Gazas Wunde heilen

Nur radikaler Verzicht auf Vergeltung könnte im Nahen Osten einen Weg zum Frieden eröffnen.

Vergebung, wie sie in vielen Religionen als Weg zur Heilung verkündet wurde? „Ja, aber zuerst muss noch ein Gegenschlag dem Feind zeigen, dass wir uns zu wehren wissen. Schließlich darf dessen Tat nicht ungesühnt bleiben, dürfen wir keine Schwäche zeigen, sind wir es den Angehörigen der Opfer schuldig, die Täter einer gerechten Strafe zuzuführen ...“ All diese Argumente sind logisch und menschlich nachvollziehbar, aber sie sorgen seit Jahrhunderten dafür, dass Krieg und Gewalt immer neue Nahrung erhalten. Denn wo beide Seiten den Schritt zur Vergebung nicht gehen wollen, setzt sich das Hin und Her gegenseitiger Verletzungen ungebremst fort. Der Universalphilosoph Charles Eisenstein entwickelte auf der Basis einer sorgfältigen Analyse der Geschichte von Nahost einen Friedensplan, der vor allem auf einem Grundprinzip beruht: Beide Seiten müssten das Ziel, anderen Leid zuzufügen, fallen lassen — selbst dann, wenn der Feind dieses Leid durch seine vergangenen Taten „verdient“ zu haben scheint. Ist so ein Friedensplan unrealistisch? Ja, wenn man eine Realität als gegeben annimmt, die seit Jahrhunderten der Logik von Gewalt und Gegengewalt folgt. Die Erbfeindschaft zwischen Israelis und Palästinensern kann nicht enden, wenn wir uns vor einer möglichen Zukunft verschließen, die sich einem radikal neuen Ansatz öffnen müsste, um besser zu sein als Vergangenheit und Gegenwart.

Die Welt verblutet. Lebenskraft verlässt sie durch Wunden, und vielleicht ist der schlimmste Blutverlust jener, der von Gaza ausströmt.

Gazas Wunde schwärt in Hass, Verzweiflung und Grausamkeit und lässt diese Gifte durch den Körper der Welt sickern. Hass infiziert fast jedes Gespräch über das, was dort geschieht; Hass und die Entmenschlichung der Anderen, seien diese „Anderen“ nun die Palästinenser oder die Juden oder einfach alle, die eine andere Meinung haben. Die Grausamkeit, die man in Online-Kommentaren sieht, spiegelt die Grausamkeit, die die Hamas am 7. Oktober an den Tag legte, die Grausamkeit gegen die Palästinenser, die ihr vorausging, und die weitaus größere Grausamkeit, die Israel seither entfesselt hat.

Letzte Woche retteten die israelischen Streitkräfte (IDF) vier Geiseln aus Nuseirat in Gaza, was in ganz Israel überschwänglichen Jubel auslöste. Mindestens 270 Gaza-Bewohner wurden bei der Rettungsaktion getötet, fast alles Zivilisten, hauptsächlich Frauen und Kinder. Das neueste Kriegsverbrechen zu feiern ist nur möglich, wenn man nicht alle Menschenleben gleich wertschätzt. Es ist nur möglich, wenn parteiisches Vorurteil stärker wirkt als humanistische Ethik. So sieht die schwärende geistige Wunde aus, die im globalen Staatskörper Hoffnung, Leben und den Glauben an Menschlichkeit untergräbt.

Mit dem Blutbad im Gazastreifen konkurriert eines von vergleichbarer Größe, das sich im Sudan entfaltet, neben Millionen weiterer Schrecken kleinerer Dimension, bis in den einzelnen Haushalt hinein. Jeder spiegelt die anderen wider. Das Besondere an Gaza ist, dass alle Augen der Welt darauf gerichtet sind. Wenn es im Heiligen Land Frieden geben kann, kann es auch überall sonst Frieden geben. Niemand auf der Welt, in keiner Situation, könnte je noch sagen, dass Frieden unmöglich sei.

Doch tatsächlich scheint Frieden in Palästina unmöglich, ferner und aussichtsloser als je zuvor.

Nachdem ich mehrere Monate damit zugebracht habe, mich über die Geschichte des Konflikts kundig zu machen, bin ich zu meinem ursprünglichen Gespür zurückgekehrt, dass Frieden nicht davon abhängt, dass ein korrektes Geschichtsbild vermittelt wird. Er liegt jenseits der Rechtfertigungen, die jede Seite vorbringt. Deswegen möchte ich einen praktischen Friedensplan vorschlagen, der jeder Seite erlaubt, die Geschichte zu behalten, die sie sich selbst erzählt. Jede Seite kann weiterhin glauben, dass sie Recht hat. Das müssen sie behalten dürfen. Etwas anderes werden sie jedoch aufgeben müssen.

Auf den Vorwurf, dass dieser Vorschlag unrealistisch sei, antworte ich, dass Frieden selbst unrealistisch ist. Er erfordert eine Unterbrechung des normalen Laufs der Dinge, einen Abbruch des uralten Dramas von Schlag und Gegenschlag, Verbrechen, Strafe und Rache, in dem zwar die Besetzung der Rollen von Opfer und Täter wechselt, jedoch nie die Rollen als solche.

„Realistisch“ ist, dass die Geschichte sich wie üblich abspielt. Es gibt ein Moment von Wunder, wenn Kriegsparteien sich für Frieden entscheiden. Frieden erfordert im Wesentlichen Entscheidung, erfordert den Willen, den ansonsten automatisch ablaufenden Teufelskreis von Blutvergießen, Hass und Entmenschlichung zu durchbrechen.

Doch so unrealistisch dieser Vorschlag auch sein mag — er ist nicht unmöglich. Hier seine Kernpunkte:

  1. Amnestie im Austausch für Entwaffnung.
  2. Massiver humanitärer und friedenserhaltender Einsatz aus der ganzen Welt.
  3. Würde, Hoffnung und gleiche Rechte für alle, die im Heiligen Land leben.

Auf dieser Liste fehlen Bestrafung, Rache, Gerechtigkeit und die Wiedergutmachung historischen Unrechts. Die ersten beiden müssen geopfert werden. Die anderen werden indirekt zustande kommen.

Die Idee ist einfach, auch wenn ihre Umsetzung möglicherweise in Phasen erfolgen muss: eine Abfolge von vertrauensbildenden Maßnahmen unter enger internationaler Aufsicht. Hier die grundlegenden Aspekte:

  • Beide Seiten stimmen einem vollständigen, dauerhaften Waffenstillstand zu.
  • Die Hamas lässt alle Geiseln frei und gibt ihre Waffen ab.
  • Israel gewährt allen Hamas-Kämpfern Amnestie und lässt alle palästinensischen Gefangenen frei.
  • Internationale Institutionen wie der Internationale Strafgerichtshof und der Internationale Gerichtshof garantieren allen israelischen Kriegsverbrechern Amnestie.
  • Die Regionalmächte (Katar, Ägypten, Iran, Saudi-Arabien usw.) erklären sich bereit, die Bewaffnung der Hamas und anderer militanter Organisationen einzustellen, eine Verpflichtung, der von internationalen Beobachtern Geltung verschafft wird.
  • Diese Länder beteiligen sich auch an einem internationalen Friedenskorps, das in den Gazastreifen einreist, um die Tunnel zu zerstören und die Einhaltung der Waffenruhe durch beide Seiten zu gewährleisten.
  • Auf das Friedenskorps folgt ein massiver Zustrom humanitärer Unterstützung: Zehntausende Helfer, die den Überlebenden des Krieges Lebensmittel, Kleidung und Gesundheitsversorgung bringen und Wohnhäuser, Schulen und Infrastruktur in Gaza wieder aufbauen.

Das ist nicht alles. Die palästinensische Militanz speist sich aus der Verzweiflung: der Erkenntnis, dass mit friedlichen Mitteln keinerlei Hoffnung auf Würde und Gleichberechtigung zu erlangen sei. Deshalb muss jegliche Friedensplanung einen Weg zu diesen Idealen enthalten. Besonders junge Männer wenden sich der Gewalt zu, wenn sie keine umsetzbare Zukunft sehen. Doch diesem Punkt steht eine traditionelle Zwei-Staaten-Lösung entgegen. Die israelischen Siedlungen haben die Westbank in eine Ansammlung unzusammenhängender Bantustan-ähnlicher Homelands zerteilt. Eine traditionelle Ein-Staat-Lösung ist für die meisten Israelis genauso wenig akzeptabel, denn sie würde die jüdische Bevölkerung zu einer Minderheit im neuen Staat machen, nur knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung.

Es gibt jedoch bereits kreative Lösungsansätze, die über traditionelle Vorstellungen von einem Nationalstaat hinausgehen. Eine davon ist Two States, One Homeland (Zwei Staaten, ein Heimatland — Anm. d. Ü.), ein föderales System, in dem alle Völker, Israelis und Palästinenser, Araber und Juden zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer volle Freizügigkeit und gleiche politische Rechte haben. Grenzen würden Israel und Palästina trennen wie bei einer Zwei-Staaten-Lösung, aber es gäbe keine Mauern und keine bewaffneten Kontrollpunkte … Jüdische Siedler in der Westbank könnten dort bleiben als Bürger Israels, aber Einwohner Palästinas, und wären dessen Behörden unterstellt; umgekehrt dasselbe für in Israel lebende Palästinenser. Alle würden die vollen gesetzlichen Rechte genießen. Jerusalem wäre eine geeinte Stadt, zugleich Hauptstadt von Israel und von Palästina, ein Ort des Friedens und der Wallfahrt unter der gemeinsamen Verantwortung aller Religionen, denen er heilig ist.

Dieser Plan verlangt den Menschen, die derzeit im Konflikt gefangen sind, viel ab. Er verlangt, dass sie das Unverzeihliche verzeihen. Jede Seite glaubt, dass sie im Recht ist, und dass die andere unverzeihliche Verbrechen begangen hat. In Wahrheit haben das beide Seiten getan. Es geht hier nicht darum, dass jede Seite gleichviel Schuld an der gegenwärtigen Lage trägt. Es geht darum, dass — egal, welche objektiven historischen Begründungen die jeweilige Seite für ihre Sache vorbringt — jede glaubt, völlig im Recht zu sein. Deswegen werden beide dem Gott des Friedens ein Opfer bringen müssen. Dass die andere Seite endlich zugibt, im Unrecht gewesen zu sein, das muss geopfert werden. Dass die Scheusale auf der anderen Seite für immer bestraft werden, das muss geopfert werden. Die Wiedergutmachung bestimmter historischer Ungerechtigkeiten muss geopfert werden. Der Weg zum Frieden verlangt das Aufgeben solcher Ziele.

Darum ist Amnestie ein Schlüsselelement dieses Friedensplans. Amnestie ist die politische Entsprechung von Vergebung, und Vergebung ist die Quelle des Friedens. Warum? Weil Vergebung bedeutet, den Wunsch, Vorsatz und Plan aufzugeben, dass jemand, der dir Unrecht getan hat, zu Schaden kommen soll. Vielleicht findest du, dass du im Recht bist, aber dennoch willst du keine Rache. Du willst nicht bestrafen. Selten stellt jemand seine Feindseligkeiten ein, weil er überzeugt wurde, dass seine Sache nicht gerechtfertigt ist. Es ist sehr schwierig, jemanden zu überzeugen, dass er Unrecht hat. Es ist viel leichter an den Teil von ihm zu appellieren, der — Recht oder Unrecht — jemand anderem nicht schaden möchte. Natürlich kann man Menschen nicht dazu zwingen, einander zu vergeben, vor allem nicht die Juden und Muslime Palästinas. Da es jedoch um die Ebene der Politik geht, ist Amnestie als erster Schritt ausreichend. Sie bietet nicht nur Kriegsverbrechern eine Alternative zum Kampf bis zum Tod, sondern sie durchbricht den Teufelskreis der Rache, der künftige Kriege unausweichlich macht.

Es ist unwahrscheinlich, dass Israelis oder Palästinenser die historischen Narrative aufgeben, laut derer sie Recht haben und die andere Seite Unrecht. Ich habe versucht, und bin weitgehend dabei gescheitert, die Überzeugung eines Mannes — Robert F. Kennedy Jr. — zu verändern, der tief in einem „Pro-Israel“-Narrativ steckt.

Er begegnet jeder Argumentation dadurch, dass er sich auf etwas beruft, das ich für „gestutzte Geschichte“ halte: ein Konstrukt aus tendenziöser Pseudo-Gelehrsamkeit und aufbereiteten Fakten, konstruiert in einem Parallel-Universum aus zionistischen Einrichtungen, Zentren, Fakultäten und Denkfabriken. Zweifellos hält er mich für ähnlich verblendet, wenn ich mich auf Autoren wie Rashid Khalidi, Ilan Pappe, Norman Finkelstein und Max Blumenthal berufe. Wenn ich die Meinungen eines einzigen Mannes nicht verändern kann, der noch nicht einmal Konfliktpartei ist, welche Hoffnung besteht dann, auf dem Weg der Argumente Frieden zu erreichen? Wir müssen an etwas jenseits des Verstandes appellieren. Wir müssen an die Entrüstung appellieren, die sagt: „Es ist mir egal, ob das Gemetzel gerechtfertigt ist, es muss so oder so aufhören!“

Was weiß ein unter Trümmern blutendes Kind von Rechtfertigungen? Ich habe es aufgegeben, Kennedys Überzeugung in dieser Angelegenheit zu verändern, aber ich vertraue auf die Güte seines Herzens und deren Kraft, die ihn zum Frieden leiten kann.

Die Menschen können sich selbst die absurdesten Narrative einreden, besonders wenn diese Narrative eine moralische Identität bieten und das Bedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit ausnützen. Eines der ursprünglichsten ist dabei das Narrativ, das den wütenden Mob auf sein Opfer lenkt. Kriegspropaganda verfeinert dieses ursprüngliche Narrativ der Opfergewalt, kleidet es in alle Arten von vernünftig oder ethisch klingende Begründungen.

Es bedarf enormer Courage, dem Mob die Stirn zu bieten. Wer das tut, läuft Gefahr, zum nächsten Opfer von dessen Raserei zu werden. Nun ja: Courage bedeutet wörtlich Herzenskraft. Gewiss gibt es diejenigen, die so von Hass erfüllt sind, dass in ihren Herzen kein Raum mehr für Mitgefühl ist. Manche von ihnen haben hohe Führungspositionen in der Welt inne. Je nachdem, wie verschlossen ihre Herzen sind, reagieren sie vielleicht nur auf Druck, Eigennutz und Gewalt. Aber die meisten Menschen, sogar in der politischen Klasse, haben genügend Herzenskraft, um zu Mitgefühl fähig zu sein.

Dort liegt die Hoffnung. Sie liegt in dem, was ich Versöhnlichkeit nenne: das Ziel, anderen Leid zuzufügen, aufzugeben — sei es auch noch so gerechtfertigt — und in die Zukunft zu blicken statt in die Vergangenheit. Der Plan, den ich dargelegt habe, ist nur in dem Maße realistisch, in dem Menschen auf allen Seiten die Kraft zur Courage haben. Er ist nur realistisch, wenn wir diesen Teil der menschlichen Natur erkennen und ihn zum Ausdruck bringen. Das ist die Essenz der Friedensführerschaft. Ein Friedensführer kann immer noch eine Meinung darüber haben, welche Seite Recht hat und welche Unrecht, aber er handelt von einer höheren Warte aus, und diese Meinung wird mit der Zeit und in dem Maße, in dem die andere Seite menschlicher gesehen wird, unweigerlich milder.

Um eines klarzustellen: Versöhnlichkeit bedeutet nicht, zu vergessen oder so zu tun, als sei etwas nicht geschehen. Sie bedeutet nicht, den Täter zu unterstützen oder Ungerechtigkeit weiterhin zuzulassen. Deswegen muss die politische Amnestie mit konkreten, nachvollziehbaren Schritten hin zu Sicherheit, Würde und Menschenrechten einhergehen.

Es mag den Anschein haben, als erfordere der Friedensplan, den ich dargelegt habe, viel mehr Opfer von der israelischen Seite als von den Palästinensern, die endlich die Ziele ihres jahrzehntelangen Kampfes erreichen würden: Würde, gleiche Rechte und ein Heimatland. Allerdings würden die Juden in Israel etwas ebenso Wichtiges gewinnen, das Ziel nämlich, dem der Krieg in Gaza angeblich dienen soll: Sicherheit. Es bedeutet keinerlei Sicherheit, ständig eine in Gefangenschaft gehaltene Bevölkerung zu überwachen, ein Pulverfass der Verbitterung, das jeden Augenblick in heillose Raserei explodieren kann.

Unermüdliche Wachsamkeit bedeutet keine echte Sicherheit. Echte Sicherheit bedeutet Nachbarschaftlichkeit, gute Beziehungen, Ungezwungenheit. Abgesehen davon ist das erklärte Kriegsziel Israels — das weitgehend den Vorwand für das Langzeit-Ziel einer ethnischen Säuberung bedeutet —, die „Hamas auszulöschen“, unmöglich. Mit jedem Massaker, jedem Luftangriff, jedem in israelischen Gefängnissen verschwundenen Verdächtigen wird ein neues Hamas-Mitglied geboren als Sohn, Bruder oder Neffe des Opfers. Im weiteren Sinne gießen die Unterdrückungsmaßnahmen, die im Namen der Sicherheit getroffen werden, Öl in das Feuer der Verbitterung, die genau diese Maßnahmen notwendig macht.

Ganz sicher gibt es in Palästina Menschen, die nicht Würde, Gleichberechtigung und ein gemeinsames Heimatland anstreben, sondern stattdessen die Ausrottung der Juden. Gleichermaßen gibt es in Israel solche, die nicht Sicherheit anstreben, sondern eher ein ethnisch gesäubertes Groß-Israel. Wenn diese Antisemiten und Judäo-Faschisten zum Zuge kommen, wird es nie Frieden im Heiligen Land geben. Solche Leute kommen in einem Gesamt-Kontext von Krieg und Hass an die Macht, und sie ernähren sich voneinander. Sie brauchen einander als Existenzberechtigung. Sie treiben einander zu neuen Extremen der Grausamkeit.

Da heute solche Leute an der Macht sind, ist ein internationales Eingreifen zur Lösung des gegenwärtigen Konflikts unerlässlich. Diese Leute repräsentieren, besonders in Israel, die Einstellung weiter Teile der Öffentlichkeit, von der eine Mehrheit in Umfragen angibt, dass die israelischen Streitkräfte in Gaza zu wenig Feuerkraft einsetzen.

Israel wird weder den Krieg von sich aus beenden, noch die repressive Politik zurücknehmen, die ihn angeheizt hat. Die Welt darf ihn nicht länger zulassen. Besonders die Vereinigten Staaten müssen aufhören, die Waffen zu liefern, die seine Fortdauer ermöglichen. Wenn es regionalen und globalen Mächten damit ernst ist, dann ist ein totales Angriffswaffen-Embargo gegenüber allen Konfliktparteien durchsetzbar. Mit weiteren zusätzlichen Sanktionen kann die Welt die Menschen mit den verschlossenen Herzen vorübergehend dazu zwingen, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Aber Frieden ist mehr als das Ende von Feindseligkeiten.

Es muss einen Weg zur Auflösung der Bedingungen geben, die überhaupt erst zu Krieg geführt haben. Darum ist eine mutige Umgestaltung des Heiligen Landes nach den Vorgaben von „Two States, One Homeland“ unausweichlich.

Vielleicht sagen jetzt manche, dass nur die Opfer der Gewalt — und nicht ein außenstehender Beobachter wie ich — das Recht dazu haben, der Rache abzuschwören. Was mich jedoch zu diesem Essay bewogen hat, war genau dies: der Bericht, den ich irgendwo gelesen habe, von einem Palästinenser in Gaza, der mit den Verletzungen, die er in israelischer Gefangenschaft erlitten hatte, im Sterben lag. Fast seine ganze Familie war schon getötet worden. Dennoch sagte er:

„Ich vergebe Israel. Ich vergebe denen, die dies getan haben.“

Vielleicht hatte er eingesehen, dass es eine Gerechtigkeit gibt, die von höherer Art ist als Bestrafung oder Rache, eine höhere Art von Gerechtigkeit als Wiedergutmachung für vergangenes Unrecht. Sie besteht darin, künftigem Unrecht vorzubeugen, nicht nur für das eigene Volk, sondern für alle Völker. Wenn das erreicht werden kann, dann ist keines der Opfer dieses furchtbaren Krieges umsonst gestorben.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text wurde von Christa Dregger, Ingrid Suprayan und Bobby Langer übersetzt und erschien zuerst auf charleseisensteindeutsch.substack.com. Die englische Originalfassung dieses Blogbeitrages ist hier zu finden.