Gefahr von oben

Vielleicht steigt uns der Staat schon bald aufs Dach und verhängt eine Photovoltaik-Pflicht für private Haushalte.

Fracking-Gas vergiftet den Boden, Biodiesel missbraucht Pflanzen zur Energiegewinnung und Windkraftwerke schreddern Tausende Vögel. Aber Solarenergie — dagegen ist doch nun wirklich nichts einzuwenden. Denn die Sonne stellt bekanntlich keine Rechnung. Oder? Ganz so einfach ist es leider nicht. Wenn „alle geeigneten Dachflächen“ — wie es für Deutschland, aber auch für die EU geplant ist — für die Solarenergie genutzt werden sollen, dann bringt das Probleme mit sich, die derzeit noch längst nicht allen bewusst sind. Denn natürlich ist es, wenn Vater Staat sich etwas in den Kopf setzt, nicht bloß eine Bitte. Dann muss pariert werden, und persönliche Vorlieben und Befindlichkeiten müssen wieder einmal dem Allgemeinwohl geopfert werden. Photovoltaik-Anlagen gibt es für den Endverbraucher auch nicht zum Nulltarif, und die allgemeinen Lebenshaltungskosten steigen auch ohne dies rapide. Das gewichtigste Argument kontra Photovoltaik-Pflicht betrifft jedoch den Faktor Gesundheit. Die Anlagen verursachen nämlich elektromagnetische Emissionen, die vor allem jene beeinträchtigen, die direkt unter dem Dach schlafen — häufig sind es Kinder.

„Bei der Solarpflicht ist es wie bei jeder anderen gesetzlichen Verpflichtung: Es wird angeregt und hitzig darüber diskutiert“ (1).

Bereits im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen heißt es:

„Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden.“

2022 hat die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, eine Verpflichtung zur Installation von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern für Wohngebäude bis 2029 angekündigt — wobei es derzeit auf EU-Ebene so aussieht, dass diese Verpflichtung bis 2030 für neue Wohngebäude gelten soll, sofern es technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist (2).

Sollte es im Zuge der Weiterentwicklung der „Energiewende“ doch zu einer allgemeinen Photovoltaik-Pflicht kommen, würden Individualrechte wieder einmal gesamtgesellschaftlichen Interessen geopfert.

Argumente pro Solardach gibt es zweifellos etliche; sie entsprechen dem öko-bewegten Zeitgeist sowie der Gesamtausrichtung der Politik an der Digitalisierung. Zumal diese sich als fortschrittlich verstehende Technologie immer mehr Dinge unter Strom setzt und insgesamt immer mehr Strom verbraucht (3), während bekanntlich fossile Energieträger zunehmend verbannt werden, muss Strom vermehrt auch über Photovoltaik (PV) produziert werden. Argumente contra Solardach hört und liest man indessen nur selten (4) — und wenn, werden sie ja doch am allerliebsten eher totgeschwiegen als breitgetreten.

Mit dem Solarpaket I hat die Bundesregierung im vorigen Sommer bereits ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht, das den Bau und Betrieb von PV-Anlagen entbürokratisiert und den PV-Zubau beschleunigt (5). Sofern darüber hinaus doch noch eine allgemeine PV-Pflicht diskutiert wird — etwa im Kontext einer Überarbeitung des Bundes-Klimaschutzgesetzes — ist das Hauptargument dafür weniger der in der Gigabit-Gesellschaft weiter steigende Stromverbrauch als vielmehr der Klimawandel. Ob der freilich als solcher wissenschaftlich einwandfrei nachgewiesen ist oder auch in dieser Hinsicht wissenschaftliche Gegenargumente ernster genommen werden sollten, sei hier dahingestellt. Geht man einmal grundsätzlich im Sinne der Bundesregierung von der Notwendigkeit der Energiewende aus, stellt sich dennoch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und Sinnhaftigkeit von möglicherweise erneut drohenden, jedenfalls radikalen Maßnahmen wie der einer pauschalen Entrechtung hinsichtlich des privaten Wohngebäude-Eigentums, zu dem Hausdächer bekanntlich zählen.

Der Wissenschaftsphilosoph Michael Esfeld gibt zu bedenken, Schutz vor menschengemachtem Klimawandel stelle ein verständliches, aber kein absolutes Ziel dar, dem andere Werte einfach zu opfern seien (6). Überhaupt:

„Mögliche pessimistische Szenarien absolut zu setzen, ist so offensichtlich nicht verhältnismäßig, dass die Schlussfolgerung nahe liegt: Es geht nicht um die jeweilige Sache. Es geht darum, etwas zum Anlass zu nehmen, um ein umfassendes System sozialer Kontrolle aufzubauen.“

Diese Sichtweise lässt sich insgesamt auf den Ausbau der Digitalisierung beziehen, mit dem sich für Staaten und Konzerne immer mehr Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten auftun (7). Eine möglicherweise kommende PV-Pflicht würde gut in diesen Kontext passen, denn PV-Anlagen dürften in nicht ferner Zukunft über die Abwicklung und Kontrolle von Stromgewinnung beziehungs¬weise Stromeinspeisung über bald dafür vorgeschriebene Smart-Meter im Zusammenhang mit der dann vorgeschriebenen Anlagen-Größe weitestgehend digital überwacht werden können.

Schön- und Wegreden

Ob PV auf dem eigenen Dach eine gute Lösung darstellt, sollten private Eigentümer selbst entscheiden können. Viele bezweifeln mit Blick auf Rentabilität, Ästhetik, Brandgefahr und Entsorgung der ausgedienten Anlagen den Sinn einer solch teuren Anschaffung.

Eine Hauptsorge betrifft aber insbesondere auch mögliche Gesundheitsschäden durch entsprechenden Elektrosmog. Darf das hehre Ziel des Klimaschutzes womöglich die körperliche Unversehrtheit im Wohnbereich durch unerwünschte Nebenwirkungen riskieren? Greift nicht spätestens hier der Schutz der Grundgesetzartikel 1, 2 und 13?

Während Solarthermie, also die Erzeugung von Warmwasser mittels Dachmodulen als gesundheitlich unbedenklich gilt, ist die Diskussionslage bei der Stromerzeugung durch PV eine etwas andere. Wer sich dazu im Netz kundig machen will, stößt auf eine ganze Reihe von Portalen, die im offenkundigen Interesse von Industrie und Wirtschaft ungefähr alle Sorgen zu zerstreuen suchen — und häufig in Bestell-Angebote münden. Sogar manche Auskünfte von baubiologischer Seite klingen — im Interesse des Klimaschutzes — mitunter beruhigend: Wenn nur genügend abgeschirmt, gefiltert und Abstand gehalten werde, sei PV kaum ernsthaft bedenklich und bringe nicht mehr elektromagnetische Belastung als ein Radio auf dem Nachttisch. Dazu muss man sich freilich erst einmal fachlich vorgenommene Abschirmungen und Filter leisten können, ja über deren Erfordernis überhaupt Wissen angeeignet haben.

Die Dinge sind keineswegs so harmlos, wie es bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein haben mag. Gerade baubiologisch wird ja in der Regel betont, dass der Körper nachts am empfindlichsten auf elektromagnetische Emissionen reagiere und diese daher tunlichst zu vermeiden seien. So manche Hoch- und Elektrosensiblen haben deshalb alle derartigen E-Smog-Quellen aus ihrer nächtlichen Umgebung verbannt. Verpflichtet der Gesetzgeber bald zur Akzeptanz einer gesundheitlich vielleicht nicht unproblematischen Technologie im Wohnbereich? Das verbreitete Schön- und Wegreden von PV-Risiken für die Gesundheit kann bei genauerem Hinsehen kaum überzeugen.

Gewisse Gefahren werden sogar von industrienaher Seite durchaus eingeräumt, um sie freilich anschließend möglichst kleinzureden. Solche Relativierungsversuche sind meist pauschaler Art und nehmen individuelle Wohnsituationen nicht ernsthaft genug in den Blick. Das betrifft primär die Frage der räumlichen Nähe: So liest man auf www.energie-experten.org:

„Der Elektrosmog einer Photovoltaik-Anlage hat nur dann einen spürbaren Effekt, wenn man sich der Anlage stark annähert (z.B. Dachgeschoss).“

Ein Meter Abstand sei folglich zu empfehlen, erfährt man auch auf einigen anderen Portalen, sofern Differenzierung überhaupt so weit geht. Dagegen ist aber Mehreres vorzubringen.

Erstens ist es ein realistischer Wohnumstand, dass sich im Dachgeschoss oft Büroräume, vor allem aber Kinder- und Schlafzimmer befinden, wo manche Schreibtische oder Betten passend just so unter Dachschrägen stehen, dass der 1-Meter-Abstand durchaus unterschritten wird. Da geraten dann Arbeitende oder Schlafende quasi zwangsläufig in eine durchaus bedenkliche E-Smog-Belastung.

Insbesondere die gesteigerte körperliche Empfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Emissionen zu nächtlicher Zeit sollte in einem Land, in dem Schlafstörungen mit dem Fortschreiten der Digitalisierung auffällig zugenommen haben, ernsthafter bedacht werden. Dabei kann über das Betroffensein gerade von Schlafenden auch das Pauschalargument nicht hinwegtäuschen, PV-Anlagen würden ja nur bei Sonnenschein arbeiteten, also „nachts“ überhaupt nicht schaden können. Sind denn nicht zumindest im Sommer die Nächte kurz? Zudem erstreckt sich bei nicht wenigen Zeitgenossen die Schlafenszeit aus beruflichen oder persönlichen Gründen eher wenig, mitunter gar nicht auf nächtliche Uhrzeiten. Obendrein bleibt zu bedenken, dass einige belastende Emissionen von PV-Anlagen unter Umständen über 24 Stunden hinweg ausgehen können.

Das Bedenklichste sind laut Expertenauskunft jene Emissionen, die vom Wechselrichter einer Anlage ausgehen, wenn es sich nicht sogar um „intelligente“ Solarpaneelen mit integrierten Micro-Umformern handelt: Er erzeugt ebenso wie wechselstromführende Leitungen hohe magnetische, nicht abschirmbare Wechselfelder.

Beruhigend wird hierzu gern angeführt, dass ja die Wechselrichter meist im Keller installiert seien und daher die Schlafzimmer nicht tangieren würden. Was aber, wenn manche Wohnenden — aus welchen Gründen auch immer — ihren Schlafraum im Keller eingerichtet haben? Gerade Elektrosensible haben sich oft dafür entschieden, weil dort unten am wenigsten Mobilfunkstrahlung hinzugelangen pflegt.

Dem Mobilfunk ähnlich

Das Problem der Wechselrichter, die Gleichstrom und Gleichspannung der Solargeneratoren in 50 Hz-Wechselstrom- und Wechselspannung umwandeln, reicht aber unter Umständen deutlich über den Keller hinaus — und zwar dank folgenden Dilemmas: Entweder handelt es sich um die billigeren Wechselrichter ohne Trafo; von denen trennen aber manche nicht sauber zwischen der Wechselspannungs- und der Gleichstromseite, was ein elektrisches Wechselfeld auf den Solarmodulen zur Folge hat. Deren Rahmen zu erden, vermag den E-Smog leider nicht hinreichend zu reduzieren. Oder aber die Wechselrichter sind mit einem Hochfrequenz-Trafo versehen; dann haben sie zwar nur geringere magnetische Wechselfelder, dafür jedoch hochfrequente Felder, wie man sie ähnlich vom Mobilfunk kennt.

Hierzu wird zwar beruhigend gesagt, diese Felder ließen sich „relativ leicht abschirmen“. Doch Baubiologen wissen: Reflektierendes Abschirmmaterial kann Probleme mitunter sogar verstärken, wenn es ungünstig oder eben falsch angebracht wird. Aufhorchen lassen sollte insbesondere auch der von Experten eingeräumte Umstand, dass die durch Wechselrichter erzeugten Rückwirkungen ins Stromnetz durch das „Zerhacken“ des Gleichstroms und dessen Umformen in Wechselstrom hochfrequente Oberwellen, also Störspannungen erzeugen.

Verharmlost wird die gesundheitliche PV-Problematik auch gern durch den Hinweis, es sei ja alles amtlich genehmigt und durch internationale Vorsorgewerte abgesichert.

Maßgeblich sind hierzulande die Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung, die sich nach der Grenzwertbestimmung durch einen in München eingetragenen Verein definieren: die Internationale Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP). Dies ist allerdings kein wirklich beruhigender Umstand, wenn man weiß, dass die ICNIRP laut dem einstigen Europa-Parlamentarier Jean Huss „sehr enge Verbindungen zu den Branchen hat, deren technische Neuentwicklungen von möglichst hoch angesetzten, zulässigen Grenzwerten in allen Frequenzbereichen elektromagnetischer Felder profitieren“.

Zwar sind die ICNIRP- Richtlinien von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt und auch von der EU übernommen worden. Doch mittlerweile haben die einstigen EU-Abgeordneten Klaus Buchner (ÖDP) und die kürzlich verstorbene Michèle Rivasi (Europe Écologie) den kritischen Report „Die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung: Interessenkonflikte, ‚Corporate Capture‘ und der Vorstoß zum Ausbau des 5G-Netzes“ in Brüssel veröffentlicht, der übrigens auch als Heft 14 der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie erhältlich ist. Nicht von ungefähr hat zudem in den Niederlanden ein Gericht entschieden, dass die von ICNIRP vorgeschlagenen und in vielen europäischen Ländern gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte den Schutz der Gesundheit nicht sicherstellen.

Wenn mitunter dreist behauptet wird, die viel niedrigen Grenzwerte aus dem Bereich der Baubiologie seien nicht maßgeblich, weil nicht hinreichend wissenschaftlich abgesichert und „nur“ erfahrungsbasiert, so bleibt darauf zu erwidern: Sind nicht umgekehrt die ICNIRP-basierten Grenzwerte ihrerseits wissenschaftlich durchaus fragwürdig? Und steht nicht seit 2022 der ICNIRP eine von kritischen Wissenschaftlern gegründete alternative Organisation gegenüber, nämlich die International Commission on the Biological Effects of EMF, kurz: ICBE-EMF (8)? Was in diesen Zusammenhängen als seriös „wissenschaftlich“ zu gelten hat, ist keineswegs ausgemacht und erst noch ernsthaft auszudiskutieren. Man bedenke, dass die Zeitschrift „Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis“ (TATuP) einräumt:

„Infolge von Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb spielen auch hier externe Geldquellen eine zunehmende Rolle im alltäglichen Projektbetrieb und verändern zugleich zusehends dessen Charakter“ (9).

Was nun PV-Anlagen betrifft, so könnten sie wie dargelegt bei genauerer Betrachtung durchaus ein gesundheitliches Risiko darstellen. Insofern verdienen Solarthermie-Anlagen vergleichsweise den Vorzug, wenn es um ökologische Nutzung von Sonnenenergie geht. Doch sie erzeugen keinen Strom und ermöglichen keine digitale Überwachung. Gleichwohl bleibt es dabei: Klimaschutz für morgen muss so funktionieren, dass er nicht heute die körperliche Unversehrtheit zur Disposition stellt. Eine pauschale (10) gesetzliche PV-Pflicht für alle Dächer darf es keinesfalls geben!

Das dringliche Ziel der Entlastung von Stromnetzen ließe sich im Übrigen durchaus auf anderen Wegen anpeilen, etwa durch gesetzliche Einschränkung von mancherlei hochgradigen und keineswegs unabdingbaren Energiefressern der digitalen Transformation — man denke etwa ans Streamen von Spielfilmen und so fort. Doch daran wird merkwürdigerweise nicht gedacht.