Freiheit, Wecker!
In einem offenen Brief konfrontiert eine ehemalige Weggefährtin Konstantin Wecker mit seinem Schweigen zu brisanten politischen Themen und zur Verweigerung des Dialogs mit Andersdenkenden.
Älter ist er zwar — wie wir alle — geworden, aber so mancher Beobachter findet, dass Konstantin Wecker nicht mehr der Alte ist. Der Liedermacher war der Sänger der Freiheit schlechthin gewesen. 2020, als ihn die Freiheit am dringendsten gebraucht hätte, tauchte er jedoch im Corona-„Mainstream“ unter und brach den Kontakt zu langjährigen Mitstreitern ab, weil diese sich kritisch zur herrschenden Politik geäußert hatten. Begründet wurde dies mit einem einseitig verstandenen „Kampf gegen rechts“, der sich nicht gegen eine übergriffige Regierung, sondern gegen deren Gegner richtete. Für nicht wenige frühere Verehrer Weckers brach damals eine Welt zusammen. Sie verstanden ihr ehemaliges Idol nicht mehr. Und das ist ein Phänomen, welches sich nicht auf diesen einen Künstler beschränkt. So viele Menschen haben in den letzten Jahren Vorbilder verloren, die lange als wackere Kämpfer gegen jedes Unrecht aufgetreten waren. Um politische Inhalte geht es der Autorin dieses Beitrags aber gar nicht so sehr. Die Gefährlichkeit des Coronavirus etwa kann man so oder so bewerten. Aber über Meinungsunterschiede kann man ja reden, und Konstantin Wecker war immer ein Mann des lebendigen Dialogs, der Provokation, ja der Unkorrektheit gewesen. Was Alexa Rodrian schockierte, war die allgemeine Gesprächsverweigerung seitens des Liedermachers, die Abwendung oft ohne Abschied, das beharrliche Schweigen zu Themen, zu denen engagierte Künstler jetzt am allerdringendsten Nein sagen müssten: vom Abbau der Demokratie und dem Schwinden der Redefreiheit bis hin zum verheerenden Gaza-Bombardement. Dieser offene Brief ist zwar eine deutliche Kritik, jedoch auch eine ausgestreckte Hand: die Bitte, den Dialog wieder aufzunehmen.
Lieber Konstantin,
dein Buch „Die Kunst des Scheiterns“ reflektiert für mich einen Menschen, der imstande ist, kritisch auf sein Selbst zu blicken, und deshalb erlaube ich mir, dir diesen öffentlichen Brief zu schreiben.
Ich will dich erreichen, dir Fragen stellen, mit dir sprechen, in einen zugewandten Diskurs mit dir gehen. Und unsere seinerzeit gemeinsam gegangenen Wege lassen mich hoffen, dass du verstehst, warum ich dich hier sozusagen auffordere, doch noch einmal genauer hinzuschauen, was mit uns und einigen anderen deiner Kollegen und Wegbegleiter in den letzten Jahren geschehen ist.
Hierzu ist es leider unabdinglich, dass ich weiter aushole, und ich möchte dich daher um einen Moment deiner Zeit bitten.
Vor ein paar Monaten waren wir, so wie auch du, in Bremen; du hast ein Konzert in der „Glocke“ gegeben und wir in einer spanisch-albanischen Fußballvereinskneipe. Es war einer von den vielen neuen Auftrittsorten in unserem Leben, ein wenig bizarr, aber trotzdem schön; mehr dazu später.
Früher hätten wir uns wahrscheinlich getroffen, backstage oder in irgendeiner Kneipe bei Chablis und Bier, um über das Leben zu philosophieren, politische Diskurse zu führen, voller Emotion und Idealismus, meist eine Idee, immer ein gemeinsames Ziel — einig waren wir uns, für so lange Zeit.
Fast vierzig Jahre warst du ein politisches und auch musikalisches Vorbild für mich. Auch warst du ein persönlicher Mentor in meinem Leben und hast maßgeblich dazu beigetragen, dass ich als junge Frau den großen Schritt ins Musikerinnen-Dasein überhaupt gewagt habe. Dafür danke ich dir.
Nun aber stellt sich die Frage, was ist aus „deiner oiden“ Alexa geworden? Über mich wird in den letzten Jahren gesagt, ich sei rechtsoffen, Querdenkerin, Antisemitin und so vieles mehr, welches aufzuzählen nicht wirklich nötig ist, da die drei ersten Lügen ja schon genügen, um ein Leben lang diskreditiert zu bleiben.
Sag, lieber Konstantin, warst du nicht eigentlich auch immer „rechtsoffen“?
So las ich es in deinem Buch „Mönch und Krieger“, du weißt schon, die Umarmung des Neonazis. Mein Gott, habe ich dich abgefeiert dafür, dass du diesen Menschen mit Zuwendung entwaffnet und wahrgenommen hast, für das, was er war — enttäuscht und vergessen —; du hast doch gewusst, wo er zum Teil herkommt, der Rechtsruck, und dass es nichts bringt, diese Menschen noch mehr zu ignorieren, noch mehr an den Rand zu schieben und ihnen das Wort zu verbieten.
Du wolltest doch immer reden, die Menschen und ihr Handeln verstehen — oder habe ich da etwas missverstanden ?
Ach, und wie oft habe ich dich querdenken gehört: als kreativen, spirituellen und geistlichen Menschen gemeinsam mit Eugen Drewermann, als wissenschaftlich interessierten Menschen gemeinsam mit Gerald Hüther. Eben als einen diskursoffenen und differenzierungsfähigen Menschen.
Natürlich warst auch du immer für eine friedliche Lösung im Nahen Osten, ein unabhängiges freies Palästina und ein angstfreies Israel. Der „Jüdischen Stimme“ hast du den Rücken gestärkt, als sie nach Israel-Kritik abstruserweise auch den Stempel Antisemiten aufgedrückt bekamen.
Seit über drei Jahren stelle ich mir nun aber die Frage, wo ist er nur hin, „mei oida“ Konstantin?
Ich rekapituliere: Angefangen hat es wohl 2020 mit deiner Aufforderung an die Redakteure der Plattform „Hinter den Schlagzeilen (HDS)“, die du und Annik Wecker einstmals gegründet hatten, nichts mehr von Rubikon zu verlinken und zu publizieren, sich gar ganz von dem alternativen Medium zu distanzieren. Coronakritische Beiträge sollten gänzlich aus dem Programm von HDS gestrichen werden, und nicht nur das: In für mich sehr patriarchaler Manier wolltest du deinen Freund und Chefredakteur Roland Rottenfußer kündigen lassen, weil er weiterhin auch für das Magazin Rubikon, den Vorläufer von Manova, schrieb.
Auch Jens Fischer Rodrian, mein Mann und Musiker in deiner Band, der zu dem Zeitpunkt bald 20 Jahre mit dir auf Tour gewesen war und dessen politische Gesinnung du bis aufs Mark kanntest, fiel, als Autor bei HDS, diesem Rundumschlag zum Opfer.
Die meisten von dir dazu Aufgeforderten haben sich dieser Zensur nicht gebeugt. Aus gutem Grund: Sie hatten das Fundament einer funktionierenden Demokratie offensichtlich richtig verstanden, so wie du doch auch, oder?
„Wer im Stich lässt seinesgleichen, lässt ja nur sich selbst im Stich“, so zitiertest du unlängst Bertolt Brecht in deinem Solidaritätsaufruf für die „Letzte Generation“, in dem du dich so vehement gegen vom Staat ausgehende Repressionen äußerst.
Was hab ich denn hier jetzt schon wieder nicht verstanden? Offensichtlich sind Repressionen gegen Menschen, die deiner Meinung sind, verwerflich — jedoch Repressionen gegen Menschen, denen du nicht zustimmst, werden toleriert, und nicht nur das: Sie werden sogar von dir persönlich vorgenommen.
Nun ist mein Ton ein wenig bitter und sarkastisch geworden, und ich hadere arg mit mir: Steht es mir zu, dir so öffentlich zu schreiben? Diese Frage stelle ich mir nun schon sehr lange, aber was bleibt mir, die ich hier wahrscheinlich stellvertretend für viele schreibe — denn das Gespräch, das hast du uns bisher schlicht verweigert.
Wie kann es sein, dass du gänzlich und ohne ein Wort den Kontakt zu Menschen abbrichst, mit denen du zuvor jahrzehntelang gemeinsam gegen schwere Missstände in diesem Land und Verletzungen der Menschenrechte in der ganzen Welt musiziert und gekämpft hast?
Wer hat hier die Gesinnung verändert, ist meine Frage an dich; sind wir nun wirklich rechtsoffen, weil wir uns gegen jegliche Art der Einschränkung unserer Grundrechte wehren — im Klartext, weil wir zum Beispiel andere Meinungen zulassen, koste es, was es wolle?
Du weißt doch noch: „Obwohl ich völlig anderer Meinung bin als Sie, würde ich mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen können“ (Evelyn Beatrice aus dem Buch „Friends of Voltaire“).
Wie unglaublich auch dieser pervertierte neue Trend, dass —wenn man andere Perspektiven zulässt, wahrnimmt, sich konstruktiv mit ihnen auseinandersetzt — angenommen wird, man stimme mit ihnen überein.
Ich bin zutiefst erschüttert, Konstantin, dass ein Mann, dem ich einst so viel politische Integrität zuschrieb — und von ganzem Herzen immer noch zuschreiben will —, sich seit vier Jahren meist in Schweigen hüllt, wissend, dass gegen vormalige, langjährige Wegbegleiter dauernde Menschenrechtsverletzungen propagiert und auch ausgeführt werden.
Weißt du, wovon ich spreche? Verzeih mir das provokante Nachfragen, aber es fällt mir wirklich schwer zu glauben, dass du schweigen würdest, wüsstest du, was uns und vor allem anderen in diesem Lande widerfährt?
Google doch mal den von dir immer so bewunderten Eugen Drewermann oder Gerald Hüther und staune, was da so geschrieben wird. Und als jüngst dazugestoßener Feminist sollte dir auch nicht unbekannt sein, was man in letzter Zeit so alles über Alice Schwarzer munkelt und dass man ihr neuestes Buch gar von den Buchmessen verbannt.
Sahra Wagenknecht, die sich als eine der wenigen gemeinsam mit Oskar Lafontaine gegen die Impfpflicht, gegen 2G und die damit verbundenen schlimmen Diskriminierungen eingesetzt hat, wird auch unaufhörlich mit diesen dümmlichen sowie gefährlichen Rechts- und Antisemitismus- Vorwürfen bedrängt und verleumdet.
Wie sagte meine der Shoah entkommene 92-jährige Bekannte neulich? „Kaum etwas verharmlost den Holocaust mehr als dieser verantwortungslose, leichtfertige und so inflationäre Gebrauch der Wörter ‚rechts‘, ‚Nazi‘ und ‚Antisemit‘.“
Ach ja, und zum neuen Polit-Jargon gehört es jetzt auch, Pazifisten, die sich gegen Waffenlieferungen einsetzen, als „gefallene Engel aus der Hölle“ zu beschimpfen — erschreckende Polemik, findest du nicht auch?
Nun, und dann wären ja da neben uns auch noch deine anderen, von dir vormals hoch geschätzten Kolleginnen und Kollegen:
- Lisa Fitz macht den Anfang und scheint ähnlich wie wir völlig verloren, weil die ja bei Nachdenkseiten rumhängt;
- und die Gruber Monika schmeißt das Handtuch; die steht wohl so rechts, dass sie den Halter nimmer findet;
- und der Söllner hat sich auch so quergestellt, dass man sich von ihm auch bei sogenannten Friedensfesten distanzieren muss. Und der dürft sowieso nimmer, weil ja seine Frisur kulturell angeeignet ist, wie unlängst auch die junge Musikerin Ronja Maltzahn schmerzlich erfahren musste, als sie aufgrund des so salonfähig gewordenen neuen Cancel-Culture-Wahns von Fridays for Future wegen ihrer Dreadlocks ausgeladen wurde.
Sag, haben wir uns alle wirklich so verirrt, dass wir eines Gesprächs nicht mehr würdig sind?
Kann es wirklich sein, dass dir entgeht, in welch großer Gefahr wir und unsere Demokratie uns derzeit befinden? Eine derartige Diskursverengung beziehungsweise regelrechte mediale und private Hatz und Bedrohung gegen Andersdenkende habe ich in der Form in diesem Land noch nicht erlebt. Allerdings war auch ich da viel zu lange auf einem Auge blind, denn anderen ging es schon viel länger so, und ich bin froh, dass ich heute von ihnen lernen darf.
In der Süddeutschen Zeitung habe ich gelesen, dass du jeden, der dich mit den Querdenkern in Verbindung bringt, rechtlich belangen würdest. Auch hier muss ich fragen: Was weißt du denn überhaupt über die sogenannten Querdenker? Hast du dir mal wirklich die Mühe gemacht zu verstehen? Michael Ballweg wurde Nähe zu den Reichsbürgern vorgeworfen, weil er ihnen das Gespräch nicht verweigert hat, so was nennt man Kontaktschuld — mal auf die Spitze getrieben, dir muss doch klar sein, dass deine Neonazi-Umarmung heutzutage deinen Ruf hätte ruinieren können, oder?
Weißt du, dass wir alle nie wirklich Mitglieder der sogenannten Querdenker-Bewegung waren, sondern schlicht kritisch hinterfragt haben — das, was Querdenken eben ursprünglich heißt —, und dass wir mit der neuen negativen Konnotierung dieses Wortes dauerhaft stigmatisiert werden?
Vieles von dem, was ich hier erzähle, ist mittlerweile in zahlreichen Essays und Büchern festgehalten worden, die zwar oft Spiegel-Bestseller sind, aber gemäß der neuen „Bücherverbannung“ sowie Negativ-Propaganda gegen die Autoren kaum Zugang auf Buchmessen finden und von den sogenannten unabhängigen Medien schlicht ignoriert und zensiert werden. Noch eine Tendenz, die ich mehr als bedrohlich empfinde. Was sagst du dazu? Und zu der Tatsache, dass in Deutschland derzeit Tausende „gegen rechts“ auf die Straße gehen, um eine von einem großen Teil der Bevölkerung demokratisch gewählte Partei verbieten zu lassen und damit die einzige parlamentarische Opposition aus dem Weg schaffen zu wollen, während die Bundesregierung an Israel Waffen liefert und aktiv dabei zuschaut, wie ein rechtsradikaler Premierminister unter dem Deckmantel der Selbstverteidigung einen Völkermord begeht? Dazu fällt mir nichts außer blanker Scham ein; „nie wieder“, so denke ich, war anders gemeint — oder?
Zurück zur Vereinskneipe, den Wohnzimmern, Yogastudios, Küchenstudios und vielen ähnlichen Locations mehr, in denen wir nun meist gastieren. Woanders ist es kaum mehr möglich, denn die Veranstalter sind sehr gut im Googeln und sich dabei Falschinformationen einholen, um daraufhin Konzerte schlicht nicht stattfinden zu lassen oder gar kurz vorher abzusagen. Ein paar Ausnahmen bestätigen hier nicht die Regel, aber sie gibt es — ein Hoch auf die Zivilcourage!
Unsere meist privaten Veranstalter haben in den letzten Jahren mit oft größter Kreativität neue und freie Räume geschaffen — Räume, in denen Diskurs und Divergenz möglich sind.
Wir werden respektiert und sehr gefeiert für unsere stetigen, klaren und unumgänglich auch mutigen Positionierungen. Gleichzeitig sind wir so eine Art Seelsorger und erfahren dabei immer wieder Geschichten des Leides, das diese Menschen in den letzten vier Jahren ertragen mussten: Ausgrenzung, Jobverluste, Verleumdungen und schwerste Impfschäden. Letzteres wie auch die erstgenannten Punkte sind bisher weder anerkannt, aufgearbeitet noch entschädigt worden.
In New York hingegen haben alle Polizisten, Krankenschwestern und Feuerwehrleute, die ihre Jobs wegen ihres Impfstatus verloren hatten, Entschädigungen und Rückzahlungen von Geldbußen erhalten — es geht also auch anders.
Tatsächlich handelt es sich bei unseren Gastgebern fast immer um enttäuschte SPDler, Linke oder Grüne, die oft brennende Fans von dir waren und noch sind:
Es vergeht kaum ein Konzert, an dem nicht nach dir gefragt wird — oft mit spürbarer Trauer und Verzweiflung, denn diese Menschen fühlen sich mitunter verraten, wenn sie lesen, dass du sie, anstatt das Gespräch zu suchen, verklagen würdest.
Konstantin, wir wollten reden, wir haben gewarnt — Corona haben wir nie geleugnet. Wir wollten einen offenen und demokratischen Diskurs. Wir wollten, dass hoch qualifizierte Ärzte und Wissenschaftler mit anderen Einschätzungen Gehör finden. Wir waren die unabdingbare Antithese im Diskurs und in der Wissenschaft und wurden und werden immer noch dafür abgestraft, und das, obwohl unsere damaligen Ängste und Vorahnungen heute für viele schmerzhafte Realität geworden sind.
Trotz alledem wollen wir immer noch reden. Wir suchen das faire Gespräch, in dem wir voneinander lernen können, unser Andersdenken aushalten können, uns streiten und uns wieder vertragen können — so, wie es mal war, in den alten Tagen.
Ich möchte dich deshalb trotz oder gerade wegen meiner kritischen Fragen in die Talkrunde „Auf Augenhöhe“ von Fair Talk mit Moderator Jens Lehrich einladen! Warum? Ich denke, wir würden ein Zeichen setzen, für ein Miteinander und gegen die Spaltung, für ein Verzeihen und gegen den Hass — für das Verstehen und für die Liebe.
Ich wünsche mir, dass du mein Anliegen und vielleicht auch meine Enttäuschung verstehst, und ich hoffe immer noch — wenn ich es mir in Anbetracht der letzten Jahre auch kaum vorstellen kann —von ganzem Herzen, dass du dich für ein Gespräch öffnen kannst.
Pfiat di,
dei oide Alexa