Gebilligte Seelenlosigkeit
Nicht der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Kultur trägt Schuld daran, dass diese zunehmend steril geworden ist. Viele Künstler und Rezipienten haben sich längst herzlosen Maschinen angeglichen.
Ist das KI oder kann das weg? Im ursprünglichen Wortlaut lautet die Frage: „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Diese Redewendung witzelt über die schwere Unterscheidbarkeit zwischen abstrakter Kunst und dem Krempel, der achtlos entsorgt werden kann. Mehr noch als abstrakte Kunst sind nun Kunstschaffende selbst in Folge des Vormarsches der KI von der beruflichen Entsorgung bedroht. Texte schreiben, Bilder malen, Grafiken erstellen, Musik produzieren und bald auch Filme drehen — entweder kann die KI all das schon oder sie ist auf dem besten Wege, es zu lernen. Es ist eine Entwicklung, die den Menschen in der Kunst- und Kulturindustrie den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Millionen Jobs werden zweifelsohne von dieser Entwicklung gefressen werden. Droht nun eine Dystopie, in der all unsere Kulturgüter von einer seelenlosen KI ausgespuckt werden? Es könnte sein, dass diese Entwicklung uns Menschen vielmehr einen Spiegel vorhält, in welchem wir erkennen, dass die Kulturindustrie und damit der Mensch selbst der Kunst das Herz herausgerissen hat. Er war es, der sie durch Normierung, Verflachung und Vereindeutigung massentauglich und damit profitabel vermarktbar gemacht hat. Wenn die Kunst- und Kulturprodukte — und mit ihnen die Rezipienten — immer berechenbarer werden, dann ist es nur der nächste logische Schritt, ihre Erschaffung einer Superrechenmaschine zu überlassen. Doch ist nicht beseelte Kunst mehr als das Endergebnis einer Rechenoperation? Wenn dem so ist, dann liegt im Outsourcing der Fließband-Kunst an die KI eine ganz neue Chance für den Menschen, sich endlich vollumfänglich auf die Bereiche zu fokussieren, die allein beseelten Wesen vorbehalten sind.
Gleicht die KI immer mehr dem Menschen oder wird der Mensch immer mehr wie eine KI? Das ist die Leitfrage, die uns durch diesen Beitrag begleiten wird, wenn wir anhand verschiedenartiger Teilbereiche der Kultur – Film, Musik, Literatur und Malerei – skizzieren, wie „Künstler“ und Rezipienten sich selbst das Herz herausreißen, das Herz, für dessen Fehlen in Kunst und Kultur nun vielfach die KI verantwortlich gemacht wird.
Um diesen Prozess der wechselseitigen Angleichung – die KI, die immer menschlicher, und der Mensch, der immer künstlicher wird – zu skizzieren, müssen wir zunächst eine Unterscheidung zwischen beiden treffen. Vortrefflich differenzierte der Philosoph Byung-Chul Han zwischen dem rechnerischen Erfassen der Welt durch die KI und dem begreifenden Denken, zu dem der menschliche Geist potenziell imstande ist:
„Künstliche Intelligenz denkt nicht, weil sie nie außer sich ist. Geist bedeutet ursprünglich Außer-sich-Sein oder Ergriffenheit. Künstliche Intelligenz mag sehr schnell rechnen, aber ihr fehlt der Geist. Fürs Rechnen wäre die Ergriffenheit nur eine Störung. (…) Heidegger verortet die Ahnung im Herzen. Künstliche Intelligenz ist ohne Herz. Das herzhafte Denken ermisst und ertastet Räume, bevor es an Begriffen arbeitet. Darin unterscheidet es sich vom Rechnen, das keiner Räume bedarf (…). Heidegger zufolge wäre Künstliche Intelligenz insofern unfähig zum Denken, als ihr jene Ganzheit verschlossen ist, mit der das Denken seinen Ausgang nimmt. Sie ist weltlos. (...) Big Data suggeriert ein absolutes Wissen. Dinge verraten ihre geheimen Korrelationen. Alles wird berechenbar, voraussagbar und steuerbar. Eine ganz neue Ära des Wissens wird angekündigt. In Wirklichkeit haben wir es mit einer recht primitiven Wissensform zu tun. Das Daten-Mining legt Korrelationen frei. Hegels Logik zufolge stellt die Korrelation die unterste Wissensform dar. (…) Big Data stellt ein rudimentäres Wissen zur Verfügung. Es bleibt auf Korrelationen und Mustererkennung beschränkt, in denen jedoch nichts begriffen wird. Der Begriff bildet eine Ganzheit, die ihre Momente in sich ein-schließt und ein-begreift. Die Ganzheit ist eine Schlussform. Der Begriff ist ein Schluss. ‚Alles ist Schluss‘ bedeutet ‚Alles ist Begriff‘. Auch die Vernunft ist ein Schluss: ‚Alles Vernünftige ist ein Schluß‘. Big Data ist additiv. Das Additive bildet keine Ganzheit, keinen Schluss. Ihm fehlt der Begriff, nämlich der Griff, der Teile zu einer Ganzheit zusammenschließt. Künstliche Intelligenz erreicht nie die Begriffsebene des Wissens. Sie begreift nicht die Ergebnisse, die sie berechnet. Das Rechnen unterscheidet sich vom Denken dadurch, dass es sich keine Begriffe bildet und nicht von einem Schluss zum nächsten voranschreitet.“ (1)
Basierend auf der oben aufgeführten Unterscheidung soll im Nachfolgenden dargelegt werden, wie sich ein nicht unwesentlicher Teil der menschlichen (!) Rezipienten von Kunst und Kultur immer mehr einer KI ähneln, die selbst nur noch Informationen in sich hineinschaufeln, anstatt sich von der Kunst ergreifen zu lassen. Im Verlauf dieser Betrachtung wird immer eine kategoriale Skala zum Tragen kommen, nämlich die zwischen den Extrempolen „Immersion“ und „Nicht-Immersion“. Das heißt, inwieweit taucht der Rezipient in die ihm dargebotene Kunst ein (Immersion) und inwieweit stellt sie nur eine hintergründige, nebensächliche Bespaßung (Nicht-Immersion) dar?
Dies soll nun anhand unterschiedlichster Kultursparten – Film, Musik, Literatur und Malerei – betrachtet werden.
Filme und Serien
Binge-Watching, Reel-Doomscrolling oder „Serien-Sucht“ – nicht wenige Menschen schauen exzessiv Filme und Serien, als ginge es im Leben darum, möglichst viel davon gesehen zu haben. Um Genuss geht es dabei schon lange nicht mehr. Das Komaglotzen ist durch eine hektische Getriebenheit charakterisiert; denn während der Rezipient auf die Mattscheibe blickt, ist er gedanklich im Hinterkopf bereits damit beschäftigt, was er danach noch alles sehen „muss“. Schließlich bietet die Streaming-Plattform ein schier unendliches, da immer größer werdendes Angebot. Die durch die menschliche Lebenszeit und die maximale Wachzeit begrenzte Aufnahmekapazität verursacht Stress beim Rezipienten. Man kann nicht alles schauen, selbst wenn man es möchte.
Innerhalb dieser Logik ist es so pervers wie naheliegend, die Rezeptionsgeschwindigkeit zu beschleunigen. So bietet Netflix seit 2019 die Funktion an, Filme und Serien in 1,5-facher Geschwindigkeit abzuspielen. Der ideologiekritische Film-Analyst Wolfgang M. Schmitt widmete dieser Abart einen eigenen, äußerst sehenswerten Beitrag. In diesem geht er nicht nur auf die haarsträubende Verhunzung der Filmkunst ein, sondern arbeitet auch weitsichtig heraus, wie der Rezipient – obwohl er zahlender Kunde ist – zu einer Art Schichtarbeiter für Netflix wird. Denn der Streaming-Anbieter lebt schließlich nicht allein von den Abo-Beiträgen der Kunden. Umsätze werden auch oder gerade mit den durch das Sehverhalten erhobenen Daten generiert, die sich gebündelt und analysiert für gutes Geld verkaufen lassen, etwa an Filmproduktionsfirmen, die dann eben genau anhand jener Stellen, die in 1,5-facher Geschwindigkeit rezipiert wurden, erkennen können, welche Stellen den Zuschauer langweilen, um diese dann zukünftig wegzulassen. Somit wird der Konsument, so Schmitt weiter in seiner Analyse, selbst zu einer Art Daten produzierender Maschine. Der nächste logische Schritt wäre die Wandlung hin zu einem Cyborg, der sich dann hunderte Serien am Tag einfach downloadet.
Bereits an diesem Punkt sehen wir, wie die Ausdrucksformen von Kultur-Banausentum ganz ohne KI auskommen. Binge-Watching und Schnell-Schauen sind menschliche Entscheidungen, und auch die technische Umsetzung bedarf keiner KI.
Dabei geht die Entseelung des Bewegtbildes noch wesentlich weiter; dort nämlich, wo wir nun zu der Skala des Immersiven kommen. Der abgedunkelte Kinosaal als immersiver Raum schlechthin hat bei der Film-Rezeption schon längst nicht mehr die Monopolstellung inne wie noch vor rund 20 Jahren. Und selbst dort wird mittlerweile die Immersion durch den primären Screen, nämlich der Leinwand, in dem ansonsten ringsherum abgedunkelten Raum durch aufblitzende Smartphone-Displays gestört.
War der Kinosaal noch ein von der Außenwelt abgegrenzter Raum, der ein zeitweiliges, aber dafür umso intensiveres Versinken in einer anderen Welt ermöglichte, so ist die Film- und natürlich auch Serien-Rezeption „ortlos“ geworden. Geschaut wird nämlich überall: in Fortbewegungsmitteln wie Zügen, Bussen, Flugzeugen, ebenso wie in Wartezimmern. Und es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn manch einer sogar ein paar Minuten länger auf der Schüssel sitzt, um sich in 1,75-facher Geschwindigkeit noch den Cliffhanger der letzten Serienfolge „reinzuziehen“.
Die nicht mehr vorhandene Immersion verunmöglicht selbstredend etwas, was man als „Sehgenuss“ bezeichnen könnte. Es ist ein beiläufiges, extensives, rein berieselndes Watching2Go, ein unablässiges Nuckeln an den multimedialen Euterzitzen der Unterhaltungsindustrie. Zugleich ist es ein permanentes Wippen auf der Schwelle zwischen dem analogen, realen Raum und dem virtuellen Raum der Screen-Rahmen der digitalen Endgeräte, auf denen der Film oder die Serie geschaut wird. Der Rezipient ist in keiner der beiden Welten vollständig anwesend – weder in der realen noch in der fiktiven. In der analogen Welt muss er, etwa in Zügen oder Bussen, stets die Fahrgastinformation auf anderen Screens im analogen Raum beachten, um seinen Ausstieg nicht zu verpassen, und gleichzeitig versinkt er nicht in der fiktiven Welt. Außengeräusche, das Ruckeln der Fortbewegungsmittel, das Getümmel um ihn herum verhindern ein vollständiges Versinken in der Film-Welt. Das Wirken-Lassen von Bildkompositionen, Schnitt, Farbgebung, das Entdecken von Allegorien oder Symbolen sowie andere Aspekte der Filmkunst gehen dabei völlig unter. Es geht – dieser Aspekt wird uns im weiteren Verlauf noch häufiger begegnen – um die reine Informationsaufnahme serieller Abläufe. Beispielsweise: Welche Figur in welcher Serie macht was? Das Wie wird dabei zur absoluten Nebensache. Hierzu nochmal Byung-Chul Han:
„Die symbolische Wahrnehmung verschwindet heute immer mehr zugunsten serieller Wahrnehmung, die nicht zur Erfahrung der Dauer fähig ist. Die serielle Wahrnehmung als fortgesetzte Kenntnisnahme des Neuen verweilt nicht. Vielmehr eilt sie von einer Information zur nächsten, von einem Erlebnis zum nächsten, von einer Sensation zur nächsten, ohne je zum Abschluss zu kommen. Serien sind heute wohl deshalb so beliebt, weil sie der Gewohnheit der seriellen Wahrnehmung entsprechend. Auf der Ebene des Medienkonsums führt sie zum Binge Watching, zum Komaglotzen. Die serielle Wahrnehmung ist extensiv, während die symbolische Wahrnehmung intensiv ist. Aufgrund ihrer Extensität hat sie eine flache Aufmerksamkeitsspanne. Die Intensität weicht heute überall der Extensität.“ (2)
Die Filmkunst wird dabei zu einem audiovisuellen Fastfood-Produkt. Die Geschmacksnerven der Rezipienten sind dabei längst abgetötet. Es geht gar nicht mehr darum, die feinen Noten herauszuschmecken, sondern nur noch darum, sich ganz viel „Content“ reinzustopfen. Dabei handelt es sich um Entwicklungen, die bereits vor rund zehn Jahren – und damit lange vor dem heutigen KI-Vormarsch – erkennbar waren. Und selbst vor dem Erscheinen tragbarer Digitalendgeräte verkam die Filmkunst zu einem Junkfood-Produkt. Man denke nur an die Rezeptionsweise von Spielfilmen, die auf Privatsendern ausgestrahlt und alle fünfzehn Minuten durch schrille, die Immersion verunmöglichenden Werbeblocks unterbrochen wurden. Dass sich die Filme trotz dieser für jeden Genießer unerträglichen Zerstückelung des Streifens hoher Einschaltquoten erfreuten, zeigt die niedrig angesetzte Anspruchshaltung vieler Rezipienten, der eine KI durchaus Genüge tun kann.
Mal mehr, mal weniger, mal teilweise bedingen Kunstschaffende und Künstler einander. So wie es eine Fast-Food-artige Rezeption von (Film-)Kunst gibt, so gibt es selbstredend auch eine Zubereitungsweise, die am Ende ein Fast-Food-gleiches Produkt gebiert. Was bei diesem Aspekt nun zuerst da war, Produktion oder Rezeptionsweise – diese Henne-Ei-Frage kann hier nicht abschließend beantwortet werden. Was allerdings erkennbar ist, das ist die gleiche Schludrigkeit in der Produktion, die der vielfach beobachtbaren Rezeptionsweise der Bewegtbild-Junkies in nichts nachsteht.
Die Rede ist von einem weiteren Aspekt, der uns in den nachfolgenden Punkten ebenfalls noch häufiger begegnen wird: Die Produktion von Kulturwaren von der Stange: vorhersehbar, berechenbar und frei von überraschenden Elementen, die den Kinokassenumsatz oder die Streaming-Zahlen gefährden könnten.
Wenn die Menschen die Kulturgüter zwecks Gewährleistung der rentablen Profitzahlen so berechenbar gestalten und zwecks Schnelligkeit sogar übers Knie brechen, nimmt es nicht Wunder, wenn die KI berechenbare Kunst aus Menschenhand ohne weiteres reproduzieren kann. Die KI hält dem Menschen lediglich den Spiegel vor, in dessen Fläche er sich als unkreative und einfallslose Copy-Cat erblickt.
So ziemlich jeder Filmtrailer ist nach der gleichen Formel gestaltet. Die Plot-Strukturen in den meisten Blockbustern folgen hinlänglich plattgetretenen Pfaden. Oder sie sind von jeder Kohärenz befreit; unter anderem deswegen, weil man sich wohl seitens der Produktion genau den Typus von Rezipienten vor Augen führt, der sich den Film oder die Serie auf dem Smartphone, in der Türlichtschranke des vollgestopften Busses stehend, anschaut und Logiklöcher gar nicht mehr bemerkt. Die angenommene, aber auch messbare Anspruchslosigkeit der Rezipienten verleitet selbst größere Filmfranchises dazu, unlängst etablierte Mindestqualitätsstandards schamlos zu unterschreiten. Bei dem vielfach von Kritikern gerügten „The Marvels“ gab man sich in der Postproduktion nicht einmal mehr die Mühe, die Bildelemente ordentlich vom Greenscreen freizustellen, sodass an den Rändern der Filmfiguren noch ein grüner Streifen zu sehen war. So einen technischen Fauxpas erlauben sich selbst Laien-Filmemacher seit Jahren nicht mehr!
Wenn das inzwischen der Anspruch der meisten Produzenten und Rezipienten ist, dann spricht im Grunde genommen nichts dagegen, einen Großteil der Filmproduktion an die KI auszulagern, die in dieser Hinsicht monatliche Mammutschritte in ihrer Weiterentwicklung macht. Handlung, Ästhetik oder auch nur gute Spezial-Effekte scheinen ohnehin keine Rolle mehr zu spielen. Die Mängel sind auf dem kleinen Smartphone-Display sowieso nicht mehr zu erkennen.
Des Weiteren wird die KI audiovisuell aber auch jenen Ansprüchen gerecht, die als Antipode zur beiläufigen Berieselung Wert auf die totale Immersion legen. Die Immersion als solche stellt keinen absoluten, das heißt, vollumfänglich erstrebenswerten Wert dar, weswegen wir sie hier auch auf einer Skala zwischen Extrempolen betrachten. Die totale Immersion ist die vollständige Abkapselung von der analogen Welt. Virtual-Reality-Brillen (VR) stehen mustergültig für dieses Phänomen zur Verfügung und hatten schon vor dem großen KI-Hype den Status der Marktreife. Die KI vervollständigt lediglich die Möglichkeiten der Eskapismus-Technologie, die das exzessive Komaglotzen zu seiner vollkommenen Vollendung bringt und mit dieser artifiziellen Umgebung das Habitat für die Menschenmassen schafft, die der WEF-Hofphilosoph Yuval Noah Harari als „nutzlose Menschen“ bezeichnet.
Wir sehen: Der Mensch braucht keine Entseelung durch die KI, damit er – frei nach Andrei Tarkowski – „nur schaut, aber nicht sieht“.
Musik
Braucht Musik noch Musiker? Zumindest die Massenmusik entledigt sich mithilfe der KI ihrer menschlichen Produzenten. Eine grob ausformulierte Wunschvorstellung im Textfeld von Musik generierenden KI-Softwares genügt, und schon spuckt die KI binnen Sekunden eine Tondatei aus, an der ein Musik-Produzent mindestens einige Minuten drangesessen wäre, bei einem gewissen Qualitätsanspruch eher sogar Stunden. Dabei beschränkt sich das rechnerische „Musizieren“ keineswegs auf Instrumentals. Mit Text-to-Speech-Programmen lassen sich, je nach KI-Software-Qualität, auch die (Sprech-)Gesänge von Künstlern zu komplett neuen Texten umdichten.
Hat die KI also das Ende des Musikers eingeläutet? Oder hat der Mensch das nicht unlängst selbst getan? Welche Rolle spielt Musik im Alltag des Menschen in Industrienationen im 21. Jahrhundert? Die Bezeichnung „Fahrstuhlmusik“ ist für ihren schwindenden Bedeutungsgehalt stichwortgebend. Die Weltmacht Musik, die es Kraft ihrer Schwingung vermag, zu erheben, zu heilen oder zu schädigen (3), wurde zu einem kakophonischen Hintergrundgedudel degradiert. In Supermärkten und Kaufhäusern schallen die quälenden Laute ungefragt aus schlechten Lautsprecherboxen und malträtieren die Ohren der Kunden, sofern sie diese Malträtierung überhaupt noch als solche wahrnehmen.
Und selbst bei der individuellen, nicht kollektiv aufgezwungenen Musikbeschallung lässt die Anspruchshaltung vieler Hörer die Wertschätzung gegenüber Musik und der sie produzierenden Musiker vermissen. Manch einem genügt es, die Musik über Handylautsprecher zu hören. Wer kann da noch qualitativ den Unterschied raushören, ob das nun von einem echten Musiker oder von einer KI kommt?
Um Ersteren scheint sich auch kaum noch jemand zu kümmern. Die Gleichgültigkeit vieler Hörer, Tänzer und Raver gegenüber den Musikern hat viele Gesichter. So kommt es etwa durchaus vor, dass bei manch einem Techno-Festival der „DJ“ vor der „Crowd“ wilde Gestiken macht, als würde er jetzt gerade in diesem Moment mittels seiner Mix-Technik die Menge zum Beben bringen … während sein Mischpult entweder gar nicht an den Strom angeschlossen ist oder er auf selbigem nur alibi-mäßig herumtippt. Oder sehen wir uns den Umgang der Industrie mit Künstlern im pop-kommerziellen Bereich an. Da werden mal mehr, mal weniger talentierte Acts mit ordentlich postproduktioneller Nachhilfe zu raketenartig aufsteigenden, „newcomenden“ Eintagsfliegen hochgezüchtet, die mit der Stimmgabel aufgeschlitzt, ausgeschlachtet, ausgemolken und anschließend in der Versenkung des Vergessens oder im Dschungel Camp entsorgt werden.
Gerade Playlist-Hörer auf Spotify dürften zu den jeweiligen Musikern – so diese aus oben genannten Gründen überhaupt noch diese Bezeichnung verdienen – gar keinen Bezug mehr haben, da diese im Grunde genommen nur noch als gesichtslose, jenseits der Wahrnehmung agierende Dienstleister betrachtet werden, die schlichtweg für die Hintergrundbeschallung zuständig sind. Sicherlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es immer noch von Wertschätzung geprägte Verhältnisse zwischen Musikern und Fans gibt. Allerdings bekommen auch diese, nicht zuletzt durch den immer noch hochkochenden P. Diddy-Skandal, immer größere Risse, wenn sich vormalige Idole als moralisch nicht integer oder gar als durch und durch verdorben entpuppen.
Auch wenn folgender Gedanke im November 2024 noch abwegig erscheinen mag, so wäre er in schon sehr naher Zukunft ein logischer, da probater Weg, um etwaigen Enttäuschungen durch sich selbst diskreditierende Musiker vorzubeugen: das Eindampfen von Interpreten zu einer schlichten Geschmacksrichtung. Was das konkret bedeutet? Bereits jetzt findet sich im Netz zu jedem größeren Künstler und jeder großen Band ein dazu passender „Type Beat“. Das bedeutet, es gibt Instrumentals, die dem charakteristischen Klangbild des jeweiligen Künstlers/der jeweiligen Band nachempfunden sind. So kann man auf YouTube nach ABBA, ACDC, Drake, Green Day, Manowar, Rakim oder Modern Talking „Type Beats“ suchen – und findet augenblicklich nicht originale, aber doch nach dem jeweiligen Interpreten klingende, menschengemachte Instrumentals. Kombiniert mit der KI und den oben schon erwähnten Text-to-Speech-Tools lassen sich nicht zukünftig, sondern schon jetzt eigene Werke eines Künstlers erstellen … ohne den Künstler selbst.
Die Möglichkeiten stehen mittlerweile bereit, ganze Diskographien zu recyclen, das heißt, diese in den KI-Fleischwolf zu werfen und aus der Mixtur des Ganzen etwas Neues zu kreieren, oder besser gesagt rechnerisch kreieren zu lassen. Schlussfolgernd könnten beispielsweise ehemalige Fans von P. Diddy, die die Musik des Interpreten ob seiner menschlichen Abgründe nicht mehr ertragen können, aber zugleich auf den Sound nicht verzichten wollen, sich nun mit der KI eine P. Diddy „Type Music“ generieren lassen. Machbar wäre also ein neues P. Diddy-Album ... ohne P. Diddy.
Diese sich anbahnende Entwicklung der „musikerlosen“ Musik reiht sich nahtlos in das ein, was Slavoj Žižek über die Entsubstanzialisierung des Lebens schrieb:
„Es scheint, dass wir auf jeder Ebene mehr und mehr ein Leben frei von Substanz leben. Wir trinken alkoholfreies Bier, koffeinfreien Kaffee, essen fettfreies Fleisch, und haben letztendlich virtuellen Sex … ohne Sex.“
Und jetzt haben wir bald auch Musik ohne den unperfekten „Störfaktor Mensch“: Kein Rockstar mehr, der aufgrund seines „druffen“ Zustandes von der Bühne fällt, keine Stars mehr, die mit Skandalen schocken oder mit politisch unkorrekten Aussagen dünnhäutige Gemüter triggern.
Wir sehen in der Musik wie auch beim Film die menschengemachte Entseelung der Kunst, bei der der Übertritt zur KI nur den logischen nächsten Schritt darstellt. Wobei die Überschreitung dieser Scheidelinie zwischen menschlicher und nichtmenschlicher Musik ob der Seelenlosigkeit von den wenigsten bemerkt werden dürfte. Einzig die wenigen verbliebenen und von der KI aufgrund ihres Genius nicht imitierbaren Herzblutmusiker und Lyriker werden in naher Zukunft die Fahne echter Musik hochhalten – jene Musik, die ihren Ursprung bei echten Instrumenten hat und auf Kleinkonzerten, an Lagerfeuern und in anderen intimen Settings erklingt.
Literatur
Das Betreten einer größeren Buchhandelskettenfiliale offenbart beim Anblick der Ausstellertische das gesamte Ausmaß der (fach-)literarischen Monokultur.
Die Belletristik bietet hierfür zahlreiche Beispiele. So versuchen sich skandinavische Splatter-Kriminalroman-Schreiber in Sachen Blutrünstigkeit zu überbieten. Je mehr abgetrennte Körperteile, desto besser, so scheint es. Literarische Blüten sind immer schwerer zu finden. Dass ein „Kim de l'Horizon“ mit seinem Gender-Gaga den Deutschen Buchpreis gewinnen konnte, liefert Zeugnis dessen ab, was aus dem Land der Dichter und Denker geworden ist.
Die Rezeptionsweise – das noch als Randbemerkung zur Immersion – ist dabei auch erstaunlich. Manche Menschen vermögen es doch tatsächlich, Romane im Gehen (!), düstere Krimis am Strand oder Fantasiebücher in vollbesetzten U-Bahnen zu lesen. Wie dabei ein atmosphärisches Eintauchen in die jeweilige Welt mit plastischer Vorstellung des Gelesenen möglich ist, wird wohl immer deren Geheimnis bleiben. Oder es geht – mal wieder – nur um die bloße Informationsaufnahme bei einer seriellen Rezeptionsweise. Wenn dem so ist, dann kann auch die KI den nächsten Sherlock Holmes schreiben.
Bei den Ausstellertischen zu Fachliteratur sieht es nicht besser aus. Sie sind ein Gradmesser dafür, auf welche vorausgewählten Themenfelder das Aufmerksamkeitsspotlight der veröffentlichten Meinung gerichtet ist und welche Diskussionsthemen in den Gesprächsäther der Massen eingeschleust werden sollen. Im Herbst 2024 bot ein Ausstellertisch einzig und allein Bücher zur anstehenden US-Wahl – und das in einer deutschen (!) Buchhandlung.
Nicht unerwähnt bleiben sollte hierbei die Flut an redundanten Biografien, die ungemein viel Platz in den Verkaufsflächen der Buchhandlungen einnehmen. Mittlerweile sieht sich jeder fünfte Zweitbundesligisten-Torwart gezwungen, seine eigene Autobiografie zu schreiben, verziert mit einem überdimensionalen Selbstportrait auf dem Buchumschlag, dessen Inhalt dann zu einem Hybrid aus Biografie und Motivations-Coach-Literatur zusammengepanscht wird.
Kurzum: Auch der Buchmarkt wird immer berechenbarer – und damit von der KI einnehmbar.
Noch eindimensionaler wird der Buchmarkt durch die drohende Vernichtung kleinerer und zuweilen auch kritischer Verlage. Mit ihnen stürbe der von den Großverlagen unabhängige Buchdruck und damit die wesentliche Aus-drucks-form, um oppositionelle, dissidente, gar ketzerische Gedanken für die Nachwelt aufzubewahren. Die EU sieht nämlich eine Gefährdung des Klimas/der Umwelt nicht etwa in ihrer eigenen megalomanischen Aufrüstungsorgie, sondern darin, wenn Buchverlage nicht nachweisen können, dass jede einzelne ihrer Buchseiten von glücklichen und nachhaltig abgeholzten Bäumen kommt. Somit tritt bereits ab Ende nächsten Jahres die neue EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR - EU 2023/1115) vollständig in Kraft, die Verlage genau dazu verpflichtet. Real und kostengünstig umsetzbar? Ausgeschlossen! Wenn sich dagegen kein Widerstand, kein Gegendruck formiert, ist das der Tod für die Bücher, die nicht von den großen Verlagen kommen. 2026 wären dann die explodierenden Kosten die Flammen, denen die Bücher zum Opfer fallen, noch ehe sie geschrieben werden. Die Fluchtbewegung würde in Richtung der E-Books gehen, die sich aufgrund ihrer elektronischen Wesenheit nachträglich verändern, gendern, manipulieren, zensieren und hinsichtlich dem Leseverhalten ihrer Leser für Big Data ausgelesen werden können. Wenn die vielen kleinen Verlage dazu übergehen müssten, ihre Bücher mangels Druckfinanzierbarkeit auf E-Books anzubieten, wäre das ein neues Festmahl für die KI, die aus den Daten noch mehr Informationen gewinnen und damit zu einer sich intensivierenden Eindimensionalisierung des Buchmarktes beitragen kann.
In unserer Gegenwartsgeschichte sind wir nur wenige Buchseiten entfernt von der Dystopie, in der Bücher nur noch „on demand“ rechnerisch geschrieben werden, gemäß der Präferenzen und Wunschbefehle der User. Wo menschliche Autoren eine Schreibblockade haben, spuckt die KI Textlawinen aus, die offenkundig den Ansprüchen genügen, die viele Leser wohl an die von der Stange kommenden Werke haben. Dann entfällt ein kollektiver Kulturschatz: Bücher, die gemeinsam mit anderen rezipiert werden, aus denen man sich gegenseitig vorliest. Jeder hat nur noch seine maßgeschneiderten, auf die eigenen Wünsche zugeschnittenen Bücher, die schlicht durch eine kurze Eingabe der Rahmenhandlung, Ort-, Zeit- und Personenangaben im Textfeld generiert werden können.
Schon jetzt (4) kommt die KI beim „Schreiben“ von Büchern, gerade in der Sachliteratur, zum Einsatz. Da stellt sich die Frage, ob es wirklich noch einen Menschen braucht, um den 127.458. Splatter-Krimi aus Norwegen oder den nächsten Kassenschlager über das nächste Aufreger-Thema, „the next current thing“, zu schreiben? Heute ein Skandal, und schon liegt am nächsten Tag das Buch frisch gedruckt in den Läden, aus den algorithmischen Federn einer KI, die der Nostalgie halber noch mit einem Autorennamen vermenschlicht wird. Auch das ist schon branchenüblich (4). Das reißerische Buchcover, das heute den dürftigen Inhalt zwecks Verkaufssteigerung kompensieren muss, kann ebenfalls von der KI generiert werden. Dazu kommen wir jetzt im nächsten Unterpunkt.
Malerei
Stunden, meist sogar tagelang, saßen die bekanntesten Maler der Weltkultur an ihren Werken, die teils bis heute ikonografisch sind. Was diese Menschen an Details, Gefühlen und Eindrücken kraft ihrer Vorstellung und ihres behänden Umgangs mit Pinsel und Farbe auf die Leinwände zu zaubern vermochten, ließ über Jahrhunderte hinweg den Atem von Kunstliebhabern vor Erstaunen und Ehrfurcht stocken. Heute lassen sich einzelne Buzz-Words in das Textfeld der Bild-Generierungs-KI eintippen – und wenige Sekunden später wirft die KI dem Menschen Bilder beliebiger Stilrichtungen und beliebiger Inhalte vor die Füße. Hier stockt kein Atem mehr. Die Bilder werden achtlos aus dem Kunst-Automaten entnommen.
Die Geringschätzung vieler Menschen gegenüber der Malerei zeigte sich nicht erst in Gestalt der Angriffe von Klima-Fanatikern gegenüber weltbekannten Kunstwerken. 2022 – und nur bis dahin reichen die aktuellen Erhebungen – ist die Zahl der deutschen Museumsbesucher gegenüber der alten Normalität um ein Viertel eingebrochen, während sie in den Jahren der kulturmissachtenden COVID-PsyOp einen historischen Tiefpunkt erreichten. Die in den Fake-Pandemie-Jahren aufgezwungene Digitalisierung vieler Lebensbereiche hat die Verbreitung von Doomscrolling, also dem exzessiven Konsumieren negativer Nachrichten im Netz, befeuert – und damit die Fähigkeit des Menschen schwer beschädigt, seine Aufmerksamkeit für längere Zeit auf ein und denselben visuellen Reiz zu richten und seinen Blick auf diesem schweifen zu lassen. Nicht gerade ideale Voraussetzungen, um bei einem Kunstmuseumsbesuch Bildwerke auf sich wirken, sich gar in der Seele von ihnen berühren zu lassen.
Auch abseits der Malerei ist eine Verflachung des Visuellen allgegenwärtig zu beobachten. In allen gesellschaftlichen Bereichen, ob öffentlich oder privat, ist eine Reduktion des Visuell-Grafischen auf den minimalistischen und globalistischen Stil von international zu verstehenden Icons zu beobachten – beispielsweise bei der Restaurierung und Neuausgestaltung von Traditionsbetrieben wie Gaststätten und Hotels. Deren als altmodisch empfundenes, da schnörkelig und detailreich gehaltenes Logo wird durch ein neues, zeitgemäß-hippes Minimalismus-Logo ersetzt, welches durch seine Einfachheit auch Social-Media-tauglich ist. Die Icons sind durch die sterile Glätte ohne Ecken und Kanten gekennzeichnet, die der weiter oben schon erwähnte Byung-Chul Han als charakteristisch für unsere Zeit erfasste (5), und die es einer KI dann einfach macht, derartige Logos und Symbole binnen Sekunden auszuspucken.
Die Entseelung der Malereikunst erkannte anhand eigener Erfahrung der Künstler und Autor Raymond Unger als Spiegel der Gesellschaft. In seinen Büchern „Die Heldenreise des Künstlers/Bürgers“ skizzierte er die Verkommenheit der Kunst zu einem rein intellektuellen Prozess, der an die Stelle eines seelisch-selbstkonfrontativen Prozesses tritt (6). Eine solcherart entseelte Kunst, die rein aus dem Schoße eines geistigen Denkprozesses, frei von Emotionen, entspringt, muss früher oder später der Übernahme durch die KI zum Opfer fallen. Ob ein Bild oder eine Grafik einem seelisch unverbundenen Menschen oder einer per se seelenlosen KI entspringt, kann der Rezipient nicht mehr auseinanderhalten.
Auch in Bilderrahmen spiegelt uns die KI lediglich, dass der Mensch dem ausschließlich berechnenden Wesen der KI immer ähnlicher geworden ist.
Künstlerische Intelligenz – quo vadis, menschlicher Künstler?
Ich habe versucht zu zeigen, dass es nicht die KI ist, die Kunst und Kultur ihrer Seele beraubt, ihr das Herz herausreißt. Das hat der Mensch durch die Verindustrialisierung und Massenfabrikation von Kunst und Kultur hinlänglich selbst getan. Bei den Kulturfabrikationsprozessen heißt es seitens der Produzenten und Firmen immer, das Produkt (Film, Song, Buch) müsse „sich rechnen“, das heißt, ausreichend Geld in die Kasse spülen, sodass eben nicht nur die Produktionskosten gedeckt sind, sondern dabei auch noch reichlich Profite sprudeln. Der beste Weg, um Kunst- und Kultur-Produkte derart zu gestalten, dass sie „sich rechnen“, ist es, diese Produkte berechenbar zu machen (7): mit Markt- und Zielgruppenanalysen, die nun ebenfalls mit KI von haarfein zu spinnwebenfein präzisiert werden können. Somit bekommt der zum bloßen Konsumenten degradierte Rezipient auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Produkte, die eine Bruchlosigkeit mit dessen Rezeptionsgewohnheiten gewährleisten. Dadurch läuft er gar nicht erst Gefahr, eine Fremdheitserfahrung zu machen, die seine eigene Horizontlinie erweitern könnte.
Die Auslagerung der Produktion an die KI ist lediglich die Vollendung eines Entseelungsprozesses. Die KI spiegelt dem Menschen nicht nur seine kulturelle Ausgelaugtheit. Sie fordert, und das ist das Positive an der Entwicklung, den Menschen heraus – so er das möchte –, sich auf den Genius zurückzubesinnen, der einer rechnenden KI immer voraus sein wird.
Was uns die KI als „Kunst“ darbietet, ist nur das Endergebnis einer – basierend auf der Mustererkennung des bereits Bestehenden – langen und aufwändigen Rechenoperation. Darin steckt kein Geist, kein Außer-sich-Sein, keine seelische Selbstkonfrontation und ... kein Schmerz.
All die Kulturware von der Stange braucht den Menschen als Produzenten nicht mehr. Die Frage ist jetzt, wie das dadurch freigewordene Potenzial dahingehend genutzt werden kann, wieder Kunst zu kreieren, die der KI unzugänglich ist. Der weiter oben schon erwähnte Film-Analyst Wolfgang M. Schmitt konstatierte bereits, dass die KI – nach Andrei Tarkowski –Filme nur schauen, aber nicht sehen kann. Einer KI wäre der Humor eines Quentin-Tarantino-Films unmöglich zu vermitteln, ebenso das maschinell nicht greifbare, da irrationale Verhalten der Menschen in „Taxi Driver“.
Es gibt also dieses gewisse Etwas, dass sich jeder Berechenbarkeit entzieht. Mit der KI ergibt sich eine Chance für den Künstler, der in jedem Menschen steckt, sich in seinem Künstler-Dasein zu behaupten und neu zu entdecken. Befreit vom Joch der „Fließband-Kunst-Produktion“, die nun die KI übernimmt, kann er sich den künstlerischen Prozessen widmen, die ausschließlich beseelten Wesen vorbehalten sind. Darum geht es nun: dieses gewisse Etwas wiederzuentdecken, zu ergründen und zu rekultivieren.
Diese gewisse Etwas schwirrt umher, wenn wir auf Konzerten von den leiblich – und nicht als Hologramm – anwesenden Musikern auf der Bühne ergriffen werden, wenn am Lagerfeuer echte Instrumente als akustische Resonanzkörper zum Einsatz kommen, wenn wir auf der Leinwand die Magie analog gedrehter Filme bestaunen, wenn wir vor echten Gemälden stehen und die physische Materialität statt Pixelanordnungen bewundern, oder wenn wir in einem guten Buch Sätze lesen, bei denen wir ganz intuitiv erkennen können, dass diese Poesie niemals aus der Rechenfeder einer KI gekommen sein kann.