Generation Neubauer
Mit dem Kampf gegen das, was in Deutschland „Faschismus“ oder „Rechtsextremismus“ genannt wird, gibt Luisa Neubauer der Generation der politisch Ungebildeten ein Gesicht.
Was ist eigentlich Faschismus? Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht oder anders formuliert: Es gibt so viele Definitionen, dass es schwerfällt, etwas Übergeordnetes dazu zu formulieren. Aber gerade das ist die Chance derer, die sich auf ihren heldenhaften Kampf gegen den Faschismus berufen. Sie schwadronieren Vages über Rechtsextremismus, Faschismus und sind dankbar, wenn ein Gericht die AfD als „gesichert rechtsextrem“ einordnet. Einer grundsätzlichen Definition sind sie damit nicht nähergekommen, aber zumindest dem wohligen Gefühl, das Richtige zu tun. Denn da Faschismus nun mal böse ist, muss der Kampf dagegen gut sein.
Konrad Adenauer: Neubauers Held mit Blut an den Händen
Luisa Neubauer ist wahrlich nicht die Einzige, die mit einem Bildungsdefizit zu kämpfen hat. Wobei sie ihren Mangel als solchen ja gar nicht wahrnimmt und sich daher mit sich im Reinen und pudelwohl fühlt. Um sich als wahre Demokratin zu positionieren und ihre Radikalität in Bezug auf Friede, Freude, Eierkuchen und den Kampf gegen das Gegenteil zu untermauern, berief sich Luisa Neubauer kürzlich auf Konrad Adenauer.
Den Tweet hat sie mittlerweile wieder gelöscht, aber gegen einen ähnlichen ausgetauscht, auf dem ebenfalls Adenauer zu sehen ist, nur diesmal mit dem Hinweis versehen:
Na ja, mag sich die Luisa gedacht haben, mag ja sein, dass Adenauer eine Nähe zu Faschisten hatte und ehemalige Hitler-Nazis in neue Ämter hievte, um sie zu „Adenauer-Nazis“ in demokratischem Gewand zu machen. Aber für den Klimaschutz wird er schon gewesen sein, der Konrad, da „kannste nix falsch machen“.
Nun, doch, kann man, kann sie. Denn niemand kann wissen, was Konrad Adenauer zu den Ideen von Neubauer gesagt hätte; dass er aber den alten Nazis sehr nahestand, hätte unter normalen Umständen zu einer Art „Neubauerischen Brandmauer“ führen müssen. Man macht sich doch mit Leuten wie Adenauer nicht gemein, da blinkt in grellen Farben der Hinweis „KONTAKTSCHULD!“ auf dem entsprechenden Klimaschützerschild.
Aber Neubauer ist bekanntlich selbstbewusst, nicht zwingend gebildet, aber mit einem ausgeprägten Verständnis für ihre eigene Bedeutung ausgestattet.
Also hat sie einfach auf X den Kontext verändert, Adenauer aber weiterhin für die, für ihre gute Sache verwendet. Bildung hilft, und so wäre es eine Art Fortbildung für Luisa gewesen, mal einen Blick in die BILD zu werfen. Dort hätte sie lernen können, dass auch Historiker Adenauer äußerst kritisch sehen, was seine Nähe zu den deutschen Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg betrifft. Und auch wenn man einwenden kann, dass die BILD nicht die beste Lektüre ist, um sich historisch schlauzumachen, muss man doch feststellen, dass sie in diesem konkreten Fall besser als gar nichts ist. Aber offenbar hat Neubauer dieses „Gar nichts“ bisher bevorzugt. Bildungstechnisch eher suboptimal.
Das Problem reicht weiter
Man kann sich über Neubauers fehlende Bildung vortrefflich auslassen, doch das wäre weder zielführend noch hilfreich. Aber sie repräsentiert eine ganze Generation von jungen — aber auch älteren — Menschen, die leicht zu führen und zu manipulieren sind, wenn es um die Instrumentalisierung durch die Politik geht.
Kaum rufen Politik und Medien im Chor, dass es sich bei der AfD um eine Partei von Faschisten handelt, strömen Zig- oder gar Hunderttausende auf die Straßen, um „Nie wieder!“ oder „Nie wieder ist jetzt!“ zu brüllen, ohne sich der eigenen Verantwortungslosigkeit bewusst zu sein.
Es ist das eine, die AfD zu kritisieren, und es ist notwendig, dies zu tun. Schaut man sich das Wahlprogramm dieser Partei an, stößt man schnell auf deren neoliberale Ausrichtung und kommt nicht umhin, festzustellen, dass sie alles Mögliche ist, aber keine „Arbeiterpartei“. Sie selbst hat sich diese Titulierung gern angeeignet, denn auch wenn der Begriff „Arbeiter“ in Politik, Medien und Gesellschaft nur noch selten eine Rolle spielt und kaum mehr verwendet wird, bietet doch genau diese Gruppe großes Potenzial, wenn es um Wählerstimmen geht. Es ist aber das andere, aus dieser politischen Ausrichtung, die sich irgendwo zwischen CDU und FDP bewegt, eine Partei aus lauter Nazis zu kreieren.
Möglich sind solche kategorischen und inhaltlich mindestens bedenklichen Einordnungen nur, wenn die Empfänger der entsprechenden Botschaften politisch und historisch zu unwissend sind, um die Methode zu durchschauen. Ohne Frage spielt dabei das deutsche Bildungssystem, das seit Jahrzehnten gezielt ausgeblutet wird, eine große Rolle. Doch auch die Eigenverantwortung darf man nicht unterschätzen. Ein Facebook-Nutzer mit seinem Kommentar steht durchaus repräsentativ für eine ganze Generation politisch ungebildeter und/oder frustrierter Menschen:
„Ich gebe auf Bücher und Vergangenheit nichts mehr. Warum? Weil sich die aktuelle Weltsituation tatsächlich so schnell ändert, dass keine Vergangenheit mehr eine sonderliche Rolle spielt und ein IST-Zustand von keinem Außenstehenden mehr zu beurteilen ist.“
Hier spricht nicht nur verständliche Verzweiflung und Hilflosigkeit gegenüber einer Politik, die die Interessen des Volkes komplett ausblendet und ignoriert, sondern auch die irrige Annahme, dass man durch Blicke in die Geschichte die Gegenwart weder analysieren noch verändern kann. Dabei würde es schon reichen, sich klarzumachen, dass Geschichte sich vielleicht nicht wiederholt, aber doch häufig reimt. Und wenn man seine Lektüre erweitert, wird man zu vielen weiteren wichtigen Erkenntnissen kommen, die die These des Reims unterstreichen und fortführen — oder ihr widersprechen und zu anderen hilfreichen Fragen und Antworten führen können.
Luisa Neubauer als schlechtes Vorbild
Kommen wir doch noch einmal auf Luisa Neubauer zurück, einfach weil sie eine Vorbildfunktion hat. Nur scheinbar war ihre Rolle zunächst die der Kritikerin der Politik, weil diese die von ihr favorisierte Klimapolitik nicht so umsetzte, wie Neubauer das wollte. Tatsächlich diente sie dazu, das Thema zu setzen, prominent, gutaussehend, eloquent. In der politischen Landschaft spielt die Realisierung irgendwelcher Ziele und Vorhaben eine untergeordnete Rolle, vielmehr geht es darum, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und unter Druck zu setzen.
Damit soll das übergeordnete Thema Klimawandel nicht bewertet werden, weder in die eine noch in die andere Richtung. Es soll nur deutlich werden, dass Neubauer nicht konträr zur herrschenden Politik aufgestellt ist, sondern ganz in ihrem Sinne. Man sieht das an ihrer Neuausrichtung, die jetzt das Thema Rechtsextremismus in den Fokus rückt.
Neubauer betete einst das Klimanarrativ herunter; nun tut sie es mit dem heldenhaften Kampf gegen den Faschismus oder eben das, was politisch als solcher tituliert wurde. Politisches oder historisches Wissen spielt da nicht nur keine Rolle, es stört sogar eher.
Denn für simple Erzählungen sind Menschen, die diese hinterfragen oder gar in Frage stellen, denkbar ungeeignet. Daher passt Neubauer perfekt ins Bild und wird von der Politik selten oder gar nicht kritisiert, während andere, wirklich kritische Geister sich für viel weniger Kritik auf entsprechende Gegenmaßnahmen und Sanktionen einstellen müssen.
Letztlich gilt für alle gesellschaftspolitischen Themen gleichermaßen, dass ein ungebildetes Volk leicht zu steuern ist, was man an den Entwicklungen der letzten Jahre ablesen kann. Um noch einmal einen kurzen Blick zurück zu werfen: Konrad Adenauer wäre mit dieser Entwicklung mehr als einverstanden, womit Neubauers konstruierte Nähe zu ihm Sinn ergibt.