen ist.
Mit dem Abschuss eine hunderte von Millionen Dollar teuren US-HighTech-Drohne der letzten Generation in der vergangenen Woche, der präzisen Beschreibung der Flugroute, des Abschussortes und der Erklärung, ein bemanntes Flugzeug wegen der menschlichen Opfer NICHT abgeschossen zu haben, zeigte der Iran das erstaunliche Maß seiner militärischen Fähigkeiten – trotz Sanktionen und im Land gefertigter Rüstungsgüter ohne ausländisches Know-How . Eine der ältesten Zivilisationen der Welt hat gezeigt, dass, wenn das Land bedroht ist, seine Abschreckungsmöglichkeiten weit über Propaganda oder Pfeifen im Wald hinausgehen.
Aber diese militärischen Fähigkeiten der Verteidigung nützen nichts gegen den Wirtschaftskrieg, mit dem die USA den Staat und seine Menschen quält. Und dieser Wirtschaftskrieg gleicht durchaus einem heißen Krieg. Insofern ist die Wahrnehmung in Deutschland falsch. Hier glaubt man, so lange noch keine Bomben fallen, ist alles noch im gelben Bereich. Das Gleiche gilt für den sogenannten CyberWar.
Obwohl in den Medien ganz offen erklärt wird, dass Trump einen CyberWar-Angriff gegen den Iran in Auftrag gegeben hat, scheint das niemanden wirklich zu beunruhigen. Nicht weil keiner glaubt, dass dieser erfolgreich sein könnte, sondern weil die Meinung vorherrscht, dass es ja „nur“ ein CyberWar-Angriff wäre. Sozusagen „nur“ virtuelle Bomben, die abgeworfen werden. Dass diese aber genau so viel Schaden anrichten können wie Bombardierungen, wird nicht in Betracht gezogen. Dabei haben die USA selbst erklärt, dass sie selbst sehr wohl mit Militär und Bomben auf einen CyberWar-Angriff reagieren würden, notfalls sogar mit Kernwaffen (1)!
Die Associated Press berichtete am 23. Juni, dass das US-Militär am Donnerstag einen CyberWar-Angriff gegen iranische Militärcomputer geführt hätte, nachdem Donald Trump Abstand von einem Militärschlag genommen hatte.
„Zwei Beamte erklärten der Associated Press, dass die Schläge mit dem Einverständnis von Trump geführt worden wären. Ein dritter Beamter bestätigte den breiten Rahmen des Schlages“ (2).
Der Autor des Artikels behauptet, die Cyberangriffe hätten die iranischen Computer-Systeme unbrauchbar gemacht, welche die Raketenabschusssysteme und Luftabwehrsysteme kontrollieren.
„Die Aktionen des US-Cyber Command waren eine Demonstration der zunehmend gewachsenen cybermilitärischen Fähigkeiten und seiner aggressiveren Cyber-Strategie unter der Trump-Regierung. Im Verlaufe des letzten Jahres haben US-Beamte sich beharrlich darauf fokussiert, Gegner im Cyberspace anzugreifen und mehr offensive Operationen durchzuführen“ (3).
Spätestens wer das liest, dem dürfte klar sein, dass nun „CyberWar“ eine neue Waffengattung neben Marine, Luftwaffe und Landstreitkräften ist. Und schon weiter entwickelt als die von Trump ebenfalls offiziell ausgerufenen Weltraumstreitkräfte.
Für den Iran ist also der Krieg schon voll ausgebrochen. Aber eine Antwort mit militärischen Mitteln würde den Falken der USA einen Vorwand liefern, trotz der Gefahr eigener Verluste, eine verheerende Bombardierung des Iran zu beginnen. Andererseits kann der Iran nicht die Hände in den Schoß legen und abwarten. Aber ganz offensichtlich ist man in Teheran auch zu der Auffassung gekommen, dass Verhandlungen mit den USA sinnlos sind. Das hat schließlich der Bruch des JCPOA bewiesen, ebenso wie die zahlreichen einseitigen Kündigungen anderer Rüstungsbegrenzungs- und internationaler Verträge.
Eine Zeitlang werden Teile der iranischen Führung vielleicht gehofft haben, die EU-Länder würden zumindest einen Teil der Sanktionsfolgen abfedern. Aber nachdem sich diese Hoffnung nicht erfüllt hat, ist allgemeine Ernüchterung eingetreten.
Denn alle großen Konzerne haben sich aus dem Iran zurückgezogen und keine Bank will Finanztransaktionen mit dem Iran durchführen, sogar die Deutsche Bundesbank änderte ihre Bedingungen, um nicht Geld, das dem Iran gehört, in bar auszahlen zu müssen.
Sanktionen waren im Rahmen der UNO einmal als letztes Mittel gedacht gewesen, um Staaten, welche sich dem Völkerrecht verweigern, wieder auf den richtigen Weg zurück zu bringen. Die Übernahme dieses Werkzeuges durch die USA jedoch veränderte die Zielsetzung. Nun sind Sanktionen dazu gedacht, ein Land zu schwächen und dann mit einem internen Regime Change oder einem Krieg in die Knie zu zwingen. Sanktionen sind für die USA ein Teil der Kriegsführung. Auch deshalb kann der Iran nicht einfach abwarten.
Was ist zu erwarten?
Nachdem Trump gegenüber dem Iran „maximalen Druck“ ausübt, wird der Iran nun – nach Monaten des geduldigen Zuschauens – diesen Druck erwidern und sich nicht auf Cyberaktivitäten beschränken. Und der Iran wird dabei keine Rücksicht auf „rote Linien“ nehmen, denn seine Führer wissen, dass diese Unterwerfung den Anfang vom Ende bedeuten würde. Diese „roten Linien“ würden immer restriktiver gehandhabt werden, bis Regime Change oder Bombardierung das Ziel erreicht hat, das Land zu kontrollieren.
Der Gegen-Druck durch den Iran wird asymmetrisch erfolgen. Das heißt, wie die USA in Syrien „Druck“ auf die legitime Regierung durch Unterstützung des Terrorismus ausüben, und dies unter einem Regime des „glaubwürdigen Dementis“ erfolgt, so werden die Anschläge in der Straße von Hormus zunehmen, welche die Versicherungsprämien erhöhen und den Aufwand durch militärische Begleitung beträchtlich werden lassen. Je höher die Ölpreise dadurch steigen werden, desto größer der Druck auf Trump. Also sind ähnliche Vorfälle wie die Angriffe gegen Tanker zu erwarten, nur diesmal eindeutig im Interesse des Iran durchgeführt, mit immer kürzeren Abständen und immer größeren Schäden. Allerdings unter Vermeidung von menschlichen Opfern.
Gleichzeitig sind nicht identifizierbare Anschläge gegen US-Interessen im Mittleren Osten zu erwarten. Dass der Iran dadurch Wasser auf die Mühlen der Neocons gießt und deren Bombenwünsche unterstützt, erscheint den Führern des Iran zweitrangig. Zu schmerzhaft wirkt sich der von den USA bereits lange geführte Krieg gegen das Land aus. Und so wird es zukünftig sehr schwierig werden, zwischen False Flag der auf Krieg erpichten Länder Saudi-Arabien und Israel sowie von Teilen des „Tiefen Staates“ der USA und bewusster Provokation durch den Iran zu unterscheiden.
Trump hat sich, in krasser Unkenntnis der Geschichte und des Selbstverständnisses der Iraner durch seine Falken in eine Sackgasse führen lassen.
Er glaubte, den Iran mit Wirtschaftssanktionen in die Knie zwingen zu können. Sicher wollte er keinen Krieg beginnen, wohlwissend, dass dies seine Wiederwahl gefährden würde. Aber die ihm von den Falken ins Nest der Regierung gesetzten Berater wie Pompeo und Bolton wussten das sehr wohl, ließen ihn aber in dem Glauben, weil sie annahmen, als Ausweg für Trump würde schließlich nur die Bombardierung übrig bleiben, die sie wünschten.
Trump wird das inzwischen erkannt haben. Er sucht wohl nach Wegen, aus der Zwickmühle heraus zu kommen. Eine Möglichkeit wäre, die Sanktionen auszusetzen, um den moralischen Druck auf den Iran zu erhöhen, an den Verhandlungstisch zu kommen. Der Iran seinerseits wird nicht daran denken, eine einzige Forderung der USA zu erfüllen. Zu deutlich sind die Schicksale der Regierungen, die wie in Libyen, dem Irak oder Syrien glaubten, sich auf die Vereinbarungen mit den USA stützen zu können. Deshalb wird die Führung, egal ob fundamentalistisch, gemäßigt oder reformerisch, immer zunächst die Wiedereinsetzung und Erfüllung des JCPOA verlangen, bevor irgendwelche anderen Verhandlungen stattfinden.
Falls Ihr Öltank also derzeit leer sein sollte, nutzen Sie die noch moderaten Ölpreise zum Volltanken. Und rechnen Sie damit, dass der Krieg gegen den Iran weiter eskalieren wird. Zwar erklären Analysten, welche die Krise im Mittleren Osten sehr gut kennen, dass der Iran niemals von den USA mit Bomben angegriffen werden würde, weil seine Abschreckungsmittel zu stark wären. Aber es gibt ebenso Stimmen, wie die von Michael Lüders bei Markus Lanz:
„Das alles also eine Vorbereitung für einen Militärschlag der USA auf den Iran, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bald erfolgen wird“ und „…werden die USA den Iran angreifen, was sie tun werden…“ (4) Damit stimme ich mit ihm schon seit einigen Jahren überein (5).
Tatsächlich könnte nur Trump den Krieg verhindern, entweder mit einem Überraschungscoup, indem er den JCPOA wieder akzeptiert, oder indem er nicht wiedergewählt wird. Allerdings ist der Druck durch die neokonservativen Kriegstreiber und durch die Verbündeten Israel und Saudi-Arabien und deren Lobbygruppen in den USA so groß, dass eine Überraschung, anders als im Fall von Nordkorea, unwahrscheinlich ist. Und die Medien sind bekannterweise nun immer auf Seiten eines Krieges. Tucker Carlson von Fox News, der die Kriegshungrigkeit von Washington kritisiert, kann alleine nicht den medialen patriotischen Rausch verhindern, der immer dann auftritt, wenn ein neuer größerer Krieg möglich erscheint.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.heise.de/tp/features/Hurra-das-naechste-Wettruesten-hat-begonnen-3363442.html
(2) https://www.haaretz.com/us-news/u-s-struck-iranian-military-computers-this-week-officials-say-1.7402574
(3) Ebd.
(4) https://youtu.be/ZEHRSJ4Gth0 ab circa 05:29
(5) Video vom April 2019 https://youtu.be/-sAq5yZp6dc Buch von Januar 2019 https://www.nibe-versand.de/Ebooks/Schattenkriege-des-Imperiums-Der-Krieg-gegen-den-Iran-ebook::103.html oder Paperback https://www.nibe-versand.de/Politik/Schattenkriege-des-Imperiums-Der-Krieg-gegen-den-Iran-Jochen-Mitschka::64.html