Geld sparen, Freiheit bewahren

Immer mehr Unternehmen und Gastronomen geben Barzahlern einen Rabatt, um die immer weiter zurückgedrängten Münzen und Scheine wieder attraktiver zu machen.

Statistisch befindet sich Bargeld seit Jahren auf dem Rückzug. Es scheint ausgemachte Sache, dass Münzen und Scheine ein Auslaufmodell sind, vergleichbar den CDs, die vereinzelt noch in den Regalen unverbesserlicher Nostalgiker verstauben. Es ist aber nicht bloß eine Phrase, zu sagen, dass es an „uns allen“ liegt, ob sich eine negative Entwicklung durchsetzen kann oder nicht. Historische Entwicklungen sind oft das Ergebnis der Summe vieler „kleiner“ Entscheidungen. Ein für viele vielleicht unerwartetes Hoffnungszeichen gibt es: Kleine Unternehmen setzen jetzt einen Anreiz, mit Banknoten und Münzen zu bezahlen. Darin liegt Potenzial, den Trend umzukehren und die Barzahlung für die Zukunft zu bewahren.

Wie stehen Läden, Hotels oder Gastrobetriebe zum Bargeld? Ende 2021 befragte die Europäische Zentralbank 10.000 Unternehmen aus bargeldfreundlichen Branchen im Euroraum (1). Die Umfrage bildet Firmen verschiedener Größen repräsentativ ab. 94 Prozent wollen auch in Zukunft Bargeld akzeptieren (2). Fünf Prozent streben das Gegenteil an. Als häufigsten Grund dafür nannten sie den Zeitaufwand (32 Prozent), die Tatsache, dass Kunden zu wenig bar bezahlen (31 Prozent), dass Bargeld Umstände bereitet oder die Ein- und Auszahlung auf der Bank kompliziert ist (29 Prozent), sowie Sicherheitsrisiken (29 Prozent).

Besonders stechen griechische Unternehmen hervor. Während ein Prozent der deutschen und österreichischen Unternehmen daran denken, Bargeld in Zukunft abzulehnen, sind es dort ganze 20 Prozent. Dabei ist die Barzahlung in Griechenland beliebt. Doch geht die Athener Regierung europaweit mit den härtesten Maßnahmen dagegen vor. Im Frühjahr 2023 sah Griechenland davon ab, Barzahlungen ab 200 Euro zu verbieten. Aus juristischen Bedenken. In Deutschland und Österreich gibt es keine allgemeine Bargeldobergrenze.

Die befragten Unternehmen nehmen Banknoten und Münzen eindeutig als zuverlässiger und kostengünstiger als Debitkarten wahr. In puncto Sicherheit zieht Bargeld in ihrer Wahrnehmung den Kürzeren. Verglichen mit der Handyzahlung jedoch liegt Bargeld in allen Kategorien vorne. Nur 14 Prozent glauben, dass Smartphones an der Kasse schneller sind als Banknoten.

Bei der Frage nach dem bevorzugten Zahlungsmittel allerdings wurden Karten und kontaktlose Optionen mehr als doppelt so oft genannt wie Bargeld. Bei Cafés und Restaurants präferieren 38 Prozent im Euroraum Schein und Münze, unter den Hotels 21 Prozent, im Einzelhandel 20 Prozent. Zahlen auf Deutschland bezogen wollte die Europäische Zentralbank auf Anfrage nicht herausgeben.

Wie die EU-Kommission lenkend eingriff

Anfang der 2010er Jahre sah die Welt noch anders aus: „Kartenzahlung erst ab 20 Euro!“ Solche Schilder hingen an vielen Kassen, sehr zum Missfallen einiger Politiker. European Card Review, eine Branchenzeitschrift aus dem Finanzsektor, berichtete im Frühjahr 2006 von den Worten eines Abteilungsleiters in der EU-Kommission. Er sagte auf einer Konferenz von Mastercard: „We agree with the war on cash (but) if you are going to have a proper war on cash you must have a proper pricing.“ Übersetzt:

„Wir teilen die Ziele des Kriegs gegen das Bargeld, (aber) um einen richtigen Krieg gegen das Bargeld zu führen, braucht man eine passende Preissetzung.“

Folgerichtig verbot die EU-Kommission alsbald die grenzüberschreitenden multilateralen Interbankenentgelte von Mastercard — eine feste Gebühr für Zahlungen mit Karte an der Ladenkasse. Sie musste vom Einzelhändler geschultert werden. Das soll Banken daran gehindert haben, in den Wettkampf um das preiswerteste Angebot für Händler zu treten — weniger Wettbewerb, höhere Preise.

„Kann Europa den ‚Krieg gegen das Bargeld‘ ohne multilaterale Interbankenentgelte gewinnen?“ — Die Antwort der EU-Kommission: „Ja.“ Sechs Jahre später, am 26. Februar 2014, hieß es aus Brüssel: „Die Erfahrung zeigt, dass die Senkung überhöhter Interbankenentgelte für Händler die Akzeptanz von Karten durch Händler fördert und zu einem Anstieg der Kartentransaktionen und höheren Einnahmen für die Banken führen kann“ (3, 4).

Schließlich senkte die Europäische Union das vom Einzelhandel zu tragende Interbankenentgelt generell auf ein Maximum von 0,2 Prozent des Einkaufsbetrags bei Debitkarten-Zahlungen und 0,3 Prozent bei Kreditkarten. In der Begründung des Rechtsakts, der Interbankenentgeltverordnung vom 29. April 2015, hieß es, dass Verbraucher die Möglichkeit haben sollten, „Zahlungskarten so oft wie möglich zu verwenden“.

Preisnachlass wirkt

Nun heißt das aber nicht, dass Kartenzahlungen für Händler heute günstig wären. Das Interbankenentgelt trägt nur zu einem Teil der Gebührensumme bei. Gastronom Thomas Müller gibt Barzahlern 3,5 Prozent Rabatt (5). Bei EC-Karte „bezahlen wir als Unternehmen knapp ein Prozent des Preises an die Bank“, sagte er der Sächsischen im Juni 2023. Bei 50 Euro seien das 50 Cent. „Bei der Kreditkartenzahlung bezahlen wir Gebühren in Höhe von rund zwei Prozent an die Banken“, so Müller weiter. Die Rabattaktion wirke. Zwischen 80 und 90 Prozent der Gäste würden inzwischen bar zahlen.

„Das Schöne ist daran auch, dass man wieder mit den Menschen ins Gespräch kommt, denn sie fragen nach dem Barzahler-Rabatt.“

Der neue Trend greift auch auf die Schweiz über. Ein Spielwarengeschäft in Lyss (Kanton Bern) gibt neuerdings Barzahlern fünf Prozent Rabatt (6).

Eine Unternehmerin aus Bayern kommentierte auf Bargeldverbot.info: „Wir haben in unserem Laden einen Riesenflyer“ stehen: „Bargeld ausdrücklich erwünscht.“ Und „seit wir fünf Prozent Rabatt bei Barzahlung anbieten, haben wir nur noch Barzahlung!“ Im Laden liege außerdem eine lange Liste aus zu den Vor- und Nachteilen von Bargeld und Karte. Viele Kunden sagten, darüber hätten sie noch gar nicht nachgedacht.