Frieden braucht Toleranz

Ein offener Brief an die Freunde der Friedensbewegung, der die Ausgrenzung Andersdenkender überwinden helfen soll.

Daniele Ganser sagte einmal „Die neue Friedensbewegung ist kein Club, dem man beitritt und jährlich einen Beitrag zahlt, sondern sie ist eine innere Einstellung.“ Deswegen kann man sie auch nicht spalten oder kaputtmachen. Es ist wichtig, dass wir den Riss überwinden, der jetzt schon durch die Gesellschaft geht, wenn wir uns selbst treu bleiben wollen. Besinnen wir uns deshalb auf unsere gemeinsame Verantwortung!

Ausgrenzung für den Frieden?

Das Jahr 2019 war in Sachen Integration und Dagegenhalten gegen Spaltungsaktionen ein großer Erfolg. Owe Schattauer interviewte im Juni Ken Jebsen im Friedenscamp Ramstein (Ramstein-Kampagne) zu seiner Meinung über die Friedensbewegung insgesamt (1). Der zentrale Satz Jebsens für mich lautete sinngemäß: „Wir müssen es hinbekommen, dass auch die konservativen Kräfte mitmachen, wenn es um Frieden geht.“

Ich glaube, auf solch einen integrativen Gedanken hatten, seit Spaltung der Mahnwachen, viele gehofft. Beim Pax-Terra-Musica-Festival im Juli zeigte sich für mich dann deutlich, dass es an der Zeit ist, etwas gegen die Spaltungstendenzen zu unternehmen.

Aber ich will der Reihe nach erzählen: Jemand sollte vom Friedensfestival ausgeschlossen werden. Er wurde gebeten, den Platz — Zelt wie Festplatz — sofort wieder zu verlassen, da die Orga beschlossen habe, dass man ihn nicht dabei haben wolle. Begründung: Der Orga liege ein Video vor, welches deutlich zeige, dass diese Person nicht tragbar sei. Ihr wurde „faschistisches Gedankengut“ vorgeworfen. Jeder, der dabei war, weiß, um wen es sich handelt — was aber eigentlich nichts zur Sache tut.

Auf die Fragen des Ausgeschlossenen, ob er sich denn in einem Gespräch verteidigen könne und welches der Orga-Mitglieder mit ihm reden wolle, bekam er die Auskunft: Nein, man wolle jetzt weder mit ihm reden noch sagen, wer diejenigen seien, die seinen Ausschluss beantragt und befürwortet hätten.

Solidarität statt Lagerkämpfe!

In der tumultartigen Auseinandersetzung entschlossen sich unter anderem Aktivisten von Human Connection, eine Wagenburg um das Auto des Ausgeschlossenen zu bilden, was großen Zuspruch fand. Die Orga musste sich fügen, aber das Verbot, den Festplatz zu betreten, blieb bestehen. Das war der Stand am Freitagabend. Und allen Beteiligten war klar, dass diese Anmaßung sofort ein Ende finden musste.

Der gemeinschaftliche Konsens war deutlich spürbar: „Frieden geht nur gemeinsam!“ und „Wir lassen es nicht länger zu, dass immer dieselben Leute oder dieselben ‚Lager‘ versuchen, andersdenkende Menschen auszuschließen.“ Denn wer kommt schon gerne zu einer Veranstaltung, bei der es um Frieden geht, er aber befürchten muss, wegen seiner persönlichen Überzeugung wieder weggeschickt zu werden? Allen war klar: Das muss aufhören!

Und es hörte auf — trotz Interventionsversuchen derjenigen, die gewisse Gedankeninhalte und Äußerungen pauschal aussortieren wollten. Sie haben es nicht geschafft! Diesmal hatte sich der Wille, wirklich Frieden zu machen ohne Bedingungen — solange man nicht gegen die Menschenrechte und die Freiheit anderer verstößt — deutlich durchgesetzt. Das war eine gute Erfahrung! Und das wertet für mich persönlich dieses Festival immens auf. Das Ende der Geschichte war dann, dass die „Fraktion der Ausschließenden“ am Samstagabend auf eigenen Wunsch und wutentbrannt den Festivalplatz verließ. — Schade!

Für mich war es aber auch ein deutliches Zeichen des Friedens statt des „divide et impera“. Meine persönliche Lehre, die ich daraus ziehe, ist: Menschen, die immer wieder dazu beitragen, dass Andersgesinnte ausgeschlossen werden und nicht mitmachen dürfen, wenn es um konstruktive soziale Aktionen geht, arbeiten — bewusst oder unbewusst — im Grunde genommen für die Staatsmacht beziehungsweise für die Eliten, die von solchen Spaltungen in der Gesellschaft profitieren.

Wer die Friedensbewegung in der DDR miterlebte — oder auch den Film Weissensee gesehen hat —, konnte beobachten, mit welchen Methoden solche Menschen arbeiten oder arbeiten müssen. (Und ich füge hinzu, dass diejenigen, die sich damals als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) betätigten, dies oft taten, weil sie erpresst wurden.)

Für mich ist klar: „Jeder Spazierstock hat ein schmutziges Ende.“, selbst wenn er aus Gold ist. Deshalb suche ich für mich nicht nach Schuldigen, sondern nach meinem Part an Verantwortung für das Geschehen. Daher verfalle ich jetzt auch nicht dem Umkehrschluss: Die „Spalter“ dürfen nicht mehr mitmachen, sondern meine vielmehr: Sie dürfen gerne dabei sein, aber für verantwortungsvolle Positionen oder Aufgaben sind sie ungeeignet, solange sie friedliche Menschen undifferenziert allein wegen ihrer „dissidenten“ Ansichten nicht mittragen können oder wollen.

Klimawandel — der neue Spaltpilz?

Das war eine Fortune! — Aber wie es oft so ist, nun trennt etwas Neues die Gemüter: der Klimawandel. Auch hier finden sich dieselben Mechanismen wie einst bei der Spaltung der Friedensmahnwachen, der Ramstein-Kampagne und dem Pax-Terra-Musica-Festival.

Wollen wir das wirklich noch einmal? Uns spalten lassen? Sind wir wirklich so sehr auf unsere persönliche Meinung und Perspektive — wie auch immer die aussieht — fixiert? Ich dachte, wir hätten etwas dazugelernt! Da laufen offen und auch im Hintergrund die übelsten Dinge ab. Ist das Frieden? Spaltung, verbissene Meinungskämpfe, neue Feindschaften, Krieg — wollen wir das?

Bitte reißt euch zusammen! Steht zueinander, gemeinsam für den Frieden!

Alles andere kann dann später erörtert werden. Und NEIN, das Argument, das ginge diesmal nicht, weil wir keine Zeit mehr hätten, ist nicht wahr! Es kommt aus der gleichen Richtung wie die sozialen Spaltungstendenzen. Denn die meisten Skeptiker des menschengemachten Klimawandels sind sehr wohl umweltbewusst und sehen die Auswirkungen unseres ungehemmten Konsumverhaltens ganz deutlich — und auch sie machen da nicht mit!

Man sollte sich doch darüber verständigen können, dass auch ihre Kritik vielleicht aus Sorge um die Menschheit geschieht — und dass man vielleicht bei der einseitigen Fokussierung der Massen auf ein bestimmtes Problem den Blick für das Ganze und für die Zusammenhänge verliert.

Überlegt euch, für was Ihr aktiv sein wollt: für Frieden oder gegen Meinungen!

Audiatur et altera pars | Die Gegenseite ist anzuhören
Ich liebe die Menschen — nennt mich naiv.
Mari Koffend


Quellen und Anmerkungen:

(1) , Doku: Stopp Airbase Ramstein 2019 auf „eingeSCHENKt.tv“,https://youtu.be/Fv0ZNlU6qLg ,ab Minute 9:26.