Gegen Trump!

Seit der Wahl in den USA und dem Gespräch von Alice Weidel mit Elon Musk hat sich in Deutschland eine regelrechte Begeisterungswelle ausgebreitet. Die Gründe dafür mögen verständlich sein, doch sie beruhen auf irrigen Annahmen.

„Gegen Trump!“ Die Überschrift ist bewusst provokant gewählt. Natürlich wäre es falsch, den US-Präsidenten so kategorisch abzulehnen, wenngleich man trotzdem alle US-Präsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg mit äußerster Vorsicht und Skepsis beurteilen sollte. Nichtsdestotrotz sind die in Trump gesetzten Hoffnungen nachvollziehbar. Von Texas bis Kiel ist wohl den meisten Menschen klar, dass das politische Oligarchensystem der USA zu den skrupellosesten und menschenverachtendsten der ganzen Welt gehört. Wer will es da den Menschen verübeln, wenn sie darauf hoffen, dass ein Mann, der offenkundig zumindest in seinem Auftreten und mit seinen Ankündigungen so sehr vom Mainstream abweicht, etwas zum Besseren verändern könnte?

Indiskrete Dekrete

Das übliche demokratische Verfahren für politische Veränderungen ist das Gesetzgebungsverfahren. Es ist ein langer Prozess, mühselig und mit vielen Beteiligten, aber er entspricht der demokratischen Idee. Donald Trump hat aber erst einmal Dekrete erlassen, und zwar bis der Arzt kommt, so könnte man es formulieren. Damit agiert er Wolodymyr Selenskyj nicht unähnlich, der — ebenfalls per Dekret — schon vor langer Zeit Verhandlungen mit Putin über ein mögliches Ende des aktuellen Ukrainekriegs kurzerhand verboten hat. Nun ist Selenskyj nicht einmal mehr der Präsident der Ukraine, er füllt diese Rolle lediglich weiter aus, weil Wahlen in einem Krieg problematisch sind. Das unterscheidet ihn von Trump.

Doch als der neue Präsident der Vereinigten Staaten mittels Dekret die „freie Rede“ wieder eingeführt hat und dafür enthusiastisch gefeiert wurde, schien der Zweck die Mittel zu heiligen. Was dabei unterging, war Trumps Aussage über Amerikaner, die man doch ausweisen möge, wenn sie sich allzu kritisch zur Politik Israels im Gazastreifen äußern. An dieser Stelle sind dem, was man heute „freie Rede“ nennt, also der freien Meinungsäußerung, offenbar Grenzen gesetzt. Und abgesehen von dieser unsäglichen Herangehensweise, die faktisch natürlich das exakte Gegenteil von Meinungsfreiheit ist, lässt es tief blicken, wie Trump zum Konflikt im Gazastreifen steht.

Es verwirrt ohnehin, dass der neue US-Präsident völlig irrwitzige Ideen formulieren kann, ohne weltweite Entrüstung zu ernten. Die Stichworte hier sind Mexiko, Kanada, Grönland und eben auch der Gazastreifen, den er mittels Deportation, also ethnischer Säuberung, von den dort lebenden Menschen „befreien“ möchte, um dorthin im Anschluss ein Urlaubsparadies zu zaubern.

Auf mehr oder weniger zaghafte Kritik ob dieser menschenfeindlichen Idee unterstrich Trump seinen Vorschlag noch und schloss eine Rückkehr der Menschen des Gazastreifens in ihre Heimat aus. Schließlich würde er dafür sorgen, dass ihr neues Zuhause viel schöner sei und es ihnen dort besser ginge.

All das wird von den offiziellen politischen Vertretern der meisten Länder zwar verhalten kritisiert, doch Empörung sieht anders aus. Und auf der Ebene der sozialen Medien in Deutschland hat sich eine regelrechte Fangemeinde Trumps entwickelt, die — so scheint es — regelrecht immun gegen Kritik an Trump geworden ist. Im Gazastreifen sind mittlerweile mehr als 60.000 Menschen umgekommen, die tatsächlichen Zahlen werden wir wohl nie erfahren — und Trump will aus diesem Massengrab ein Urlaubsparadies machen.

Das oben formulierte Verständnis für die Hoffnungen der Menschen, die in Trump eine positive Veränderung der politischen Lage in den USA und/oder auf der Welt sehen, löst sich in blutgefärbte Luft auf, wenn man sich seine wahnwitzige Idee bezüglich des Gazastreifens bewusst macht.

24 Stunden für die Katz

Man sollte Donald Trump nicht zum Vorwurf machen, dass er den aktuellen Ukrainekrieg innerhalb von 24 Stunden beenden wollte. Haken wir das unter „Wahlkampf“ und „Trump'sches Gerede“ ab. Vielleicht hat er selbst sogar an diese kurze Zeit zur Beendigung des Krieges geglaubt, man weiß es nicht. Und man sollte ihm auf diesem Gebiet durchaus eine Chance geben, denn er hat es offenbar geschafft und war sich nicht zu schade, überhaupt Gespräche zu initiieren.

Sollte Trump also aktiv dazu beitragen, den Ukrainekrieg zu beenden, wäre das ein Verdienst, den man ihm voll und ganz anrechnen muss — wohlwissend allerdings, dass der Beginn des Ukrainekriegs von den USA, allerdings ohne Trump als Präsident, ausging.

Im Vergleich zu den Falken in der EU und in Deutschland ist die Möglichkeit von Gesprächen also in der Tat lobenswert. Diese Falken stehen übrigens noch dümmer da, als es vorher schon der Fall war, denn ob es einen Frieden in der Ukraine geben wird und wie immer er geartet sein mag, das Verdienst der europäischen politischen Führer wird er definitiv nicht sein. Damit hat die europäische Diplomatie eine global zu erkennende Bankrotterklärung unterschrieben und wird in der internationalen Wahrnehmung auf Jahre, vielleicht Jahrzehnte, eine absolute Lachnummer sein.

Man kann vorsichtig optimistisch sein, was Trumps Engagement bezüglich der Ukraine angeht. Haben seine Vorgänger in den USA und die Verantwortlichen in der EU, von Ungarn und ein paar zaghaften Stimmen aus anderen Ländern einmal abgesehen, seit Kriegsbeginn ausschließlich an der Eskalationsschraube gedreht — sie tun es noch immer! —, setzt sich Trump für eine Lösung, einen „Deal“, ein, was zunächst einmal gut ist.

Allerdings hat Trump es auf die Rohstoffe der Ukraine abgesehen, und es bleibt abzuwarten, was er bereit ist, für deren Erhalt zu tun. Sicher ist man auf der sicheren Seite, wenn man zunächst einmal mit einem symbolischen Besen den Heiligenschein wegfegt, der offenbar in den Augen zahlreicher politischer Beobachter über diesem Mann schwebt.

Im sehenswerten Interview von Flavio von Witzleben mit Tom-Oliver Regenauer wird Trump auf sachliche und unaufgeregte Art und Weise entzaubert. Dabei orientiert Regenauer sich an zahlreichen Fakten, die er im Laufe der Zeit recherchiert hat und die den Eindruck untermauern, dass der neue US-Präsident keineswegs eine Art „Robin Hood des Westens“ ist, sondern in erster Linie eigenen Interessen folgt.

Viel wichtiger sind aber die Informationen darüber, ob und inwieweit Trump überhaupt über die ihm zugeschriebene Macht verfügt. Das tut er nicht, und er unterscheidet sich damit nicht von seinen Vorgängern, denn die existierenden Berichte und Bücher über die Macht dessen, was „Tiefer Staat“ genannt wird, belegen, dass US-Präsidenten — sowie im Übrigen auch westliche Politiker in Führungspositionen — unterm Strich nur sehr eingeschränkte Macht haben.

Fazit

Donald Trump ist ein Präsident wie jeder andere auch. Er strahlt zwar etwas Schillerndes aus, er verhält sich nicht wie ein „klassischer“ Politiker, er spricht anders und agiert spontaner als all seine Vorgänger. Sein gesamtes Auftreten unterscheidet sich von Joe Biden, Barack Obama, George W. Bush oder Ronald Reagan.

Trotzdem verbirgt sich unter diesem Schleier eines Mannes, der sich anzuschicken scheint, das gesamte System zu verändern, nur ein Präsident, der oberflächlich publikumswirksame Entscheidungen verkündet, bei genauerer Betrachtung aber durch größere Mächte schnell an seine Grenzen stößt.

Was auch immer Trump jetzt und in Zukunft tut, folgt dem Gewährenlassen derer, die wirklich das Sagen haben. Das ist keine neue Erkenntnis. Wenn man sich mit Politik und Geopolitik intensiv beschäftigt, kann man zu keinen anderen Schlüssen kommen. Trotzdem ist etwas anders an der Präsidentschaft Trumps. Er stellt eine Figur dar, er spielt eine Rolle, die sich von der seinen Vorgängern unterscheidet. Waren diese bereits zum Amtsantritt in bestimmte Schablonen gepresst worden, im Rahmen derer sie sich bewegen durften, kann Trump freier, in gewisser Weise „anarchistischer“ agieren. Die Entscheidung, Trump in seiner eher abweichenden Art auftreten zu lassen, ist womöglich der Tatsache geschuldet, dass er es geschafft hat, sich in die Herzen der Wähler zu schleichen.

Und selbst wenn Trump es schaffen sollte, den Ukrainekrieg zu beenden, darf man vermuten, dass dieses Kriegsende strategisch gewollt ist. Auch von Trump selbst, aber in erster Linie von Kräften, die für die Ukraine längst neue Ziele formuliert haben. Ob diese Ziele im Sinne der Ukraine und der dort lebenden Menschen sind und ihnen ein besseres Leben bescheren, darf zumindest vorsichtig bezweifelt werden, wenngleich jedes Ende eines Krieges zunächst einmal eine gute Nachricht ist. Alles andere wird man sehen.